TINA YORK
smago! Serie "Schlager-Rückblick "vor 40 Jahren" von Stephan Imming: Teil 9 – UPDATE: Tina York – "Umarmst Du mich, umarm ich dich"!

Neuzugang 22.12.1975! 

Die Sängerin TINA YORK wurde am 29.04.1954 als Monika Schwab in Bingen am Rhein geboren.

Die Schwester von Mary Roos  wurde 1970 vom damaligen CBS- (und damit Mary Roos‘) Plattenboss Rudi Wolpert auf deren Hochzeit entdeckt. Wolpert vermittelte sie zum damals umtriebigen Schlagerproduzenten Henry Mayer. Wenngleich beide Elternteile, ehemalige Inhaber eines Hotels namens „Rolandseck“,  meinten, dass eine Schlagersängerin in der Familie voll und ganz ausreichend sei, deren Geschwister Franzl, Monika und Marion (Krankenschwester) lieber bürgerlichen Berufen nachgehen sollten, besang Monika ihre ersten Schallplatten, mit denen sie jeweils in der ZDF-Hitparade auftreten durfte: „Der nächste Sonntag kommt bestimmt“, eine Nummer ihres Produzenten Henry Mayer mit dem Text von  Georg Buschor  (ZDF-Hitparade 28.11.1970) und „Papa ist dafür“ (ZDF-Hitparade 17.04.1971; der Song wurde übrigens vom späteren „D.I.S.C.O.-Ottawan“-Gründer Daniel Vangarde mitgeschrieben). Laut Angaben der Plattenfirma gründeten sich allein nach dem zweiten Hitparaden-Auftritt bundesweit sagenhafte 200 Tina-Fanclubs binnen zwei Wochen.

Wie so oft in den 1970er Jahren war es wohl schwierig, sich auf eine A-Seite für die erste Single des damals 16-jährigen Teenagers festzulegen. Ursprünglich war die Umseite des „nächsten Sonntags“ als Single-Auskopplung geplant – dort findet sich die deutsche Version des Tremeloes-Hits „Me And My Life“ – eingedeutscht in „Oh Mama Good Bye“.

Bei der Suche nach einem Künstlernamen entschied sich Monika bewusst gegen den Nachnamen „Roos“, der ja einen direkten Bezug zu ihrer Schwester hergestellt hätte. Vielmehr baute man auf Eigenständigkeit und Authentizität und blätterte durch Musikzeitschriften und stieß auf die Schlagzeile: „Tina Sinatra in New York“ – daraus entstand der Künstlername „Tina York“.

Die ersten Lieder wurden keine Erfolge, so dass Monika Schwab nach Abschluss der Handelsschule eine Lehre als Rechtsanwaltsgehilfin begann, die sie auch abschloss. Sie arbeitete nebenbei aber weiter an ihrer musikalischen Karriere und nahm u. a. Tanz- und Gesangsunterricht.

Nachdem Lieder wie  „Ausgerechnet Du“ (Frühwerk von Ralph Siegel mit einem Text des kürzlich verstorbenen Robert Jung) und „Der Sonntag mit Dir“ von Henry Mayer und Kurt Hertha nicht den gewünschten Erfolg brachten, entschloss sich das „Nesthäkchen der Plattenfirma“ (so wurde sie in der Werbung zu ihrer vierten Single bezeichnet) Tina dazu, den Produzenten zu wechseln.

Zu dieser Zeit bandelte sie mit Künstlermanager Hardy Rodenstock (bürgerlich Meinhard Görke) an. Der spätere Weinkenner und –händler war damals nicht nur Tina Yorks, sondern auch Phil und Johns Agent.

Peter Orloff produzierte die Lieder „Einer wird kommen“ (Text und Arrangement: Jean Frankfurter, heutiger Helene-Fischer-Produzent), ein für Tinas Verhältnisse psychedelisch-rockig arrangierter Titel,  und „Warum denn morgen?“, den Tina in Ilja Richters Disco präsentierte – aber auch diese Songs kamen beim Publikum nicht an. Die B-Seite der letztgenannten Single, die ebenfalls von Jean Frankfurter komponiert wurde, hieß übrigens „Michael“ – ein Song, in dem es ursprünglich um die Trauer eines Mädchens um den verunglückten Freund gehen sollte (, wobei Monica Morell mit ähnlichem Thema ja große Erfolge feiern konnte, dazu mehr in einer weiteren Ausgabe dieser Serie). Aber Produzent Peter Orloff schritt ein und bat um eine Textänderung, so dass aus dem Song ein unbekümmertes Liebesliedchen wurde.

