ROGER WHITTAKER
Das 5-CD-Set "Original Album Classics" im Test von Holger Stürenburg!
Lesen Sie HIER den mutmaßlich längsten smago! Artikel aller Zeiten (, der dennoch ganz ohne Längen auskommt)…:
Vor ein paar Wochen habe ich an dieser Stelle die brandneue Fünf-CD-Box „ORIGINAL ALBUM CLASSICS“ von Roland Kaiser ausgiebig vorgestellt. Diese beinhaltet zu einem supergünstigen Preis von nur um die 15 Euro fünf, teils lange gesuchte Originalalben des erfolgreichen Berliner Gratwandlers zwischen gehobenem Popschlager und international jederzeit konkurrenzfähigem Softrock aus den Jahren 1976 bis 1990, eines davon erstmals überhaupt, vier weitere seit langem endlich wieder im wohlklingenden CD-Format. Nun ist im Modus ebenjener Wiederveröffentlichungs-Serie von SONY Music gleichsam eine ebenfalls mit fünf legendären Originalwerken ausgestattete Fünf-CD-Kollektion von „Mr. Schmusebacke“ ROGER WHITTAKER erschienen. Diese umfasst die Jahre 1984 bis 1991 und soll nun von mir ausführlich gewürdigt werden.
Der 1936 in Nairobi/Kenia geborene studierte Zoologe und Meeresbiologe hatte ab 1962 in seiner langjährigen Wahlheimat Irland, in Großbritannien, den Niederlanden, sogar teilweise den USA, erste große Erfolge mit meist auf Englisch gesungenen oder auch nur vor sich hin gepfiffenen Countrysongs und Folkballaden feiern können, die auch hierzulande bald viele Freunde fanden. Als Beispiele seien die romantischen, fast aristokratisch daherkommenden Gitarrenschleicher „Durham Town“ (1969), „The Last Farewell“ (1975) oder „Indian Lady (A little Goodbye)“ (1976) zu nennen, die noch heute als zeitlose Evergreens gelten und letztlich längst zu Allgemeingut anspruchsvollen Songwritertums geworden sind.
In den ausgehenden 70er Jahren startete der fünffache Familienvater, der einst meist in Irland lebte, vor drei Jahren aber seinen Ruhesitz nach Südfrankreich verlegt hat, eine zusätzliche Karriere in unseren Breitengraden mit mal eher poppigem, mal balladeskem Schlagerliedgut in deutscher Sprache, obwohl er bis heute, trotz hoher sprachlicher Begabung, dieser kaum mächtig ist. Einige frühe deutschgesungene Singles, wie z.B. „Goodbye ist Goodbye“, „Calpyso“ (beide 1979), oder „Kinder der ganzen Welt“ (1980) machten durchaus schon Appetit auf einen deutsch singenden, mehr schlagerorientierten, als folk- und country-lastigen Roger Whittaker, aber der ultimative Durchbruch in die teutonischen Popwelten erfolgte erst Anfang 1982: Die unüberhörbar schottisch inspirierte, so lieblich, wie geradlinig erklingende Gitarren-plus-Dudelsack-Melange „Albany“, die – wie die meisten künftigen Roger-Hits bis 1995 – der Feder der 2013 verstorbenen Hamburger Produzentenlegende Klaus „Nick“ Munro entstammte, war in erster Linie, obwohl es auch eine englische Fassung davon gab, für den deutschsprachigen, also mitteleuropäischen Markt konzipiert worden und sorgte umgehend für wahre Begeisterungsstürme in der BR Deutschland, überwiegend aber in einem eher bürgerlichen, betagteren Publikum (auch, wenn der Verfasser dieser Zeilen, eben Dank „Albany“, damals schon mit knapp elf Jahren zum großen und dauerhaften Roger Whittaker-Verehrer mutierte!)
Die romantisch-düstere Story des schottischen Adeligen „Gordon McKenzie“, der auf seinem stolzen Schloss „Albany“ mit seinem Bruder Charles einen für diesen tödlich endenden Kampf um die Hand eines schönen Mädchens focht, fand sich im Frühjahr 1982, inmitten des aufkeimenden NDW-Spektakels, plötzlich auf Rang 3 der deutschen Singlehitparaden wieder, konnte sich im Februar genannten Jahres zudem in Dieter Thomas Hecks „ZDF“-Hitparade ebenfalls auf dem dritten Platz einfinden und erwuchs einen Monat später sogar zum Spitzenreiter des ZDF-Flaggschiffs in Sachen Deutscher Schlager. Zeitgleich kam die dazugehörige, ebenfalls sehr gefragte LP „Zum Weinen ist immer noch Zeit“ auf den Markt, und ein Jahr darauf, zu Jahresbeginn 1983, hatte sich Roger mit der formidablen Hit-LP „Typisch“ und den daraus ausgekoppelten, längst zu Genreklassikern avancierten, durch und durch moderaten Gitarrenschlagern „Wenn es Dich noch gibt“ (Februar 1983 – Rang 14) und „Tanz heut‘ Nacht mit mir“ (Juli 1983 – Rang 45) endlich einwandfrei und nachhaltig an der Spitze des deutschen Musikgeschehens etabliert.
Ja, und im Frühjahr 1984 gab es nun die LP „Ein Glück, dass es Dich gibt“ zu hören, die in den deutschen „Top 75“ den famosen zweiten Rang erreichte. Diese thematisch sehr vielseitige und erstmals eindeutig von 80er-typischen Synthesizerklängen geprägte Scheibe wurde, wie auch ihre beiden höchst reputierlichen Vorgänger, von Nick Munro ausgearbeitet und produziert. Sie ist im Rahmen von „ORIGINAL ALBUM CLASSICS“ nun endlich wieder als Silberscheibe erhältlich und – dies schon mal als „Vorwarnung‘ in Anbetracht zu erwartender Lobeshymnen aus meiner Feder – gilt inzwischen seit Erscheinungsdatum, als seit genau 30 Jahren, als meine unübertroffene Lieblings-LP des großen Entertainers mit der samtenen Stimme.
