HEINZ RUDOLF KUNZE
"MEISTERWERKE: VERBEUGUNGEN": HRK über Roy Black, Freddy Quinn & Co.!
Das “Track-by-Track-Interview” …:
Über „Ganz in Weiß“
Man kann gegen oder für Roy Black sagen was man will, wenn man zu meiner Generation gehört, ist man von ihm auf irgendeine Weise mit geprägt. Man entging ihm einfach nicht. Ich habe das große Vergnügen gehabt, ihn noch kennenzulernen in seinen letzten Lebensjahren. Er war ein sehr liebenswerter Kollege und ein Mann mit einer erstaunlichen Selbstironie, die man ihm nicht so zutrauen würde.
Wenn man ein Lied wie „Ganz in Weiß“ singt, auf die Weise, wie wir es gemacht haben, – in so einer Art Begräbnis-Western-Stimmung irgendwo zwischen Clint Eastwood und Johnny Cash – dann merkt man, dass viele Lieder von Johnny Cash auch nicht mehr Substanz haben. Und man kann diesem Lied dann noch etwas abgewinnen. Immerhin muss man ja auch sagen, es handelt von dieser wunderbaren alten Zeit, als die Frauen beim Ehe schließen den Männern noch Gehorsam schwören mussten und als die Männer zumindest für einen kurzen Augenblick die Illusion hatten, das wäre auch so.
Über „Blumen aus Eis“
„Blumen aus Eis“ ist ein typischer Karat Titel. Ich dachte bei der Zusammenstellung eines solchen Albums muss man auch die Musik aus dem Osten ein bisschen mitberücksichtigen, weil ich ja ein Gesamtbild von deutscher Popular-Musik machen wollte von Hildegard Knef bis in die Gegenwart und Karat sind natürlich eine Gruppe, die dort im Osten sehr wichtig und sehr erfolgreich war, die im Grunde genommen immer schon Maffay-Gene in sich hatte. Also viele Nummern dieser Band klingen einfach nach Maffay – ob sie wollen oder nicht. Oder: Maffay klingt nach ihnen, wie auch immer da die Wechselbeziehungen sind.
„Blumen aus Eis“ ist eine Nummer, die mir glaube ich gut liegt, ich kann das gut singen und der Produzent sagte beim Erstellen dieser Nummer das hätte auch von mir sein können. So soll es ja eigentlich ausgehen. Am Ende sollen ja die Lieder sich alle so anfühlen, als wäre ich die Schlange, die in dieser Haut steckt.
Über „Junge, komm bald wieder“
Freddy Quinn ist ein ähnlicher Fall wie Roy Black. Da habe ich auch einen persönlichen Bezug. Freddy habe ich auch kennengelernt, bei verschiedenen Fernsehsendungen getroffen und hatte auch von ihm einen sehr guten Eindruck. Er ist ein wirklicher Musikliebhaber und nicht so reduzierbar auf dieses Seemann-Schlager-Image der 50er, 60er Jahre wie ihn die meisten Menschen gesehen haben. Er hatte sehr viel Ahnung von Country Musik und von anderer Musik auch, und „Junge komm bald wieder“ ist eben ein Stück, das so tief in meiner Generation drin ist und natürlich in den Generationen davor, es wirkt wie ein Schlaflied, das meine Mutter mir vorgesungen haben könnte, als ich ein oder zwei Jahre alt war. Das ist einfach drin und das gehört zur deutschen Popular-Kultur, und deswegen finde ich hat es auch ein Recht dabei zu sein.
Über „Hinterland“
Hinterland hat mich interessiert, von Casper, weil er ein Paderborner ist und ich relativ in der Nähe, in Osnabrück aufgewachsen bin. Zwei Städte, die sich gegenseitig ignorieren und voneinander behaupten es gibt sie gar nicht. Das Lied handelt von der Provinz und dem bleienden Gefühl, das die Zeit nicht vergeht, wenn man in einer Provinzstadt aufwächst und das kenne ich nur allzu gut, da unterscheiden sich nämlich Osnabrück und Paderborn kaum.
