MARTY KESSLER
Die CD "Die Bombe tickt" im Test von Holger Stürenburg!

Der Hamburger Musikjournalist bleibt seinem Grundsatz „In der Länge liegt die Menge“ auch weiterhin treu…: 

Der Sauerländer MARTY KESSLER ist seit 20 Jahren in der Musikszene aktiv und hat sich 2008 entschlossen, eine Solokarriere im Bereich Rock-Schlager/Disco-Schlager/Disco-Fox anzustreben. Zuvor hatte der gelernte Werkzeugmacher und Bürokaufmann, der sich zudem als Gitarrenlehrer und Fernsehmusiker verdingt, in großen TV-Shows bei ZDF, MDR, ARD oder RTL unzählige bekannte internationale Stars, wie z.B. Chris de Burgh, Jimmy Somerville, Shakin‘ Stevens oder Roland Kaiser, auf der Bühne begleitet. Zudem ist er immer wieder mit seiner eigenen Live-Band auf Galas, Stadtfesten und privaten Veranstaltungen zu hören und zelebriert dort ein buntes Best-of-Coverprogramm, vollgepfropft mit allseits bekannten Evergreens von „BAP“ über Roland Kaiser bis Bryan Adams.

Vor sechs Jahren startete der Vollblutmusiker seine ersten eigenen Gehversuche mit zwei noch nicht so reputierlichen Singles bei Palm Records, bevor er 2012 endlich musikalisch genau dies zu verwirklichen suchte, was er eigentlich schon immer anvisiert hatte. Er unterzeichnete einen Kontrakt mit dem Murnauer Label SPECTRE Media (Vertrieb: Electrola/Universal) und ließ seine Laufbahn dort mit ein paar knackigen Singles beginnen, die, wie der Künstler selbst es nennt, in „amtlichem Schlagerrock-Sound“ ausgekleidet waren. Dies bedeutet, Marty Kesslers frühe Aufnahmen für SPECTRE Media erwiesen sich sowohl als geradlinig-rockig, als auch im Sinne des zuletzt alles beherrschenden Disco-Fox als absolut tanzbar und partytauglich in einem Aufwasch. Nach sechs immer erfolgreicheren Singleveröffentlichungen, war nun die Zeit reif, für ein vollständiges erstes eigenes Album von MARTY KESSLER!

SPECTRE-Chef Thomas Hauptmann organisierte für dieses appetitanregende Projekt seines neuesten Schützlings den Viersener Hitproduzenten Gerd Jakobs (GEDO-Musikproduktion, bislang u.a. für Nino de Angelo, Michael Morgan, Frank Lars oder Jürgen Drews tätig), sowie Songschreiber und Musiker der Sorte Michael Buschjan oder Jean-Pierre Valance, die beide der „alten Wolfgang-Petry-Hitschiede“ entstammten, bzw. Norbert Zucker und Holger Obenaus aus dem Umfeld der „Zeltinger Band“ – und heraus kam bei dieser spritzigen Kooperation nun „DIE BOMBE TICKT“ (SPECTRE/Electrola/Universal), die erste Longplay-Scheibe des sympathischen Multitalents Marty Kessler aus dem nordrhein-westfälischen Herscheid.

Das 16-teilige Repertoire dieses spannungsgeladenen CD-Debüts ist stilistisch durchgehend und ausnahmslos angesiedelt zwischen drallem, voluminösen Disco-Fox, einwenig schlaksiger, dabei häufig sehr liebenswert hektischer Rock-Attitüde und der alles in den Schatten stellenden Fetentauglichkeit und Eingängigkeit der überdimensionalen Partyschlager-Gassenhauer des Wolle P. nach dessen so unerwartetem, wie phänomenalen Comeback 1992/93.