Vorab war im Februar des „Orwell-Jahres“ bereits die sogleich wie die sprichwörtliche Bombe einschlagende Single „Abschied ist ein scharfes Schwert“ erschienen. Nick Munro hatte für seinen Schützling eine zugegebenermaßen etwas mährige, fraglos schleppende, aber trotzdem tief ins Herz treffende Mid-Tempo-Ballade verfasst, die im März 1984 bis auf Rang 9 der „Media Control“-Auswertungen aufsteigen konnte und somit bis heute Rogers letzte Top-10-Platzierung in den deutschen Singlecharts darstellt. Drei Jahrzehnte später ist „Abschied ist ein scharfes Schwert“ längst als unverbrüchlicher Genreklassiker anzusehen, obwohl dieser Titel, trotz des immensen Erfolgs, m.E. zu den schwächeren Beiträgen von „Ein Glück, dass es Dich gibt“ zählt. Denn das genutzte betuliche Arrangement vermittelt den Eindruck, die per se gelungene Komposition würde unnötig gedämpft bzw. zurückgehalten, sie könne aber, trotz trauriger, fast tränenseliger Grundstimmung, weitaus mehr Power und Deutlichkeit, vielleicht ja sogar eine gesunde Prise Trotz ausstrahlen wollen, als dies in vorliegender Umsetzung möglich geworden ist.
Kurz darauf kam also die dazugehörige LP „Ein Glück, dass es Dich gibt“ auf den Markt und Roger begab sich erst mal auf eine umfangreiche Deutschlandtournee. Als er am Mittwoch, dem 23. Mai 1984, in der Hamburger Musikhalle/Laeszhalle Station machte und ich den sympathischen, verschmitzten Schlager-Edelmann an diesem Abend zum ersten Mal in meinem Leben ‚live‘ erleben konnte, kaufte ich mir gleich im Anschluss an das Konzert, am Merchandising-Stand, ein Exemplar dieser LP, in die ich mich sogleich ‚verliebte‘ und die ich mir bis heute unzählige Male aufgelegt und ein ums andere Mal immens genossen habe. Nun ist gerade dieses schlicht zeitlose Album Teil von “ORIGINAL ALBUM CLASSICS“ und somit, erstmals seit vielen, vielen Jahren, wiederum als CD erhältlich: 12 mehrheitlich phänomenale Titel, produziert und überwiegend geschrieben von Nick Munro, ein ums andere Mal erlesen, geschmeidig und stimmstark interpretiert von Roger Whittaker, der zwar, wie erwähnt, selbst kaum Deutsch spricht, aber die oft sehr intensiven, ausdrucksstarken und emotional bewegenden Texte dennoch immer wieder perfekt und fehlerfrei zu intonieren in der Lage war.
Der Eröffnungstitel wurde im August 1984 als zweite Single ausgekoppelt und traf mal wieder voll ins Schwarze. Nicht nur für mich persönlich bekam dieses Lied damals eine sehr enge, intime Bedeutung, auch viele andere Freunde des gehobenen deutschen Schlagers schwärmten bald von der feurigen Spanierin „Eloisa“, die mit ihrer Heißblütigkeit und Energie, dem guten, alten Roger ganz schön den Kopf verdreht haben muss. Obwohl in den Verkaufscharts nur Rang 28 erreicht werden konnte, gilt die romantisch-wehende Hymne auf die südeuropäische Schönheit „Eloisa“ heute längst als zeittypischer Schlagerklassiker der 80er Jahre, den der Interpret auch in den Jahren danach bei keinem seiner Auftritte in unseren Breitengraden mehr auslassen durfte. Für mich persönlich ist und bleibt „Eloisa“ dauerhaft mit dem Wirkungsdatum im Spätsommer bzw. Herbst 1984 verbunden und zählt bis heute, neben Roland Kaisers „Joana“ und Howard Carpendales „Samstag Nacht“, zu meinen großen „Schlager-Top 3“ dieser Ära.
Es folgt der kessen „Eloisa“ zunächst der sentimentale, eher stille, mit quietschender Mundharmonika, Steel-Guitar-Einsprengseln und einwenig Honky-Tonk-Geklimper angereicherte Country-Bluesschleicher „Sein Truck fährt weiter“, bevor mal wieder ein temporeicherer, sommerlich-luftiger Synthi-Pop-Schlager namens „Von Dover nach Calais“ die enorm hohe Qualität von „Ein Glück, dass es Dich gibt“ untermauerte. Es ging darin inhaltlich um die so liebenswürdige, wie grazile Geschichte zweier Jungverliebter – er ein aufstrebender Student aus Dover, sie die hübsche Tochter eines Cafebesitzers aus Calais -, die sich auf seinem Weg nach Paris im Café‘ ihres strengen Herrn Papas kennen- und lieben lernten, aber schlussendlich, trotz aller Nähe zwischen Britannien und France, nicht zueinander fanden, obwohl der Protagonist während seines gesamten Studiums immer wieder mit der Fähre „Von Dover nach Calais“ fuhr, um mit seiner Angebeteten ein paar schöne Stunden in der nordfranzösischen Hafenstadt unweit des Ärmelkanals verbringen zu können. Gleichermaßen zutiefst niveauvollen, so fröhlich-treibenden, wie stets elegant die Contenance bewahrenden Popschlager im Synthesizer-Kontext der mittleren 80er Jahre gehalten, stellen auch die folgenden, äußerst überzeugenden Albumbeiträge „Saharaheiß – Alaskakühl“ – eher temporeich, keck-frohgemut – und „Himmel vorhanden – Engel gesucht“ – ein sachter, introvertierter, teils wehmütiger, teils schwärmerischer Reggae-Schleicher – dar, bevor „Abschied ist ein scharfes Schwert“, erwähnte erste Single, die einstige LP-A-Seite von „Ein Glück, dass es Dich gibt“, wie beschrieben, ebenso romantisch, wie allzu schleichend ausklingen lässt.