Typisch dafür ist auch der Promo-Text, den sich die Plattenfirma damals ausdachte: „Von Tina York, die als zierliches Persönchen mit keineswegs zierlicher Stimme von Funk und Fernsehen her bekannt ist und Vorlieben für Shirley Bassey, ausgefallenes Schuhwerk und  zwei Zwerghasen namens ‚Hippi‘ und ‚Hoppi‘ hat, gibt’s was Neues auf den Plattenteller.“ „Hippi und Hoppi“ – okay, wäre das auch geklärt…

Den Durchbruch erreichte Tina York erst, als sie Jack White kennen lernte, der sie zu einer Art „weiblichen Tony Marshall“ aufbaute. (Auch Tony Marshall wurde ja zunächst erfolglos von Henry Mayer produziert und erreichte mit Jack Whites „Happy Sound“ die gewünschten Hits). Gleich die ersten Jack White-Produktionen, „Wo die Sonne scheint“  (im Original von Tony Marshall  gesungen als  B-Seite von dessen Singlehit „Ich fang für Euch den Sonnenschein“; der Song erinnert auch stark an Severines „Ja der Eiffelturm“) und die „Liechtensteiner Polka“, brachten den ersehnten Durchbruch. Mit diesen beiden Liedern war Tina jeweils drei mal in der ZDF-Hitparade vertreten, was ihr einen Popularitätsschub gab. Die „Liechtensteiner Polka“, ihre achte Single-Veröffentlichung,  wurde ihr erster Charts-Erfolg. Laut Promotext der Plattenfirma war sicher maßgeblich (O-Ton) „Jack, der Hitmacher mit seiner Super-Schützenhilfe“ mit verantwortlich für den Erfolg.

Im Anschluss hatte sie dann den größten Hit ihres Lebens, den Jack White eigentlich für Dieter Thomas Heck geschrieben hatte, welcher aber dankend ablehnte. Somit wurde „Wir lassen uns das Singen nicht verbieten“ von Tina York interpretiert. Ironie des Schicksals: Der eigentlich vorgesehene Sänger (Heck) gratulierte Tina York im Februar 1975 zum ersten Platz der ZDF-Hitparade – es sollte ihr einziger Nummer-1-Hit dieser Show bleiben.

Der Schlager hat eine erstaunliche Aktualität, wenn man sich die aktuelle Radio-Landschaft ansieht: Auch wenn Radio-Redakteure, die sich „für die Klügsten der Welt halten“, weil für sie nur „das gilt, was ihnen gefällt – welch ein Selbstbetrug!“ den Schlager tot reden wollen, spricht die Wirklichkeit eine andere Sprache – Schlagerparaden in ausverkauften Arenen, Helene-Fischer-Konzerte in Stadien, großartige Einschaltquoten von Schlagersendungen im TV zeigen, dass es sich für Schlagersänger nach wie vor lohnt, sich das „Singen nicht verbieten“ zu lassen.

Die Textzeile des Liedes wurde übrigens auch für eine große Jack-White-Geburtstagssendung im ZDF genutzt. Hape Kerkeling nannte seine im vergangenen Jahr veröffentlichte Schlager-CD ebenfalls „Wir lassen uns das Singen nicht verbieten“.

Erneut hatte die Plattenfirma mit ihrem Promotext eine gute Hand: „Recht hat sie, die kleine Tina York, wenn sie auf ihrer neuesten Single behauptet: ‚Wir lassen uns das Singen nicht verbieten‘. Ein echtes Stimmungslied – pro Fröhlichkeit, pro gute Laune, pro Gesang, die Aufnahme ist haargenau der richtige Nachfolgetitel für Tinas ‚Liechtensteiner Polka‘. Und auch hier wird ein ähnlicher Erfolg sicher nicht ausbleiben, dazu braucht man sich dieses Bekenntnis zum Gesang und zur guten Laune nur einmal anzuhören. Produziert wurde dieses schwungvolle Lied natürlich wieder von Jack White“.

