"EUROVISION SONG CONTEST 2016"
smago! Gast Kolumne von Frank Ehrlacher: "2. ESC-Halbfinale"!

Lesen Sie HIER die ganz persönliche Eindrucke des ultimativen Chart (Show) Experten, der diese Woche in Stockholm vor Ort ist …: 

Da es trotz der haushohen Favoritenstellung des russischen Beitrags der EBU nicht ratsam erschien, den ESC-Sieger 2016 durch Akklamation zu ermitteln, musste am Donnerstagabend dann doch ein zweites Halbfinale her, um die noch vakanten zehn Start-Plätze für das Finale am kommenden Samstag zu belegen. Allzu viel Überraschendes zeigte sich dabei nicht, allenfalls die Erkenntnis, dass es mit dem Kuriositätenkabinett vergangener Jahre scheinbar vorbei ist und die meisten Länder versuchen, sich möglichst professionell Zeitgeist oder Massengeschmack anzubiedern.

So waren dann auch die beiden Beiträge, die in der Halle am meisten Anklang fanden und vielleicht zu Widersachern des Russen Sergey Lazarev gezählt werden dürften, die im Vorfeld bereits hoch gehandelten Beiträge aus Australien und der Ukraine. Beiden ist eine gewisse Schlichtheit in der Performance gemein, die noch mehr Gewicht auf Musik und – gerade im Fall der Ukraine – Text legt.

Australien, das im vergangenen Jahr debütierte, bekam zwar auch in diesem Jahr wieder zunächst noch "ausnahmsweise" eine Einladung zur Teilnahme, musste sich aber erstmals über das Halbfinale qualifizieren. Das gelang scheinbar mühelos: "Sound Of Silence" ist ein zeitgemäßer Pop-Song, der zugegebenermaßen nicht beim ersten Hören direkt ins Ohr geht. Sängerin Dani Im ist in ihrer Heimat nach ihrem Sieg bei "The X Factor" bereits ein Top Star und hat gerade vor drei Wochen ein Album mit "Carpenters"-Cover Versionen auf den Markt gebracht, mit dem sie aktuell tourt. Ihr ESC-Song wirkt eher nüchtern und steril und sie sitzt gefühlt still auf einem Schrank. Trotzdem ein Wirkungstreffer.

Ähnlich das Lied der Ukraine, "1944", das die Sängerin Jamala selbst geschrieben hat. Im Text geht es um die Deportation der Krim-Tataren unter Stalin – ein heikles Thema, gerade in der derzeit gespannten politischen Situation zwischen Russland und der Ukraine. Russland hat auch im Vorfeld bereits versucht, die Ukraine zu einer Änderung des Textes zu veranlassen, da das ESC-Reglement keine politischen Statements erlaubt. Die EBU sah darin aber mehr eine historische Beschreibung denn eine Wertung und ließ den Song unverändert zu. Eine effekttechnisch unaufdringliche, dafüfr stimmlich vielleicht umso eindringlichere Performance; ein starker Song, wenn man ihn mag – mein Fall ist er nicht unbedingt.

Auch Gute-Laune Disco mit aktuellen (Bulgarien) und Retro- (Belgien) Beats war im Angebot und marschierte durch, ebenso wie der lettische Beitrag "Heartbeat" unterlegt mit recht harten Elektro-Beats – auch hier wusste jemand, was er tat, die Autorin des Songs, Aminata Savadogo, belegte nämlich im Vorjahr beim ESC in Wien für ihr Heimatland als Sängerin und Autorin mit "Love Injected" Platz 6. 

Eher klassischen Schlager präsentierte der Pole Michal Spzak mit "Colour Of Your Life" – der Texter in mir hört den jetzt schon in einer deutschen Version mit Christian Franke vor seinem geistigen Ohr – vielleicht kann er ja am Samstagabend noch ein paar Fans einsammeln. Fast genauso klassisch kam die Ballade "Made Of Stars" des Isreali Hovi Star daher, die sich auch für das große Finale qualifizierte und der man im dortigen Pop-Umfeld nun gute Chancen auch für eine vordere Platzierung geben kann.

Überraschend hingegen für die meisten Beteiligten, dass sich Serbien qualifizieren konnte. Ihr "Goodbye" ist zwar auch ein gut gemachter Song, die Zeichen standen aber nach der wenig aufregenden Performance eher auf den titelgebenden Abschied.

Die Rock-Fraktion bedienen dann am Samstagabend Nika Kocahrov und die Young Georgian Lolitaz, die sicherlich von einer opulenten Inszenierung profitierten. Wie es Litauens Donny Montell mit seinem unaufdringlichen "I've Been Waitung For This Night" allerdings zum zweiten Mal nach 2012 (damals wurde er 14.) ins Finale geschafft hat, blieb den meisten Beobachtern in Stockholm ein Rätsel und wird sich zeigen, wenn Samstagnacht alle Scoreboards gelüftet werden.

Damit wären wir bei den Geschlagenen des 2. Semifinals:

Wie schon in meiner Smago!-Kolumne am Donnerstag prophezeit, bleibt Schweden das einzige skandinavische Land im diesjährigen Finale: Norwegen und Dänemark schieden sang- und klanglos aus – die Dänen dabei mit einer Nummer, die doch musikalisch sehr an Hits wie "Atemlos durch die Nacht" oder "Dragostea din tei" angelehnt war – geholfen hat dies offenbar nicht.

Den Iren nutzte es auch nichts mit Nicki Byrne ein ehemaliges "Westlife"-Mitglied auf die Bühne zu holen und für die "Frühere jugoslawische Republik Mazedonien" hätte Kaliopo ihren Final-Einzug aus 2012 gerne wiederholt – vergeblich.

In Langweile erstarben die Schweizer, die nach Celine Dion eine weitere Franco-Kanadierin ins Rennen schickten – das Rezept ging diesmal gar nicht auf, ebenso wie das Country-Girl aus Slowenien, die Ethno-Rap-Melange aus Albanien oder Ivan aus Weißrussland, der angesichts seines Ausscheidens nun mit den Wölfen heulen darf, deren geplantem Live-Auftritt auf der Bühne im Globen die EBU einen Riegel vorschob.

Frank Ehrlacher – top-exklusiv für smago!
http://www.eurovision.tv
http://www.eurovision.de

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