DIETER HALLERVORDEN
smago! exklusiv: „Ich liebe Herausforderungen, noch mehr natürlich deren Bewältigung“ – Das unzensierte Gespräch zum 90. Geburtstag!
Bei der Einführungsmatinée zu der Komödie „Der eingebildet Kranke“ von Moliére plauderte Dieter Hallervorden am 31.08.2025 aus dem Nähkästchen …:
Lieber Herr Hallervorden, auf der Pressekonferenz haben Sie ausgeführt, dass Sie schon zahlreiche Rollen in Ihrem Leben gespielt hätten, aber momentan gäbe es eine neue Hauptrolle und das sei die des Interviewgebers. Können Sie uns dazu ein bisschen was sagen?
Naja, es kommt ein bisschen was zusammen. Der runde Geburtstag – da hatte ich ja Zeit, mich ein paar Jahre vorzubereiten, aber dann kam dazu, dass die ARD sich entschlossen hatte, zu dem Geburtstag eine Dokumentation über mein Wirken und mein Schaffen zu machen. Und die Flut an Interviews hat mich geradezu überrannt. Vor allen Dingen: Im Prinzip waren es immer die gleichen Fragen. Aber jeder wollte natürlich, dass die Interviews nicht vor fünf, sechs Journalisten zusammen gemacht werden, weil jeder meinte: Ich hab‘ hier ganz originelle Fragen … Es stellten aber alle die gleichen …
Na gut, ich habe das über mich ergeben lassen, aber es war zum Teil wirklich Land unter, weil ich gleichzeitig noch ein paar andere Dinge zu erledigen hatte.
Zum Beispiel die Vorbereitungen zu der Komödie „Der eingebildet Kranke“ ((KEIN Schreibfehler – bei Dieter Hallervorden heißt das Stück „Der eingebildet Kranke“)) …
Ich bin ja ein recht umtriebiger Mensch und für dieses Lebensalter relativ agil, und es fiel mir erst nach etwa sechs Wochen Proben ein, warum ich eigentlich jetzt gerade zu dem Geburtstag eine Rolle spiele, wo ich immer im Bett liege … Das ist mir etwas spät eingefallen und ließ sich bis zum 5. September nicht mehr ändern.
Trotzdem macht mir diese Rolle natürlich sehr viel Spaß. Ich bin großer Fan von Moliére , ich liebe es, wie er der Gesellschaft den Spiegel vorhält, ich liebe sein Aufbegehren, das ist mir ja auch nicht ganz wesensfremd.
Man muss bedenken, wie er damals gegen die Ärzte zu Felde zog. Es ist ja überliefert, dass der Zahnarzt bei einer Behandlung von Ludwig XIV. diesem König den Kiefer ausrenkte. Das müssen schon sehr waghalsige Methoden gewesen sein, mit denen die Ärzte damals arbeiteten.
Dazu kommt, dass ich als 22-Jähriger in französischer Sprache diese Rolle schon mal gespielt habe.
Das war auch der Anlass, damals mein Studium prompt an den Nagel zu hängen und aus dem Schauspiel-Hobby einen Beruf zu machen.
Und da dachte ich mir, vielleicht ist das ein gutes Omen, weil mir wohl meine Kritiker bestätigt haben damals, dass diese Abkehr vom Studium hin zum Schauspiel die richtige Entscheidung war. Und wir wollen nun versuchen, am 5. September nochmal nachprüfen zu lassen, ob die Entscheidung auch im hohen Alter noch Bestand hat.
Sie haben den Text von Molière nicht nur übersetzt, sondern auch bearbeitet. Und Sie sagen, Sie hätten ihn sich auf den Leib geschrieben …
Nein, das habe ich nie behauptet.
Ich habe nur gesagt, es ist ja klar, wenn ich jetzt die Hauptrolle spiele und mache eine Bearbeitung für das Schlosspark Theater, dann muss das eine Fassung sein, die im Prinzip kein Verlag annehmen wird, weil es nur einer spielen kann, nämlich ich.
Und ich habe mir Mühe gegeben, für die Leute, die vielleicht Fan sein sollten, dass die Zitate wieder erkennen und bestimmte Anmerkungen bekommen. Wir spielen zwar in den Kostümen des 17. Jahrhunderts, aber trotzdem gibt es sehr viele Anspielungen auf technische Dinge des 21. Jahrhunderts.