Aufgrund des Erfolges wurde Tinas erste LP auf den Markt gebracht, deren nächste Single-Auskopplung, „Wir seh’n uns wieder“, die erstaunlicherweise nicht in der ZDF-Hitparade vorgestellt wurde – vielleicht auch deshalb wurde das Lied kein großer Erfolg, immerhin reichte es mit dem „Anschlusstreffer“ für eine Woche Charts-Präsenz (Platz 37).

Nach Meinung der Plattenfirma warf Tina im Anschluss eine Frage auf, die quasi die Nation beschäftigte: „Sie stellt an ‚Monsieur le General‘ die wohl berechtigte Frage, was eigentlich Pierre beim Militär sollte. Eine Frage, mit der die quicklebendige Tina sicher nicht allein dasteht.“ Ob wirklich die halbe Nation sich für „Pierres Schicksal“ interessierte, darf bezweifelt werden. Das von Textdichter Fred Jay angeschnittene Thema ist aber durchaus ungewöhnlich für einen Schlager – erst später wagten sich etwa Udo Lindenberg („Wozu sind Kriege da?“) und Reinhard Mey („Nein, meine Söhne geb ich nicht“) an das Thema, die „Obrigkeit“ davon abbringen zu wollen, einen geliebten Menschen für militärische Zwecke zu vereinnahmen. Für die ZDF-Hitparade war das Thema damals wohl zu sperrig – immerhin reichte es für einen 42. Platz in der deutschen Verkaufshitparade. Der Titel wurde übrigens auch von Severine aufgenommen.

Beim „Grand Prix Rose d'or d'Antibes“ 1975 siegten Clement & Virginie mit ihrem Lied „On danse au bord de l’eau“. Fred Jay verfasste dazu einen deutschen Text: „Umarmst Du mich, umarm ich Dich“, mit dem Tina endlich wieder in Berlin bei der ZDF-Hitparade zu Gast war, aber auch bei Frank Elstners Montagsmalern und bei Maria Hellwigs „Die Musik kommt“. Es reichte immerhin erneut für einen Top-40-Hit. Tina war damals recht populär, beispielsweise sang sie damals auch einen populären Song der  ZDF-Kinderserie „Kli Kla Klawitter“ („Hopsen, Hüpfen, Springen und Toben“) und wurde sogar vom türkischen Fernsehen für Auftritte angefragt.

1976 war die Skifahrerin Rosi Mittermaier auf dem Höhepunkt ihrer Popularität. Jack White brachte das auf die Idee, ihr einen von Tina York interpretierten Hommage-Song zu schreiben, wobei nur der Vorname genannt wird im Song „Rosi, Du warst wunderbar (ziwui ziwui ziwuia)“ – demnach darf leicht bezweifelt werden, dass das Lied autorisiert wurde. Das Lied wurde allerdings kein Erfolg – der Text, den Jack White diesmal selber schrieb, hat einige Hörer vielleicht geistig überfordert („ziwui ziwui ziwuia“). Wie so oft, „recycelte“ White diesen Song Jahre später für Tony Marshall, der Jahre später mit „Tony, Tony noch einmal“ ein TV-beworbenes Album veröffentlichte, dessen Titelmelodie genau dem Rosi-Song entsprach – und auch das „ziwui ziwui ziwuia“ wurde beibehalten.

Tina selbst hat in einem Interview später gebeichtet, dass sie das Lied selbst nicht singen wollte, es ihr nicht gefallen habe. Sie habe es Jack White zuliebe gesungen.

Mit dem von Frank Cornely geschriebenen Disco-Schlager „Das alte Haus“ nahm Tina Anfang 1976 an der deutschen Vorentscheidung zum Grand Prix teil – von 12 Teilnehmern belegte sie leider den letzten Platz – vielleicht auch deswegen wurde der Titel damals gar nicht erst auf Tonträger veröffentlicht (inzwischen ist er auf der 2001 erschienenen CD „Stationen von heute bis gestern“ verfügbar). Tina nahm danach übrigens nie mehr an diesem Wettbewerb teil.