Über „Zum Laichen und Sterben ziehen die Lachse den Fluss hinauf“
Von Thees Uhlmann wusste ich bis vor wenigen Monaten überhaupt nichts, der war mir komplett unbekannt und dann habe ich in einer Fernsehsendung, wo er Talk-Gast war, eine Einspielung gesehen, von diesem Lied und habe gedacht, „die Lachse“, das könnte mein Schüler sein, das hört sich irgendwie nach mir an. Der Refrain hätte eigentlich aus meiner Feder stammen können. Hat mich sofort angesprochen. Und als es darum ging, wie weit spannen wir den Bogen von der Vergangenheit bis zur Gegenwart, habe ich sehr spontan gesagt, "den möchte ich dabei haben als Punkt in der Gegenwart" – als Referenzpunkt, weil er mich einfach so anmacht und ich das Gefühl hab, das ist ein Lied das bei meinem letzten Album nicht stattgefunden hat, zufälligerweise. Jetzt findet es endlich statt.
Über “Der Mussolini“
DAF waren für mich einer der interessantesten Bands der sogenannten neuen deutschen Welle, die ja in diesen ganzen Rückschauen im Fernsehen immer sehr peinlich reduziert wird auf nur ihren poppigen Aspekt. Also im Fernsehen ist dann immer nur von Nena und Hubert KaH und Markus und solchen schlagerartigen NDW Dingen die Rede. Mich haben vielmehr interessiert Leute wie Joachim Witt und DAF und Wirtschaftswunder und Süf und die ganzen experimental Bands dieser Zeit, Fehlfarben natürlich und dazu gehört DAF selbstverständlich. Allein diese Idee, eine Musik zu reduzieren, praktisch nur auf einen Bass, Synthesizer und ein Schlagzeug und dazu Worte zu halluzinieren und zu stammeln. Das ist schon sehr fortschrittlich. Ich habe immer gedacht, die hätten das erfunden bis ich irgendwann auch diesen Zahn gezogen bekam und gemerkt hab, ne, es gab vorher schon suicide in Amerika. Also es kommt wie immer alles aus Amerika. Auch diese Idee, die Musik so zu minimalisieren. Aber auf jeden Fall waren sie in Deutschland die ersten damit.
Über „Ich steh auf Berlin“
Den ersten Fernsehauftritt meines Lebens hatte ich zusammen mit IDEAL im Magazin Aspekte, wir haben live gespielt beide in Frankfurt im Römer, werde ich nie vergessen. Damals war IDEAL ganz neu, ganz frisch und ich auch. Wir waren wirklich Debutanten und ich habe ihnen sehr elektrisiert zugehört und war hin und weg von dieser deutsche Beat Band. Denn das war es ja eigentlich, eine richtige knackige Beat Band mit scharfen Texten und einer sehr zupackenden Musik. Ich war immer IDEAL Fan und bin eigentlich ganz enttäuscht, dass die Band es nur auf drei Alben gebracht hat. Wenn die länger durchgehalten hätten hätten sie uns vieles andere vielleicht erspart.
Über „Was ich dir sagen will“
Es gibt eine Nähe, die ich nicht genau definieren kann zwischen Udo Jürgens und mir, die Art wie wir Harmonien aneinanderfügen am Klavier ähnelt sich irgendwie, das haben auch schon andere gemerkt. Anfang der 80er Jahre hat mich eine große deutsche Wochenzeitung bezeichnet als den Udo Jürgens der Grünen. Nun ja. Ich habe jedenfalls einen großen Respekt vor seinem Lebenswerk und bin sehr froh, dass wir uns auch kennengelernt haben und das er mir einmal gesagt hat, in seiner un-nachahmbaren österreichischen Ausdrucksweise, die ich jetzt nicht nachmachen will. „Ich beobachte Sie seit Jahren“. Dabei hat er mir so die Hand auf die Schulter gelegt: „Sie machen das recht ordentlich was sie machen“.
Über „Deine Schuld“
Die Ärzte sind ohne jede Frage eine der wichtigsten Bands der letzten 25-30 Jahre, eine der größten auch, und sie haben sehr viele humorige Lieder gemacht, dafür sind sie ja eigentlich berühmt geworden und haben diesen riesen Erfolg gehabt. „Deine Schuld“ ist ja nun eher ein ernsteres Stück, und ich habe sie nur ein einziges Mal live gesehen. Und da habe ich bei diesem Stück, als sie das spielten, gedacht, das hat eine Verbindung zu mir, das hätte ich auch schreiben können. Es ist sehr zornig, sehr wütend. Zorniger junger Mann mäßig. Also, vor 30 Jahren hätte mir das auch unterlaufen können deswegen habe ich es genommen.
