UDO JÜRGENS
smago! exklusiv vorab: Die Udo-Jürgens-Serie "Sein Leben – seine Erfolge"! Teil 10: "Es ist noch nicht zu spät"!

(Aus Pietätsgründen hatten René Jochade und smago! die Udo-Jürgens-Serie vorübergehend ausgesetzt!) 

Leider ist der große Künstler und Entertainer Udo Jürgens am 21. Dezember 2014 völlig überraschend an den Folgen eines Herzinfarktes verstorben.

Aus diesem Grunde war es mir unmöglich, die Serie zu gleicher Zeit einfach fortzusetzen. Wie viele andere hatte ich gehofft, daß es in dieser Biographie KEIN Ende geben würde, und uns dieser Ausnahmekünstler noch viele Jahre erhalten bliebe. Das Schicksal hat es leider anders gewollt…

Trotz aller Trauer und dem großen Verlust: Das Leben geht weiter, und auch diese Serie wird weitergehen. Mag sie noch einmal an all die Stationen erinnern, an denen uns Udo Jürgens mit seinen Liedern soviel Freude bereitet und so viel Lebensmut gespendet hat…

 

 

 

Udo hatte also den Grand-Prix gewonnen, und "Merci Chérie" wurde von nun an sein ständiger Begleiter auf allen Konzerten.

Beierlein ließ ihn das Lied in mehreren Sprachen aufnehmen, unter anderem auch in japanisch. Vielleicht ahnte er bereits, daß Japan bald eine ganz besondere Rolle in der Karriere seines Schützlings spielen sollte.

Auf die B-Seite der Single geriet aber nicht – wie ursprünglich geplant – die italienische Version von "Finito L'Amore", sondern die englische "Merci Chérie"-Fassung. Acetate und Single sind heutzutage gesuchte Sammelobjekte…

Nun aber zu dem Mann, der dies alles ermöglicht hatte, zu Hans R. Beierlein: Hans R. Beierlein hatte zu Beginn seiner Karriere weder einen reichen Onkel, noch eine Erbtante, er hatte niemanden – nur seinen Willen, seine Energie und den Wunsch, nie mehr "nach unten" zu müssen. Denn Hans R. Beierlein kommt praktisch von ganz unten – aus dem Keller sozusagen…

Er war ganze 18 Jahre alt, als er die Dürer-Oberrealschule in Nürnberg verlassen mußte. Der heutige Multimillionär Beierlein formuliert es so: "Nach der damaligen Schulordnung war es nicht zulässig, daß ein Schüler öfter als dreimal repetieren durfte."

Mit anderen Worten: Beierlein war zum dritten Mal sitzengeblieben.

"Das war 1948, und damals habe ich zum ersten und einzigen Mal in meinem Leben geweint. Ich weinte nicht so sehr über meinen Rausschmiß als über die Enttäuschung, die ich meinen Eltern bereitet hatte. Lehrer hätte ich werden sollen oder gar Arzt – davon träumten meine Eltern. Nun, der Traum war aus, ich stand vor dem Nichts. Wenn man mal von Kindheitsphantastereien wie Lokomotivführer oder Sturzkampfflieger absieht, wollte ich eigentlich schon immer Journalist werden. Wie und wo – davon hatte ich nicht die geringste Ahnung."

Aber schon drei Tage später sollte die unglaubliche Karriere des Hans R. Beierlein ihren Anfang nehmen. Und das mit so viel Kaltschnäuzigkeit, mit soviel Glück, daß er selbst zugibt: So etwas ist heute nicht mehr möglich.

"Ich hörte", sagt Beierlein, "daß in Fürth eine Miß-Wahl abgehalten würde. Ich ging in eine Telefonzelle, wählte und ließ mich mit dem Veranstaltewr verbinden. 'Hier spricht René Barselini', sagte ich, 'der Herausgeber der großen Illustrierten >Das Magazin<. Bitte reservieren Sie mir einen Platz. Wenn ich Zeit habe, komme ich auf einen Sprung vorbei.'

Der Veranstalter fragte zurück: 'Der Herausgeber des >Magazins< sind Sie? Werden Sie doch Mitglied in unserer Jury!'"