Mitte der 70 er Jahre war das Duo Monika Hauff und Klaus-Dieter Henkler als „Hauff und Henkler“ sehr populär in der DDR. Deren Erfolg „Gib dem Glück eine Chance“ adaptierte Tina als Jack-White-Produktion in die Bundesrepublik, ein Hit wurde es allerdings nicht. Bemerkenswert an der Single ist übrigens, dass Tina auf dem Cover erstmals einen Kurzhaarschnitt trägt.

Ihre letzte Single bei der CBS stellte Tina im Januar 1977 in der ZDF-Hitparade vor: „Zwei junge Menschen“. Der von Jack White und Fred Jay geschriebene Schlager sollte Tinas letzter Hit in den deutschen Verkaufs-Charts werden. Die kleine Anleihe am damaligen Superhit „Paloma Blanca“ sollte sich demnach ausgezahlt haben.

Ab 1977 wurden Tinas Singles unter dem Dach der Hamburger Polydor herausgebracht, allerdings weitehin produziert und geschrieben von Jack White. „Jon Athan“ alias Wolfgang Preuß (der „Wolf“ von „Inga und Wolf“) steuerte den Text bei. Die Single wurde kein großer Erfolg, dennoch brachte White mit Pia Zadora den Song noch mal neu auf den Markt („Little Bit Of Heaven“) und später auch noch mal mit Vicky Leandros („Ich hab geglaubt, ich liebe Dich noch immer“).

Parallel wurde auch gleich eine LP bei der Polydor veröffentlicht. Tinas zweite LP trug den Titel „Ich bring Dir heut ein Ständchen“. Sehr viel Mühe hat sich Jack White mit der Produktion nicht gegeben – selbst der Titelsong war „kalter Kaffee“ und u. a. schon mit der deutschen Fußballnationalmannschaft 1974 als Single veröffentlicht worden – auch weitere Adaptionen älterer White-Schlager finden sich auf dem Album.

Immerhin wurde als zweite Polydor-Single nicht etwa ein Titel aus dem Album ausgekoppelt, sondern ein neuer Song geschrieben: Anfang 1978 wurde „Wie ein Grashalm im Herbstwind“ veröffentlicht (Textdichter erneut: Jon Athan). (Kleine Textprobe: „Früher warst Du für mich nur ein Freund, doch dann hab ich zu viel von Dir geträumt"). Um ihre Texte noch glaubhafter zu interpretieren, nahm Tina damals Sprechstunden – auch Ballettunterricht gehörte seinerzeit zum Programm.

Die dritte und bereits letzte Polydor-Single Tinas war die deutsche Version des Luiza Fernandez-Hits „Lay Love On You“. Christian Heilburg textete darauf „Ein Mann wie Du“. Luiza, die Frau von Peter Kent, veröffentlichte übrigens auch selber die gleiche deutsche Version auf Tonträger. Kritiker attestieren dem Song eine verdächtige Ähnlichkeit zum Disco-Über-Hit „Love Is In the Air“. Wenn man das Intro hört, könnte man in der Tat meinen, dass gleich Jean Paul Young anfängt, seinen Hit zu trällern…

1978 wechselte Tina zur Münchner Plattenfirma Ariola, blieb aber ihrem Produzenten Jack White treu: „Mit ihm habe ich meine größten Erfolge erreicht, die Zusammenarbeit war immer kooperativ und harmonisch, also werden wir auch in Zukunft zusammen wirken" – so gab die „Sängerin fröhlich-harmloser Lieder" es am 15. September 1978 im Musikmarkt zu Protokoll. Bei der Ariola veröffentlichte sie ihre dritte LP, „Mein Weg zu Dir“, aus der „Ein Lied für Maria“ ausgekoppelt wurde, den Text zu dem passablen Airplay-Hit verfasste „Jon Athan“.

