VANESSA MAI u.a.
Die Doppel-CD "Mein Herz schlägt Schlager – Vol. 2" im Test von Holger Stürenburg!

Warum der Musikkritiker dieses Doppelalbum als “ein zweischneidiges Schwert” erachtet …: 

Im Frühjahr 2015 begründete die Münchener Ariola, das auf deutschsprachige Schlager- und Popmusik spezialisierte Label von SONY, die Aktion/Kampagne „Mein Herz schlägt Schlager“. Hierzu hatte Vanessa Mai, damals noch Frontfrau des Popschlager-Trios „Wolkenfrei“, zwischenzeitlich längst als überzeugende Solokünstlerin etabliert, einen poppig-tanzbaren Hymnus, der eben hieß „Mein Herz schlägt Schlager“, eingesungen – und als Resultat erschien seinerzeit eine Doppel-CD, sowie eine im selben Maße prallgefüllte DVD, die beide einen – selbst, wenn die Geschmäcker der schlageraffinen Musikhörer ohne Frage nicht selten divergieren –  guten und sehr detailgetreuen Überblick über das Schaffen der Ariola im Bereich des Deutschen Schlagers und Artverwandtem boten.

Die Doppel-CD beinhaltete zum einen die größten Ariola-Schlager aus 2014 und 2015, u.a. von Andrea Berg („Himmel auf Erden“), Wolfgang Petry („Einmal noch“), Nik P. („Du musst ein Engel sein“), Roland Kaiser & Maite Kelly („Warum hast Du nicht Nein gesagt?“) und ganz gewiss „Wolkenfrei“ („Ich versprech‘ Dir nichts und geb‘ Dir alles“, „Der Zaubertrank ist leer“). Für die zweite CD hatte das Hamburg-Eppendorfer D.J./Remixer-Duo „Schwebende Wälder“ Ariola-Hits und –Raritäten der 70er, 80er und 90er Jahre ausgewählt, darunter solch exquisite Liedperlen der Sorte „Gaby wartet im Park“ (Udo Jürgens, 1981), „Gloria“ (Lena Valaitis, 1982), „Pistolero“ („Dschinghis Khan“, 1981), „Mädchen, Mädchen“ (G.G. Anderson, 1986) oder „Dann heirat‘ doch Dein Büro“ (Katja Ebstein, 1980). Eine zünftige Mischung aus Altem und Neuem, welche ich HIER rezensiert habe.

Nun gibt es seit einigen Wochen eine Fortsetzung dieser Werkschau zu hören. Wiederum machen bei Ariola bzw. SONY verlegte Titel die Mehrheit des verkoppelten Liederreigens aus. Darüber hinaus aber haben die Verantwortlichen für „MEIN HERZ SCHLÄGT SCHLAGER – VOL. II“ auch bei anderen Firmen, hier federführend UNIVERSAL bzw. Electrola/UNIVERSAL, verschiedene Lieder anlizenziert. Eine DVD ist diesmal nicht mit im Sortiment, gleichsam besteht die Doppel-CD ausschließlich aus insgesamt 43 (!) durchwegs aktuellen Produktionen, ein Rückblick mit Oldies und Rarem ist anno 2016 nicht vorhanden.

Außerdem, so muss man vorab (mit einem gewissen Bedauern) kundtun, sind auf vorliegender Doppel-CD (zu) viele Beiträge enthalten, die zwar auf Deutsch aufgenommen wurden, mit dem Oberbegriff „Schlager“ jedoch häufig gar nicht kompatibel sind. Desweiteren wurden einige originäre Schlager, die ursprünglich tatsächlich in diesem Genre verhaftet sind, Dank oft unnützer, moderner Abmischungen, mit Disco-Fox-Bum-Bum, Techno- und Dancefloor-Effekten angereichert, weshalb sich mancher Schlagertraditionalist in Anbetracht dieser Songkollektion im Sinne des Kollegen Herbert Grönemeyer immer wieder die Frage stellen muss: „Was soll das?“.

Aber immer der Reihe nach. Ich strebe an, so es möglich ist, vorurteilsfrei an die mir vorliegende Doppel-CD „MEIN HERZ SCHLÄGT SCHLAGER – VOL. II“ heranzugehen. In diesem Zusammenhange werde ich die darauf verkoppelten Titel während des ersten Anhörens schnurstracks analysieren, mit angebrachter Kritik sicher nicht hinter der Andrea halten, aber sicherlich (ausnahmsweise) mal versuchen, modischeren, zeitnäheren Arrangements, Umsetzungen und Rhythmisierungen nicht von vornherein negativ gegenüberzustehen.