Und in melodischer, wie harmonischer Hinsicht unüberhörbar an Wolles seinerzeitige, plötzliche musikalische Rückmeldung „Verlieben, verlor‘n, vergessen, verzeih‘n‘“ angelehnt, erweist sich auch sofort der dampfende, stampfende, wuchtige Titelsong und Albumeröffner „Die Bombe tickt“, in dessen der Petry-Vorlage wie aus dem ‚klingenden Gesicht‘ geschnittenem Refrain es sogleich wortähnlich, sogar fast zitierend heißt: „Du hast mich verlassen / ich hab Dich verloren“… – bei Wolle „verlieren, verlor‘n“, bei Marty „verlassen, verlor‘n“… wenn das mal kein Zufall ist 😉

Die aktuelle Single „Träumst Du auch von mir?“, die derzeit Rundfunkhitparaden und Schlagerpartys gehörig aufmischt und zu der auch ein m.E. äußerst treffsicherer, farbenfroher Videoclip gedreht wurde, ist ein ebenso heftiger, sich in eiligstem Tempo tiefst und fest in die Gehörgänge des interessierten Rezipienten hineinfräsender Dauerbrenner in spe. bester Güteklasse, der in Sachen Stimmung und Flair Romantik und Hektik, Sehnsucht und Verlustangst, in schlichten, aber punktgenauen Worten, kongenial verbunden mit dem alleweil energetischen Gesang des Marty Kessler, wahrlich perfekt und aufrüttelnd auszudrücken vermag.

Eine sehr gewagt individuelle, ausgefallene und dabei höchst gelungene Unternehmung startete der brünette Schlagerdraufgänger aus dem Sauerland betreffs seiner im Sommer diesen Jahres vorab ausgekoppelten Radiosingle „Du bist keine Mona Lisa“: Bei diesem super rockigen, couragiert schwungvollen Radikalohrwurm handelt es sich um eine aufpeitschende, bluesig-gitarrengetriebene Neuauslegung eines Titels des Dithmarscher Liederschreibers Dirk Busch aus dem Frühjahr 1989. Dieser hatte in den späten 80ern und frühen 90ern, im Fahrwasser damaliger Stilwandler zwischen Chanson, Liedermacherei, gehobenem Schlager und Pop, wie Bernd Kaczmarek, Hans Hartz, Pete „Wyoming“ Bender, aber auch Ulla Meinecke, Klaus Hoffmann oder Edo Zanki, einige tendenziell durchaus ansprechende Schmankerl in diesem Sinne in Radios und Schlagerparaden platzieren können. Der studierte Volkswirt und Soziologe verfasste fraglos intelligente, tiefgehende Texte und schöne, einprägsame Melodien und besaß darüber hinaus eine kraftvolle, deutliche Stimme – aber die von ihm genutzten Arrangements wirkten regelmäßig viel zu zaghaft, zurückhaltend, einschränkend. Seine seinerzeitigen Erfolge a la „Sie beißt und kratzt“ (1986), „Liebst Du auch den rauen Wind“ (1991), „Du kennst mich“ (1992) oder eben auch und besonders „Du bist keine Mona Lisa“ (1989), waren von ihrer Grundstruktur her ein ums andere Mal krosse, bluesbetonte Beinahe-Rockhämmer, die von ihrem Erschaffer und dessen Produzenten jedoch meist viel zu soft, schlagerhaft, plätschernd, und somit leider nicht selten ins Belanglose abdriftend, arrangiert und umgesetzt wurden. Somit versandeten tolle Kompositionen in der Nichtausnutzung ihrer vorhandenen Power, Wucht und Vitalität – man hatte oft das Gefühl, der Künstler wisse gar nicht, ob er nun als sanfter Chansonnier, als blasser Schlagersänger oder eben doch als erdiger Deutschrocker mit Tiefgang wahrgenommen werden wollte. So konnte der große Durchbruch des heute 63jährigen nie so recht gelingen, auch wenn weiterhin viele, textlich zwar famose, aber klanglich, wie geschildert, völlig unbedeutende Alben und Singles von ihm auf den Markt kamen.

