GÜNTER KALLMANN
Kallmann-Chor Originals Vol. 1 und 2 – rezensiert von Stephan Imming!
Polydor / Universal Music erinnert mit 2 CDs an den international bekannten Chorleiter, der in diesem Jahr verstorben ist …:
Mit zwei CDs, auf denen jeweils 2 LPs der 1960er Jahre festgehalten wurden (, wobei auf der zweiten Hälfte von CD 2 die Singles im Fokus stehen), kommen Freunde der gehobenen Unterhaltungsmusik früherer Zeit auf ihre Kosten. Erfreulich ist, dass nicht nur Perlen vergangener Jahre musikalisch ausgebuddelt wurden, sondern dazu noch ein sehr interessanter und kompetent geschriebener Begleittext von Suitbert Kempkes im Booklet abgedruckt ist – dafür ein dickes Extra-Lob!
So erfahren wir, dass der 1927 geborene Günter Kallmann nach seinem Musikstudium zunächst als Trompetenspieler aktiv war, aber schon in frühen Jahren internationale Gesangsensembles gemocht hat. Davon beflügelt, wirkte er mit seiner Baritonstimme in diversen Gruppierungen dieser Art mit, um sich ab 1959 ganz dem Gesang zu widmen. Er heuerte bei der Polydor mit dem von ihm gegründeten und nach ihm benannten Chor an und wirkte bei vielen Studioproduktionen mit. Das Konzept war, mit vier Sängerinnen und drei Sängern unterschiedlicher Stimmlage den Sound eines großen Chores zu simulieren, was recht gut funktioniert hat.
Der damals sehr bekannte und erfolgreiche Produzent Hans Bertram kam auf die Idee, mit dem Chor ein bekanntes Instrumentalstück in Vokalform auf den Markt zu bringen. Nachdem Günter Kallmann mit seinem Solostück „Die Sommerbraut“ 1961 noch kein Erfolg beschieden war, wurde Gerüchten zufolge ein Duett mit Bibi Johns gar nicht erst veröffentlicht.
Stattdessen gelang mit der „Elisabeth Serenade“ des Günter Kallmann Chores ein Riesenhit. Das Singlecover zeigte nur den Hinweis, dass es sich um die „deutsch gesungene Originalfassung“ des Liedes handelte – der Chor oder sein Leiter wurde damals nicht abgebildet. „Markenzeichen“ des Chores war von Anfang an eine Vielzahl kleiner Glöckchen, die – wie wir dem Booklet entnehmen können – Hans Poehl, seines Zeichens Schlagzeuger von Paul Kuhn, einem Varietékünstler abgekauft hatte und unter dem Künstlernamen Jacky Brown einspielte – der Name ist auch auf der damaligen Polydor-Single als „Solist“ geführt.
Die Single wurde ein großer Erfolg und stürmte die deutschen (Top-3) und sogar britischen (Top-40) Hitlisten. Vor diesem Hintergrund war nahe liegend, eine LP folgen zu lassen, die 1962 auf den Markt kam und ebenfalls „Elisabeth Serenade“ genannt wurde und international veröffentlicht wurde. Die Erstauflage der LP trug übrigens die Bestellnr. „46810“; die im Booklet angegebene Nr. „237310“ ist die Bestellnr. einer Folgeauflage. – Bekannte Orchester wie das Orchester Kurt Edelhagen begleiteten den Chor. Interessant: Auch auf dem Cover der LP wurde nicht etwa der Chor, sondern eine attraktive junge Dame abgebildet. Lediglich der Chorleiter ist auf der Rückseite mit einem kleinen Foto zu sehen. So war niemandem bekannt, wer sich hinter dem Chor verbarg. Suitbert Kempkes hat das Geheimnis im Booklet der CD gelüftet: Mitglieder des Chores waren noch Karl-Heinz Welbers, Bernd Golonsky, Ulla Wiesner, Blanche Birdsong, Angelika Neuenfeld und Ute Hellermann. Den Herren gelang später u. a. mit Leo Leandros als „Five Tops“ ein weiterer großer Hit („Rag Doll“). Ulla Wiesner vertrat Deutschland solo bei der Eurovision, Blanche Birdsong wurde als Harfespielerin bekannt, und Ute Hellermann (spätere Ehefrau von Paul Kuhn) gründete später ein eigenes Vokalensemble, die Ute-Mann–Singers. Fraglich ist, warum der Chor auf den Schallplatten damals nicht abgebildet wurde – eine mögliche Erklärung ist in der Tat, die Illusion nicht zerstören zu wollen, der Chor sei größer.
