DIETER HALLERVORDEN u.a.
Umjubelte ‘Premiere’ “Der König stirbt” im Berliner Schlosspark Theater!
Das 60 Jahre alte Stück von Eugène Ionesco (1909 – 1994) ist gespickt von skurriler Absurdität und zugleich aktueller denn je!
Eine äußerst illustre Gästeschar fand sich am vergangenen Samstag (19.03.2022) zur “Premieren-Vorstellung” des Stückes “Der König stirbt” (mit zehn Ausrufungszeichen !!!!!!!!!!) in DIETER HALLERVORDENs Schlosspark Theater ein. Zuvor hatte es bereits einige Voraufführungen in Siegen sowie auch im Schlosspark Theater selbst gegeben.
60 Jahre hat das Stück “Le roi se meurt” (= “Der König stirbt”) von Eugène Ionesco (1909 – 1994) bereits auf dem Buckel. Dass es trotz alledem kein bisschen Patina angesetzt hat, liegt zu einem Großteil an dem Regisseur Philip Tiedemann, der das Wort behutsam in die Neuzeit adaptiert hat.
Wobei die “Vorlage” als solche geradezu erschreckend aktuell erscheint: “Die Bevölkerung überaltert” (trifft zumindest auf die deutsche Bevölkerung zu …), die Umwelt zerstört (Stichwort “Klimawandel”; Zitat aus dem Stück: “Die Bäume ächzen”), das Militär zu nichts zu gebrauchen … (Auch werden in dem Stück zwei Bestseller von Hape Kerkeling gestreift … Und Handys gibt es bereits ebenso wie Elektro-Roller …)
Das Schlosspark Theater bringt die Essenz dieses Stückes wie folgt auf den Punkt: “Dieses 60 Jahre alte Meisterwerk aus der Feder des preisgekrönten Erfolgsautors Eugène Ionesco erscheint so heutig und zeitlos, dass seine Aufführung eine Feier des Theaters, der Schauspielerinnen und Schauspieler und des absurden Humors vom Feinsten ist – und das in der 101. Spielzeit des traditionsreichen Schlosspark Theaters”, in dem “Der König stirbt” im Übrigen bereits 1964 unter der Regie von Vlado Habunek mit Horst Bollmann als König auf dem Spielplan stand.
Die Uraufführung erfolgte am 15.12.1962 im Theatre de l’Alliance Franchise (Paris) von und mit Jaques Mauclair. Die deutschsprachigen Erstaufführungen waren 1963 am Düsseldorfer Schauspielhaus unter der Regie von Karl-Heinz Stroux mit Karl-Maria Schley als König und am Hamburger Schauspielhaus (Regie: Hans Lietzau) mit Werner Hinz als König.
Dieter Hallervorden (86) selbst hatte zu jener Zeit – genau genommen am 22. Dezember 1960 – das Kabarett “Die Wühlmäuse” gegründet, das bis heute ohne staatliche Subventionen auskommt. Wilfried Herbst, einer der (gleichaltrigen) Mitgründer, hat sich vor einem Jahr in den Ruhestand verabschiedet, während Dieter Hallervorden noch immer und sogar mehr denn je für seinen Beruf (Schauspieler) und für seine Berufung (Theater-Intendant) brennt. Und so wird er am 04.09.2022 – einen Tag vor seinem 87. Geburtstag – ein drittes Theater in seiner Heimatstadt Dessau eröffnen … (Aber das ist eine andere Geschichte …)
17 Jahre, bevor er 1977 in der Slapstick-Reihe “Nonstop Nonsens” den “Mittelteil von ‘Doktor Schiwago'” suchte, wirkte er 1960 in einer Statistenrolle in dem Kriminalfilm “Die 1.000 Augen des Dr. Mabuse” mit. Und in den Jahren 1961 + 1962 wirkte er bei der von Hans Rosenthal produzierten Satire-Reihe “Die Rückblende” mit – einer monatlichen Sendung des Rias Berlin in Zusammenarbeit mit dem NDR. (Hans Rosenthal sah sich als “Herausgeber” der “Rückblende”.)
So sah sie also aus, die Parallel-Welt des Schauspielers Dieter Hallervorden zu jener Zeit, als “Der König stirbt” vor rund 60 Jahren uraufgeführt wurde.
