FEUERSCHWANZ
CD-Rezension: Top-10-Album "Sex is muss" von Feuerschwanz!

Stephan Imming ist voll des Lobes für die Mittelalter-Band und sieht Parallelen zu …: Roland Kaiser!
 

Derzeit schaffen es recht oft Künstler aus verschiedenen Bereichen der mittelalterlichen Musik, die Charts zu stürmen. Der Ansatz ist meist ein eher ernster, mit dem Bemühen um bestmögliche Seriosität. Eine Band, die ein etwas anderes Konzept  verfolgt, heißt FEUERSCHWANZ. Für ihre Originalität wurde die Gruppe aktuell mit dem 7. Platz in der von GfK Entertainmeint ermittelten offiziellen Album-Hitparade belohnt.

Die 2004 im Erlanger Raum gegründete Band spielt zwar auf vielen typischen mittelalterlich angehauchten Festivals, besticht aber durch ihre eigene humorvoll-selbstironische Art, was sich schon in den Namen der Bandmitgliedern ausdrückt. Dem CD-Cover des aktuellen Albums „Sex is muss“ kann die aktuelle Besetzung der Band entnommen werden:

 

  • Hauptmann Feuerschwanz ist zuständig für Gesang, Akustikgitarre und Irish Bouzouki
  • Prinz Richard „Hodi“ Hodenherz III. singt ebenfalls und spielt gleich diverse Instrumente (Dudelsack, Uilleann Pipe, Schalmei, Tinwhistle, Akustikgitarre und Irish Bouzouki
  • Johanna von der Vögelweide spielt Geige und Drehleier
  • Hans der Aufrechte ist für E-Gitarre und Akustikgitarre zuständig
  • Sir Lanzeflott („Lanze“) bedient das Schlagzeug und
  • Felix Taugenix den Bass (warum der als Letzter genannt wird, ahnt der Hörer angesichts des ihm „gewidmeten“ Lieds)

 

„Moooment“ – wird der geneigte Leser nun denken. Das sind doch nur sex – äääh, sechs Musiker. Da fehlt doch was? Richtig gezählt: Die zwei Damen links und rechts auf dem Cover sind (getreu dem Motto „Sex is muss!“ – da ist man konsequent) zwei „Miezen“, nämlich Mieze Myu und – Achtung! – Mieze Musch Musch. Aufgaben dieser beiden „Miezen“ ist es, in katzenartiger Verkleidung (entsprechend auch geschminkt) zu tanzen und damit das Publikum zu animieren.

Jedes der Bandmitglieder im CD-Bookelet eigene „Schwanzsagungen“(!) formuliert. Spannend ist da u. a. der explizite Dank an die „ASTA Osnabrück“ für die freundliche Titel-Anregung und natürlich – Zitat – an „Quentin Herkules für die vielen voll geschissenen Windeln“.

Die aktuelle CD trägt wie mehrfach erwähnt den Titel „Sex is muss“. Und freundlicherweise erklärt uns der „Chronist“ der Gruppe im Booklet, wie es dazu kam und distanziert sich zunächst mal von anderen „Ismen“ dieser Welt (als Beispiel sind Extremismus, Fanatismus und ….“Bassismus“ (da ist der Bassist schon wieder in der Schusslinie – der Arme…). – Interessanterweise wurde „Feminismus“ bei dieser Aufzählung ausgespart. Der „Chronist“ der Band ist laut eigener Aussage „verwirrt“ und sogar „überfordert“, stellt sich doch die Frage, ob hier „SATIRE“ Hintergrund sei.

Hintergrund dieses klar ironischen Vorworts (bzw. O-Ton: „Ein Schelm, der Böses dabei denkt“) sind sicher Vorkommnisse des vergangenen Jahres, als die Gruppe von politisch überkorrekten Veranstaltern der Universität Osnabrück (bzw. genau genommen die gerade genannte „AStA“) von einem Festival nach einer festen Einladung wieder ausgeladen wurden. Die Begründung des Veranstalters war dem Vernehmen nach offensichtlich „Sexismus“. Wie so oft in vielen Bereichen der Zensur könnte auch hier der Schuss nach hinten losgegangen sein – offensichtlich führte diese (in der Tat einfach nur lächerliche) Begründung zu einer tollen Inspiration der Band, nicht nur einen Song, sondern gleich das ganze Album so zu nennen – quasi danach, wofür man steht: „Sex is muss“. Neudeutsch könnte man vielleicht sogar von einem „Konzeptalbum“ reden.