Das einzige Problem, welches der 18jährige Hochstapler René Barselini damals hatte: "Wie komme ich zu einer langen Hose?" (Beierlein besaß zu dieser Zeit nur zwei kurze Hosen und ein paar lange braune Strümpfe.

Schließlich fand er im Kleiderschrank eines Freundes doch noch die passende Bekleidung. Und wenige Stunden später saß Beierlein in der Jury – zwischen dem amerikanischen Stadtkommandanten, dem Bürgermeister und dem Intendanten der Städtischen Bühnen in Fürth.

"Es war schon weit nach Mitternacht, als ich so ziemlich als letzter den Saal verließ. Da hörte ich aus der Damentoilette Schreie. Ich öffnete die Tür und sah, wie sich gerade der erste Preis mit dem zweiten Preis prügelte. Am nächsten Morgen stand ich um 06.45 Uhr vor der Hauptpost und gab die Story telefonisch an die 'Abendzeitung' in München durch. Und jeder konnte auf der ersten Seite lesen: Skandal bei Miß-Wahl – von unserem Nürnberger Korrespondenten B. (Eigener Bericht)."

Beierlein hat tatsächlich alles übersprungen, was man gewöhnlich als Stufenleiter bezeichnet. Mit 19 Jahren leitete er bereits die Nürnberger Redaktion der Münchner "Abendzeitung" und eine einzigartige Karriere nahm ihren Lauf.

Er avancierte alsbald zu einem gefürchteten Filmjournalisten. Als Klatschkolumnist leistete er sich bei seiner "Abendzeitung" einen offenen Berufskrieg mit seinem Konkurrenten Hannes Obermeier alias "Hunter". Beide jagten sich damals Meldung um Meldung ab. Aber nur allzubald hatte Beierlein den "Hunter" weit hinter sich gelassen…

"Ich habe in meiner Kolumne nicht geschrieben, Maria Schell habe sich beim Kaffeetrinken bekleckert, sondern nur echte Themen angepackt…"

Er schrieb für die "Abendzeitung", für den "Stern" und den "Spiegel". Beierleins damaliges Einkommen (1962) ist für Journalisten auch zehn Jahre später noch jenseits der Traumgrenze: 10.000 bis 12.000 Mark im Monat!

Zum Millionär wurde Hans R. Beierlein allerdings erst durch eine gigantische Idee: "Als ich 12 Jahre lang den Beruf eines Filmjournalisten ausgeübt hatte und im Geschäft wirklich gut drin war und es niemand gab, den ich nicht kannte, da habe ich überlegt, daß ich entweder von der theoretischen zur praktischen Seite überwechseln mußte – ich wußte ja inzwischen, wie das geht. Oder ich mußte versuchen, mir einen Nebenzweig des Films unter den Nagel zu reißen, das war der Schlager. Der Film lebte vom Schlager, und Musikfilme waren das große Geschäft.

Zwei Jahre lang habe ich auf zwei Hochzeiten getanzt. Ich habe für Atze Brauner, damals der absolute Filmkönig, Filme produziert. Und zwar nach einem System, das ich erfunden habe. Heute hört es sich einfach an, aber damals war es ganz neu:

Bis dato hat man in Deutschland einen Drehbuchautor beschäftigt und von ihm verlangt, in das Buch ein paar Lieder einzubauen. Mein System war umgekehrt: Ich habe um erfolgreiche Schlager herum ein Drehbuch schreiben lassen. Mein Rezept war goldrichtig. Diese Art Filme wurde das große Geschäft."

Hier sind einige der Titel, mit denen sich Beierlein seine erste Million holte: "Marina", "Wir wollen niemals auseinandergehen", "O sole mio", "Banjo Boy", "Adieu, leb' wohl, goodbye", "Drei weiße Birken".

"Meine damalige Arbeit war kinderleicht", so Beierlein. "Ich habe an einen großen Schlagererfolg, den Millionen Leute kannten, eine dümmliche Handlung rangehängt."

Nun, so kinderleicht, wie Beierlein es hier darstellte, war es sicher nicht, aber es ist eben so seine Art, über außergewöhnliche Erfolge zu reden.

Seine wahre Berufung zeigte sich aber erst, als er Udo Jürgens unter Vertrag nahm und dessen Manager wurde. Im Gegensatz zu vielen anderen seiner späteren Schützlinge (Adamo, Bécaud, Alexandra, Heino) verband ihn mit Udo viele Jahre ein durchaus freundschaftliches Verhältnis, welches auch privat gelebt wurde.