Weiter geht’s mit dem rabiat gefühlvollen, knackig rhythmisierten Mid-Tempo-Synthischlager „Augen wie Sterne“ und der zerbrechlichen, ruhigen Irish-Folk-Ballade „Ich denk‘ oft an Mary“, basierend auf gemächlichen Lagerfeuergitarren, mitsamt ein paar penibel eingesetzten Dudelsack-Spielereien, die sich so subtil, wie gekonnt, durchwegs im gemütvollen Schlagerkontext verbleibend (und damit vielleicht wirkungsvoller, als es im lauten Politbarden-Kontext der Fall gewesen wäre) mit der Tragik des Nordirland-Konflikts auseinandersetzt.
Es folgt einer meiner speziellen Geheimtipps aus dem unergründlichen Liederfundus von Roger Whittaker. Als ich an erwähntem 23. Mai 1984 in der Hamburger Musikhalle/Laeszhalle mein allererstes Roger-Konzert überhaupt besuchte, staunte ich nicht schlecht, als der Star des Abend plötzlich und unerwartet – wie gesagt, die hier beschriebene 1984er-Scheibe hatte ich mir erst direkt nach dem Auftritt an jenem Mittwochabend gekauft – auf einmal einen wehenden Gitarrenpop-Ohrwurm anstimmte, den ich bereits – einst jedoch von einer Frau gesungen – im Sommer 1981 gehört hatte. „Charlie Mahon“ wurde damals als neue Single der niemals so recht bekannt gewordenen Schlagersängerin Stephanie Lindbergh in der allwöchentlichen „Deutschen Schlagerparade auf NDR II“ vorgestellt – und dieser absolut brillante, melancholisch-wohligwarme Ohrwurm fraß sich sofort unwiderruflich in meine Gehörgänge ein, fiel aber ansonsten beim einheimischen Schlagerpublikum durch und hinterließ keinen bleibenden Eindruck in den Singlehitparaden des Jahres 1981.
Im Mai 1984 intonierte nun also urplötzlich Roger Whittaker dieses liebenswerte Lied über den untreuen, flatterhaften, oft fies agierenden Frauenheld „Charlie Mahon“ ‚live‘ – und mir kam sofort in den Sinn: Das kenne ich doch! Nach dem Erwerb der LP „Ein Glück, dass es Dich gibt“, stellte ich dann am nächsten Morgen fest, dass Rogers Produzent Nick Munro einfach eine seiner älteren Kompositionen aus der Schublade geholt und für seinen weltberühmten Schützling neu aufbereitet hatte. Obwohl die Ode auf den besitzergreifenden Windhund namens „Charlie Mahon“, der sogar enge Freundschaften für seine Habgier aufs Spiel setzte, niemals – in Rogers Version – zu Singleehren kam, zählt gerade dieses Lied für mich persönlich zu meinen unverrückbaren Lieblingsliedern nicht nur aus hier analysierter CD, sondern letztlich vom Interpreten allgemein.
Neuerlich im gehobenen Synthi-Umfeld verbleibt „Hin und Her und Her und Hin“; sacht, gemütlich, ansonsten nicht besonders hervorstechend vernimmt man das Gitarren-plus-Piano-(Fast-)Chanson „Flasche und Glas“. Über Roger Whittakers persönliches Hobby, das eigenhändige Fliegen von Privatflugzeugen, handelt der wehend-hochmelodiöse Titel „Der Himmel über mir“: Zu den meisten seiner Auftritte in jenen Tagen flog Flugscheininhaber Roger mit seinem „Silbervogel am Horizont“ (Textzitat), selbst den Steuerknüppel bedienend. Über diese Passion haben ihm Joachim Heider und Nick Munro einen wahrlich perfekten Popschlager auf den Leib geschneidert, der rein qualitativ, in Bezug auf Kompaktheit und Ausstrahlung, jederzeit auch einen guten Singletitel abgegeben hätte.
„Ein Glück, dass es dich gibt“ mag mein persönliches Whittaker-Lieblingsalbum sein, weshalb ich in der Bewertung sicherlich befangen bin. Aber auch rein objektiv betrachtet, bieten die zwölf Songs darauf zum einen eine perfekte Wiedergabe des popmusikalischen Klangbildes im Zeitalter des Synthipop. Zum anderen ist gerade diese LP ein schlagender Beweis für die stilistische Vielseitigkeit, Unterschiedlichkeit und Eigenständigkeit auch desjenigen Liedmaterials von Roger Whittaker, das fast ausschließlich – und hier zuvorderst von Nick Munro – für den deutschsprachigen Markt ersonnen worden war: Von gehobenem Synthischlager, über Reggae, Country, Blues bis hin zu Folk und Chansonähnlichem, ist auf „Ein Glück, dass es Dich gibt“ alles vorhanden, was das offene Schlagerherz in jenen Tagen begehrte – und dies alles regelmäßig zwar kommerziell in Gänze gut verwertbar, aber so gut wie niemals klischeehaft, uninspiriert, oder gar Langeweile verbreitend. Denn oft fallen, gerade bei Schlagerproduktionen, viele Albumtitel in Puncto Intensität, Festigkeit und Überzeugungskraft, neben den zwei, drei Singlehits deutlich ab, werden nicht selten nur als Füllmetarial genutzt. Dies war bei Rogers 84er-LP keinesfalls so. Neben „Abschied…“ und „Eloisa“, waren bestimmt noch vier oder fünf gleichermaßen hochwertiger Schlagerkleinode vorhanden. die jederzeit sehr gut als erfolgreiche Beitrage zu den heimatlichen Singlehitlisten getaugt hätten!
