OLAF & HANS
Die völlig schmerzfreie Album-Besprechung: "Schmerzfrei" von Olaf & Hans!

Die “etwas andere” CD-Rezension einer “etwas anderen” CD: Stephan Imming hat sich die CD der beiden Berliner Originale angehört! 

Vorweg ein "Bedienungshinweis"  für diese CD-Rezi: Um Herrn Immings Rezension zu verstehen, sollte man bisweilen auch zwischen den Zeilen lesen können …

 

Die Tradition männlicher Schlager-Duos ist lang – auf Anhieb sind da sicher Namen wie Jan & Kjeld, die Blue Diamonds, Phil und John und zuletzt die Amigos im kollektiven Gedächtnis. Allen gemein ist, dass neben brillantem Gesang die Protagonisten extreme Frauentypen waren, weil sie blendend aussehen. Den gleichen Ansatz verfolgt nun auch das Berliner Duo „Olaf & Hans“, das überraschend in die Top-60 der GfK-Entertainment-Charts geschossen ist.

Gleich der „Opener“ ihrer CD „Schmerzfrei“ lässt aufhorchen: Während für gewöhnlich über die Partys in Schlagern berichtet wird, beschäftigen sich Olaf und Hans mit dem „Danach“ – was macht man nach der Festivität? Wenn heiße Tänze bei wilder Musik vorbei sind? (.. oder um es mit dem Lied zu sagen: „Nach dem Hotten fallen die Klamotten“) – richtig: „Nach dem Feiern geh’n wir heiern“. Da die Jungs aus Berlin kommen, ist wohl „heiern“ berlinerisch für „schlafen“.  „Kleine Angst, Du süße Maus – zieh Dich ruhig schon mal aus“ – ein an Originalität kaum zu überbietender Text.

Auch das zweite Chanson der neuen Produktion hat einen kritischen Text. Man stelle sich vor, man hat großen Durst („ob Kurze oder Lange, ob Cocktail oder Sekt“) – oder man möchte in netter Gesellschaft sein, bringt es Probleme mit sich, wenn man „Lokalverbot“ hat. Schön, dass Olaf und Hans trotz dieses wirklich tiefgehenden Problems ihre Fröhlichkeit nicht verloren haben und im Gegensatz  z. B. zu Politikern und Journalisten nicht nur Probleme benennen und analysieren, sondern sogar Lösungsansätze anbieten: „Morgen geh’n wir wieder in die nächste Kneipe rein!“. Kein Wunder, dass es damit für die Top-20 der DJ-Charts reichte.

Aller guten Dinge sind Drei – folglich ist auf Position 3 der CD dessen Titelsong „Schmerzfrei“. Nicht nur textlich besticht das lyrische Lied („ist auch das Bier schon nicht mehr frisch – weil wir schon völlig schmerzfrei sind, hängen wir niemals unter’m Tisch“) auf höchstem Niveau, sondern ist auch musikalisch anspruchsvoll mit einer ausgefeilten Modulation, die in bester Grand-Prix-Manier zum Höhepunkt des Lieds hinführt.

Am liebsten für immer würde man so schöne Lieder hören – und so heißt auch schon der nächste Hit des Albums. Richtig ausgebufft zeigen die Musikprofis, wie man originell ein Lied spannend macht, indem der Song kurz vor Schluss im Arrangement ausgedünnt wird, um dann mit voller Instrumentierung noch mal die interessante Message des Titels rüberzubringen.

Während Tony Holiday früher beklagte: „Du hast mich heut noch nicht geküsst“, geht das neue Star-Duo optimistische Wege und freut sich: „Du hast mich geküsst, und jetzt weiß ich, was Liebe ist. Das ist schon kein Schlagertext mehr, das ist Prosa und gehört in die Schulbücher der Nation – allein schon wegen der zuvor noch nie gekannten Ausdrucksweise. Es ist davon auszugehen, dass Vanessa Mai den Titel ins Repertoire aufnimmt, weil ihr eigener Song „Wachgeküsst“ („Du hast mich einfach wachgeküsst, vor Dir wusst’ ich nicht, was Liebe ist“) gegen diesen geballten Wortwitz nicht „anstinken“ kann.

Mit Titel 6 thematisiert das neue Traumduo wieder „kleine“ Probleme („Du sitzt auf der Toilette und hast kein Papier dabei“, „Du springst aus 1000m, Dein Fallschirm geht nicht auf“) und arbeitet wieder sehr problemorientiert: „La la la lach doch mal – dann ist Dir alles and’re scheißegal.“ Wenn man bedenkt, wie früher Sorgen behandelt wurden (Tony Marschall riet: „Und sind auch sorgen da – die hat ein jeder ja… – wir wollen ganz zufrieden sein und trinken Bier und Schnaps und Wein“), zeigen die Berliner, dass es auch ohne Drogen geht.

In Song 7 sind erstmals Moll-Harmonien zu hören. Aber keine Panik: „Mein Engel bist Du für mich – viel heller als jedes Licht“ (man achte auf den großen Reim!)  ist im Refrain in Dur gehalten. Was für eine bezaubernde Ballade! Besonders spannend ist, wenn die beiden Anleihen an DJ Ötzi und Nik P. nehmen, wenn der Refrain Gospel-artig zu hören ist und auf den Refrain noch mal eine Gegenmelodie geschmettert wird.