Diese Mischung habe ich versucht herzustellen. Das war nicht einfach. Und ich bin natürlich mächtig gespannt. Das Publikum wird ja dann der Zensor sein und wird beurteilen, ob die Fassung denn so Bestand hat. Deswegen bin ich diesmal doppelt nervös, mit doppeltem Lampenfieber gesegnet, weil es geht ja nicht nur darum, als Schauspieler zu bestehen, sondern in dem Fall auch als Bearbeiter und Übersetzer.
Sie sind dafür bekannt, – auch politisch – ihre Meinung zu sagen …
Ich bin in starker Opposition zu dem DDR-Regime aufgewachsen und habe als junger Mensch gelernt, was Meinungsfreiheit mir bedeutet. Und ich habe auch damals schon immer in meiner Seele Luft gemacht.
So habe ich mich auch der vormilitärischen Untersuchung an der Universität verweigert. Man musste dann vor einem Parteigremium begründen, warum man nicht teilnehmen wolle. Ich habe gesagt: ‚Es macht doch keinen Sinn. Wenn Sie mir Schießen beibringen, würde ich ja später bestimmen, in welche Richtung ich schieße.'“. Diese Art, mich zu positionieren, habe ich einfach beibehalten. So bin ich. Wenn ich meine Meinung nicht sagen kann, würde mir der Kragen bleiben.
Wie schaffen Sie es, in Ihrem Alter das zu tun, was sie tun?
Ich gebe die Frage an meine Frau weiter …
Christiane Hallervorden (als Schauspielerin: Christiane Zander): Da möchte ich mich kurz zu äußern. Mein Mann besteht zu 90 Prozent aus Disziplin. Es ist einfach so. Das erste, was er morgens macht, wenn er aufsteht, ist in seinen Sportbereich runtergehen, und dann zieht er wirklich eine Stunde Sport durch. Egal, wie spät es geworden ist oder wie früh er auch wieder aus dem Haus muss, seine Stunde Sport zieht er durch. Und da habe ich die größte Bewunderung dafür – ich ziehe es nicht durch.
Dieter Hallervorden: Ich nenne den Bereich Folterkeller. Ich gehe da jeden Tag hin, klar.
Aber dazu kommt natürlich noch, dass man wissen muss, warum man das macht. Ich will Kraft tanken, iIch will Ausdauer trainieren und Stabilität, die im höheren Alter besonders wichtig. Dazu kommt noch, dass ich glaube, dass auch die Gene eine große Rolle spielen. Vielen Dank an meine Eltern, aber Gene machen allenfalls 30 Prozent aus, was man im Alter noch so schaffen kann.
Und: Die emotionale Gesundheit ist für mich ganz wichtig. Ich habe eine sehr glückliche Ehe, ich fühle mich gut umsorgt, wir lieben uns beide – und das macht unheimlich viel aus. Der Wille kann Berge versetzen.
Wie haben Sie sich für den Film „Sein letztes Rennen“ vorbereitet?
Ich habe neun Monate lang jeden Tag trainiert, aber nicht bloß das, was ich normalerweise mache, sondern auch speziell auf Ausdauer bezogen. Ich hatte einen Personal Trainer, ich habe die Ernährung umgestellt, neun Kilo abgenommen. Ich habe mir gesagt, du hast dem Produzenten versprochen, dass du das leisten kann mit 73 oder 74 Jahren. Jetzt musst du aber auch sehen, dass du dieses Versprechen auch einhältst!‘. Ich musste ja mehr als 20 Kilometer des Marathons mitlaufen. Und wenn ich irgendwo laufe, laufe ich nicht, um Letzter zu werden.
Lustige Geschichte nebenbei: Als ich mir die dafür nötigen Sportklamotten kaufte, um auch mal in Frankreich in meinem Exil weiter zu trainieren, wollte mein damals 13-jähriger Sohn mit. Aber: Wie Kinder sind … – drei Wochen verschlafen immer morgens … Und als er dann nach drei Wochen mitlaufen wollte, bin ich ihm weggelaufen.