Im Jahr 1979 produzierte Jack White mit seinem Schützling Sandy Powers einen Hit namens „Hey Sam (the One And Only Man)“ – „Jon Athan“ machte daraus die deutsche von Tina York gesungene Version „Dieter“.  Viele Jahre später schrieb Norbert Hammerschmidt einen neuen Text namens „Peter“ auf Jack Whites Melodie, die aber ähnlich wenig erfolgreich war wie Tina Yorks Version.

Mit „Heute kann uns mal die Welt gestohlen bleiben“ wurden die 1970er Jahre dann unspektakulär abgeschlossen, ein Hit wurde die typische Jack-White-Nummer nicht.

Schon 1973 stellte Udo Jürgens in seinem Song „Der Teufel hat den Schnaps gemacht“ fest: „Wer zu viel säuft, ist leider oft nur noch ein halber Mann“. Vielleicht daran anknüpfend, verfasste Textdichter Kurt Hertha für Tina York die blumenreicheren Zeilen „Zu viel Schnaps im Blut tut der Liebe nicht gut“.

1980 hatte die Band „Bogart“ einen Top-40-Hit namens „Primaballerina“. Wolfgang Preuß schrieb (diesmal unter echtem Namen und nicht unter Pseudonym „Jon Athan“) darauf einen deutschen Text zu Tina Yorks gleichnamiger deutscher Version. Der Song war ungewöhnlich für Tinas Repertoire, das ja bislang eher von Mitklatsch-Liedern der Marke Jack White geprägt war Stichwort „Kitchen-Sound“). Hier gab sie eine gute Figur als Disco-Sängerin ab.

Im nächsten Jahr standen für Tina gleich zwei einschneidende Veränderungen an – erstens wechselte sie erneut die Plattenfirma und ging zur Hamburger Metronome. Vor allem von Bedeutung war der Wechsel des Produzenten – erstmals in ihrer Karriere vertraute sie sich einem neuen Produzenten an, fortan übernahm Norman Ascot die Produktion. Ascot (bürgerlich Wolfgang Pliverts) wurde bekannt als Produzent der deutschen Boygruppe „Teens“ und arbeitete auch lange mit Roland Kaiser zusammen.

Wie so viele Schlagerinterpreten jener Zeit, wollte auch Tina sich wandeln – sie sagte: „Ich bin reifer geworden und möchte mehr als nur Stimmungstitel machen. Dieses Lied soll der Anfang zu einer ganz neuen Entwicklung werden." – so war es am 01. Juli 1981 im Branchenblatt Musikmarkt zu lesen. Weiter heißt es in dem Artikel: „selbst Skeptiker müssen zugeben, dass Tina York musikalisch und stimmlich bisher unter Wert gehandelt wurde." – Wie bei den allermeisten anderen ähnlich gelagerten Beispielen, ging die Rechnung langfristig nicht auf, wie wir heute wissen….

So war es kein Wunder, dass Roland Kaiser gemeinsam mit Norbert Hammerschmidt den deutschen Text für Tinas erste Single bei der Metronome, die bezeichnenderweise „Ich bin da“ hieß, verfasste. Dabei handelte es sich um die deutsche Version des Hits des holländischen Frauen-Duos Maywood, das mit „Distant Love“ einen Hit hatte. Freunde der Emanzipation werden vermutlich mit dem etwas unterwürfigen Textinhalt nicht ganz konform gehen… Wenngleich sie damit nicht in die Verkaufshitparade kam, reichte es doch für eine Platzierung – man höre und staune – in den damaligen Bravo-Lesercharts. Am 11.05.1981 stellte sie ihr Lied auch in der ZDF-Hitparade vor.

Kurze Zeit später erhielt Tina im August des Jahres den „Premio del sol" verliehen. Dieser Preis wurde alljährlich von Radio Aleman, dem deutschen Rundfunk in Spanien, verliehen. Weitere Preisträger waren 1981 Hoffmann und Hoffmann sowie Henry Valentino.