Auf einen „Persönlichen Gruß“ von Vanessa Mai (in dem diese schon andeutet, um wieviel „frischer“ und „moderner“ die neuen „Mixe“ und „Sounds“ etc. klängen…), folgt sogleich ein seitens des aus dem Erzgebirge stammenden Produzenten-Duos „Stereo Act“, welches zur Jahreswende 2015/16 mit der klanglichen Ausgestaltung des Popschlagers „Die immer lacht“ der Heider Sängerin Kerstin Ott einen Tophit erzielen konnte, verantworteter, rasend-knalliger und dabei keinesfalls unsympathischer Remix von Vanessas ‚atemlos-nächtlichem‘ Mottolied „Mein Herz schlägt Schlager“. „Diese Nacht ist jede Sünde wert“, Anfang April 2016 höchst erfolgreiche Vorab-Auskoppelung aus Andrea Bergs inzwischen mit Platin ausgezeichnetem Nummer-Eins-Album „Seelenbeben“, vernehmen wir nun im rhythmisch-tanzbaren, aber nicht unbedingt nervtötenden „Fox Mix“; die aktuelle Single von Roland Kaiser, die da heißt „Kein Problem“ und dessen grandioser Hit-CD „Auf den Kopf gestellt“ entnommen wurde, erstrahlt in einem voluminösen, drastisch aufgedonnerten „Pop-Mix“.

Der Kärntner Nikolaus Presnik, uns allen besser bekannt als Nik P., bewältigt, akut im Rahmen des überzeichnet techno-angelehnt krachenden, dröhnenden, geradezu aufscheuchenden „Discofuxx RMX“, erneut den, den Namen der Herzallerliebsten tragenden ‚Stern‘, der irgendwo „Da oben“ (Liedtitel) discogrell und vermutlich ob des überzogenen Rhythmus‘ immens nervös und erschrocken leuchtet.

Naja, die dralle Schweizerin Beatrice Egli muss natürlich – hier mit ihrer aktuellen Single „Kick im Augenblick“, zugleich Titellied ihres im April vorgelegten Top-3-Albums – auf einem zeitgemäßen Schlager-Sampler zum Einsatz kommen, aber nicht jeder Schlagerfreund muss den nun noch phonstärker bumsenden „Remix“ dieses 08/15-Popschlagerchens mögen müssen. Auf einem qualitativ gänzlich anderen Level angesiedelt, schickt daran anschließend Rockschlager-Stehaufmännchen Matthias Reim den phantastisch treibenden Folkrock-Verschnitt „Alles, was ich will“, die dritte Single aus seiner hochgelobten Comeback-Scheibe „Phönix“, in der klassischen Albumversion, also gar nicht von einem Remixer nach- bzw. umgearbeitet, kraftvoll ins Rennen. Das erst im Herbst vor einem Jahr ins Leben gerufene Schlager-Trio „KLUBBB3“, bestehend aus TV-Moderator Florian Silbereisen, dem Belgischen Schlagerstar Christoff und seinem niederländischen Kollegen Jan Smit, ist mit dem witzigen, schier göttlichen Radikalohrwurm „Du schaffst das schon“ (im sehr tanzbaren, trotzdem ebenso verträglichen „DJ Mix“) mit von der Partie, das nordrhein-westfälische Popschlager-Duo „Fantasy“ spendiert den ultraeingängigen „Blinden Passagier“, entnommen der von Dieter Bohlen produzierten Nummer-Eins-CD „Freudensprünge“.

Aus Vanessa Mais zweitem und dazu letztem Album mit der inzwischen aufgelösten Formation „Wolkenfrei“, „Wachgeküsst“, fand die zielsicher aufmuckende, hinreißend heißverliebte erste Singleauskoppelung „Wolke 7“ den Weg auf die zweite Folge der von der brünetten Aspacherin ja maßgeblich mitprotegierten CD-Serie „MEIN HERZ SCHLÄGT SCHLAGER“. Die sachsen-anhaltinische Sängerin Linda Hesse hält für vorliegende Doppel-CD den allzu konventionell plätschernden Schlager „Noch immer so wie immer“, immerhin verfasst von den eigentlichen Könnern Andre‘ Franke und Joachim Horn-Bernges, bereit; nicht weniger im banal-alltäglichen Einerlei verharrt die selbsternannte „erste Schlager-Boygroup“ „Feuerherz“ im bum-bum-bumsenden Mainstream-Schlager „Du bringst mich um (den Verstand)“.