Das war keineswegs selbstverständlich, denn was es heißt, bei Hans R. Beierlein unter Vertrag zu stehen, schilderte ein früherer Schallplattenstar so: "Er ist ein Sklaventreiber, ein Dompteur und ganz selten ein Menschenfreund. Er ist so kalt wie die Nacht finster."

Beierlein vertrat dagegen die oft zitierte Meinung: "Bei mir müssen die Stars nur singen – das Denken übernehme ich."

Bei seinem Schützling Heino sah das wie folgt aus (Zitat Beierlein): "Ich gehöre zu den neunzehn Prozent, die Heino nicht mögen. Aber es ist eine reizvolle Aufgabe, einen Antitypen zum Publikumsliebling zu machen. Ich verhandle nur mit Heinos Frau. Sie muß ihrem Mann erklären, was ich von ihm will. Ich kann mich mit ihm nur schwer verständigen – wir haben nicht die gleiche Wellenlänge."

Die gleiche Wellenlänge hatte er eher mit Udo, obwohl beide die reinsten Sturköpfe waren. Allerdings mit einem kleinen Unterschied: Stets war es Beierlein, der sich letztendlich durchsetzte.

Beierlein hierzu im Jahre 1971: "Mir schien es, als ob sich die "Masche" von Udo Jürgens, diese sentimentale, romantische Verzichtsmasche -'Warum nur, warum?', "Sag' ihr, ich laß sie grüßen' fragend, grübelnd, zweifelnd – irgendwann einmal totläuft. Und mir schien es, daß Udo zeigen muß, daß er auch lachen kann, daß er auch lustig, heiter und gelöst ist.

Aus diesem Grund habe ich ihm die Nummer 'Cotton Fields' ausgesucht, eine amerikanische Pseudo-Western-Nummer. Jedenfalls nicht unbedingt das, was er bis dahin gesungen hatte.

Udo sagte: 'Das kommt gar nicht in Frage. Das Lied ist nicht mein Image, meine Richtung. Was sollen denn die Leute denken? Die wollen etwas ganz anderes hören.'

Als er sah, daß er sich nicht durchsetzen konnte, organisierte er einen kleinen Aufstand mit seiner Band. Die spielte dann falsch und schlecht und tat so, als ob sie diese 'Westernklänge' nicht draufkriegen könne. Ich bestand trotzdem darauf, daß es gemacht wurde. Der Erfolg: 'Cotton Fields' ist eine der drei meistverkauften Udo-Jürgens-Platten, ist heute noch eine Image-Nummer, mit der Udo gewisse Programme beginnen muß.

In der Tschechoslowakei hörte ich eine französische Nummer, die mir irrsinnig gut gefiel. Ich dachte, das sei genau die richtige Masche für Udo: schon wieder ein bißchen weg von der 'Cotton Fields'-Masche, trotzdem gelöst und heiter, Udo zum erstenmal ein bißchen frech 'verkauft' – 'Es wird Nacht, Senorita'.

Udo wollte die Nummer nicht singen. In solchen Momenten sucht er immer Verbündete. Diesmal war es nicht seine Band, sondern Walter Brandin, unser Leib- Hof- und Magentextdichter. Brandin mußte so viel texten, daß ihm jede Nummer, die er nicht machen mußte, sehr willkommen war. Er wurde also Udos Verbündeter und sagte auch: nein! Er sagte nicht, er schaffe es nicht, sondern er sagte, er wisse nicht, ob das für Udo das Rechte sei. Es sei doch ein bißchen zu frech, und Udo sei doch ein braver, lieber Junge!

Ich habe Brandin im Studio in die Herrentoilette eingesperrt und habe ihm gesagt: 'Paß auf, wenn du den ersten Vers hast, bitte rufe laut, dann holen wir dich – vorher nicht!'

Und tatsächlich: Nach einer Stunde rief Walter Brandin etwas kläglich aus der Toilette, mit 'Überhall': 'Ich bin soweit!'

Wir haben ihn herausgeholt, und er hat uns den Text – er hatte schon zwei Verse – gezeigt. Ich fand ihn phantastisch, Udo fand ihn wunderbar. Und Udo hat die Nummer gesungen – sie gehört heute zu seinen beliebtesten!"