Ich liebe Herausforderungen, noch mehr natürlich deren Bewältigung. Deswegen lege ich immer eine Schippe mehr drauf, weil ich mir sage: ‚Ich muss das unbedingt schaffen, und ich möchte mich auf keinen Fall blamieren.‘ Ich gebe mir schon viel Mühe …
Wie kamen Sie mit Molière in Kontakt?
Also, wir haben uns nie persönlich kennengelernt.
(Hätte aber sein können …, witzelte Holger Thomas vom „Freundeskreis Schlosspark Theater))
Ich habe Romanistik studiert, also Romanische Sprache und Literatur.
Und Moliére ist von den Komödiendichtern aus diesem Segment der Zeit mein Lieblings-Komödiendichter. Ich kenne alle seine Stücke. Ich habe zwar nicht alle übersetzt, aber: Das werde ich noch tun.
Dazu kommt natürlich, dass ich sehr frankophil bin. Das heißt, ich bin sehr verbunden mit der französischen Kultur. Dazu gehört natürlich auch die Esskultur.
Ich bin zwar nur im Exil, aber bemühe mich auch dort, mich an die Regeln des Landes zu halten, was man sich bei manchen Leuten, die bei uns wohnen, ja auch wünscht …
Ich habe 90 Prozent der Bücher über Moliére gelesen und bin exklusiver Moliére Kenner.
Sie planen die nächsten 10 Jahre und möchten ja den 100. wahrscheinlich auch noch auf der Bühne feiern …
Ehrlich gesagt habe ich ich schon vor, noch ein paar Jährchen zu machen. Ich trete ja jetzt ein in das nächste Jahrzehnt – im kämpferischen Lauf in Richtung 100. Zur Eröffnung der nächsten Spielzeit ein Stück, das wieder sehr politisch ist, das liegt mir sehr am Herzen, wie Sie wissen, das heißt „Putsch“, im Untertitel „Anleitung zur Zerstörung einer Demokratie“. Ein Stück, das genau in unsere Zeit passt. Es sind auch zwei Dinge in der Pipeline, wie man ja neudeutsch sagt, da müssen wir aber abwarten, bis die Redakteure mal wieder aus ihrem Schlaf aufgewacht sind und dann ist es ja so, dass die Fernsehredakteure das dann absegnen müssen. Es ist ja nicht mehr wie früher, dass sie Bildung haben, dass sie Geschmack und Selbstvertrauen haben. Es ist so, dass die Redakteure alle angstgebeutelt sind aus Sorge um ihren eigenen Stuhl. Deswegen dauert es alles sehr lange, die Arbeitsprozesse verlangsamen sich, aber wenn sie dann irgendwann zu Ende kommen sollten, dann freue ich mich auf zwei Projekte. In dem einen spiele ich den Doppelgänger vom Papst – von einem Papst, der gerade verstorben ist und die katholische Kirche jetzt versuchen muss, wie sie den Doppelgänger los wird.
Es sind schöne Projekte, aber wir leben in einer Zeit, in der selbst, wenn der Vertrag unterschrieben ist, man nicht davon ausgehen kann, dass der Film auch gedreht wird. Also warten mir mal ab!
Ich bin ja Optimist, wie sie wissen. Ich sage immer: Optimisten wandeln auf Wolken, unter denen die Pessimisten Trübsal blasen.
Ist nicht auch sein neues Musikprogramm geplant?
Ich habe ein Programm vor, das aus bekannten Liedern, die mit neuen Texten versehen sind, zum Beispiel ‚Mit 66 Jahren‘ von Udo Jürgens, das ist bei mir „Mit 99 Jahren“. Dazu erzähle ich Geschichten aus meinem Leben, die wahr sind, aber humoristisch ein bisschen übertrieben, das Programm heißt „Hallervorden unkaputtbar“.
Wie ist es um Ihre sportlichen Aktivitäten bestellt?
Ich habe in meinem hohen Alter gerade noch meinen ersten Fallschirmsprung gemacht. Ich surfe nach wie vor sehr gerne, aber eben das, was ich am meisten gerne noch lernen würde, wenn es das damals schon als vor vierzig Jahren gegeben hätte, wo ich da noch ein bisschen sportlicher drauf war, Kitesurfen …
Textquelle: smago! exklusiv; Andy Tichler, Chefredakteur www.smago.de