Mit „Der Reigen“ versuchte man, an den Superhit Anschluss zu finden – auch der Titel wurde als Instrumentalstück bekannt: Oscar Straus komponierte den Walzer für den gleichnamigen Film, Kurt Feltz fand die Worte darauf. Die Single wurde allerdings kein großer Erfolg mehr. Auch die Auskopplungen „Glocken-Serenade“ und „La Montanara“, ebenfalls Lieder der ersten LP, schafften den Sprung nicht mehr in die Hitparaden.
Die zweite LP des Günter Kallmann Chores, „Serenade im Schlosspark“, war etwas populärer und weniger konzertant gehalten. Absolut kurios sind die Falschangaben der Titel auf der B-Seite auf dem Original-LP-Cover. Dort ist als erstes Stück der zweiten Seite „Abendsonne (Serenade von Braga)“ vermerkt. Das fünfte Stück der zweiten Seite sei „Largo“. Die beiden Titel sind aber gar nicht auf dem Album enthalten – stattdessen finden sich die Lieder „Liebe, die nie vergeht“ und „Hinter den blauen Bergen“ auf dem Album.
Als erste Single daraus wurde der „Finkenwalzer“ ausgewählt – ein Lied, das später nochmal von den Fischer Chören veröffentlicht wurde – laut Angaben des Booklets mit dem gleichen von Werner Twardy arrangierten Playback wie dem, das der Kallmann-Chor verwendet hat. Mit „Liebe, die nie vergeht“ ging man die deutsche Version des Klassikers „Cuando calienta el sol“ an, wobei sich letztlich die Version von Vittorio Cassagrande auf dem deutschen Markt durchsetzte. Den Text dazu schrieb übrigens Joe Menke, Musikproduzent und Vater von „Frl. Menke“ (Franziska Menke).
Recht maritim kam die dritte LP des Günter Kallmann Chores daher, „Serenade am Meer“. Klassiker wie „Seemann, lass das Träumen“ (Lolita), La Paloma, Capri-Fischer, Lilli Marleen und „Glühwürmchen“ waren darauf zu hören. Als Single wurde allerdings der Titel „Alte Mühlen, junge Herzen ausgewählt“ – es blieb bei dieser einen Single aus dem Album.
1965 und später erschienen weitere Singles – die werden in Vol. 2. der „Kallmann Chor Originals“ auch aufgeführt. „Rote Rosen der Liebe“ war die deutsche Version des Bobi-Martin-Hits „Don’t Forget I Still Love You“. Auch die Nachfolgesingle, „Brot und Butter“, ist ein Coversong – diesmal ging es um die deutsche Version des Newbeat-Songs „Bread And Butter“.
Mit „Fern im tiefen Süden“ ging man 1966 neue Wege – erstmals wurde der Günter Kallmann Chor auch auf dem Single-Cover abgebildet. Bei dem Titel handelte es sich um die deutsche Version des Songs „Wyoming Lullaby“ von Alan Williams.
Hoch interessant finde ich die erste 1966 erschienene Single. Es handelt sich dabei um eine Vokalversion der exorbitant erfolgreichen Filmmusik „Somewhere My Love“. Mehr als ein Jahr hielt sich Maurice Jarre mit der Melodie „Lara’s Theme“ aus dem Film „Doktor Schiwago“ in den Hitlisten – für damalige Verhältnisse und über lange Jahre ein absoluter Rekord. Elisabeth Bertram schrieb unter ihrem Pseudonym „Lilibert“ dazu einen deutschen Text: „Weißt Du, wohin“. Kurz darauf erschien bei der gleichen Plattenfirma (Polydor) eine weitere Version des Hits von Karel Gott – der war damit deutlich erfolgreicher und landete einen großen Hit mir dem Schlager.
Mary Lou Collingston hatte einen Hit mit „Wish Me A Rainbow“ – darauf textete Elisabeth Bertram „All’ meine Liebe“ – fertig war eine Single aus dem Jahre 1967. Nachdem der Erfolg auf sich warten ließ, entschied man sich für einen echten Klassiker („Schneewalzer“). Ende der 1960er Jahre gab es die letzten Veröffentlichungen des Günter Kallmann Chores. Die letzte Single war „Rosen für Elisabeth“ – damit schloss sich dann der Kreis – der erste große Erfolg war die Elisabeth Seranade – und eben jener Elisabeth überreichte man Rosen.
Wenn man die schönen mehrstimmigen Arrangements des Günter Kallmann-Chores hört, fragt man sich, warum dies Konzept heutzutage nicht mehr so gefragt ist. Es ist sehr löblich, dass Polydor die Schätze der Vergangenheit gehoben hat und die schönen deutschsprachigen Aufnahmen des Kallmann-Chores verfügbar gemacht hat.
Stephan Imming, 04.12.2016