Das Ganze charakterisiert ein ganz klein wenig die Art und Weise der Zusammenarbeit der Beiden. Laut Beierlein war Udo ein äußerst sensibler Mensch: himmelhochjauchzend, zu Tode betrübt, hin- und hergerissen, vom Wetter abhängig wie von den Morgennachrichten, der Zeitung und von den Kritikern. Obwohl er nicht den geringsten Grund hatte, an sich zu zweifeln, tat er es doch immer wieder. Insofern brauchte er einfach eine sehr starke Hand. Und die hatte Beierlein…

Kein Wunder also, daß sich von zwanzig Mitarbeitern im Laufe eines Jahres höchstens zwei bei Beierlein halten konnten. Aber nicht nur Sekretärinnen oder Werbefachleute wurden von Hans R. Beierlein nach wenigen Wochen gefeuert – auch Stars bekamen von ihm den blauen Brief.

Ein Beispiel war Inge Brück. Sie hatte das Schlagerfestival in Rio gewonnen, welches vom 22. – 30. Oktober 1966 in Rio de Janeiro im Maracanazinho stattgefunden hatte. Udo war dort ebenfalls mit seinem Lied "Geh' vorbei" (Vai Passando) für Österreich an den Start gegangen, konnte aber nur den zehnten Platz belegen.

Beierlein wurde hellhörig und nahm schließlich im Jahre 1968 auch Inge Brück unter Vertrag.

Beim Festival in Bratislava (Preßburg) sollte sie ihr Lied auf slowakisch singen. Inge Brück vergaß den Text, sang deutsch – und flog.

Beierlein dazu: "Ich wollte das Mädchen nie mehr sehen. Mit dem slowakischen Text hätte sie noch eine Chance gehabt. Sie hat versagt. Weg damit!'

Die Macht dieses Mannes über seine Stars war beispiellos. Udo war der einzige, welcher da einen gewissen Sonderstatus hatte, da er Beierleins bestes Pferd im Stall war, und das wußten beide nur zu gut!

Und Beierlein war es auch, welcher nach einem folgenschweren Gespräch Udos Ehe mehr oder weniger rettete:

Als Panja Jürgens es nicht mehr aushielt und endlich die "Wahrheit" über ihre Ehe sagen wollte und schon anfing, Journalisten einzuweihen, zitierte Beierlein Panja in sein Büro und sprach ein Machtwort. Das lief nach seiner Schilderung etwa so ab:

"Hör mal, Mädchen, ich weiß, Udo ist nicht einer der treuesten Ehemänner. Wenn ein Mädchen auf einer Tournee zu ihm sagt: 'Udo, wenn du mich nicht küßt, bringe ich mich um', dann bewahrt er sie eben vor dem Tod. Er ist schließlich ein Mann."

Panja: "Ich halte das nicht mehr aus. Er betrügt mich, und ich liege mit meinen Kindern daheim und kann nicht einschlafen vor Sorgen. Ich bin doch seine Frau – und nicht diese blonden Fans."

Beierlein: "Du hast also Sehnsucht nach Liebe? Nach Udo?"

Panja: "Ja, ich bin einsam. Ich werde noch wahnsinnig."

Beierlein: "Du brauchst einen Freund. Such dir einen, der dich wirklich liebt."

Panja befolgte diesen Rat, mit dem Ergebnis, daß eine Ehetragödie Panja-Udo ausblieb. Panja rief keinen Journalisten mehr an, Panja sprach nicht mehr von Scheidung – alles schien für's erste geregelt…

Udo hingegen hatte von nun an einen Terminkalender, welcher kaum noch Lücken offenließ. Nachdem er bereits im Jahre 1964 im Pariser "Olympia" auftreten durfte, wiederholte sich dies auch nach seinem Grand-Prix-Erfolg im Jahre 1966.

Diesmal stand er zusammen mit Adamo, André Brasseur, Henri Dés, Michel Delpech, Lee Chamberlin, Iva Zanicchi, Jean-Pierre Rembal und den Les Surfs auf der "heiligen" Bühne des Olympia.

