MIREILLE MATHIEU
smago! Serie "Schlager-Rückblick "vor 40 Jahren" von Stephan Imming: Teil 37 – Mireille Mathieu ("Der Zar und das Mädchen")!

Neuzugang 15.09.1975! (Das „Besser frei wie ein Vogel zu leben, als im goldenen Käfig zu sein“ mussten wir aus Platzgründen leider in diese Unterzeile verfrachten)!
 

Am 22.07.1946 wurde MIREILLE MATHIEU als ältestes von vierzehn Geschwistern in Avignon geboren. Ihr Vater Roger war Steinmetz und Marmorschleifer, die Mutter Michelle Hausfrau. Sie wuchs in einfachen Verhältnissen auf.

Bereits mit vierzehn Jahren brach sie die Schule vorzeitig ab, um für den Lebensunterhalt ihrer Familie mit zu verdienen. Sie fand eine Anstellung in einer Papierfabrik, wo sie Briefumschläge klebte. Über ihre Kindheit sagte Mireille einmal: „Wir lebten in einem einfachen Holzhaus. Wenn es kalt war, dann war es wirklich kalt. Wir hatten nur einen kleinen Ofen, kein warmes Wasser. Wir mussten das Wasser in einem Topf heiß machen und uns dann damit waschen“. Von ihrem verdienten Geld leistete sie sich insbesondere Gesangsstunden bei ihrer Lehrerin Laure Collière.

Schon in jungen Jahren beteiligte sie sich an Talentwettbewerben. So beteiligte sie sich bereits im Juni 1964 am „Prix du Critérium de la Chanson“, einem Wettbewerb für junge Nachwuchssänger. Wie schon bei anderen Wettbewerben trug sie ein Lied von Edith Piaf vor. Begleitet wurde sie dabei von ihrer „Tante Irene“, die später noch ihre langjährige Garderobiere und beratende Freundin blieb.

Mireille gewann den Wettbewerb und qualifizierte sich damit für einen Auftritt in einer französischen TV-Show („Télé Dimanche“). Auch dort trug sie im Rahmen eines Gesangswettbewerbs am 21.11.1965 erneut einen Piaf-Song vor („Jézabel“) und gewann den Contest. In Anlehnung an Piafs Spitznamen „Spatz von Paris“ wurde sie in Deutschland seit dieser Zeit als „Spatz von Avignon“ bezeichnet. – Kurz nach diesem Auftritt folgte Mireilles erster Auftritt im Pariser „Olympia“.

In jenen Jahren wurde sie von Talent-Scout Johnny Stark entdeckt, der schon damals kein Unbekannter war, hatte er mit Francoise Hardy, Johnny Hallyday, Dalida und anderen populären französischen Interpreten ja schon einige namhafte Show-Größen entdeckt. Von Beginn an wurde Johnny Stark Mireilles Manager und väterlicher Freund. Die Bravo schrieb 1968: „Sein Management ist zwar tyrannisch, aber erfolgreich“, so gesehen war Stark in Frankreich wohl eine ähnliche Persönlichkeit wie es in Deutschland Hans R. Beierlein seinerzeit war.

Ein weiterer wichtiger Name der Anfangszeit Mireille Mathieus war Eddie Barclay (bürgerlich Jacques Canetti), der Mireille für seine gleichnamige Schallplattenfirma unter Vertrag nahm. Gleich die erste LP wurde ein großer Erfolg.

Quasi von Anfang an war Mireille international mit französischsprachigen Aufnahmen erfolgreich. Schon im März 1966 unternahm sie ihre erste Reise in die USA und absolvierte ihren ersten TV-Auftritt dort in der Ed-Sullivan-Show.

Kleiner Exkurs: In einer Boulevardzeitschrift war zu lesen, dass Mireille auf dem besten Wege gewesen sei, in den USA ein Star zu werden, dies aber von der Mafia verhindert worden sei. Hintergrund: Manager Johnny Stark bestand darauf, mit eigenen Musikern anzureisen und sich nicht an einem USA-Show-Kartell zu beteiligen. Daraufhin sah er sich dem Vorwurf ausgesetzt, Drogen in Musikinstrumenten in die USA schmuggeln zu müssen. Entscheidend an dem Artikel ist sicherlich der letzte Satz: „Beweise haben alle Untersuchungen nie ergeben" – aber der Hinweis, dass ein „Staatsanwalt Viviani" ermittelt habe (Az. NY 06 R1210700), finde ich schon spannend. –

Zurück zu Mireilles Karriere: Bereits ihre erste „Mini-LP“ (genau gesagt EP) „Mon Crédo“ wurde ein großer Erfolg. In Frankreich war es damals nicht wie in Deutschland (und „Rest-Europa“) üblich, Singles (mit 45 Umdrehungen, also quasi „kleine Schallplatten“) mit einem Lied auf Vorder- und Rückseite zu veröffentlichen, dort waren eher „EPs“ mit in der Regel vier Liedern verbreitet. Die erste EP Mireilles wurde angeblich 1,7 Mio. mal verkauft.

In Deutschland veröffentlichte man den zweiten Titel der EP, „C’est ton nom“, auf Single, die es bereits am 15. Juli 1966 immerhin auf Platz 33 der deutschen Verkaufscharts brachte, was um so erstaunlicher ist, als Mireille damals noch nie in Deutschland aufgetreten war und französische Chansons nicht unbedingt immer zu Charts-Hits in Deutschland wurden. Der Komponist der Traumschiff-Melodie, Francais Lai, komponierte diesen ersten Mireille-Hit, produziert wurde die Nummer mit Paul Mauriat auch von keinem Unbekannten: Der Orchesterchef machte aus Vicky Leandros‘ Grand-Prix-Lied „L’amour est bleu“ einen Welthit: Seine Version schaffte es zu einem Nummer-1-Hit in den USA als „Love Is Blue“ in instrumentaler Fassung.

Auch Mireilles zweiter 1966er Hit in Deutschland ist insofern bemerkenswert, als sie mit einer französischen Version eines englischen Hits („Rusty Bells“ von Brenda Lee) punkten konnte: „Qu’elle est belle“. Auch hier ist ein prominenter Autor unter den Song-Autoren zu finden: Textdichter Pierre Delanoe verfasste u. a. auch die französische Ursprungs-Version des Liedes „Le Rossignol Anglais“, aus dem Udo Jürgens Jahre später „Es wird Nacht, Senorita“ machte.