Der bisherige Studiosänger Mitch Keller, der 2015 eine eigene Karriere als Solokünstler gestartet hat, betont in einem so betitelten, so dunkel-urbanen, wie textintensiven Rockschlager „Ich hab Dir nie gesagt…“; daran schließt Matthias-Reim-Lebensgefährtin Christin Stark mit einem von ihrem Freund in Kooperation mit „Knibble“ Horn-Bernges ersonnenen, prallen, schnellen, liebenswert burschikosen Tanzschlager namens „Ich nicht!“ an, aufgeputzt im konsequent discotauglichen „JOJO Dance Mix“. Der Ahlener Musicalstar Alexander Klaws betört nun den geneigten Zuhörer mittels des properen, US-amerikanisch anmutenden Gitarrenpoppers „Nur Liebe“ (zum Glück „unremixed“, irgendeine Form von Dance-Mix hätte dieser hervorragend klaren Rock/Pop-Komposition auch nur geschadet!); „KLUBBB3“-Mitstreiter Jan Smit stellte den erlesenen, sehr poppig-melodisch ausgefallenen Titelsong seines deutschsprachigen 2013er-Opus „Ich bin da“ für „Mein Herz schlägt Schlager – Vol. II“ zur Verfügung.

Ihr Schwiegervater in spe., Ex-„Trio“-Frontmann Stephan Remmler, schrieb für die gebürtig aus den USA stammende Freundin seines Sohnes Cecil, Sarah-Jane Scott, das gefühlvolle und in einem Atemzug flinke, voranpreschende, südamerikanisch und 50er-Jahre-angehauchte Gitarrenchanson „Was war los gestern Nacht“, für ihre Debüt-CD „Ich schau Dir in die Augen“.

Bei detaillierter Betrachtung aber auch rein gar nichts mit traditionellem Schlager zu tun haben übermäßig zeitgemäß, nervig-rhythmisch und extremst neumodisch ausgerichtete Neo-Pop-Spielereien der Machart „Meine Welt“ des Eisenacher Duos „EGOWELLE“, das mit dem ebenfalls aus Thüringen stammenden Electro-DJ-Duo „Soundmietzen“ dieses schnöde Melodiechen ohne Nachhall zusammenklabustert hat, oder „Einfach nur weg“ des Münchener House-/Deep-House-Projekts „LIZOT“, welches vom gebürtigen Teheraner Jason Anousheh vokalistisch unterstützt wurde. Auch der Liedermacher Max Giesinger, der 2011 bei der „Pro Sieben“-Castingshow „The Voice of Germany“ teilgenommen hatte, sollte sich mal eingehend der Frage widmen, ob ein von dem Leipziger House Music-DJ „Koby Funk“ hergestellter Remix seines 2013er-Titels „Unser Sommer“ nun unbedingt Platz auf einem „Mein Herz schlägt SCHLAGER“, nicht etwa „Mein Herz schlägt Dancefloor-Bums“, betitelten, eben SCHLAGER-Sampler finden muss. Der 1991 nahe Karlsruhe geborene Nachwuchssänger Mats Heilig hat mit seiner aktuellen Single „Fliegen“ ein durchaus spannendes und ausbaufähiges Deutsch-Pop-Werk vorzuweisen, dessen übertrieben rhythmusbetontes, impertinent synthesizerlastiges Arrangement jedoch den Anhänger des unverschnörkelt-gediegenen Deutschen Schlagers ganz schön vor den Kopf stoßen könnte. Die völlig banale, offenbar nicht aus sich herauszukommen scheinende Popballade „Wenn wir alt sind“ des von Songwriter Tom Albrecht gegründeten Duos „SOOLO“ wabert uninspiriert vor sich hin und beschließt vollkommen schlagerfern die erste Silberscheibe von „MEIN HERZ SCHLÄGT SCHLAGER – Vol. II“.

Der gleißende, authentische Spät-80er-Neonlicht-Coolness versprühende „Mania Mix“ von Vanessa Mais erster Single ohne „Wolkenfrei“-Kontext, „Ich sterb‘ für Dich“, geschrieben und inszeniert von Dieter Bohlen für ihr im April erschienenes, weitestgehend äußerst wohlschmeckendes Solodebüt „Für Dich“, leitet den zweiten Teil von hier analysierter Doppel-CD weitaus schlagerhafter ein, als Part-01 zuvor zu Ende gegangen war. Genauso aufpeitschend, voranrennend, positiv überdreht, geht’s gleich weiter mit dem Hochglanz-Popschlager „Herzstillstand“ (2014) der gerade dieses Jahr zu neuen, hohen Qualitäten (wieder)aufgestiegenen Michelle und dem lautstarken Andreas-Zaron-Cover „Wie ein Komet“ (2013), dargereicht vom ‚ewigen Anton“ „D.J. Ötzi“.