Fernsehauftritte gab es wie Sand am Meer, und das in halb Europa. Ab 1967 war Udo auch in der Sendung "Paris aktuell" zu Gast, wo er bei seinem ersten Auftritt stolz die Goldene Schallplatte für "Merci Chérie" präsentieren durfte. Zum ersten Mal stellte er dem Fernsehpublikum den Titel "Es ist noch nicht zu spät" vor, Musik und Text: Gilbert Bécaud.

Nur eine eigene Fernsehshow, die war noch nicht geplant, obwohl eine solche im kleinen Rahmen bereits im Jahre 1962 produziert worden war: "Mein Herz ist in Musik verliebt". Udos Gäste waren Vivi Bach und die Peters Sisters. Die Aufnahme des Titelliedes von Udo findet man heute auf der CD "25 Jahre Flimmerwelt" von KOCH Music.

Udos erste Longplay kam im Jahre 1965 in Italien auf den Markt – eine Compilation, hauptsächlich aus italienisch gesungenen Titeln bestehend. Kurz darauf war es auch in Deutschgland soweit: "Portrait in Musik", Teil 1. Auch hier wurde die Lieder-Palette international gehalten, wobei der Schwerpunkt aber auf den deutschsprachigen Titeln lag.

1967 war dann DAS Jahr, in welchem Udo auch seine ersten großen Tourneen machen konnte.

Eine dieser Gastspielreisen möchte ich in dieser Folge noch etwas näher beleuchten, denn sie hatte einen historischen Hintergund: Im Herbst des Jahres 1967 machte Udo eine Tournee durch die damalige ČSSR, bei welcher er unter anderem auch zu TV-Aufnahmen für eine Fernsehserie auf die Prager Burg eingeladen wurde. Titel: "Ein Lied für Rudolf III." (Píseň pro Rudolfa III.).

Diese Serie war damals außerordentlich beliebt, da fast alles, was im nationalen Showbusiness Rang und Namen hatte, dort auftrat. Udo Jürgens wirkte (und das war sein Glück) bereits in der ersten Folge "Der Stuhl" mit. Zwei Lieder sang er dort: "Sag' mir wie" und "Nobody Knows". Die Rahmenhandlung ist schnell erzählt:

Rudolf ist ein einfacher Prager Metzgermeister in dritter Generation, der eine 15 jährige Tochter hat, deren Zimmer mit Plakaten aller damals berühmten "Stars" ausstaffiert ist. In diesem Zimmer befindet sich auch ein Stuhl, der eine merkwürdige Wirkung ausübt: Setzt sich Rudolf in diesen Stuhl, landet er in einer imaginären Welt und wird in ein Schloß versetzt, auf dem er zu Rudolf III. wird.

Viele Künstler kommen der Reihe nach auf dieses Schloß und bringen ihre Darbietungen.

Das Ganze beginnt fast wie ein Stummfilm, ohne Dialoge und nur mit Musik untermalt. Nachdem unser Rudolf dann zu Rudolf III. geworden ist, werden die einzelnen Künstler fast in moderner Videoclip-Manier in die Handlung eingebaut.

Die ersten Folgen waren im Prinzip eine reine Musik-Serie. Doch schon hier wurde durch jene imaginäre Welt der Wunsch nach Ausbruch und Freiheit deutlich. Nach und nach bekam die Serie dann immer mehr einen gesellschaftskritischen Charakter.

Mit dem Einmarsch der Russen im August 1968 sollte dieser erfolgreichen Musik-Serie – die sie ja trotz allem noch immer war – dann ein jähes Ende gesetzt werden.

Doch es wurde – praktisch undercover – weitergedreht, der Einzug der Russen in Prag heimlich gefilmt und in die Handlung mit eingebaut.

Dies sollte schlimme Folgen haben: Die gesamte Serie wurde unverzüglich auf den Index gesetzt. Teil 6 und Teil 9 wurden vernichtet. Von Teil 6 wurden später noch einige Fragmente gefunden – viel ist es leider nicht.

Auch für die Darsteller und Produzenten hatte das Ganze verheerende Folgen: Viele erhielten Auftrittsverbot. Andere, wie Marta Kubišová, wurden "in die Fabrik geschickt". Dem Regisseur, Jaromír Vašta, wurde ein lebenslanges Arbeitsverbot erteilt.