In der James-Bond-Parodie „Casino Royale“ sang Mireille in der deutschen Synchronfassung ihre erste deutsche Aufnahme: „Ein Blick von dir“, die deutsche Version des im Original von Dusty Springfield gesungenen Film-Liedes „The Look Of Love“.

Auch Mireilles 1967er Hit in Deutschland ist ein Kuriosum: Engelbert hatte mit „The Last Waltz“ einen Welthit, auch die deutsche Version von Peter Alexander („Der letzte Walzer“) war in Deutschland erfolgreich – Mireille enterte hingegen mit ihrer französischen Version („La dernière valse“) die deutschen Hitparaden. Vielleicht half dabei, dass sie 1967 erstmals in Deutschland auftrat und auf kleine, von „Stern-Musik“ unterstützte rein französischsprachige Tournee ging.

Im Folgejahr wurde es noch kurioser: Ende 1968 wurde eine Single veröffentlicht, als dessen „Hit“ wohl zunächst der englischsprachige Song „Sometimes“ angesehen wurde, der am 15.12.1968 in Deutschlands Verkaufs-Hitparade auf Platz 37 ausgewiesen wurde. In Österreich wurde das Lied sogar ein Top-3-Hit. – In Deutschland entdeckte man dann aber die Qualität der Rückseite der Single und deklarierte dann diese englischsprachige Nummer zum Hit. „Sweet Souvenirs Of Stefan“ war der erste Song von Mireille, der sich über zehn Wochen in den deutschen Charts hielt.

Beide englischsprachige Songs wurden übrigens von Les Reed komponiert, der auch „The Last Waltz“ geschrieben hatte. Die „Doppel-A-Seiten-Single“ war Mireilles erster Hit, der im Vertrieb der Ariola auf den Markt kam.

1969 kam die Mathieu erstmals nach West-Berlin (im Ost-Berliner Friedrichstadtpalast trat sie bereits 1966 auf), wo sie immer in Begleitung ihres Managers Johnny Stark und einer „Anstandsdame“ war (Christian Bruhn schrieb einst ironisch, er sei überrascht, dass nicht auch noch ein Pfarrer zugegen war). Als sie im Hotel Kempinski nächtigte, ergriff der ehemalige Lufthansa-Steward und damalige Musikverleger Gerhard Hämmerling die Chance, mit ihr ins Gespräch zu kommen. Gemeinsam mit dem damaligen Chef der Hansa-Musikproduktion, Hans Blume, baute er einen guten Kontakt zu Mireille und Johnny Stark auf, wobei Kämmerlings erstklassiges Französisch dabei eine große Hilfe war.

Nun musste noch ein richtiger Autor für deutschsprachige Songs gefunden werden, weil geplant war, Mirellie künftig auch mit deutschen Liedern weiter aufzubauen. Gerhard Hämmerling stellte den Kontakt mit dem schon damals bekannten Schlagerkomponisten Christian Bruhn her. Johnny Stark besuchte den Schlagerkomponisten, der zwei Lieder für die erste deutschsprachige Single Mireilles vorbereitet hatte. Das Lied „Martin“ stieß sofort auf Zustimmung, die geplante B-Seite „Kopenhagen“ traf nicht den Geschmack Johnny Starks.

Da kam Textdichter und Bruhn-Partner Georg Buschor der Gedanke, dass man ja noch eine Lied-Skizze entwickelt hat, von der allerdings nur eine Zeile fertig war: „Hinter den Kulissen von Paris“ – Christian Bruhn improvisierte auf diese Zeile, Johnny Stark war begeistert („C’est ca! Justement!“). Der Rest ist Geschichte: Der Song wurde ein Riesenhit in Deutschland (Top-5) und ist bis heute so etwas wie die musikalische Visitenkarte Mireille Mathieus, was sicher auch daran liegt, dass textlich wie musikalisch mit allen musikalischen und textlichen Klischees aufgewartet wird. Besonders orginell ist der Wechsel vom polkaartigen 4/4-Takt mit Tempowechsel zum chansonhaften 6/8-Takt („und ewig fließt die Seine“), die zwischendurch dem Schlager den Hauch eines Chansons gibt.

Das Lied war so erfolgreich, dass bereits 1969 eine schwedische Coverversion von Bibi Johns aufgenommen wurde. Die auch in Deutschland populäre frühere Grand-Prix-Gewinnerin Severine produzierte 2001 eine französischsprachige Aufnahme des Titels.

Mit der Veröffentlichung dieser Produktion begann eine langjährige erfolgreiche Partnerschaft zwischen „Mimi“, wie Bruhn Mireille zärtlich nannte und Christian Bruhn. Wieder ein Kuriosum: Auch die B-Seite, „Martin“, wurde in den deutschen Charts notiert und schaffte es immerhin auf einen 12. Platz.Mit dem nächsten 1969er- Song des Gespanns Bruhn/Buschor konnte erneut ein Top-20-Hit gelandet werden: „Tarata Ting – Tarata Tong“. In einem Buch über das Verlagshaus Meisel wird kurz auf die Texte des Textdichters Georg Buschor eingeganen, die dieser für Mireille schrieb: „Liest man diese Texte nur, kommen sie einem erstaunlich schlicht, fast primitiv vor.Aber das sind sie keineswegs, vielmehr erstaunlich raffiniert“. Beispiel gefällig?:  „Tarata Ting, Tarata Tong, und darum sing‘ ich meinen Song“…

Vermutlich wurden Mireilles Texte bewusst einfach gehalten, weil sie ja kein Deutsch sprach und sich die Texte phonetisch merken musste. Hilfreich dabei war, dass – so steht es übereinstimmend in den Biografien Christian Bruhns und von Labelchef Siggi LochKatja Ebstein oftmals Demo-Aufnahmen der späteren Mathieu-Hits einsang. Produzent Gerhard Hämmerle brachte Mireille dann meist die Songs in deutscher Sprache bei, später bekam sie dann noch zusätzlich Unterricht von einem Fan namens Beate Pappritz.

Die B-Seite von „Tarata Ting“ war übrigens „Das Wunder aller Wunder ist die Liebe“. Das ist insofern bemerkenswert, als dieser Song in Österreich bis auf Platz 12 der dortigen Charts kam.

1969 erhielt Mireille bereits ihre erste TV-Show – im ZDF wurde am 2. Mai des Jahres „Rendezvous mit Mireille“ ausgestrahlt (Regie: Francois Reichenbach).