Und jetzt überspringen wir rund 60 Jahre und befinden uns wieder – am 19.03.2000 – in Berlin:
Im Schlosspark Theater brilliert Dieter Hallervorden als König Dieter (der Erste!)!. Ein ‘Kurz-Autogramm’ mit den Initialen von Dieter Hallervorden ziert den Thron von “König Dieter”. (Und das ist nur eine von vielen tausend Feinheiten, die einem auffallen … Selbst dann, wenn man sich das Stück ein drittes Mal ansieht – mit dem festen Vorsatz, dies mindestens auch nich ein 4. oder 5. Mal zu tun – entdeckt man immer noch neue Nuancen.) Äußerst bemerkenswert ist im Übrigen auch, dass auf den Tischen im Foyer Informationen über den Autor Eugène Ionesco ausliegen … (Für all diejenigen Zuschauerinnen und Zuschauer, die sich sagen: “Ich brauche mehr Details” …)
Der königliche Hausarzt bestätigt König Dieter I., dass er des Todes geweiht ist. Doch König Dieter I. nimmt das nicht für bare Münze “Erinnern Sie mich daran, wenn es so weit ist.” (Schließlich hätte er auch sagen können: “Schreiben Sie’s auf, ich beschäftige mich später damit” …)Der König will sich mit seinem Schicksal jedoch nicht abfinden: “Ich sterbe, wann ich will. Ich bin der König – ich entscheide!”. – “Diese Macht haben Sie verloren!”, so sein Arzt. “Einfühlsam” wie eh und je setzt Königin Margarete mit “Du hast dem Verfall nichts mehr entgegenzusetzen!” noch einen oben (und nicht hinten-)drauf.
“Dass Könige sterblich sind, trifft mich völlig unvorbereitet”, beschwert sich König Dieter I., woraufhin er von seiner Margarete auf ihre Weise getröstet wird (“Deine Unsterblichkeit war nur provisorisch).” “Es gibt nichts Ungewöhnliches hier. Weil: Das Ungewöhnliche das Gewöhnliche geworden ist”, so des Königs vorläufiges Resümee.
“Ihr wollt mich doch nur auf den Arm nehmen …” – König Dieter I. kann und WILL es noch immer nicht fassen.”Ihr seid doch alle verrückt. Oder Verräter. Oder verrückte Verräter”, tobt Dieter I., um dann zu sinnieren “In Todesgefahr wehrt sich selbst die kleinste Ameise. (…) Sterben ist unangenehm. Ich will leben. Aus. Ende. Basta.”
Aber auch er muss schließlich erkennen: “Meine Gegenwart ist Vergangenheit!”. Und die “Diagnose” seines Leibarztes könnte “präziser” nicht sein als – “Es ist kein vorbildlicher Tod zu erwarten, aber ein recht anständiger. Er wird an seinem Tod sterben.”
Obwohl der König ein bisschen senil und vor allem ein bisschen sehr narzistisch veranlagt ist, ändert nichts daran, dass er – sofern er nicht gerade irgendwelche Kriege führt (, die er dann auch meistens verliert,) – von einem eher gutmütigeren Naturell ist. Ganz besonders köstlich sind die Momente, in denen König Dieter I. wieder zu einem trotzigen Kleinkind wird.
“Donnerwetter!”, hört man es immer wieder im Publikum im Publikum raunen ob der Agilität des Hauptdarstellers Dieter Hallervorden, der – und das gleich zweimal in dem Stück – wie eine Gazelle die Leiter hinauf kraxelt und sich auch sonst in seiner Rolle nicht schont … (- wobei: Haben SIE schon einmal eine Gazelle eine Leiter hinauf kraxeln sehen?).
Und so ganz scheint “König Dieter” dem Gesang wohl doch nicht abgeschworen zu haben, denn in der ersten Programmhälfte singt er kurz den John Rowles-Klassiker “If I Only Had Time” an und im zweiten Teil stimmt er bei “My Way” mit ein …
Noch dazu hat Hallervorden sein Gespür für perfektes Timing nicht verloren. “Der König stirbt” – exakt auf die Sekunde genau, wie während des ganzen Stückes immer wieder angekündigt – am Ende der Vorstellung …
Bei der Premieren-Vorstellung gab es immer und immer wieder Szenenapplaus und – natürlich – stehende Ovationen für Dieter Hallervorden und seine Kolleginnen und Kollegen. Glücklicherweise hat Dieter Hallervorden “die große Begabung, Lob und Anerkennung in unbegrenztem Maß ertragen zu können” …
“Ja, das war wirklich ein langer Ritt von sieben Wochen”, so Dieter Hallervorden bei der anschließenden Premierenfeier. “Trotz aller Corona-Maßnahmen haben wir es gut überstanden. Ich bedanke mich ganz herzlich bei meinem gesamten Ensemble. Und Sie mögen mir gestatten, mich besonders bei Christiane, meiner Frau, zu bedanken, die heute ja ihre absolute Premiere als Schauspielerin hatte.”