Marty Kessler und sein Team haben nun das einzig richtige, geradezu notwendige getan: Sie haben das von jeher überaus vielversprechende und aufrüttelnde Liebesgeständnis „Du bist keine Mona Lisa“ aus seinem bisherigen, betulich-schlagerhaften Klangkorsett herausgeholt – und den wiegenden Lobgesang auf alle chaotischen, unaufhörlich Verwirrung stiftenden und trotzdem (oder gerade deshalb) durch und durch begehrenswerten Traumfrauen dieser Welt auf einmal zu einem Heavy-Schlager, einem im wahrsten Sinne des Wortes wüsten Fox’n’Roll, auswachsen lassen, als hätte sich Michael Wendler soeben Chuck Berry in seine Tourband geholt. Endlich erstrahlt nun „Du bist keine Mona Lisa“ in einem diesem widerspenstigen Liebesbeweis stimmungs- und inhaltsbezogen absolut opportunen, drastischen, fast brachialen Boogie-Rock-Ambiente, der jenem Spät-80er-Schlager-Klassiker eine lebenswichtige Portion Frische, Lebendigkeit und Dauerhaftigkeit verleiht, die auch Verfasser Dirk Busch persönlich längst hätte aus seiner profunden Songkreation herausholen können, wenn er nur gewollt hätte!

Den von dem im April 2012 verstorbenen Produzenten Jean-Pierre Valance, dem eigentlichen Urheber des erwähnten Wolfgang-Petry-Revivals vor 21, 22 Jahren, in Kooperation mit Songschreiber-Kollege Michael Buschjan (u.a. Andreas Martin, Bernhard Brink, Achim und Wolfgang Petry) und dem selbsternannten Mallorca-Regenten Jürgen Drews ersonnenen, prachtvoll scheinenden Feudal-Fox „Ich bin der König (und Du die Königin)“ kennen wir bislang nur von „Onkel Jürgen“ ad Personam interpretiert. Er fungierte als konsequent pfundiger, sehr gefragter Beitrag auf dessen gefeierter 2010er-CD „Schlossallee“, während eine knallig-foxige Neuaufnahme dieses hypertroph heißverliebten Popschmachters vor einem Jahr als dritte SPECTRE-Single von Marty Kessler zum Einsatz kam.

Als weitere Auskoppelungen aus „Die Bombe tickt“ dienten, neben den ebengenannten, durchwegs tanzbaren Rockschlager-Perlen, gleichermaßen der trotzige, nächtlich-abgeklärte Fox-Gefühlsausbruch „Vorbei ist nie vorbei“, der einerseits wiederum enorm Wolle-beeinflusste, anderseits durchaus auch an so manch peppiges Disco-Fox-Experiment von Andreas Martin gemahnende, turbulente und phonstarke, aber gleichermaßen offenherzig verliebte Rock/Disco-Tanzmarsch „Frau und Mann“, sowie der ebenfalls zwischen Post-1992er-Petry-Sound und diesmal zudem sternenfunkelndem Nik-P.-Austrorock hin und her schwankende, weitschweifig-schwärmerisch inszenierte, dabei stets und ständig kräftig und schnittig voranpreschende Schlagerrocker „Das Universum“ – allesamt kompakte, so griffige, wie pfiffige, wie aus einem Guss wirkende Melodien, verbunden mit einfachen, aber stets direkt aus dem alltäglichen Leben gegriffenen lyrischen Inhalten, hervorragend geeignet zum Tanzen, Mitsingen und einfach nur ausgelassenem Fröhlich sein.

Zu den weiteren, unverkennbar positiv hervorstechenden Liedern auf „Die Bombe tickt“ zählen die lautstarken, demonstrativ energetischen, gitarrengetriebenen Disco-Fox-Hardrock-Hämmer „Nichts ist passiert“ und „Unverwundbar“, das druckvolle, in  – ohne Übertreibung – Punk-gemäßer Geschwindigkeit durch die Boxen jagende Fox-Drama „Bist Du noch sauer?“, das einwandfrei Wendler’esque, daher feudal bis hochkarätig ausgefallene Glitzer-Pop-Disco-Gemisch „Maria, Maria („Sag mir, wo Du bist)“, sowie das latent düster-urbane, so gehetzte, wie flehende, strikt riff-lastige Nachtleben-Epos „Ich renne…“. Die restlichen Albumbeiträge, wie „In Schutt und Asche“, „Nicht um jeden Preis“ oder „Dass die Fetzen fliegen“, sind dagegen mehr konventionelle, denn innovative, zumeist übermäßig rhythmusbetonte Disco-Fox-Standards im geläufigen Rahmen, die aber trotzdem so viel Charme und Impression in sich tragen, dass sie kontinuierlich zum sofortigen Mitschnippen, Mitwippen, Mitbewegen auffordern, jedoch ohne jemals allzu große Nachhaltigkeit zu erzeugen. Und als mehr als nur evidenter und glaubhafter Rausschmeißer wurde der grelle, auftrumpfende, rasant treibende Hardrock-Schlager „Leben pur!“ auserkoren – Peter Maffay im Foxwahn, Gunter Gabriel auf der Apres-Ski-Party!