Wenn man als konservativer Schlagerhörer in die ersten Songs hört, ist man überrascht – zumindest war ich das: Es erklingt für meine Ohren „normale“ gitarrenlastige Rockmusik, vielfach garniert mit teils ungewöhnlichen (mittelalterlichen) Instrumenten, die aber bei den meisten Songs nicht wirklich im Vordergrund stehen. Inhaltlich lassen sich bisweilen spannende Parallelen zu Songinhalten Roland Kaisers finden…

 

 

Zu den Liedern im Einzelnen:

Passend zum Titel der CD geht es mit „Ketzerei“ gleich zur Sache. Texter „Hodi Hodenherz“ beschreibt das triebhafte Verlangen beim Anblick eines rothaarigen Mädchens – der „gestand’ne Christ“ sieht diese Versuchung als „Sünde“ an und spricht von einem „infamen Weibsstück“ und kommt zu der These, das alles sei „Ketzerei“. Roland Kaiser sprach in diesem Zusammenhang die Worte: „Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn ihm die rothaarige –äääh, schöne Nachbarin gefällt“.

Laut Wikipedia transportiert Feuerschwanz eine „triviale und frivole Kernbotschaft“. Unverschämtheit! In einem Punkt hat das Online-Lexikon aber Recht: Ein wichtiges Thema der Band ist offensichtlich der „Met“ (für nicht Eingeweihte: Honigwein). Gleich der zweite Song behandelt diese „Kernkompetenz“ der Gruppe: „Krieger des Mets“. Kongenial verknüpft „Feuerschwanz“ eine Ode an das alkoholische Getränk mit dem Titelthema des Albums: „Ich verzauber‘ die Weiber mit wallendem Bart – mein Horn so gewaltig, mein Bizeps so hart“. Roland Kaiser formulierte es früher etwas anders mit seinen „Sieben Fässern Met – ääh Wein“.

Getreu dem Motto, dass aller guten Dinge drei sind, hat man den Titelsong des Albums genau auf diese Position gesetzt. Mit dem Lied erfüllt man einen erzieherischen Anspruch, indem buchstäblich „blumenreich“ der Titel der CD erklärt wird: „Sex is muss“. Explizit wird in diesem Song das beim Namen genannt, was bei Roland Kaiser auch Fakt ist, aber nicht ausgesprochen wird: „Das ist kein normales Liebeslied, sondern ein Triebeslied“… Die Mittelalter-Rocker übertreiben nicht, wenn sie prophezeien: „Euer neues Lieblingslied… eine Ode an den Liebestrieb“. Roland Kaiser hingegen ist da bescheidener – einmal reicht ihm: „Lieb mich ein letztes Mal“…

Passenderweise folgt auf dem Fuße der Song „Ein Schelm, der Böses dabei denkt“, der erneut als Seitenhieb an die gerichtet ist, die vermeintlich „harmlose“ Lieder verteufeln, weil ihre eigenen Gedanken das Lied erst zu einem „frivolen, trivialen“ Lied machen. Schonungslos kriegt es der gemeine Hörer auf’s Butterbrot geschmiert: „Was dieses Lied Euch sagen will: Ihr seid versaut und denkt zu viel!“.. – Passend dazu spielt Jenny Diehl, Gastmusikerin der Musikschule St. Wendel, im Hintergrund die schönste Harfenmusik seit Nicoles „Ein bisschen Frieden. – Roland Kaiser sagt da nur: „Die Gefühle sind frei!“