Die 1970er Jahre starteten mit den fröhlichen Mireille-Schlagern „An einem Sonntag in Avignon“ und „Es geht mir gut, Cheri“ unter der bewährten Regie (Bruhn/Buschor) – beide Titel schafften es in die Top-20. Auf der B-Seite der letztgenannten Single findet sich übrigens das Lied „Meine Welt ist die Musik“, das Christian Bruhn mal als eine seiner schönsten Kompositionen ansieht und wohl auch deshalb als Untertitel seiner Autobiografie „Marmorstein und Liebeskummer“ gewählt hat. Auf der Rückseite der Single charakterisiert die Ariola Mireille übrigens als „kleine nette Mireille. Der strahlende Glanz ihrer Stimme machte sie berühmt – rund um den Erdball“. In der Tag ging Mireille 1970 erstmals auf Welt-Tournee und absolvierte Auftritte in Kanada, Skandinavien, Italien und Deutschland.

1971 gab es dann zunächst so etwas wie „Pariser Festspiele“ im Hause Mathieu – erfolgreich konnten sich die Songs „Ganz Paris ist ein Theater“ und „Der Pariser Tango“, Mireilles zweiter Top-10-Hit,  in den Hitlisten Deutschlands platzieren. Mal wieder eine Kostprobe des (wie oben erwähnt) unterschätzten Texter-Genies Buschor: „Tango – Pariser Tango – ich wünsche mir, es bleibt noch lang so“. Als unverbesserlicher Klugscheißer habe ich einen Ruf zu verlieren und frage mich – „Tango“ und  „lang so“ – reimt sich das wirklich? Solche Sorgen plagen die Jacob-Sisters nicht, sie haben den Song erfolgreich gecovert („Bariser Tango“).

Inzwischen hatte Mireille so viele Platten verkauft, dass Komponist Christian Bruhn sich von den Einnahmen einen Urlaub auf Gran Canaria gönnen konnte – in gewisser Weise war es aber wohl auch eine Art Arbeitsurlaub, jedenfalls sinnierte er dort über die Textidee „Akropolis“. In Urlaubslaune kam ihm die zündende Idee, da ein „Adieu“ dranzuhängen. Wieder zu Hause angekommen, wollte er davon eine Demo-Aufnahme erstellen, es fand sich aber niemand zum Einsingen des Liedes, folglich sang Bruhn in Mireilles „Spatzen-Tonart“ (allerdings eine Oktave tiefer) den Song als Demo ein – zum Amusement des damaligen Ariola-Bosses Monti Lüftner, den dieses Demo eher zum Lachen anregte, als darin einen Hit zu erkennen.

Zum Glück erkannte Johnny Stark das Potenzial des Hits: „Akropolis Adieu“ wurde ein großer Top-3-Hit in Deutschland, in der Schweiz konnte damit sogar die Spitze der dortigen Hitparade erklommen werden. Über zehn Jahre hielten Nana Mouskouris „Weiße Rosen“ – nun sind sie lt. Song-Aussage „verblüht“. Historisch ist der Song auch insofern, als er gerne (insbesondere von Travestie-Künstlern) für Mireille Mathieu-Parodien verwendet wird. Mit ihrem unverwechselbaren Pagenkopf und ihrer eher kleinen Größe bietet sich das natürlich an.

Nachdem das mit dem Fernweh so schön geklappt hat, wurde 1972 die Mittelmeerinsel „Korsika“ besungen – zwar war das wieder ein Top-20-Hiit, konnte aber nicht an den großen Erfolg von „Akropolis“ anknüpfen.

Im September ging Mireille auf große Deutschland-Tournee (Premiere war am 20.09.1972 in Hamburg mit anschließender Premierenfeier im Hotel Atlantic). Kurz zuvor erschien das Lied zur ARD-Fernsehlotterie – „Hans im Glück“. Der Lotterie-„Vater“ Jochen Richert fuhr höchstpersönlich zu den ARD-Radiosendern, um den Programmgestaltern „das Lied für den guten Zweck“ ans Herz zu legen. Außerdem durfte Mireille ihr Lied am 17.09.1972 bei der Eröffnungsveranstaltung zur Fernsehlotterie gleich zwei mal zu Gehör bringen. Angesichts dieser und weiterer sehr umfangreicher damaliger Werbeaktivitäten (z. B. wurde in einer Auflage von 1.000 Stück für den Fachhandel eine lebensgroße Mireille Mathieu-Pappfigur hergestellt, hielt sich der Erfolg der Single in Grenzen – immerhin Top 20 zwar, aber der Aufwand war ja auch enorm. „Lebensgroß“ heißt bei Frau Mathieu zwar nur 153 cm – aber immerhin…

Parallel zum deutschen Song, der wie alle damaligen Hits von Christian Bruhn und Georg Buschor verfasst wurde, erschien in Frankreich übrigens eine Single, die insofern interessant ist, als sie u. a. von Giorgio Moroder und Michael Kunze geschrieben wurde: „En frappant dans nos mains“, die in Deutschland weithin unbeachtet blieb und von Uschi Glas auf Deutsch gesungen wurde („Denn ich liebe die Welt“).

Für ihre Erfolge wurde die Französin 1972 erstmals mit dem Unterhaltungspreis „Bambi“ ausgezeichnet; 1973 und 1974 wurde ihr diese Auszeichnung erneut verliehen.

Mit der nächsten 1973 veröffentlichten Single verfolgte Mireille Mathieu eine gewagte These: „Regen ist schön“ – ein Text, der nicht sonderlich für Begeisterung sorgte, gerade mal eine Woche konnte sich die Single in den Charts halten. In seiner unlängst erschienenen Autobiografie äußerte der sonst in solchen Dingen sehr zurückhaltende Ralph Siegel dazu klare Worte: „Regen ist wichtig und gut für die Natur, aber ich hasse es, im Regen zu gehen oder zu stehen. … Nur ein ‚warmer Regen‘ kann Freude machen, indem man eine höhere GEMA-Zahlung erhält als man erwartet hat…“ – tja, vielleicht war ja genau dieser GEMA-Regen gemeint?

Weiter ging es mit einer Hommage an die italienische(!) Hauptstadt – der flotte Song „Roma Roma Roma“ kam wieder besser an – Mireille nahm den Song auch in französischer Sprache auf.

Die nächste Single war dann Mireille Mathieus erster und bislang einziger Nummer-Eins-Hit in Deutschland: „La Paloma Adé“.  Unter Toningenieur Jörg Scheuermann entstand mit Musikern wie Gitarrist Siegfried Schwab im Münchener Union-Studio diese musikalische Bearbeitung eines traditionellen Liedes (ursprünglicher Komponist ist der 1865 verstorbene Sebastian de Yradier) durch Christian Bruhn.