Wobei man das Theaterstück “Der König stirbt” insgesamt gar nicht besser hätte besetzen können als mit …:
* Dagmar Biener, die – mit fast durchgehend versteinerter Miene – Margarete, die erste Königin, spielt
* Annika Martens in der Rolle von Maria, der zweiten Königin
* Christiane Zander als Haushälterin, Krankenschwester und Ur-Berlinerin “Julchen”
* Mario Ramos als “Der Arzt”, der gleichzeitig auch Sterndeuter, Scharfrichter und – Virologe ist
* Und Georgios Tsivanoglou “Der Wächter”
Dass Christiane Zander (mit einer größeren Rolle) ihr Schauspiel-Debüt gibt, vermag man kaum zu glauben. Sie spielt ihre Rolle, als stünde sie zeitlebens auf der Theaterbühne.
Neben dem Regisseur Philip Tiedemann seien ganz ganz zwingend auch noch die Herren Alexander Martynow (Bühne & Kostüm) und Henrik Kairies (Musik) zu erwähnen. Sie alle haben einen herausragend guten Job gemacht.
Nachdem man sich “Der König stirbt” bislang dreimal angesehen hat, besteht nicht der geringste Zweifel mehr: Eugène Ionesco KANN dieses Stück nur – in weiser Voraussicht – für Dieter Hallervorden und sein Ensemble geschrieben haben. Ionesco selbst dürfte – im Autoren-Himmel – seine hellste Freude an der Aufführung des Schlosspark Theaters haben. Und: ER hat zudem die Möglichkeit, sich ALLE Vorstellungen bis zum 01.05.2022 (jeweils dienstags bis sonntags) anzuschauen.
Zudem ist es gut möglich, dass Sätze wie “Eintopf schadet der Gesundheit von Sterbenden” oder “Liebe ist Unsinn” in ähnlicher Weise Einzug in den deutschen Sprachgebrauch erhalten wie – beispielsweise – “Schreiben Sie’s auf, ich beschäftige mich später damit” oder “Ich brauche mehr Details”.
Von Eugène Ionesco selbst sind u. a. folgende Sätze überliefert:
“Das Wort hindert das Schweigen daran, zu sprechen. Das Wort betäubt. Statt Tat zu sein, tröstet es uns, so gut es kann, über unser Nichtstun hinweg.” ((wie wahr und wie aktuell !!!)
„Es ist schwer zu sagen, was absurd ist, da wir keine Vorstellung dessen haben, was nicht absurd ist.“
Kurzbeschreibung “Der König stirbt” (Quelle: Schlosspark Theater, Berlin)
Wir befinden uns in einem fernen – oder sehr nahen?! – Königreich. Sein Zustand ist bedenklich: Die Bevölkerung überaltert, das Reich schrumpft, die Umwelt zerstört, das Militär zu nichts zu gebrauchen, Forschung und Wissenschaft haben nur eine Erkenntnis: DER KÖNIG STIRBT! und mit ihm sein Königreich …
PS: Im Programmheft zu “Der König stirbt” kommt Dieter Hallervorden aus dem Schwärmen über das Stück gar nicht mehr heraus:„Mich fasziniert beim absurden Theater Ionescos, dass viele widersinnig erscheinende Passagen so viel ganz offensichtlich Wahres enthalten. – Ein Beispiel: Maria sagt, um Trost bemüht, zum König: ‘Solange der Tod nicht da ist, bist du da. Wenn er dann da ist, bist du nicht mehr da. Du begegnest ihm also nicht!’ – Vor solch skurriler Absurdität verneige ich mich so tief, wie mein alter Rücken es erlaubt.“
PPS:Und Christiane Zander (verkörpert das “Julchen”) ergänzt: „Morgen für Morgen kommt man zur Welt. Ich kann diese Dankbarkeit empfinden, Morgen für Morgen aufzustehen – weil ich es KANN! Gesund aus dem Bett zu steigen und unabhängig und frei den Tag zu gestalten! Diese empfundene Dankbarkeit macht mich glücklich.“ – Wie Recht sie hat !!!