Um auch in den Tanzschulen der Welt Gehör zu finden, wurde ein weiteres Thema gefunden. Menschen, die vielleicht nicht das goldene Tanzabzeichen haben, können mit einem Tanz der einfachen Art ihre Leidenschaft für diese körperliche Ertüchtigung entdecken: „Polonaisealarm“. Es ist anzunehmen, dass die Tanzschulen der Republik nun endgültig gestürmt werden mit Polonäse-Tanzkursen, auch wenn ein junger Herr aus Freiburg (Name ist der Redaktion bekannt) Gerüchten zufolge es gleich drei mal geschafft haben soll, sich in Florian Silbereisens TV-Show der Polonäse zu dessen Titel „Du schaffst das schon“ diesem Hype zu entziehen. Es ist davon auszugehen, dass selbst ER bei „Polonaisealarm“ sich vom Stuhl erheben und mittanzen würde.

Was Frau Berg mit ihrem größten Hit schon vor Jahren thematisiert hat aus weiblicher Perspektive, muss nun auch mal von Männern beim Namen genannt werden: „Du hast mich voll verarscht“, „Du hast groß erzählt, es soll für die Ewigkeit sein – und ich dummes Schwein fall auf so was auch noch rein“ – abgesehen von der inhaltlichen Tragik achte man auf den dreifachen „ein“-Reim – kommt das Duo zum frustrierten Schluss: „Scheisse tut das weh!“ (ganz wichtig: „Scheiße“ mit „ss“ geschrieben).

In den sechziger Jahren gab es schon mal ein Duo, das ein Lied „Süß wie Schokolade“ benannt hat – aber gegen Gitte und Rex haben Olaf und Hans es in Sachen Romantik einfach drauf („Jedes Wort von Dir erregt mich“, „Du hast den allerschönsten Po“) und kommen wieder  zu einer Lösung: „Da fang ich gleich zu naschen an“. Ganz wichtig die Schreibweise des Hits: „Süss“ mit „ss“, nicht mit „ß“!

Mit einem etwas volkstümlichen Lied geht es weiter, der sicher auch auf jedes „Amigos“-Album gepasst hätte: „Du bist der Traum meiner Träume“.

Als Berliner Originale mussten die beiden Lokalmatodore natürlich auch DEN Berliner Super-Hit auf ihr Album nehmen und lassen fast 40 Jahre nach den Gebrüdern Blattschuß deren Superhit „Kreuzberger Nächte“ hochleben. Schon damals hieß es ja in Dieter Thomas Hecks ZDF-Hitparade gerne: „Polonaisealarm!“. Übrigens –schon das Original kam aus der Hansa-Schmiede, und auch die Neuauflage wurde (wie alle anderen Titel der CD auch) in den Hansa-Tonstudios produziert.

Mit einem eigenen Lied geht es weiter, wieder geht es um eine romantische Liebeserklärung: „Du spielst in meinem Kopf verrückt“. Angesichts des Textes „Deine Lippen, Dein Style – einfach alles an Dir – raubten mir meinen Verstand – ungebremst im freien Fall mit Vollgas an die Wand“ fragt man sich natürlich, ob die Angebetete oder der Liebhaber der ist, der „verrückt spielt“…

Mit ihrem Hit „Du bist mein Stern“ schließen die Berliner Barden ihr Album, indem sie die bisherige Schlagergeschichte in gut 3 ½ Minuten noch mal Revue passieren lassen -vom „Kornfeld“ über „Marmor, Stein“ bis hin zum „Geier“. Das Lied ist übrigens hunderttausendfach bei youtube angeklickt worden und wurde sogar von Oliver Kalkofe durch den Kakao gezogen. Es handelte sich bei der damaligen Veröffentlichung anno 2014 übrigens um ein Comeback des Duos, die bereits 1993 eine gemeinsame Single veröffentlicht hatten und danach (O-Ton Plattenfirma) „eine kurze kreative Pause von 21 Jahren eingelegt“ haben.

Als Zugabe gibt es dann noch mal „Chipi’s Party Remix“ des namengebenden Lieds „Schmerzfrei“.

Alles in allem kann man Olaf & Hans nur bescheinigen, im Schlager neue Wege zu gehen. Da gibt es keine musikalischen Grenzen bzw. selbige werden gesprengt – vom anspruchsvollen Chanson bis zum lustigen Schlager ist alles vertreten. Wenngleich die Jungs Schubladendenken hassen, sei gestattet, zu hoffen, dass sie mit einem der vielen brillanten Schlager den Sommerhit des Jahres landen können. Möglich wäre es, weil sie bei allen Prozessen intensiv mitarbeiten durften – z. B. hatte man die Idee, dass die beiden optisch über jeden Zweifel erhabenen Prachtkerle einfach zu perfekt sind. Deshalb haben sie sich noch ein als Krankenschwester aufgemachtes Mauerblümchen auf das CD-Cover genommen, um den Menschen zu zeigen: Ja, es gibt auch durchschnittlich attraktive Leute.

Angesichts der Krankenschwester ist das Beiheft zur CD wohl so etwas wie ein „Beipackzettel“. (Imposant: Die Rückseite(!) des Heftes enthält das „Vorwort“(!). Auch damit werden Grenzen einfach so eingerissen! – In diesem Vorwort ist die Entstehungsgeschichte des Albumtitels kurz umrissen – Marcus Zander attestierte den Jungs, dass sie eben „schmerzfrei“ seien – vielleicht hat er ihnen deshalb eine Krankenschwester zur Seite gestellt.

 

Stephan Imming, 29.07.2016
http://www.zett-records.de/
http://olafundhans.de/

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