Knapp eineinhalb Jahre darauf, im Spätsommer 1985, erschien mit „DU GEHÖRST ZU MIR“ ein weiteres interessantes Hitalbum (Rang 2!) der grandios miteinander harmonierenden Songschmiede Whittaker/Munro: Zwölf neue, zumeist sehr ansprechende, mal flotte, mal balladeske Popschlager, arrangiert mit 80er-Jahre-typischen Synthesizern und perlenden, lieblichen Akustikgitarren – stets ohrwurmgerecht und feudal klanglich ausgekleidet und gehoben, intelligent und liebevoll charmant-weltmännisch eingesungen von dem zwischenzeitlich kinnbartlosen Roger Whittaker. „Leben mit Dir“ hieß die erste Auskoppelung aus „Du gehörst zu mir“, die bald darauf auf Rang 28 der „Media Control“-Charts landete und somit als überaus sympathischer Spätsommer-Hit in die Annalen des Popjahres 1985 Eingang fand. Im darauffolgenden Frühjahr 1986 erschien die zweite Auskoppelung „Fernweh“: Diesmal hatten die Verantwortlichen einen temporeicheren, strikt geradlinigen, vorantreibenden, zugleich hoch melodiös ausgefallenen Popschlager ausgesucht, der vollgefüllt war mit sehnsüchtigem, leidenschaftlichem Urlaubsfeeling und entspannter Ferienstimmung (Rang 57). Zwar nur als B-Seite (von der noch zu erwähnenden 1986er-Non-Album-Single „Ein bisschen Aroma“) diente der hinreißend verliebte, rhythmisch mediterrane Pop-Shuffle „Die Nacht von Marseilles“, erwuchs aber im Laufe der Jahre ob seiner betörenden, aufmunternden Rhythmik und seiner aufgekratzten Eingängigkeit, schnell zu einem bis heute regelmäßig geforderten Fanfavoriten, besonders bei Livekonzerten. Ebenso lyrisch witzig und ungewohnt augenzwinkernd, erweis sich der schummrig-schwülstige, einwenig skurrile Synthi-Tango-Verschnitt „Lieben Sie Brahms, Madame“. Darin geriet der von einer außergewöhnlichen Frau hingerissene Protagonist an eine durchaus musikbegeisterte, zudem hochkulturelle Dame, die sich aber nicht entscheiden konnte, ob sie sich nun zu einer Beziehung mit ihm, dem hemdsärmeligen Country- und Bluesfan, bekennen oder doch lieber weiterhin mit bisherigen ihrem Verehrer aus der Oberklasse durch prunkvolle Opernhäuser und abgehobene Vernissagen ziehen wolle.
Zu den überzeugendsten Albumtiteln auf „Du gehörst zu mir“ zählte z.B. der großbürgerlich-gediegene, ruhig-dunkle, zudem locker und feingliedrig vor sich hin schwebende Feudal-Reggae „Schatten und Licht“, der ebenso vornehme, wie gemächliche, ein weiteres Mal auf sanfter Reggae-Rhythmik basierende Mitt-Tempo-Popper „Treulos“ oder das sehr bedächtig-ruhige Gitarren-Folk-Chanson „Für ein Leben zu zweit“. Auch der eher rockige, fast fetzige Uptempo-Ohrwurm „Lass Dich fallen“ (mein persönlicher Favorit aus „Du gehörst zu mir“) zählt fraglos zu den herausragenden Beiträgen auf vorliegender Silberscheibe, wie gleichsam der gediegene, abendlich-verträumte LP-Abschluss „Es wird Nacht“. Eher im konventionellen Rahmen verbleiben dagegen der wiederum etwas desinteressiert, fast öde dahinschleichende Durchschnittsschlager „Wenn das Herz Narben hat“, die einfach nicht aus sich herauskommen wollende, verschnupfte Schlechtwetter-Ballade „Tage wie Tropfen“, die letztlich im wahrsten Sinne des Wortes gelangweilt vor sich hin tröpfelt, oder der ebenfalls verhalten, ernsthaft, beinahe lustlos wirkende Schleichschlager „Du alleine – ich alleine“.
„Schatten und Licht“ heißt der Eröffner des 1985er-Opus von Roger Whittaker. Diese Überschrift kann auch programmatisch für die gesamte LP geltend gemacht werden. Die auf „Du gehörst zu mir“ enthaltenen Lieder sind Halbehalbe; bieten somit tatsächlich „Schatten und Licht“. Es gibt einige fraglos faszinierende Titel, v.a. die beiden Singles, ein paar ebenso gelungene Albumsongs, aber leider darüber hinaus eine Menge an Mittelmaß und Unterdurchschnittlichem. Letztlich zeigte sich hier genau ebenjenes Phänomen, das ich bereits angesprochen hatte: Tolle Singles, eine Handvoll spannende Albumtracks plus zwar hörbares, aber künstlerisch unnötiges Füllmaterial. Da „Fernweh“ eine der bis heute letzten 45er des Grandseigneur des gehobenen Popschlagers überhaupt war, die hierzulande in die Verkaufshitparaden hatten einziehen können, entwickelte sich Roger Whittaker zunehmend mehr zu einem reinen Albumkünstler, der von jeher mehr Langspielplatten/CDs verkaufte, als kleine Schwarze. Außerdem, dies verdeutlichte sich nach dem durch die Neue Deutsche Welle verursachten nationalen Popaufbruch zusehends, kauften bis auf Weiteres – Helene Fischer, Andrea Berg, selbst das fundamentale Wolfgang-Petry-Revival lagen noch in weiter Ferne – überwiegend erwachsene, durchaus betagtere Menschen Tonträger aus dem expliziten Schlagerbereich. Und diese ältere Generation besaß die notwendigen Finanzmittel, um sogleich eine ganze (teurere) LP, anstatt statt einer (kostengünstigeren) Single mit nur zwei Titeln zu erwerben. Folglich blieben auch nach 1986 Whittaker-Alben überwiegend reale Top-Themen, während sich seine Singleverkäufe immer mehr als rückläufig erwiesen. Dies führte dazu, dass sich in den späten 80ern selbst wahrhaft grandiose Kleine Schwarze aus dem Hause Whittaker, auf die ich noch gesondert eingehen werde, nur noch in den Rundfunk-, aber kaum mehr in den Verkaufscharts wiederfanden.
