PETER ALEXANDER
smago! Serie "Schlager-Rückblick "Vor 40 Jahren" von Stephan Imming – Teil 60: "Die kleine Kneipe" (6/9): "Neue Karriere als Superstar unter den Fernseh-Entertainern"!

Dieses Kapitel bezieht sich auf die Jahre 1969 – 1972! 

Genau in diese Zeit fiel auch der Beginn der überaus erfolgreichen Zusammenarbeit mit dem ZDF. Am 9. März 1969 wurde erstmals die Show „Peter Alexander serviert Spezialitäten“ ausgestrahlt. In der Showreihe präsentierte Alexander als Moderator Größen aus dem Schlagergeschäft (z. B. Roy Black und Udo Jürgens), aus der Oper bzw. Operette (z. B. Anneliese Rothenberger und Hermann Prey) sowie aus der Film- und Unterhaltungsbranche (z. B. Gunther Philipp, Vico Torriani und Rudi Carrell). Alexander sang seine aktuellen Schlagerhits und spielte Sketche mit seinen Gästen, mit denen er vielfach auch sang. Produzent der Shows war von Anfang an Wolfgang Rademann, die Drehbücher schrieb Hans Hubberten.

Dieses für damalige Zeiten neue Fernsehformat schaute sich Rademann von großen amerikanischen Vorbildern ab und fand in Peter Alexander den besten Protagonisten für eine deutschsprachige TV-Produktion. Gleich in der ersten Show präsentierte Alexander seine aktuellen Lieder „Liebesleid“ und „Komm und bedien Dich“. Es zeichnete sich ab, dass fortan die Fernseh-Shows die Funktion übernahmen, die zuvor Kinofilme innehatten, nämlich aktuelle Schlager einem breiten Publikum bekannt zu machen oder zu kultivieren. – Die Premiere-Show war ein großer Erfolg mit einer Einschaltquote von großartigen 70 Prozent.In der zweiten Show vom 5. Juli 1969 sang Peter seinen Schlager „Delilah“. Etwas „enttäuschend“ für das Team war die Einschaltquote von „nur“ 48 Prozent. Produzent Wolfgang Rademann und Managerin Hilde Alexander beschlossen, fortan keine Shows mehr im Sommer zu senden, weil in der sommerlichen Jahreszeit offensichtlich eher Freiluft-Ausflüge als Alexander-Shows gefragt waren. Auch diesmal ging die Rechnung wieder auf – die am 7. Dezember 1969 dritte ausgestrahlte Show hatte eine Quote von 77 %.

Wie schwer es ist, einen großen Erfolg zu wiederholen, zeigt die „Sehnsuchtsmelodie“ – Scharfenberger und Feltz wollten hier stilistisch vermutlich an „Liebesleid“ anknüpfen, der Erfolg gab ihnen nur bedingt Recht mit Platz 32 der Verkaufs-Hitparade. Auf der B-Seite der Single findet sich übrigens das Lied „Liebesträume“, das Peter selber komponiert hatte (Text: Kurt Feltz). Das Lied war so interessant, dass es im Buch „Schlager in Deutschland“ analysiert wurde: „Peter Alexanders Hit ‚Liebesträume‘ klingt aus mit einer nach unten geführten Dreiklangsbrechung durch Frauenstimmen, die auch durch die starke Verhallung den Eindruck des ‚In-Schlaf-Sinkens‘ hervorruft, während in den Männerstimmen die chromatische Bewegung die Verschwommenheit des Traumbildes charakterisiert.“ – Wer hätte das gedacht?…

Sehnsucht nach einem englisch singenden Peter Alexander hatten seine Fans wohl eher selten – dennoch gibt es einige Aufnahmen. 1969 sang er das Titellied „Isadora“ zum gleichnamigen Film, die Musik schrieb der weltbekannte Komponist Maurice Jarre. Der Film porträtiert die berühmte Tänzerin Isadora Duncan. Der Film (bzw. die schöne Hauptdarstellerin Vanessa Redgrave) wurde 1969 für den Oscar nominiert, Peters Interpretation des Titelliedes hingegen wurde öffentlich kaum wahrgenommen, obwohl die Single auch in Frankreich, den Niederlanden und in Spanien veröffentlicht wurde. A propos Film: Im Rahmen des Wiesbadener Filmballs wurde Peter 1969 erstmals die „Goldene Europa“ der Europawelle Saar als beliebtester Schlagersänger überreicht. Kurz darauf, am 18. Februar 1970, wurde ihm auch sein erster „Bambi“ der TV-Zeitschrift „Bild und Funk“. Von der „TV Hören und Sehen“ wurde der Silberne Bildschirm verliehen. Eine weitere Auszeichnung des Jahres 1970 war der Goldene Rathausmann seiner Heimatstadt Wien.