Über „So lange man Träume noch leben kann“
Ich habe mich bei der Münchener Freiheit mal aus freien Stücken „Liebkind“ gemacht. Ich freue mich auch, dass sie das erfahren haben. Ich habe nämlich mal im Radio mal gesagt die Münchner Freiheit sind die deutschen Beach Boys. Und das haben sie gehört und haben sich sehr gefreut und bedankt dafür. Und das meine ich auch so, denn Stefan Zauner ist einer der wenigen männlichen deutschen Sänger, die ich akzeptiere als Sänger, der kann singen – da gibt es nicht viele von. Ich habe immer gesagt: Wenn schon Pop-Musik, dann so.
Über „Alles aus Liebe“
Die Toten Hosen sind das Pendant zu den Ärzten, das sind die beiden maßgeblichen deutschen Bands der letzten Jahrzehnte. Die Hosen reiten immer so auf dem Image von Punk rum. Ja, gut, klar – da kommen sie her, da haben sie angefangen. Es ist einfach eine gute, zupackende Rockband, und da war die Auswahl nun sehr schwer, denn meine Kinder sind durch die Bank Hosen-Fans, und da ging es heiß her bei uns zu Hause was wir nehmen, und ich musste dann letzten Endes den Finger auf irgendetwas legen … – und so ist dieses Stück dabei rausgekommen. Es ist vielleicht nicht das typischste Hosen-Stück, aber eins ihrer vielen bemerkenswerten, ja.
Über „Für mich soll´s rote Rosen regnen“
Ich hatte die große Ehre, für Hilde noch arbeiten zu dürfen. Auf ihrem letzten Album habe ich etwas geschrieben und etwas übersetzt aus dem Englischen, und sie ist die deutsche Sängerin schlechthi – für mich und für viele andere Menschen auch. Keine andere kommt da ran. Man hat früher genörgelt, sie könne gar nicht singen. Das können die meisten Männer im deutschen Pop auch nicht. Aber sie hat eine Art, das rüber, zubringen und mit schauspielerischem appelent (Ausdruck) das darzustellen, dass man ihr jeden halbschrägen Ton verzeiht. Es ist einfach charmant, wenn sie den Mund aufmacht. Ich habe sie nicht persönlich getroffen, ich habe nur für sie gearbeitet aber das Gefühl, sie einmal am Telefon gehabt zu haben. Abends um halb 10 klingelt bei mir das Telefon und dann kommt diese tiefe rauchige Stimme und sagt: „Herr Kunze, hier ist Hildegard Knef“. Also, das war schon was.
Über „Wenn ein Mensch lebt“
Die Puhdys sind – genau wie Karat – eine der drei, vier prägenden Gruppen des Ostens gewesen. Maschine der Gitarrist, ist mein Freund. Ich habe auch für sein Solo-Album gearbeitet. Wir kennen uns ewig lange. Dieser Titel, Musik des Films „Legende von Paul und Paula“, kennt jeder Mensch im Osten und das gehört einfach in so eine Sammlung zwingend hinein, wenn man ein Gesamtbild über deutsche popular-Musik geben möchte.
Über „ Haus der Lüge“
Als ich Haus der Lüge von Blixa Bargeld gesungen habe, habe ich gedacht das kann doch gar nicht wahr sein. Das ist wirklich von mir. Also die Art wie er mit Worten bastelt, wie er Worte zusammenstellt, auseinander nimmt anders zusammensetzt ist genau meine Methode.
Ich kann dazu nur sagen ich hatte mal ein Fast-Zusammentreffen. Meine Band saß in einem Sushi Restaurant in Berlin und er saß am anderen Ende dieses Restaurants. Irgendwann ist mein Tour-Leiter ohne meine Erlaubnis dahin gegangen und hat zu Bargeld gesagt: „Übrigens mein Chef mag sie“ und dann guckt er so rüber und sagt: „Ich weiß“.
Foto-Credit: Jim Rakete
SMA / RCA Deutschland (Textvorlage)
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