Der Steirer Bua Andreas Gabalier huldigt volks-rock’n’rollig nochmals seiner geliebten „Zuckerpuppn“ (2013), gefolgt von dem in Töne gegossenen Nervtöter „Geiles Himmelblau“ des in München entstandenen Quintetts „Voxxclub“. In einem perfekt ausgelebten, mundartlichen Rockspektrum hält sich die genialische ‚Alpenpunkerin‘ Hannah mit ihrer herrlich offenherzigen, von Akkordeon und harten E-Gitarren beherrschten Pop/Rock/Punk-Melange „Scheißegal“ auf; die sprichwörtliche „Schlager-Kanone“ Bernhard Brink schwimmt mit dem Edel-Poprocker „Giganten“, der zweiten Single aus seinem 2016er-Meilenstein „Unendlich“, zu neuen klanglichen Ufern – und die Nürnberger Pseudo-Folkrock-Truppe „Dartagnan“ verschreckt im Gegensatz dazu durch ihr wie am Reißbrett entworfen wirkendes Klischee-Ritterdrama „Seit an Seit“, das letztlich Mittelalter-Musik für diejenigen Zeitgenossen unter uns darstellt, die nichts vom Mittelalter verstehen, selbst den tolerantesten Schlager- und/oder Deutschrock-Freund aufs Schärfste.

Dafür entschädigen stehenden Fußes Disco-Fox-Chaot Michael Wendler mit Hilfe seiner brandneuen Radiosingle „Tanzen ist Träumen“, die – mal wieder bzw. wie bei ihm üblich – nicht mehr und nicht weniger bedeutet, als einen feudalen Tanz-Popschlager bester Machart, und die hellblonde Schwedin Julia Lindholm mit ihrem liebenswert jungmädchenhaften „ABBA“-Cover „Mamma Mia“. Nahezu unerträglich hingegen dröhnt der überlaute Möchtegern-Karnevalsrocker „Wenn ich träum‘ in der Nacht“ (hier im ohrenbetäubenden „Fosco Dance Edit“-Mix) von der Kölner Faschingscombo „Räuber“ durch die Lautsprecher, bevor nochmals Vanessa Mai – in diesem Falle noch als Mitglied von „Wolkenfrei“ – einen Song anbietet: „In all Deinen Farben“ ist und bleibt auch im neuartigen „Rico Bernasconi Radio Edit“-Mix ein prachtvolles Stück so romantischer, wie gehobener, muttersprachlicher Popmusik. Ein von House- und Techno-D.J. Florian Paetzold kreierter Remix des unnahbaren Popschlagers „Blumen in Paris“, gesungen von Ralph Siegel-Entdeckung Julia Kollat, erweist sich trotz (oder gerade wegen) allzu stark hervorgehobenen Rhythmus‘ weiterhin als nichtssagend und ausstrahlungslos.

Abermals nicht unbedingt dem Umfeld des Deutschen Schlagers zuzuordnen ist die keinerlei Nachhaltigkeit aufbringende, moderne Deutschpop-Nummer „Sommersprossen“ (KEIN „UKW“-Cover!), die der Leipziger House-D.J. Ronny ROCKSTROH mit einem Sänger namens Michael Frieda fabriziert hat. Gleiches gilt für das belgisch-schweizerische Duo „Pixie Paris“ und dessen – zumindest für einen Musiktraditionalisten, wie mich – nicht nachvollziehbares Dancefloor-Pop-Chanson-Gebräu „Es rappelt im Karton“. Der unzweifelhaft nervenaufreibende „BIGH Remix“ von „Ein Teil von mir“, gesungen von den miteinander verheirateten Ex-„DSDS“-Absolventen „Sarah (Engels) & Pietro (Lombardi)“, versetzt geringstenfalls meine Ohren in regelrecht schmerzende Zustände.

Die geschundenen Gehörgänge können sich danach wieder erholen, wenn das weibliche Duo „Lindt Bennet“ das schwelgerisch-wehende Country-Pop-Chanson „Regenbogenkind“ anstimmt, den brandneuen Singletitel dieser von Anbeginn an schlicht umwerfenden, gesanglichen Paarung voller Niveau und Tiefgang. In Form eines viel zu neuzeitlichen „Franz Rapid Mixes“, schaffte es die Soloversion des per se genialen Poprockers „Rettungsboot“ von Wolle-Sohnemann Achim Petry auf die Titelliste der hier erörterten Doppel-CD.