Nachdem der Eiserne Vorhang gefallen und Tschechien und die Slowakei wieder selbstständig geworden waren, erinnerte man sich selbstverständlich auch dieser damals so erfolgreichen Serie.

Nach langer langer Zeit konnte sie nun endlich wieder im Fernsehen ausgestrahlt werden…

Diese Serie war es auch, in der Marta Kubišová zum ersten Mal im Fernsehen ihr Lied "Gebet für Marta" ("Modlitba pro Martu") sang.

Es wurde nicht nur ein "Gebet für Marta", sondern vielmehr ein Gebet für die ganze Nation. Man kann getrost sagen, daß es nach dem Prager Frühling und der darauf folgenden Invasion der Sowjetunion im August 1968 zur heimlichen Nationalhymne der Tschechoslowakei wurde.

„Friede sei mit diesem Land. Ärger, Neid und Streit, sie seien verbannt. Jetzt, wo die verlorene Herrschaft über Deine Angelegenheiten zu Dir zurückkehrt, Du Volk, sie kehrt zu Dir zurück.“

Mit diesem Lied stellte sich Marta Kubišová klar auf die Seite von Alexandr Dubček. Was dies für Konsequenzen hatte, wurde bereits weiter oben erwähnt.

Um sie gänzlich aus dem öffentlichen Leben zu verbannen, wurde Marta Kubišová im Jahre 1970 auch noch beschuldigt, pornografische Aufnahmen gemacht zu haben. Sie mußte fortan als Sekretärin in einer Baubehörde arbeiten, war aber eine der ersten, die 1977 die "Charta 77" unterschrieb.

Vom 21. September 1977 bis zum 6. November 1978 war Marta Kubišová sogar dritter Sprecher dieser Charta. Aber erst am 19. November 1989 durfte Marta Kubišová vom Melantrich-Balkon auf dem Wenzelsplatz aus neben Václav Havel wieder ihr „Gebet für Marta“ – die Hymne der demokratischen Tschechoslowakei, singen…

Genauso ergreifend war auch der 6. Teil der Serie "Ein Lied für Rudolf III.", bzw. die Sendung mit den Fragmenten dieser Folge.

Moderiert hatte ihn niemand anderes als Iva Janžurová selbst: Sie spielte in der Serie den blonden Teenager Šárka, die Tochter RudolfS III.

Es gibt Menschen die einem von vornherein unsympathisch sind, obwohl man sie gar nicht kennt, und es gibt Menschen zu denen man sofort Vertrauen fassen kann und ihnen die Hand drücken möchte. Iva Janžurová gehört für mich eindeutig zu den letzteren.

Man merkte es ihr die ganze Zeit an, welche Achterbahn der Gefühle sie während dieser Sendung durchmachen mußte.

Da war nichts gespielt oder gekünstelt – Emotionen pur!

Zu verstehen, was sie da sprach, war zweitrangig, die eingeblendeten Szenen und Bilder sprachen für sich – den Rest konnte man sich selbst zusammenreimen.

Besonders die letzte Szene, wo beide (Iva Janžurová und Marta Kubišová) mit Alexandr Dubček zusammentrafen, war mehr als ergreifend und rang der Moderatorin auch endlich mal ein kleines Lächeln ab.

Inzwischen wird auch jedem klar sein, warum Udo Jürgens dort eben nicht seinen größten Hit "Merci Cherie" gesungen hat, sondern "Sag' mir wie":

"Sag' mir wie, sag' mir wie, lebt man frei in jedem Land,
sag' mir wie, sag' mir wie, baut man Frieden nicht auf Sand…"

Ein Lied, das wie kein zweites in die Zeit des Prager Frühlings paßte, und welches Udo Jürgens (der in der damaligen ČSSR als neutraler Österreicher stets ein gern gesehener Gast war) dort noch populärer gemacht hat.

Lesen Sie in der nächsten Folge: "Was ich dir sagen will"!

VIDEO-LINKS

Paris aktuell 1967…:

Udo Jürgens in Prag 1967…:

Udo Jürgens nimmt für's tschechische Fernsehen den Titel "Ol' Man River" auf…:

Udo Jürgens in "Ein Lied für Rudolf III.", Teil 1…:

Doku zu "Ein Lied für Rudolf III.", Teil 6…:

 

René Jochade (Textvorlage)
http://www.ariola.de
http://www.udojuergens.de

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