Genau ein Jahr nach der Veröffentlichung von „Du gehörst zu mir“, folgte die in TV und Radio massiv beworbene LP-Kompilation „Hits“, die alle deutschsprachigen Whittaker-Erfolge, von „Albany“ bis „Fernweh“, zusammenfasste, sowie die nur auf dieser Kompilation berücksichtigte, feucht-fröhliche Ohrwurmmelodie „Ein bisschen Aroma“ beinhaltete, die als singletauglicher Anschluss-Gag an die seinerzeit von Roger persönlich eingesungene Werbemelodie für „die Krönung von JACOBS Kafääää“ nachgelegt worden war. „Ein bisschen Aroma“ erwies sich als Rundfunkdauerbrenner, Partyaufmischer und Schlagerfetenkultklassiker, erreichte im September 1986 Rang 55 in den „Media Control“-Charts, und stellte mit seinem betont frohsinnigen Mitklatsch-Flair eine Ausnahmeerscheinung in Rogers ansonsten eher betulich-gefühlvollem deutschsprachigen Songkatalog dar. Noch war der positive Wirbel um „Ein bisschen Aroma“ nicht verklungen, als im Februar 1987 ein gänzlich neues Album des Weltstars mit der Schmusestimme erschien (auf der „Ein bisschen Aroma“ übrigens nicht nochmals bedacht wurde). „Heut bin ich arm – heut bin ich reich“ – ebenfalls in der aktuellen CD-Box „Original Album Classics“ neu aufbereitet – wartete mit erneut zwölf überwiegend von Nick Munro ersonnenen Titeln auf, von denen drei bis ins Frühjahr 1988 hinein als Single ausgekoppelt wurden, ohne jedoch Eingang in die Verkaufshitparaden zu finden.
Dies war zunächst der enorm ausdrucksvolle, intensive, überaus stilsichere Gitarrenschlager per Excellance „Lass mich bei Dir sein“, der eine höchst atmosphärische Verbindung von trüben, verregneten, den Stress der pulsierenden Großstadt treffsicher in Töne und Harmonien fassenden Strophen mit einem lieblich-beruhigenden, sehnsuchtsvollen Refrain möglichmachte: Eine qualitativ hochwertige, durch genannten Stimmungswechsel bedingt durchaus komplexe, aber dennoch ausnahmslos eingängige Synthipop-Komposition von Nick Munro, die alle Merkmale in sich trägt, die einen ansprechenden Singlekracher ausmachen. Trotz des vorhandenen Hitappeals, konnte sich dieser phantastische Regenschlager aber nicht in den deutschen Singlehitparaden durchsetzen, avancierte jedoch zu einem gern gehörten Radiohit und war von nun an in fast jedem Konzertrepertoire aller folgender Whittaker-Tourneen zu finden. Als nächste Single wurde im Sommer 1987 der nostalgisch, rückblickende 20er-Jahre-angeauchte „Tango mit Dir“ ausgekoppelt, der nicht nur den Namen seiner musikalischen Stilistik im Titel trägt, sondern zugleich kongenial in eben jenem kecken Rhythmus der vergangenen Zeiten gehalten ist und dabei, Dank (damals) aktueller Synthesizer und Schlagzeugcomputer, alles andere als gestrig und altbacken aus den Boxen wiegt. Der äußerst warmherzige, introvertierte, melancholisch zurückschauende Synthi-Walzer „Paradies“ diente Ende 1988 als dritte 45er aus „Heut bin ich arm – heut bin ich reich“, konnte aber ebenfalls nicht in den Verkaufshitparaden punkten.
„Sehnsucht“, der propere Eröffner hier vorgestellter CD, ist ein seinem Titel alle Ehre machender Romantikschlager in flotter Geschwindigkeit, mit aufmunternder, positiver lyrischer Intention, das getragene, balladeske Gitarrenpop-Chanson „Und der Wind singt noch immer sein Lied“ hingegen ein kraftvolles, mitreißendes gesungenes Statement über Abschied, Einsamkeit und Wiedersehensfreude, während – ebenso offensiv, zukunftsträchtig, zudem rasant und treibend – das flinke Synthipop-Schmankerl „Gib uns noch eine Chance“ in Sachen Rhythmus beinahe etwas wie einen verfrühten deutschen Disco-Fox aufbot.