Zu Hochzeiten der Neuen deutschen Welle blieb Tina dem klassischen Schlager treu und bekannte: „Aber trotzdem bist Du immer noch mein Mann“, geschrieben von Candy de Rouge (bürgerlich Wolfgang Detmann) und Gunther Mende, die kurze Zeit später mit Jennifer Rush große Erfolge feiern konnten (der Song „Power Of Love“ stammt von den beiden) – mit Peter, Sue und Marc konnte man schon erste Erfolge erzielen. Ganz bewusst setzte man damals auf Nachwuchsautoren – in einem Interview vom 15. März 1982 gab sie erstaunlich aktuelle Worte zu Protokoll: „Ein paar mehr Prozent deutsche Titel in unseren Rundfunkprogrammen wären ja kein Fehler. Einheimische Autoren und Interpreten müssen zuerst zu Hause eine Chance kriegen, denn unser Markt ist doch nicht in Übersee oder sonst wo".

Bereits 1954 hatten „Sugar Boy And His Cane Cutters“ mit „Jack-A-Mo” einen Hit. 1982 wurde der Song von der Saragossa Band als „Aiko Aiko“ gecovert. Unter gleichem Namen veröffentlichte Tina dann davon eine deutsche Originalversion. Damit war die Metronome-Zeit wieder vorbei.

Zwei Jahre später, 1984, kehrte Tina für eine Single zur Ariola zurück und produzierte die deutsche Version des Audrey-Landers-Hits „Little River“. Co-Autor des Liedes war übrigens Gerd Grabowski alias „G. G. Anderson“. Den deutschen Text dieser Jack-White-Produktion verfasste Kurt Hertha.

Der ehemalige Funkbetreuer (bei der Hansa) Michael Kudritzki, der später auch Manager und Ehemann von Tina wurde, nahm sich dann Tinas an und produzierte unter dem Label von Ralph Siegels Jupiter Records die deutsche Version des Boris-Gardener-Hits „I Wanna Wake Up With You“, „Es ging mir noch nie so gut“. Den Text des Songs schrieb Norbert Hammerschmidt. Spannend ist auch die B-Seite der Single – da singt Tina ihre Version des Welthits „Stand By Your Man“ („Wer Liebe sucht“).

„Alte Liebe rostet nicht“ – ein Jahr später kehrte Tina für eine Single zurück zum Produzenten Jack White, der inzwischen sein eigenes Label hatte. Auf White Records wurde „Ich will einen Mann mit Zärtlichkeit“ veröffentlicht – eine eher lieblose Veröffentlichung, wenn man bedenkt, dass Severine genau diesen Song bereits fünf Jahre zuvor veröffentlicht hatte.

Bei der kleinen Plattenfirma Musicolor ließ Tina die 1980er Jahre dann mit ihrem Eurodisco-Schlager  „Das Haus am Meer“ ausklingen. Wie schon im Fall Mende/de Rouge 1982 war Tina ihrer Zeit wohl etwas voraus – den Song produzierte und schrieb ihr Matthias Reim, der genau ein Jahr später zum Superstar avancierte. Ihren Schlager stellte sie zwar nicht in der ZDF-Hitparade vor, aber immerhin im damals populären „Schlagerclub mit Frank“ (Papke) bei RTL.

1993 wurde der Song „Gino – lass mich heut Nacht nicht erfrieren“ als Single herausgebracht. Erneut wurde der Song von einem großen Namen komponiert – Erik Silvester schrieb diesen Titel. Privat lernte Tina kurz zuvor über ihren Hund Charly beim Spazierengehen Peter Rosenberger, ihren späteren Ehemann, kennen, der auch als Fahrer u. a. von Uwe Busse tätig war.

Mitte der 1990er Jahre wurden ihre Veröffentlichungen über das Label WPL-Records vertrieben. Los ging es 1995 mit der Single „Doch was ich immer sehr gut kann“, die vom damals recht aktiven aus Wolfgang Pentinghaus, Hans-Werner Schade und Claudia Schorlemmer bestehenden Team geschrieben wurde, das u. a. für die Ruhrgebiets-Gruppe „Rendezvous“ tätig war.

Schade und Pentinghaus produzierten auch die Folge-Singles „Heute Nacht“ (1996), „Jetzt oder nie“ (1998) und „Ich bin keine Sünde“ (1999) (- Zweifel an dieser Aussage stellen sich beim Anblick der Autogrammkarte zur Single „Viel zu nah am Feuer“).