Auch zu diesem Lied hat Ralph Siegel in seiner Autobiografie eine spannende Geschichte erzählt: Durch das Hinzufügen des Wortes „Adé“ zum traditionellen Lied und natürlich durch den neuen Text von Georg Buschor entstand ein neues Copyright. Christian Bruhn wird sich mal wieder angesichts der GEMA-Zahlungen gesagt haben: „Regen ist schön“…

Nach so einem Superhit einen Nachfolge-Titel zu finden, war schwierig. Mireille probierte es 1974 mit „Wenn die Liebe will“ – mit einem griechisch angehauchten Arrangement – passend zum damaligen Zeitgeist – naturgemäß war der Song nicht annähernd so erfolgreich wie „La Paloma Adé“, kam aber durchaus in die Hitparaden. Auf französisch hieß der von Christian Bruhn komponierte Song „L’amour oublie le temps“.

1974 gab es wieder eine schöne Auszeichnung für Mireille – die Goldene Europa der Europawelle Saar wurde ihr erstmals verliehen. Den Preis erhielt sie 1976, 1979 und 1983 erneut verliehen. Interessant ist in dem Zusammenhang, dass es 1979 Unstimmigkeiten wegen der Ermittlung der Preisträger gegeben hat. Eigentlich sollten Peter Alexander und Vicky Leandros für die Auszeichnung vorgesehen – die konnten sich den Preis aber nicht persönlich abholen, wovon vermutlich u. a. Mireille Mathieu profitierte.

Mit „Und der Wind wird ewig singen“ versuchte Mireille auch noch mal erfolglos, etwas in Richtung „Seemanns-Lieder“ zu gehen in Anlehnung an den „La Paloma“-Erfolg, was aber nicht von sonderlichem Erfolg gekrönt war. Trotz eines bombastischen Refrains war damit nicht mehr als ein Top 30-Hit in Deutschland drin.

Jede Serie reißt einmal ein – warum sollte es bei Mireille Mathieu anders sein? – Nachdem von ihren mehr als einem Dutzend deutschsprachigen Singles JEDE in die Verkaufshitparade kam, wollte dieser Erfolg mit der Single „Paris vor 100 Jahren“ nicht gelingen. Diesmal bediente sich Produzent Christian Bruhn (, der – wie groß auf der Single zu lesen ist – auch als Arrangeur und Dirigent in Erscheinung getreten ist, als Komponist wird er auch aufgeführt -) des Themas „Can Can“ aus Jacques Offenbachs Operette „Orpheus in der Unterwelt“.

Nun war guter Rat teuer – wie konnte man Mireille wieder in die Charts zurückführen? Das Rezept, das schon mal funktioniert hatte, sollte vor fast genau 40 Jahren erneut aufgehen. Erneut bediente man sich einer Volksweise (diesmal war es ein russisches Lied), textete darauf einen neuen Text – und schon entstand mit „Der Zar und das Mädchen (Besser frei wie ein Vogel zu leben, als im goldenen Käfig zu sein)“ Mireilles nächster (und bis dato letzter) Top 10-Hit in Deutschland. Vermutlich hat sich auch da Christian Bruhn ein neues Copyright geschnappt, obwohl die Melodie deutschen Schlagerfreunden nicht wirklich neu gewesen sein dürfte – schon Ronny hatte mit der gleichen Melodie, aber einem anderen Text („Kleine Annabelle“) einen großen Erfolg. Der ursprüngliche deutsche Originaltext, „Eintönig klingt hell das Glöcklein“, wird gerne von russischen Kosaken Chören interpretiert.

Nachdem das mit der Bearbeitung traditioneller Volksweisen bei Mireille Mathieu so gut funktioniert hat – auch Freddy Breck ist diesen Weg ja anfangs  gerne und erfolgreich gegangen, wurde erneut ein Lied bemüht, das (wie schon La Paloma) ursprünglich mal mit Hans Albers ein Erfolg war (die optische und stimmliche Ähnlichkeit der beiden war aber auch frappierend…): „Aloa He“. Früher habe ich mich immer über die komische Schreibweise gewundert – jetzt ist mir klar: Auch bei „Aloa He“ dürfte durch die andere Schreibweise (als Aloha-Oe) ein neues Copyright entstanden sein.

Die „Melodie vom fernen Palmenstrand“ kam beim Publikum aber wohl nur bedingt authentisch rüber – mehr als ein Top 40-Erfolg war 1976 damit nicht drin. Nur vier Jahre später hatte die Goombay Dance Band mit einer englischen Version des Songs („Aloha Oe, Until We Meet Again“) einen Top-5 Hit – ob das an Oliver Bendts Minipli-Frisur oder an den rassigen Karibik-Schönheiten lag, vermag ich nicht zu beurteilen. (Mit Achim Reichels „Aloha Heja He“ hat die Volksweise übrigens nichts zu tun).

Den Text des nächsten Liedes „Der Wein war aus Bordeaux“ schrieb 1976 erstmals nicht Georg Buschor –diesmal durfte Kurt Hertha ran – mit wenig Erfolg, die Single konnte sich nicht in der Verkaufshitparade platzieren. Einer der Gründe dafür könnte das Plattencover sein. Forenmitglied „Bette Davis Eye“ analysiert zu diesem Thema streng sachlich: „Auf dem Cover sieht sie aus wie ’ne besoffene Porno-Queen“. – Dem ist wohl nichts hinzuzufügen.

Auch zur nächsten Single Mireilles findet man im Internet bisweilen spitzfindige Äußerungen wie: „Der Spatz aus Avignon besingt einen anderen komischen Vogel“: „Kleine Schwalbe (für die Heimkehr ist es nie zu spät)“. Foren-Teilnehmerin „Windfee“ drückt es noch etwas krasser, aber – wie ich finde – sehr originell aus: „Der große Star mit dem Titel Spatz von Avignon besingt eine kleine Schwalbe – gut gevögelt, Mireille“. Wobei – der, der eigentlich „gevögelt“ hat – also, der Textdichter des Liedes war in diesem Fall Günther Behrle – auch der nahm sich wieder einer traditionellen Melodie an, diesmal wurde der „Fremdenlegionär“ („Gefangen in maurischer Wüste“) mit neuem Text versehen. Im Original wurde das Lied von Vico Torriani und Heino bekannt gemacht. Für einen 25. Platz in der deutschen Verkaufshitparade hat es immerhin gereicht.