Bei der Musik ist es wie beim Fußball – ein guter Zusammenhalt ist für den Erfolg von großer Bedeutung, der sprichwörtliche „Team Spirit“ entscheidet oft über Erfolg und Misserfolg. In dem Zusammenhang wirkt das Lied „Taugenix“ sicher wie Balsam auf den Bassisten, der zufällig auch noch genau so heißt („Felix Taugenix“). Die Grund-Charaktereigenschaften von Felix sind zwar betrüblich („Doch er war nicht gestört, auch kein ADHS, er war einfach schlichtweg zu blöd“), aber er hat den Sinn des Lebens gefunden: „Eine Tugend mach aus Deiner Not, junger Mann – und werde Bassist“. Nicht nur Bassist Felix, sondern alle Bassisten Deutschlands werden sich sicherlich über diese deutliche „Wertschätzung“ sehr freuen, auch wenn Bassisten-Vorurteile nicht wirklich originell sind. Damit der Bass nicht ganz so allein und traurig da steht, durfte Jenny Diehl erneut die Harfe erklingen lassen. Roland Kaiser würde sagen: „Ich glaub, es geht schon wieder los!“.

Ein wenig ernsthafter geht es mit dem Stück „Hexenjagd“ zur Sache – man merkt, dass das primitiv-erotische Element verschwindet, wenn eine Frau am Text mitwirkt – Co-Texterin des Liedes ist nämlich Johanna von der Vögelweide. Gerade im Zeitalter sozialer Netzwerke, in denen es leicht zu „Shitstorms“ kommen kann, wird die „Hexenjagd“ recht explizit beschrieben: „Man nehme einen Sündenbock nach Wahl – und helfe nach mit etwas Folterqual“. Wenn es dann doch den Falschen erwischt, ist man natürlich todtraurig und betet einen Rosenkranz. Roland Kaiser hätte gemahnt: „Warum hast Du nicht nein gesagt?“.

Nicht ganz so philosophisch – oder vielleicht doch ein bisschen geht’s im Lied „Ringelpietz (mit Anfassen)“ zur Sache. In dem Lied geht es darum, dass es im Leben oftmals nur genau um DAS geht: „Ringelpietz mit Anfassen“. Als einfach gestrickter Schlagerfreund erfreut man sich sicher insbesondere an der Zeile „Die Weiber aufgetakelt wie Fregatten – die Macker wollten sie begatten“. Oder um es mit Roland Kaiser zu sagen: „Schach Matt – durch die Dame im Spiel…“

Mit dem „Nachtlied“ zeigt sich „Feuerschwanz“ von seiner romantischen Ader. In dem Lied wird unter anderem ein Drachen besungen, quasi das Symboltier der Band (genau, der Name „Feuerschwanz“ nimmt offensichtlich Bezug auf das Fabeltier – nicht etwa auf irgendetwas Primitives oder gar Erotisches!!). Romantisch erklingt noch mal Jennys Harfe. Spätestens um Mitternacht kann man von der Nacht singen – und angesichts der „Mieze“, die auf dem Foto unter dem Text im Booklet abgebildet ist (untröstlicherweise weiß ich nicht, ob es Mye oder Musch-Musch ist), denkt man unweigerlich an Roland Kaisers „Midnight Lady“, wobei diesmal auch die Ärzte mit ihrem „Schlaflied“ grüßen lassen…

Eines meiner persönlichen Lieblingslieder auf dem Album ist „Moralisch höchst verwerflich“. Im Text von Hodi Hodenkranz (dass der Text nur von einem Kerl stammen kann, war klar…) geht es eben um „moralisch höchst verwerfliche Dinge“ wie „Ich steh voll auf Cholesterin und die neue Nachbarin“. Das ganze garniert mit derben Seitenhieben auf „spaßbefreite“ humorlose Menschen – so muss es sein, und das dürfte Feuerschwanz doch deutlich von ihren Mittalalter-Kollegen unterscheiden. Roland Kaiser würde bekennen: „Von Liebe war bei uns nie die Rede“ – auch DAS: „moralisch höchst verwerflich“…

Mit dem nächsten Lied wird noch mal das Eingangs-Thema aufgegriffen. Wie schwierig es ist, christlich nach Geboten zu leben, wurde ja schon im Lied „Ketzerei“ beschrieben. Wenn aber erst mal der „Teufel“ das Zepter übernommen hat, ist dieser Vorsatz komplett über Bord geworfen, wie wir leben: „Ich bin heut Nacht Dein Steuermann – Dein persönlicher Satan.. ich bin schon zur Stelle, wenn den Anstand Du verlierst“ – davon kann auch Roland Kaiser ein Lied singen: „Manchmal möchte ich schon mit Dir – diesen unerlaubten Weg zu Ende gehen“.