In einem eher alltäglichen, unspektakulären Rahmen verbleibt der vor Glückseligkeit und Eleganz nur so schwelgende, walzer-ähnliche Titelsong „Heut bin ich arm – Heut bin ich reich“; in der vom Interpreten selbst verfassten, wolkigen afrikanisch angehauchten Folkmelodie „Happy Kenia Boy“ pfeift Roger fröhlich, munter und gesanglos vor sich hin. „Hab‘ ich Dir schon gesagt“ ist mal wieder ein (fraglos jederzeit singletauglicher) nächtlich-verliebter Edelschlager auf strikter Synthesizer-Basis in bester Munro/Whittaker-Perfektion. Langweilig und klischeehaft wirkt dagegen die gitarrenbetonte, Country-angehauchte Freundschafts-Ode „Lenny, mein Freund“. Geradezu an der Grenze zur Peinlichkeit hält sich der schlicht langweilige Zwiegesang „Und eine ganze Seele“ auf, die Roger im Sinne eines Kinderliedes mit einem jungen Mädchen aufgenommen hatte. Dieses Vorhaben sollte wohl des kenianischen Weltenbummlers Antwort auf das seinerzeit wirklich ansprechende Kind-trifft-Popstar-Duett „Fang das Licht“ von Karel Gott und Darinka darstellen, das im Frühjahr 1986 einen unerwarteten Super Hit für die „Goldene Stimme aus Prag“ bedeutet hatte. Rogers stilähnlicher Versuch aber wirkt wie eine blanke Kopie bzw. ungemütliche Trittbrett-Fahrt und erreichte niemals die Authentizität und den juvenilen Charme von Karels Gemeinschaftsaufnahme mit der kessen Teenagerin Darinka. Ebenfalls musikalisch belanglos und textlich voller Platituden und Klischees: Der unnötig auf Dritte-Welt-Fischerei-Romantik getrimmte Möchtegern-Ethno-Schlager „Die Mädchen werden Frauen“… In Anbetracht solch einfältiger Textzeilen der Sorte „Die Mädchen werden Frauen / und schmücken Heim und Haus / die Jungen werden Fischer / und fahr’n aufs Meer hinaus“ dürfte nicht nur Alice Schwarzer Ausschlag bekommen haben (und jeder einigermaßen talentierte Schlagerdichter), sondern dürfte auch Roger himself außerordentlich froh und glücklich gewesen sein, vieles von dem, was ihm seine teutonischen Songschreiber vorsetzten, selbst niemals verstanden zu haben…
„Heut‘ bin ich arm – Heut‘ bin ich reich“ ist eine Liedsammlung mit einigen überaus phantastischen, zeitlosen Beiträgen voller melodischer Wucht und emotionaler Intensität, und nur ganz wenigen tönenden Reinfällen, die allerdings zumeist, wie beschrieben, wirklich nicht der Rede wert waren. Roger Whittaker hat auch mit dieser Produktion seinen Status als einer der erfolgreichsten deutschsprachigen Schlagerinterpreten weiterhin gefestigt – Rang 15 in den LP-Charts – und auch seine dazugehörige Tournee im Frühjahr 1987 – ich selbst konnte dies am 22.02.1987 im Hamburger CCH eindrucksvoll nachempfinden – glich einem Triumphzug.
Nach der gleichermaßen sehr gefragten 1988er-LP „Du bist nicht allein“, aus der in erster Linie die beiden kessen Singles „Du – Du bist nicht allein“ und „Das Lied von Aragon“ hervorzuheben sind – letzteres entpuppte sich als von nun an stets eingeforderter und bejubelter Livefavorit seiner Fans –, und Rogers zweitem deutschgesungenen Weihnachtsalbum „Festliche Weihnacht“, wurde ein Jahr darauf eine Live-Doppel-LP namens „Die Stimme für Millionen“ veröffentlicht, auf dem die vielfältigen Livehöhepunkte seiner vorherigen Konzertreisen geballt festgehalten wurden. Erst nach Anbruch der neuen Dekade, gab es gänzlich neue Lieder von Roger Whittaker zu hören. Es erschien zunächst im Frühjahr 1990 die LP „Nur wir zwei“ (mit der liebenswerten Radiosingle „Schön war die Zeit“ und dem späteren Konzerthighlight „Mein Land ist Kenia“) und im Herbst desselben Jahres die nun für „Original Album Classics“ aus dem Archiv gezauberte Scheibe „Alle Wege führen zu Dir“.
Die darauf befindlichen zwölf Songs wurden zwar in ihrer Gesamtheit wie gewohnt von Nick Munro produziert, waren aber erstmals überwiegend von anderen Liedautoren, so z.B. von Bernd Dietrich und Engelbert Simons aus dem Team von G.G. Anderson, dem Berliner Starkomponisten Norman Ascot, von Uwe Busse, dem seinerzeitigen Haus-und-Hof-Schreiber von Rex Gildo und den „Flippers“, oder der jungen Lyrikerin Sylvia Gehrke verfasst worden. Diese kreative Frischzellenkur tat dem Interpreten außerordentlich gut, so dass zwar auf der LP durchgehend der längst liebgewonnene, Munro-typische 80er-Jahre-Synthesizer-Sound vorherrschte, sich Melodien und Texte aber, durch die Hinzunahme anderer Komponisten und Texter, nun noch vielfältiger und unterschiedlicher zeigten, als je zuvor in Rogers deutschsprachigem Wirken.
Gleich die sehnsüchtig schwärmerische Hommage an „Die Goldenen Zeiten“, die den von einer Sekunde auf die andere enorm mitreißenden Eröffner von „Alle Wege führen zu Dir“ darstellt, erweist sich als ungewöhnlich fetziges, treibendes, und doch hintergründig volkstümlich angehauchtes, gesungenes Aufputschmittel im Sinne der damaligen Fröhlichkeitsschlager eines Gerd G. Anderson, das nun jedoch auch zum Tanzen und Bewegen einlud, nicht nur, wie es bei bisherigen Whittaker-Liedern häufig der Fall war, ausschließlich zum Träumen, Mitfühlen, Mitsummen, bestenfalls Mitwippen, dicht gefolgt von dem wahrhaft hervorragenden, luftig-schwebenden, chansonhaften Edelohrwurm „Was ist dabei, wenn wir zwei uns lieben?“, der übrigens auch als erste Singleauskoppelung fungierte. „Und es wird Nacht – Schwarze Madonna“ ist ein sehnsuchtsvoll-knisternder Slow Song im Spannungsfeld zwischen gehobenem Schlager, schwülem, saxophonverstärktem Pop-Blues und Volkstümlichem Ambiente. Deutlich in Richtung tanzsaaltauglichen Disco-Fox‘ blickt der rasante Popschlager „Diese Wahnsinns-Sehnsucht“, der in seinem schwerverliebten Text sogar eine kleine, selbstironische Reminiszenz an Rogers 84er-Gassenhauer „Abschied ist ein scharfes Schwert“ aufbietet.
„Wie lang ist das schon her“? dagegen kommt als so tiefsinniges, wie kompaktes, sofort nachvollziehbares, wie anspruchsvolles, gehobenes Softpop-Chanson daher und wurde mit feinem, bluesig-jazzigem Saxophon versüßt; ebenfalls im elitär-gedämpften, durchwegs getragenen Klangmodus verbleibt die sanfte, diesmal wiederum von Nick Munro erdachte Mehr-Pop-als-Schlager-Ballade „Du bist die Seele in meiner Musik“.