Genau dieser so prägnante, alles auf den Punkt bringende Schlussakkord in Liedform kann als programmatisch für das gesamte erste Album von MARTY KESSLER aufgefasst werden. „Die Bombe tickt“ ist ein durchwegs properer, aufmunternder, vergnüglicher Melodienstrauß, bei dessen 16 Songblüten eigentlich niemand so recht sitzenbleiben mag. Der Rhythmus ist laut, durchaus hämmernd und peitschend eingesetzt, aber nur in den seltensten Fällen als nervenaufreibend oder womöglich latent destruktiv einzustufen, die eindringliche Stimme des vortragenden Künstlers präsentiert sich als dunkel, einschmeichelnd, getragen und zugleich frech, jugendlich, wagemutig und kess; in ihren besten Momenten erreicht sie beinahe die gefühlige Ausdrucksstärke eines Andreas Martin oder die lausbübische, rheinische Frohsinnigkeit und Keckheit von Großmeister Wolle P.

Musikalisch stehen bei allen 16 Titeln ein ums andere Mal die beiden eben genannten Genre-Kollegen ebenso Pate, wie stilähnlich ähnlich agierende Partyfox-Heroen der Sorte Michael Wendler, Olaf Hennig oder Tommy Zanko. Alle 16 Liedbeiträge sind aufeinander abgestimmt, ohne Ausnahme genießbar, manchmal, aber nicht zu häufig, fehlt ihnen jedoch eine gewisse Eigenständigkeit, ein spezifisches Wiedererkennungsmerkmal – trotzdem bietet „Die Bombe tickt“ einen nicht überwältigenden, aber jederzeit feinen, ansprechenden, muntermachenden Hörgenuss für Freunde moderner, etwas deftigerer deutscher Schlagermusik mit penibel und trefflich hinzugefügten Rockuntertönen, die zwar überschwänglich,-jubilierend, üppig und fetzig aus den Lausprechern prescht, aber gottlob niemals nur als unmelodiöses Dorffest-Bum-Bum durchgehen kann oder gar in (nicht nur) nüchtern ungenießbare Ballermann-Untiefen abzusinken droht

Ob es allerdings so gescheit war, eine so angenehme, attraktive und offensiv gute Laune verbreitende CD-Produktion, zu Zeiten von Ukraine-Krise, Hooligan-Demos und ISIS-Terror, unbedingt mit „Die Bombe tickt“ zu betiteln, ist zu bezweifeln. Diese unkluge Namensgebung dürfte auf zeitgeschichtlich versierte und das Weltgeschehen aktiv verfolgende Mitmenschen in Anbetracht der aktuellen Lage fraglos einwenig zynisch wirken; zudem könnten manch Unkundige auf der CD womöglich friedensbewegte Betroffenheitshymnen oder gar irgendwelche dumpfen, dümmlichen Kampflieder erwarten, was glücklicherweise nicht der Fall ist. „Die Bombe tickt“ verbreitet vielmehr weitestgehend passable bis oft sogar grandiose Partystimmung pur – da wirkt der unglücklich ausgewählte Titel als dieses Ansinnen vollkommen konterkarierend bzw. wird er der hoffnungsvollen, lebensfrohen, vergnügten, heiteren und sorgenfreien Intention der CD alles andere als gerecht!

Holger Stürenburg, 17./18. November 2014
http://www.spectre-media.com/
http://www.martykessler.de/

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