Als Mittelalter-Band fühlt sich „Feuerschwanz“ natürlich der Tradition verpflichtet. Folgerichtig hat die Band auch einen traditionellen Titel mit auf’s Album genommen, der wie die Faust auf’s Auge passt: „Es wollt ein Bauer früh aufsteh’n“. Schon „Zupfgeigenhansel“ und andere Interpreten haben diesen Klassiker im Programm, bei dem sich unter anderem „der Pfaffe die Hose anzieht“ – hätte er mal besser Roland Kaisers Rat beherzigt: „Zieh Dich nicht aus, Amore Mio“…

Den Abschluss des Albums bildet ein Song, den die erfolgreichen Jungs von Santiano auch nicht hätten schöner singen können: „Ruderboot“. Darin geht es um einen pflichtbewussten Individualisten, der sein Ruder stets korrekt über das „Flüsschen“ führt. Ähnlich sehnsuchtsvoll wie der Kerl, der die „Liebe entdeckte“ und dem dann klar war: „die Mädelein hatten mich nie wieder zu interessier’n“, sang einst Roland Kaiser von „Santa Maria“.

 

 

Fazit:

 

Mit „Sex is muss“ bedient die Band „Feuerschwanz“ nicht nur die zahlreichen Freunde mittelalterlich angehauchter Musik. Dank ihrer wirklich witzigen, teils ironisch-sarkastischen Texte auf der einen Seite und ihrer hart-rockigen Musik-Arrangements auf der anderen Seite dürften sowohl Schlager- als auch Rock-Fans sich von dieser originellen Musik angesprochen fühlen.

Jedenfalls hat das Album zumindest mir (als Schlagerfan) Lust auf ein Konzert der Band gemacht – mal sehen, wann „Feuerschwanz“ das nächste Mal in der Nähe sind – oder um es mit Reinhard Mey(!) zu sagen: „Erbarmen! Musikanten sind in der Stadt!“.

Stephan Imming, 30.08.2016

http://feuerschwanz.de/

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen.

74 − = 70

Diese Webseite benutzt Cookies. Aktuell sind Cookies, die nicht essentiell für den Betrieb dieser Seite nötig sind, blockiert. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind nur auf essentielle Cookies eingestellt. Um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. essentielle Cookies: PHP Session - Dieses Cookie ist nötig für die Funktion der Seite um wichtige Informationen an folgende Seiten weiterzugeben. nicht essentielle Cookies - Der Seitenbetreiber hat diese Cookies genehmigt, Sie sind sie jedoch deaktiviert: YOUTUBE-Videos - Beim Einblenden der Youtube-Videos werden Cookies von Youtube/Google als auch deren Partner eingebunden. Youtube und deren Partner verwenden Cookies, um Ihre Nutzererfahrung zu personalisieren, Ihnen Werbung basierend auf Ihren Interessen anzuzeigen sowie für Analyse- und Messungszwecke. Durch das Einblenden der Videos und deren Nutzung stimmen Sie der Nutzung von Cookies zu, die in der Cookie-Richtlinie auf https://policies.google.com/privacy?hl=de näher beschrieben wird. Spotify-Playlist - Beim Einblenden der Spotify Playliste werden Cookies von Spotify als auch deren Partner eingebunden. Spotify und deren Partner verwenden Cookies, um Ihre Nutzererfahrung zu personalisieren, Ihnen Werbung basierend auf Ihren Interessen anzuzeigen sowie für Analyse- und Messungszwecke. Durch das Einblenden der Playlist und deren Nutzung stimmen Sie der Nutzung von Cookies zu, die in der Cookie-Richtlinie auf spotify.de näher beschrieben wird.

Schließen