Das Jahr 1976 abgeschlossen wurde mit einer weihnachtlichen Single. Die leichten Textänderungen, um aus einem traditionellen Lied eine neues Original zu machen, wurden immer abenteuerlicher – mein diesbezügliches Lieblingsbeispiel ist „Aber (!) Heidschi Bumbeidischi“ – genutzt hat es in dem Fall nichts, das Lied war kein kommerzieller Erfolg.

In Peter Alexanders großer Disney-Show hatte Mireille in jenem Jahr einen Auftritt als Schneewittchen – schon damals sang sie mit diesem großen Ausnahme-Entertainer ein Duett – Jahre später veröffentlichte sie mit ihm ja sogar eine Single, dazu später mehr.

1977 ließen die Verkaufszahlen für Mireilles Single-Veröffentlichungen merklich nach – in jenem Jahr konnte sie keinen Hit-Erfolg landen, obwohl mehrere Singles veröffentlicht wurden. Das ist besonders erstaunlich, als 1977 im ZDF eine Personality-Show mit Mireille ausgestrahlt wurde unter dem Motto: „Es ist Zeit für Musik“.

Ende 1976 hatte der Gitarrist Ricky King mit dem Instrumental-Lied „La Reve“ einen Hit. Die Komposition ist eine als „Romanza“ bekannte spanische Gitarrenmelodie,  zu der es schon einige Gesangsversionen gab (Bibi Johns sang „Eine Romanze mit Dir“, Francoise Hardy „San Salvador“ und Renate Kern „Herbstwind“). Bernhard Brink erkannte die Zeichen der Zeit und veröffentlichte zeitnah „Liebe auf Zeit“ und hatte damit einen großen Hit. In diesem Fall war die Traditional-Adaption zu spät – der von Robert Jung getextete „Walzer der Liebe“, Mireilles Version der „Romanze“,  kam vermutlich zu spät auf den Markt.

Der nächste Schlager war wieder eine Christian-Bruhn-Komposition. Auch wenn der Text „Die Liebe kennt nur der, der sie verloren hat“ von Günther Behrle aus dem Leben gegriffen sein dürfte – das Lied war ein Flop.

1977 nahm sich Christian Bruhn dann die Oper „Norma“ von Vinzenzo Bellini vor. Mit der daraus stammenden Arie „Casta Diva“ hatte er wieder Lied-Material „ohne Copyright“ (erneut das Motto „Regen ist schön“ – eben der warme GEMA-Regen). In Frankreich ging die Rechnung voll auf – „Mille colombes“ wurde dort ein großer Erfolg, so dass der Titel als Duett-Version mit Dean Martin(!) unter dem Titel „A Million“ veröffentlicht wurde, was aber offensichtlich nicht wirklich funktioniert hatte. Auch in Deutschland wurde die Single mit deutschem Text von Michael Kunze als „Nimm noch einmal die Gitarre“ erstaunlicherweise kein Erfolg, obwohl Mireille damit in großen TV-Shows wie „Disco“ und „Zum Blauen Bock“ zu Gast war. (In den 90er Jahren war allerdings Dana Winner mit ihrer Version („Geef de kinderen een wereld“ mit dem Lied erfolgreich).

Eine weitere ZDF-Show mit „Special Guest“ Sascha Distel wurde am 30.10.1977  ausgestrahlt – Motto: „Es ist Zeit für die Musik“.

Nach absolvierter großer Deutschland-Tour im Frühjahr 1978 trat am 26.06.1978 ein historisches Ereignis ein: Mireille Mathieu „ließ sich dazu herab“, in Dieter Thomas Hecks ZDF-Hitparade aufzutreten – und zwar mit dem ersten Verkaufs-Hit seit längerer Zeit: „Santa Maria“. Die von Günther Behrle getextete Nummer schaffte es immerhin bis auf Platz 13 der deutschen Verkaufs-Bestenliste.

Nachdem Paola mit ihrer Version des Linda-Ronstadt-Hits von „Blue Bayou“ einen großen Erfolg erzielen konnte, machte Mireille davon eine französische Version, die in Deutschland vom Erfolg her nicht annähernd an Paolas Version heranreichen konnte.

Pünktlich zum Jahr des Kindes 1979 musste kurz vorher natürlich eine Single aufgenommen werden, die das Thema zum Inhalt hat – so dachte man sich wohl seinerzeit, die Taktik ging aber nicht auf, obwohl diesmal der renommierte Textdichter Fred Jay als Co-Autor gewonnen werden konnte. Das Lied „Alle Kinder dieser Erde“ erschien auch in französischer Version („Un enfant viendra“).

1979 durfte nach längerer Zeit wieder Georg Buschor einen Text für Mireille beisteuern – erneut bedienet man sich eines Traditionals – das Ergebnis war der erfolglose Song „Wenn die Liebe nicht wär“. Im Original handelt es sich um den Song „Travailler c’est trop dur“ von Julien Clerk (danke an „Peter Pan“ von „memoryradio.de“, der mir diese Info hat zukommen lassen).

International wurde 1979 übrigens auch eine Single mit einem Duett mit Paul Anka veröffentlicht. Name der Scheibe: „Andy“.

Mit dem melancholischen russisch angehauchten nachdenklichen Schlager „Zu Hause wartet Natascha“ (Text: Günther Behrle) wurden die 1970er Jahre abgeschlossen, für eine Woche konnte sich Mireille damit noch mal in den Top 50 der deutschen Verkaufs-Charts positionieren, danach gab es eine vierjährige „Hitparadenpause“ (, was die Verkaufs-Charts angeht – was Hecks Show angeht, dauerte es rund 18 Jahre, bis sie erneut in der Schlagershow auftrat).

Nach langjähriger Zusammenarbeit startete Mireille Mathieu in die 80er Jahre mit einem neuen Produzenten. Der umtriebige Harold Faltermeyer (auf den Singles schreibt er sich mit „i“, inzwischen hat sich aber wohl die Schreibweise mit „y“ durchgesetzt), der u. a. in etwa in dieser Zeit auch bemerkenswerte Alben mit Udo Jürgens produziert hatte, produzierte für Mireille die deutsche Version des Watson T. Browne-Songs „Searching For A Star“. Wolfgang Mürmann textete darauf „Tage wie aus Glas“.

Harold Faltermeyer komponierte dann auch die nächste Nummer für Mireille, den Text schrieb Michael Kunze. Interessant an dieser Single „Chicano“ ist der Name des Produzenten: Joachim Heider, der in diesen Jahren sehr viele Künstler produzierte, weil er sicher auch eine weit überdurchschnittliche Qualität hatte. Über die Zusammenarbeit mit Mireille Mathieu war er sehr stolz – leider produzierte er mit ihr allerdings nur eine LP mit ihr gemeinsam („Gefühle“).