Die (einstige) B-Seite von „Alle Wege führen zu Dir“ startet mit dem perlenden, verliebten Sehnsuchtsohrwurm aus der Feder Uwe Busses, „Doch tanzen will ich nur mit Dir allein“, der gentlemanlike bürgerliche Contenance mit gediegenem Großstadtflair verbindet; bald erklingt eine liebevolle, sehr emotionale (wenn auch gleichsam radikal tanzbare) Rückbesinnung auf die unvergessene erste Liebe unter dem Titel „Mit Dir fängt mein Leben an“. „Ein Lied“ ist purer, hymnischer, mit lautstarken, soulvollen Chören verstärkter und auf ebensolchen Harmonien aufgebauter US-Softpop in Reinkultur, „Vorbei, vorbei“ hingegen ein luftig-lockeres, spätsommerlich wehendes, abgeklärt-versöhnliches Lebewohl an eine kurze, aber intensive Liebelei. Mit der sanften Edelschnulze „Serenata Serena“ lässt Roger Whittaker seine zweite 1990er-Stellungnahme behutsam und zerbrechlich im klanglichen Sinne manch tränendrüsendrückender Schmachtballade der 50er Jahre wohlig ausklingen.
Unschlagbarer Single-Höhepunkt aus „Alle Wege führen zu Dir“, konsequenter Radioverschönerer und heutzutage längst Legendenstatus innhabender Allzeit-Hit ist der hochwertige Beinahe-Gospel-Verschnitt „Sieben Jahre – Sieben Meere“, eine sachte, liebliche, wiegende und dabei stets eindringliche Melodie, geschrieben von Norman Ascot, verbunden mit einfacher, aber gerade dadurch durchwegs authentischer Lyrik von Sylvia Gehrke. Es dreht sich in diesem absolut ohrwurmträchtigen Schlager-trifft-auf-Blues-und-Gospel-Chanson um einen welterfahrenen Mann, der einst, aus ihm später unerfindlichen Gründen, seine allererste Große Liebe und mit ihr sein Zuhause, seinen Heimatort, eine Hafenstadt, irgendwo am Meer, von einem Tag auf den anderen verlassen hatte. Nachdem er nun „Sieben Jahre – Sieben Meere“ rund um den Globus unterwegs war und ebendann, so hoffnungsvoll, wie schüchtern, in seine Stadt, zu ebendieser Frau zurückkehrte, stellte er nicht nur schnell hocherfreut fest, dass sie immer noch genauso wunderschön war, wie in früheren Tagen, sondern zudem seinen damaligen Konkurrenten um ihre Hand niemals geheiratet hatte. Folglich steht einer fundamentalen Neuauflage dieser alten Liebe aber auch rein gar nichts im Wege!
Diese traumhafte Geschichte erzählte Roger Whittaker vor genau einem Vierteljahrhundert mit gewohnt samtweicher Stimme, die aber ob ihrer ihr innewohnenden Weltläufigkeit und Lebenserfahrung gerade diesen inhaltlichen Plot ganz besonders echt, originär und für jeden nachempfindbar zum Ausdruck brachte. „Sieben Jahre – Sieben Meere“ ist nicht nur als der spezifische Singleknaller aus „Alle Wege führen zu Dir“ in die Historie eingegangen, sondern gilt zudem als weiteres prägnantes musikalisches Erkennungszeichen des großartigen Künstlers Roger Whittaker!
Mit dem im Herbst 1991 erschienenen Album „Mein Herz schlägt nur für Dich““ endet die fünfteilige Box „Original Album Classics“. Wie beim Vorgängerwerk „Alle Wege führen zu Dir“, zeichnete wiederum Nick Munro zwar für die volle Produktion und zusätzlich ein paar ganz Liedbeiträge verantwortlich, schrieben aber auch diesmal überwiegend viele weitere, teils sehr bekannte Songautoren die einzelnen Titel der Zehn-Track-CD. Der von Andreas Martin, Francesco Burletti und Dr. Bernd Meinunger verfasste Eröffner „Sag ihr‘“ wurde zugleich als erste Single ausgekoppelt und zählt für mich, hinsichtlich seiner Melodie, Rhythmik und Geschmeidigkeit, zu meinen unübertrumpfbaren Allzeit-Favoriten aus der überdimensionalen Liederschatulle des Roger Whittaker. Musikalisch trifft sich hierbei einwenig bluesige Wehmut, mit weitschweifigem Edelpop, einer kleinen Prise Country und nur ganz wenig klassischem Schlagerambiente. „Sag ihr‘“ wird gesungen aus der Sicht eines enttäuschten Mannes, der seine Liebste an seinen besten Freund verloren hat. Er bekommt plötzlich Besuch von diesem, wendet sich trotzig an ihn und betont immer wieder, dass er den Verlust seiner Hübschen an ihn doch eigentlich gar nicht sooo sehr bedauere: „Sag Ihr / sie fehlt mir gar nicht mehr / zählt für mich nichts mehr“… (Textzitat). Ihr neuer Liebhaber möge ihr bitte ausrichten, dass sie dem Lied-ich eigentlich nichts mehr bedeutet – doch zum Schluss zweifelt der Protagonist an seinen eigenen Worten, denn der schnittige Ohrwurmrefrain endet niederschmetternd mit der Aufforderung an seinen Freund: „Nur sag‘ ihr bloß nicht, dass ich sie liebe“.