Zum versöhnlichen Ende von „MEIN HERZ SCHLÄGT SCHLAGER – VOL. II“ kommen noch mal ein paar unschlagbare Helden des Deutschen Schlagers, klangtechnisch durchaus auf der Höhe der Zeit befindlich, aber eben nicht durch House- oder Techno-Rhythmen verhunzt, zum Zuge: Roland Kaiser & Maite Kelly intonieren (im „Club Mix“) den elitären Mega-Rockschlager „Warum hast Du nicht Nein gesagt?“ (2014), Nik P. schenkt dem geneigten Hörer (dito im „Club Mix“) die ebenso aufstrebende Pop/Rock-Mixtur „Geboren um Dich zu lieben“ (2014) und Altmeister Wolfgang Petry brilliert schlussendlich mit dem nachdenklichen, ehrlichen Rockchanson „Der Letzte seiner Art“.

„MEIN HERZ IST SCHLAGER – VOL. II“ ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits ist es jederzeit als löblich auszurufen, wenn man versucht, dem Deutschen Schlager ein neues Gesicht, ein neues (Klang)-Gewand, verleihen zu wollen. Dies muss aber ideenreich, aufregend und ansprechend geschehen; hierfür reichen nicht nur die neuesten Schlagzeug-Computer und Synthi-Gimmicks aus. Ein krachender Rhythmus allein ist nicht genug, um einen typischen Schlager aufzupolieren. Oft erklingen derartige Versuche, wie beschrieben, eher im Sinne einer Verschlimmbesserung, als in Form einer konstruktiven, progressiven Aktualisierung.

Jeder Schlagerfreund kann sich allerdings Dank dieser mit ganzen 43 Titeln ja wahrhaftig übervollen Doppel-CD ein eigenes Bild über die deutschen Klänge des Heute und Hier verschaffen. Für den Zeit- und Musikgeschichtler, den Sammler und Chronisten, sind periodisch erscheinende Sampler, die die erfolgreichste Musik eines jeweiligen Zeitabschnitts komprimiert versammeln, ohnehin stets interessant.

Allerdings frage ich mich, wen bzw. welches Publikumssegment die Ariola mit dieser Konzeption nun genau anzusprechen gedenkt. Manches des auf „MEIN HERZ SCHLÄGT SCHLAGER – VOL. II“ verkoppelten Liedmaterials hat mit dem Begriff des Deutschen Schlagers allerhöchstens die deutsche Betextung gemein. Mindestens zehn der hier genutzten Titel passten stilistisch ganz und gar nicht zum restlichen Programm der Doppel-CD. Ein überzeugter Fan z.B. von Roland Kaiser oder Bernhard Brink (jeder, der meine Artikel verfolgt, kann bestätigen, dass etwa diese beiden Künstler zu meinen langjährigen Topfavoriten auf dem Gebiet des Schlagers zählen) oder auch ein Anhänger von Andrea Berg, Michelle, selbst von Beatrice Egli oder Linda Hesse, dürfte mit Neuzeit-Soundexperimenten a la „Pixie Paris“, „Rockstroh“ oder „EGOWELLE“ nicht viel anzufangen wissen.

Selbstverständlich kann es die Ariola ausprobieren, Schlagertraditionalisten der Generation 40plus mit nachgewachsenen Deutsch-Pop-Fans um die 20 zu versöhnen. Diesem Vorhaben hätte es jedoch zum enormen Vorteil gereicht, wenn die Verantwortlichen beispielsweise eine volle CD, nur mit (gerne zeitnah aufgepepptem) Schlager, und eine zusätzliche Silberscheibe, die ausschließlich mit aktueller deutscher Popmusik bestückt wäre, zu einem imposanten Zwei-CD-Set zusammengefügt hätten, so nach dem Motto: Entdecke auf der jeweils anderen CD eine für Dich bislang vollkommen fremde Musikrichtung, sei mutig, gebe Dich ausnahmsweise Mal dem musikalischen Zeitgeist hin – vielleicht gefällt Dir ja etwas davon!

Dieser durcheinandergewürfelte Stilmix, ja oft betriebene Stilbruch, wie er auf der zweiten Folge von „MEIN HERZ SCHLÄGT SCHLAGER“ viel zu offensichtlich verbraten wurde, verfehlt das Ziel, jünger und reifer für alle lohnend miteinander musikalisch zu vereinen. Hier wurde vieles zusammengebracht, was klanglich einfach nicht zusammengehört.

 

Holger Stürenburg, 11./12. August 2016

http://www.vanessa-mai.de/News-Termine-Musik-Bio-Sommerparty-Kontakt.html

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