Kleiner Exkurs: Spannend finde ich, dass in einer älteren Biografie Mireille Mathieus 1979 als Jahr des Beginns der Zusammenarbeit mit Ralph Siegel benannt wurde – dieser Fehler ist inzwischen bei IHR korrigiert; dass Anfang der 80er aber Joachim Heider ihr Produzent wurde, ist dort nicht vermerkt. In Udo Jürgens‘ offizieller Biografie ist der Name „Heider“ auch nicht präsent, dort steht lediglich, dass seit 1977 die Zusammenarbeit mit Peter Wagner begann (, was freilich auch nicht stimmt, weil der ja bereits spätestens 1976 als Toningenieur für Udo tätig war (LP „Meine Lieder 2“). – So, genug der Klugscheißerei und Wichtigtuerei, weiter im Text zu Mireille Mathieu:

Zweite Auskopplung aus der Heider-LP war die deutsche Version des Crystal Gayle-Songs „Don’t Make My Brown Eyes Blue“ – eine originelle Textidee, die man 1:1 mit dem Wortwitz nicht ins Deutsche übersetzt bekommt – Michael Kunze machte daraus „Tränen würden mir nicht steh’n“.

Die dritte und damit schon letzte Heider-Single von Mireille war der bemerkenswerte Song „Du musst mir gar nichts von Liebe sagten“. Anno 1981 war „frau“ schon so emanzipiert, ihre sexuellen Bedürfnisse auch mal in einem One Night Stand aus purer Lust auszuleben – eben „ohne etwas von Liebe zu sagen“. Eine Thematik, die Heider ja so oder ähnlich immer wieder gerne auch mit anderen Interpreten aufgriff (Paradebeispiel „Manchmal möchte ich schon mit Dir“ von Roland Kaiser)– zum Image der eher braven Mireille passte das wohl nicht wirklich, ein Hit wurde entsprechend nicht daraus. Die Intention der Heider LP, „statt Nachrichten aus der Schlagertraumfabrik Lieder vom richtigen Leben“ zu interpretieren, ist nicht aufgegangen.

Für den französischen Markt nahm „La Petite“ übrigens noch einen weiteren Heider-Song auf – die französische Version des Roland-Kaiser-Hits „Dich zu lieben“. Bei ihr wurde daraus „Ou est l’amour“. Kritiker wundern sich etwas über diese Cover-Version, weil musikalisch die Betonung in der dritten Silbe liegt, das Wort „l’amour“ aber eher auf der zweiten (im Lied somit auf der vierten) Silbe betont werden müsste – na ja, das ist wohl etwas für ganz Spitzfindige.

International lief es in dieser Zeit besser für Mireille – ihre französische Version des Barbara-Streisand-Welthits „Woman In Love“, „Une femme amoureuse“ wurde ein international gesehen großer Erfolg.

1981 übernahm Ralph Siegel die Produzententätigkeit für Mireille Mathieu (- interessanterweise war es beim Spatz von Avignon andersrum als bei Udo Jürgens – bei Udo wurde Heider Siegels Nachfolger, bei Mireille war es umgekehrt – es blieb aber alles „in der Familie“: Beide Superstars waren bei der gleichen Plattenfirma (Ariola) unter Vertrag -).

Im Vergleich zur frechen Heider-Ära wurde Mireille nun wieder brav – oder um es freundlich zu formulieren, sie wurde ihrem Image gerecht – „Die Liebe einer Frau gehört Dir ganz allein“ der Text ist wohl  präemanzipatorisch. Genutzt hat es allerdings auch nicht viel.

1982 ging Mireille erneut auf Deutschland-Tour durch 28 Städte (Motto „Ein Abend mit Mireille Mathieu“). Am 15. April des Jahres wurde erneut eine große Personalityshow des ZDFs mit ihr ausgestrahlt mit dem Namen „Bonsoir Mireille“. Als aktuelle Single wurde in der Zeit das Chanson „Der Clochard“, geschrieben von Gunther Mende und Wolfgang Detmann und produziert von Rolf Soja veröffentlicht.

Im Anschluss wurde unter der „musikalischen Leitung“ des später sehr populären Produzenten Michael Cretu wieder die deutsche Version eines internationalen Hits produziert: Aus Vangelis‘ Instrumental-Song „Titles“ aus dem Album „Chariots Of  Fire“ wurde „Die Liebe zu dir“ (Text: Michael Kunze).

Die nächste Single wurde von Produzent Cretu auch selber komponiert – der Text zum „Friedenslied“ „Vai Columbia Blanca“ (weiße Taube, flieg‘!), das im Jahr von Nicoles „Ein bisschen Frieden“ vermutlich auch den Zeitgeist im Visier hatte, verfasste Michael Kunze.

1983 übernahm erneut Ralph Siegel die Produktion Mireille Mathieus. Im Auftrag von Mireilles umtriebigen Manager Johnny Stark, der bis zu seinem Tode 1989 wesentlicher Ratgeber und Mentor Mireilles war, wurde Siegel gebeten, einen Duett-Titel zu verfassen für Mireille und Patrick Duffy, der damals als „Bobby Ewing“ in der TV-Serie Dallas sehr erfolgreich war. Zusammen mit dem Gitarristen und Textdichter Richard Palmer-James schrieb Siegel den von ihm produzierten Song „Together We’re Strong“, der international recht erfolgreich war (u. a. Platz 1 in Frankreich) und auch in Deutschland Mireilles erster Verkaufs-Hit seit ca. vier Jahren wurde.

Die Siegel / Meinunger-Nummer „Nur für Dich“ wurde Ende 1983 Mireilles letzter Solo-Verkaufs-Hit in Deutschland. Auf der gleichnamigen LP, die Mireille in München aufgenommen hatte, nachdem sie für kurze Zeit dorthin gezogen ist, die „die Ausdrucksstärke ihrer unverwechselbaren Stimme eindrucksvoll unterstrichen". Die Plattenfirma schrieb damals weiter: „Mireille Mathieu beschreibt das immer wieder auftretende von Nehmen und Geben in einer Zweierbeziehung- mit Intensität und Überzeugungskraft".