Die dänischen Komponisten Herman van Baer und Silke van Faren ersonnen für Roger die zweite 45er aus hier vorgestellter Silberscheibe: „Drei kleine Worte“ verbleibt zwar durchgehend in langsamem, balladesken, von Piano und Synthistreichern getragenem Kontext, ist aber hinsichtlich Stimmung bzw. Stimmungswechsel im Laufe des Arrangements unüberhörbar an bereits erwähnte 87er-Single „Lass mich bei Dir sein“ angelehnt. Genau wie dort, verbreiten die Strophen triste, aussichtslose, molllastige Depression, woraufhin sich dieses bedrückende Flair im Bridgeteil gemächlich, aber offensiv, zum positiveren wendet, bis der – versteckt hymnische – Refrain „Drei kleine Worte / ändern Dein Leben“ urplötzlich Hoffnung auf bessere Tage und vielleicht sogar auf ein baldiges Verlieben der angesprochenen Person vermittelt. Leider gab es auch für diese spannende Kreation keinen Platz in den teutonischen Singlecharts, trotzdem zählt „Drei kleine Worte“ zu den besten, weil facettenreichsten und vielschichtigsten Beiträgen Roger Whittakers auf „Mein Herz schlägt nur für Dich“.
Als dritte Single nutzten die Verantwortlichen den im mittleren Tempo gehaltenen, mit schottischen Klangdevotionalien, so z.B. drallen Dudelsäcken, ausstaffierten, über fünfminütigen Bombast-Schlager „Auf Wiedersehen, Joana“, der besonders durch seinen enormen Tiefgang, seine kompositorische Komplexität und das in ihm verbreitete, melodramatisch zugespitzte Abschiedsszenario, eine gewisse Exklusivität proklamiert. Trotz oder gerade wegen dieses genialischen, aber völlig schlageruntypischen harmonischen Aufbaus, konnte sich auch „Auf Wiedersehen, Joana“, aller in sich tragender kreativer Qualität zum Trotz, in den offiziellen Hitparaden nicht durchsetzen.
Wirklich alle (!) restlichen Titel auf hier analysierter CD sind überwiegend auf höchstem künstlerischen Niveau angesiedelt und zeigen ihren Interpreten als (damals) zwar schon auf die 60 zugehenden, aber immer noch äußerst charmanten, althergebracht und stilvoll auf Höflichkeit, Benimm und Schick achtenden Gentleman, der mit voller Stimmkraft und Energie die für ihn ausgewählten Fremdkompositionen schnell zu ureigenen Roger-Whittaker-Liedern ausgestaltet hatte.
Die latent jazzige Edelballade „Sommertage – Sommernächte“ verbreitet mittels ihres introvertierten Arrangements und der locker-legeren Gesangsdarbietung durch Roger ad Personam – inkl. eines selbstgepfiffenen Solos bzw. Outros -, genau diejenige gefühlsbetonte Stimmung, die die Betitelung erwarten lässt. Mit aufwirbelnden spanischen Flamenco-Spielereien und wilden südländischen Rhythmen experimentiert der feurig-mediterrane (Beinahe-)Tanzschlager „Das erste Adios“, der ausgenzwinkernd schmachtend über die Erste Liebe der 17jährigen Jenny und dem nur geringfügig älteren, schwarzhaarigen Jose aus Málaga erzählt, mit allen doch so nah beieinander liegenden Glückseligkeiten und Enttäuschungen.
„Ich wollte nur mal mit Dir tanzen“ ist ein luxuriöser Mid-Tempo-Romantikschlager bester Machart, eingängig, kess und edelmännisch in einem. Abendliche, spätsommerliche Abschiedsgedanken komprimiert das trotz gleichfalls mittleren Tempos mal wieder sehr getragene, gedämpfte, großbürgerlich vor sich hin schleichende, schlicht graziöse Popkleinod „Rot war die Sonne“, während es sich bei „Adieu petite Cherie“ um ein fulminantes, gemütlich-eingängiges Synthichanson voller Sehnsucht und Melancholie handelt. Die zackige „Blaue Stunde“ beschreibt schwülstig-verliebt und höchst erwartungsvoll auf das Kommende eine ebensolche bei enggetanztem Tango und britischem Tee um Mitternacht, wobei zum Ausklang dieser CD die diesmal von Großmeister Nick Munro verfasste Feudalballade „Ein langer Abschied“ einer vergangenen Liebe graziös und stolz erhobenen Hauptes ‚Auf Wiedersehen‘ sagt.
„Mein Herz schlägt nur für Dich“ beinhaltet tatschlich keinen einzigen Durchhänger, alle Titel weisen höchstes kreatives Niveau auf, keiner gleicht dem anderen, es findet kein qualitativer Abfall statt. Die durch hinzugezogene, außenstehende Liedautoren aufgekommene Stilvielfalt und Experimentierfreudigkeit ziehen sich in perfektester Art und Weise durch alle zehn Songs des famosen Albums; trotzdem klingt „Mein Herz schlägt nur für Dich“ – hierfür trägt sicherlich Altproduzent Nick Munro die notwendige Hauptverantwortung – durchwegs wie aus einem Guss.
Somit haben die Verantwortlichen bei Ariola/SONY für „ORIGINAL ALBUM CLASSICS“ nicht nur die kommerziell rentabelsten, sondern zumeist auch die in künstlerischer Hinsicht besten, prägnantesten und ausdrucksstärksten LPs des heute 78jährigen Roger Whittaker herausgesucht. Aufgrund der Materialfülle von deutschgesungenen Roger-Alben im SONY-Archiv, dürfte sicherlich eines Tages auch eine Fortsetzung, ein „Volume II“, für die kostengünstige Wiederveröffentlichungs-Serie „Original Album Classics“ zusammengestellt werden und auf den Markt kommen. Ähnlich, wie ich es vor einem Monat bei meiner Analyse der „Original Album Classics“ von Roland Kaiser getan habe, möchte ich an dieser Stelle, zum Schluss meines entsprechenden Textes über Roger Whittaker, auch meine persönlichen Wünsche hinsichtlich einer solchen, durchaus möglichen zweiten Fünf-CD-Box von „Mr. Schmusebacke“ notieren, die da wären „Mein Deutsches Album“ (1979), „Zum Weinen ist immer noch Zeit“ (1981), „Typisch Roger Whittaker“ (1982), „Du bist nicht allein“ (1988) und „Stimme des Herzens“ (1992)!
Holger Stürenburg, September 2014
http.//www.ariola.de
http://www.rogerwhittaker.de/