Ein kurzes Intermezzo folgte bei Koch-Records – aber mit „Nicht von schlechten Eltern“ war 2000 kein Blumentopf zu gewinnen.

Tinas nächste Singles erschienen beim Berliner Label „Monopol“. Als erste Single wurde der bereits aufgrund der für Tinas Verhältnisse mit recht freizügigem Cover erwähnte Song „Viel zu nah am Feuer“ veröffentlicht. Produziert wurde die Single von Johannes Lowien, der seine ersten Erfolge mit George le Bonsai erzielte und zum Produzententeam von Matthias Carras zählt („Song Design“) und später Produzent von Tinas Schwester Mary Roos wurde. In den nächsten Jahren blieb er auch Tinas „Haus- und Hofproduzent“ und schrieb ihre Songs in der Regel gemeinsam zumeist mit dem Textdichter Torben Neuhaus.

Mit diesem Team wurde 2001 die Single „Ich darf das“ produziert – ein Lied über das Älterwerden, das das Album „Stationen – von heute bis gestern“ ankündigte – ein bemerkenswertes Album, weil es einen guten Überblick über Tinas Schaffen bis dato gibt – auch „plattenfirmenübergreifend“ – beginnend mit den ersten Erfolgen bis hin zu ihren damals aktuellen Hits. Besonders bemerkenswert ist, dass auch das Grand-Prix-Schmankerl „Das alte Haus“ auf dem Silberling enthalten ist.

Auf der CD enthalten ist auch die 2001 enthaltene Ballade „Tief in meinem Herz“. Da Tina auf dem Plattencover erneut tief nicht nur in ihr Herz blicken lässt, sei der Grammatikfehler (müsste es nicht „Tief in meinem Herzen“ heißen?) ihr verziehen – frei nach dem Motto ihrer Vorgängersingle: „Sie darf das“…

Hieß es 2002 noch „Irgendwas ist immer“, war man 2003 bemüht, den Sound der damals angesagten Backstreetboys zu adaptieren mit der Disco-Nummer „Ich steh‘ ich neben mir, steh‘ ich neben Dir“. Amüsant ist die Anekdote, dass Tina mit diesem Song zeitweise auf Platz 1(!) der Formatradio-Charts war im Bereich – Achtung! – „Deutsch-Rock“. Ja, sie ist schon eine tolle Rocker-Braut, die Tina.

Regelmäßig veröffentlichte Tina weitere Singles wie „Wie kann ich von Dir träumen?“ (2004), „Woher soll ich heute wissen, was ich morgen will?“ (2004), „Du bist Champagner für die Augen“ (2005)und „Manchmal darf man ja noch träumen“ (2006) (- böse Zungen ergänzten damals, dass das wohl der Traum von einem neuen Hit gewesen wäre).

Weiter ging es mit „Wenn ich schlaf, bin ich ein Engel“ (2006), „Warum gerade Du?“ (2007) und „Wahre Liebe ist zu viel“ (2007). Die letzten Titel wurden auf einer Longplay-CD namens „Ich träume mit Dir“ versammelt, wobei der letztgenannte Song sogar noch mal speziell für die Singleauskopplung neu abgemischt wurde. Auch die nächste Single aus dem Jahre 2008, „Irgendwie hab‘ ich Dich aus den Augen verloren“, stammt aus dem Album. Im gleichen Jahr veröffentlichte sie mit „Keine Angst, ich bin ja bei Dir“ auch noch eine neu aufgenommene Single.

Mit „Kochen kann er besser als ich“ (2009 – wobei es Tina ihre Kochkunst in der Vox-Sendung „das perfekte Promi-Dinner unter Beweis gestellt hat -); „Du – ich hab‘ da ’ne Idee“ (2009) und „Heut Abend lass ich die Seele baumeln“ (2009) wurde dann die erste Dekade des neuen Jahrtausends abgeschlossen – das 10-jährige Jubiläum der Zusammenarbeit mit ihrem Produzenten Johannes Lowien konnte gefeiert werden. Im gleichen Jahr erschien eine weitere „Best Of“-CD mit Originalaufnahmen ihrer alten Hits („Wir lassen uns das Singen nicht verbieten – Best Of 2009“).