Danach wurde es mal wieder Zeit für ein Cover – aus Yazoos Song „Only You“ machte Texter Bernd Meinunger Mon Amour – in den Armen deiner Zärtlichkeit“.  Bemerkenswert an der Single ist deren B-Seite –„Wir sind alle Kinder Gottes“, geschrieben von Ralph Siegel und Bernd Meinunger, avancierte im Laufe der Jahre zu einem Radio-Wunschkonzert-Hit. Wenn man sich das Single-Cover so anschaut, erkennt man, dass ein Wechsel der ansonsten stets üblichen typischen Frisur Mireille nicht geschadet hätte, wie ich finde – die „etwas andere“ Mireille-Frisur stand ihr nach meinem Geschmack gut.

1984 war ein weiteres Duett mit Patrick Duffy geplant, der aber dann doch „absprang“. Der Song war schon fertig, und mit Peter Alexander ein sehr guter „Ersatz-Duettpartner“ gefunden. „Good Bye My Love“ war dann der letzte Song, den Mireille Mathieu in der deutschen Verkaufshitparade unterbringen konnte. Vor einigen Jahren (2006) packte Mireille den Song noch mal aus der Schublade und sang ihn mit einem unwesentlich jüngeren Duett-Partner – Florian Silbereisen. In der BRAVO vom 16.09.2015 hatte Mireille ihren Traummann übrigens wie folgt beschrieben: „Eher groß, aber nicht zu sehr. Sportlich, aber kein Muskelprotz.  Nicht zu jung, ziemlich intelligent und vor allem sehr nett. Mädchen gegenüber muss er zuvorkommend sein.“ (– Halt Dich ran, Flori!)

Beflügelt vom Erfolg der Duett-Stücke, wurde schnell eine weitere Solo-Nummer auf den Markt geschmissen – aber die erneut vom Team Siegel/Meinunger geschriebene Nummer „Zurück zur Zärtlichkeit“ blieb wie Blei in den Regalen  liegen.

Zum „Trost“ erhielt Mireille 1984 das Bundestverdienstkreuz für ihre Verdienste um die deutsch-französische Freundschaft.

1985 stand erneut ein Wechsel des Produzenten statt. Bernd Dietrich und Jürgen Ehlers produzierten mit Mireille den von Gerd Grabowski geschriebenen im typischen „G. G. Anderson“-Sound gehaltenen Song „Ich schau‘ in Deine Augen“.

Das gleiche Produzententeam erinnerte sich an eine alte Zarah-Leander-Nummer, die von Mireille neu interpretiert wurde: „Der Wind hat mir ein Lied erzählt“.

Anlässlich der großen Herbst-Tour 1986 von Mireille entstand eine weitere Nummer mit dem Team rund um G. G. Anderson (Gerd Grabowski): „Lieben heißt für mich, mit Dir zu leben“.

Ende 1986 pruduzierte Gunther Mende, der 1982 bereits den „Clochard“-Song für Mireille schrieb, gemeinsam mit Candy de Rouge, der auf besagter Single noch unter seinem bürgerlichen Namen „Wolfgang Detmann“ den Song schrieb, den Schlager „Du weißt doch, ich lieb‘ Dich“ mit einem Text von Bernd Meinunger. Das Produzententeam war mit Jennifer Rush damals weltweit erfolgreich, bei Mireille reichte es nicht für einen Hit.

Allerdings erhielt sich 1986 eine weitere Auszeichnung – die Goldene Stimmgabel wurde ihr von Dieter Thomas Heck verliehen.

Nachdem Mireille in der Zeit nach Christian Bruhn fast jährlich die Proudzenten wechselte, holte sie ihren langjährigen Erfolgs-Produzenten 1987 wieder an Bord, doch auch der vermeintliche Hit-Garant führte sie nicht zurück auf die Erfolgsspur – Bruhns Komposition mit dem Text von Bernd MeinungerNie war mein Herz dabei (ohne Dich)“ konnte nicht an alte Erfolge anknüpfen.

Der letzte deutschsprachige Song, den Mireille in den 1980er Jahren veröffentlichte, war ein Schlager, der u. a. von Wolfgang Petry geschrieben wurde: „Kinder dieser Welt“. Weder Mireilles Fassung dieses Liedes noch die drei Jahre später erschienene Version von Bernd Clüver konnte einen Erfolg verbuchen.

1988 wurde Mireille eine besondere Ehre zuteil: Sie war mit ihrem Lied „Colors Of Gold" offizielle Repräsentantin Frankreichs für die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Seoul.

In den nächsten Jahren machte sie Mireille sehr rar in Deutschland, was auch damit zusammenhängen könnte, dass ihr langjähriger Manager, Mentor und Förderer Johnny Stark 1989 überraschend an einem Herzinfarkt verstarb. Ihre Schwester Monique übernahm fortan das Management. Es begann eine schwere Zeit, so mussten einige der geplanten Konzerte im Pariser Palais de Congres mangels Nachfrage abgesagt werden, mehrere Konzerte fanden vor halbleeren Rängen statt.

Erst 1993 veröffentlichte Mireille wieder deutschsprachiges Material – auf der CD „Unter dem Himmel von Paris“ wurden vornehmlich Neueinspielungen bekannter Chansons und Evergreens veröffentlicht.

Als erste Single wurde die von Roger Loubet produzierte Single „Schau mich bitte nicht so an“ – der Text dieses Evergreens stammt übrigens von Ralph Siegels Vater Ralph Maria Siegel.

1994 wurde noch aus dem Album die Single „Rummelplatz der Liebe“, produziert von Jean Claudric, veröffentlicht. Das Original des Schlagers wurde bereits 1953 veröffentlicht: 1953 sang Alfrede de Angelis „Que nadie sepa mi sufrir“. Daraus machte der bekannte RTL-Radiomoderator Camillo Felgen unter dem Pseudonym Jean Nicolas den Titel „Rummelplatz der Liebe“, ursprünglich von Gisela May interpretiert – Mireille Mathieu nahm den Schlager neu auf.

Im Frühjahr 1996 erschien nach längerer Zeit mal wieder ein Album mit „eigenen“ deutschen Mathieu-Songs. Jean-Jacques Kravetz, der mehrere Alben mit Peter Maffay aufnahm, produzierte das Album „In meinem Traum“. Als erste Single wurde „Feuer im Blut“ ausgewählt. Kurze Zeit später wurde auch der Titelsong, eine Ballade, ausgekoppelt.

Im März 1998 wurde eine weitere TV-Show von Mireille Mathieu ausgestrahlt. Diesmal war es die ARD, die „Meine Welt ist die Musik“ ins Programm nahm.

Das Jahrtausend beschlossen wurde anno 1999 mit dem Album „Alles nur ein Spiel“, für das Willy Klüter und Bernd Meinunger verantwortlich zeichneten. Als Lokomotiv-Single wurde der von den beiden Produzenten geschriebene Song „Wie soll ich leben ohne Dich?“ ausgewählt.

In den 2000er Jahren gab es zunächst keine neuen deutschsprachigen Produktionen, allerdings zwei bemerkenswerte „Best Of“-Sampler („Bonjour Mireille“ und „Herzlichst, Mireille“). Auf der letzteren CD wurde u. a. die Neuaufnahme von „Good Bye My Love (verzeih my Love)“ mit Florian Silbereisen (auch als Promo-Single).

Erst 2007 gab es wieder ein Lebenszeichen in deutscher Sprache von Mireille. (Zuvor wurde ihr die „Krone der Volksmusik 2006“ als beste internationale (!) Interpretin des Jahres 2006 verliehen). Aus ihrem eigenen französischen Song „Une place dans mon coeur“, der bereits 2006 auf ihrem „Herzlichst“-Sampler als neuer Titel veröffentlicht wurde, wurde „In meinem Herzen“.  Das klassische Liebeslied war auch Titelsong ihrer damals veröffentlichten von Jan-Eric Kohrs, der erste Erfolge als Produzent mit der damals populären Sängerin „Blümchen“ (Jasmin Wagner) feiern konnte, produzierten CD.

Spannend: Für das Album schrieben bekannte Songwriter wie Kristina Bach, Pe Werner, Dietmar Kawohl und Francesco Bruletti zur Feder. Und erstmals seit 20 Jahren steuerte auch Christian Bruhn zwei  Titel bei – getextet vom damals in der Szene recht neuen (inzwischen sehr etablierten) Textdichter Tobias Reitz („Sie ist die Frau“ und „Die Farben der Träume“, letzterer cogetextet von Wiebke Wimmer, die – wie Tobias Reitz – Schülerin der berühmten „Celler Schule“ für Textdichter war). Die Idee, bekannte, zeitgemäße Textdichter für eine CD-Produktion zu vereinen, hatte Katja Ebstein schon zwei Jahre zuvor (CD „Witkiewicz“) – deren „Erfolg“ ist mit dem von Mireilles CD mit ähnlichem Konzept vergleichbar – um es mal so zu formulieren.. .

Als zweie Single aus dem Album wurde „Der wundervollste Mensch“ ausgekoppelt, ein Lied von Dietmar Kawohl und Andreas Bärtels, mit mitreißendem Refrain. Später gab es auch noch vom Lied „Au revoir heißt nicht Adieu“ (gleiche Autoren) eine Rundfunk-Single.

Mit der neuen CD im Gepäck, ging Mireille (erstmals seit 20 Jahren) im Frühjahr 2008 auf große Deutschland-Tournee.

2009 wurde erneut eine deutschsprachige CD produziert („Nah bei Dir“) – als erste Single wurde aus dem Album „Und immer wieder Zärtlichkeit“ (Musik: Tommy Mustac, Text: Tobias Reitz) ausgekoppelt. (Jahre, nachdem Claudia Jung sich mit einer „Hand voll“ Zärtlichkeit zufrieden kam, war Mireille Mathieu nicht so genügsam J). Der Schweizer Komponist Tommy Mustac gewann übrigens mit einem Francine Jordi-Titel den „Grand Prix der Volksmusik“.

Im Folgejahr ging es erneut auf große Deutschland-Tour – Motto: „Meine größten Erfolge – live mit Orchester“.

2012 gab es zwar keine neue deutschsprachige Produktion, aber eine bemerkenswerte Veröffentlichung: Der Spatz von Avignon veröffentlichte erneut Aufnahmen ihres Idols Edith Piaf, also Lieder des Spatzen von Paris ( bereits 1993 wurde eine ähnliche Hommage-LP veröffentlicht).

Im Oktober 2013 veröffentlichte Mireille Mathieu ihre bis dato letzte deutschsprachige CD: „Wenn mein Lied Deine Seele küsst“mit acht Neuaufnahmen ihrer großen Erfolge und sechs neuen Titeln, erneut produziert von Jan Eric Kohrs. Der von Dietmar Kawohl, Mats Björklund und Peter Bischof geschriebene Titelsong wurde auch als Radios-Single ausgewählt. Das Album hätte es beinahe in die Top 100-Verkaufscharts geschafft – aber eben nur beinahe…

Mit der nächsten Veröffentlichung gelang nach Jahrzehnten aber wieder der Sprung in die Charts. Parallel wurde als CD und als DVD eine Best Of-Compilation veröffentlicht, die einen Erfolg in den LP-Charts ermöglichte. Insbesondere die DVD-Zusammenstellung mit vielen selten zu findenden Mireille-Auftritten kann sich sehen lassen.

Im Frühjahr 2015 ging Mireille erneut auf Deutschland-Tournée, wobei sie ihr 50-jähriges Bühnenjubiläum feierte.

Aktuell begleitete Mireille Mathieu ihren „Spezi" Florian Silbereisen zur Münchner Wiesn-Eröffnung – überall war zu lesen, dass es ihr Wiesn-Debut war. Demnach war ihr 1993er Wiesn-Aufenthalt wohl nicht sonderlich beeindruckend. Damals war u. g. Thomas M. Stein ihr Begleiter.

Vielfach wird Mireille Mathieu als unnahber dargestellt. Von ihrem Privatleben ist so gut wie nichts bekannt. Im RTL-„Lexikon der Pop-Musik“ ist zu lesen: „Ein Star aus Plastik, dem man die Lieder und Texte nicht abnimmt“.  In Ilja Richters Standardwerk „Star-Szene ‘77“ steht geschrieben: „Denoch fehlt ihr etwas Entscheidendes: Glaubwürdigkeit.“. Christian Bruhn schreibt in diesem Zusammenhang hingegen in seinem Buch: „Das ewig wiederholte Geschwätz vom Marionettenhaften ist völliger Unfug. Nur unkünstlerische, bornierte und vernagelte Menschen können so etwas äußern.

So – ich geh jetzt in die Ecke, weil ich unkünstlerisch, borniert und vernagelt bin.

 

VORSCHAU: In Folge 38 dieser Serie geht es um „MARION & ANTHONY“, die gemeinsam nur einen Hit hatten, aber als Einzelkünstler unter den Namen „MARION MAERZ“ und „ANTHONY MONN“ erfolgreich waren.

 

 

Stephan Imming, 18.09.2015

http://www.mireillemathieu.com/?lang=de

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