Die nächsten Singles von Tina waren „Ciao, mein Lieber – ciao“ (2010), „Männer lügen nie“ (2010), „Ich schaff‘ es nicht, Dich nicht zu lieben“ (2011), „Draußen geht schon gleich die Sonne auf“ (2011), „Mit Dir ist jeder Tag ein Sonntag“ (2012) und ihre „Kurzbiografie“ „Musik (wird immer ein Teil von mir sein)“ (2013).

Getreu eines Mottos von Coco Chanel wurde 2013 eine Single mit dem originellen Titel „Alter schützt vor Liebe nicht“ veröffentlicht. Unter der Produktion von Johannes Lowien wurde diesmal eine Komposition von Andreas Zaron ausgewählt.

2014 wechselte Tina die Plattenfirma – hin zum sehr umtriebigen Schlagerlabel Telamo. Dort erschien nicht nur ihre erste Single unter bewährter Produktionsregie namens „Das mach‘ ich doch mit links“, sondern auch eine weitere Best Of-Doppel-CD („Typisch ich! So bin ich – wo war ich“) mit alten und neuen Erfolgen. Im Herbst erschien die Ballade „Für jedes Lachen muss ein Weinen stehen“.

Nach imposanten fast 15 Jahren Zusammenarbeit mit Johannes Lowien wechselte Tina 2015 den Produzenten und entschied sich für Erfolgs-Produzent Stefan Pössnicker und dessen Label Mania Music. Das erste Ergebnis der Zusammenarbeit ist die von Andreas Zaron und Martin Langer geschriebene Single „Da hör‘ ich mit nicht ’nein‘ sagen“. Pössnicker tritt übrigens selber unter dem Namen „Stefan Peters“ auf. Der hatte übrigens als Sänger „gigantische Erfolge“: Wer kennt sie nicht die Single, für die er laut eigenen Angaben 1994 eine „Goldene Schallplatte“ (!?!?) erhielt namens „Zwischen Himmel und Hölle“….

Wenngleich Tina regelmäßig neue Veröffentlichungen produziert, steht sie doch leider sehr im Schatten ihrer Schwester Mary Roos. Dennoch kann sich ihre imposante Discografie mehr als sehen lassen, hat sie sich doch über Jahrzehnte im Haifischbecken der Schlagerbranche halten können.

Stephan Imming, 28.12.2015
http://www.telamo.de
http://www.tina-york.de/

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen.

− 7 = 2

Diese Webseite benutzt Cookies. Aktuell sind Cookies, die nicht essentiell für den Betrieb dieser Seite nötig sind, blockiert. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind nur auf essentielle Cookies eingestellt. Um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. essentielle Cookies: PHP Session - Dieses Cookie ist nötig für die Funktion der Seite um wichtige Informationen an folgende Seiten weiterzugeben. nicht essentielle Cookies - Der Seitenbetreiber hat diese Cookies genehmigt, Sie sind sie jedoch deaktiviert: YOUTUBE-Videos - Beim Einblenden der Youtube-Videos werden Cookies von Youtube/Google als auch deren Partner eingebunden. Youtube und deren Partner verwenden Cookies, um Ihre Nutzererfahrung zu personalisieren, Ihnen Werbung basierend auf Ihren Interessen anzuzeigen sowie für Analyse- und Messungszwecke. Durch das Einblenden der Videos und deren Nutzung stimmen Sie der Nutzung von Cookies zu, die in der Cookie-Richtlinie auf https://policies.google.com/privacy?hl=de näher beschrieben wird. Spotify-Playlist - Beim Einblenden der Spotify Playliste werden Cookies von Spotify als auch deren Partner eingebunden. Spotify und deren Partner verwenden Cookies, um Ihre Nutzererfahrung zu personalisieren, Ihnen Werbung basierend auf Ihren Interessen anzuzeigen sowie für Analyse- und Messungszwecke. Durch das Einblenden der Playlist und deren Nutzung stimmen Sie der Nutzung von Cookies zu, die in der Cookie-Richtlinie auf spotify.de näher beschrieben wird.

Schließen