In die 1970er Jahre startete Peter Alexander mit einer Coverversion. David Alexandre Winter hatte einen Hit in Frankreich mit „Oh Lady Mary“, einem Lied, das drei Jahre zuvor der türkische Schauspieler Metin Bukay für den Sänger Berkant schrieb und mit dem Winter einen Songwettbewerb gewann. Kurt Feltz dachte sich wohl: „David Alexandre – Peter Alexander, das passt“ und schrieb einen deutschen Text. Ein gutes Omen war, dass Dalida die italienische Version des Liedes einsang – und richtig: Der erste Top-5-Hit der 1970er Jahre war „geboren“. Spannend ist, dass Winter nicht selbst die deutsche Version seines Superhits sang und es offensichtlich vorgezogen hat, in jener Zeit am deutschen Schlagerwettbewerb 1970 teilzunehmen.

Im Sommer 1970 war es Zeit für eine weitere Coverversion. Ray Peterson hatte einen Hit mit „The Wonder Of You“ – Kurt Feltz textete „Das Wunder bist Du“. Während Elvis Presley mit seiner Version in England den 1. Platz belegen konnte, reichte es für Peters Version „nur“ zu einer Top-20-Notiz. Interessant ist die Version, die Ralph Siegel zur Geschichte dieser Single in seiner Autobiografie erzählt. Über seine Kontakte zu Georg Ehmke von der Ariola schanzte er Kurt Feltz seinen mit Michael Kunze geschriebenen Titel verfassten Titel „Gipsy Boy“ zu. Feltz verfasste dazu einen deutschen Text namens „Zigeunerin“. Die Nummer schaffte es auf die Alexander-LP „Schlager-Rendezvous mit Peter Alexander 3. Folge“. Auf Wunsch Feltz’ wurde der Titel NICHT auf Single ausgekoppelt, weil dieser das Lied ursprünglich für ein ausländisches Copyright hielt und in Siegel wohl auch eigene Konkurrenz sah. Folglich wurde „Das Wunder bist Du“ auf den Markt gebracht, Siegel ließ aber auf seine Kosten Promo-Singles seines Titels an die Radioanstalten verteilen und hatte so bei Peter Alexander den „Fuß in der Tür“, weil das Lied für eine gewisse Aufmerksamkeit sorgte.

Zum Jahresende 1970 veröffentlichte Peter Alexander ein Plädoyer für Mitmenschlichkeit, eine „Botschaft der Nächstenliebe“, die gerade in heutiger Zeit große Aktualität hat. Unter Pseudonymen schrieben Werner Scharfenberger („Mike Doven“) und Kurt Feltz („Jonny Halvey“) den großen Hit „Hier ist ein Mensch“, der bis auf Platz 2 der deutschen Verkaufscharts kam. In seiner Heimat Österreich reichte es erstmals zu einem Platz 1, und selbst in der Schweiz schoss das Lied auf Platz 3 der Hitparade. Auch bei der Jugend kam Peter damit gut an – die Bravo-Leser dekorierten Peter mit dem Bronzenen Otto 1971.

Buchautor André Port le Roi sieht in diesem Schlager sogar große Politik: „Der deutsche Schlager übersetzte die politischen Forderungen Willy Brandts in seine Sprache: Hier ist ein Mensch präsentierte sich mit beinahe Schillerschen Pathos der ‚Ode an die Freude‘, des ‚Alle Menschen werden Brüder‘. Peter Alexanders Bühnen- und Fernsehauftritte, seine ausgebreiteten Arme verwiesen ebenfalls auf dieses ‚Seid umschlungen, Millionen!‘. Die empathische Solidarität vieler Titel dieser Zeit gründete sich in einem gesellschaftspolitischen Begriff, der von Brandt definierten ‚compassion‘: ‚Für John F. Kennedy und seinen Bruder Robert gab es ein Schlüsselwort, in dem sich ihre politische Leidenschaft sammelte. Dieses Wort heißt compassion. Die Übersetzung ist nicht einfach Mitleid, sondern die richtige Übersetzung ist: die Bereitschaft, mitzuleiden, die Fähigkeit, barmherzig zu sein, ein Herz für den anderen zu haben.‘“

Neben diesem hoch zeitkritischen, intelligenten Text sprechen auch musikalische Gründe dafür, warum gerade dieser Titel  so erfolgreich wurde und als großer persönlicher Erfolg Alexanders Interpretation galt. So liest man im Buch „Schlager in Deutschland“: „Dagegen greift der Chor im folgenden Beispiel direkt in das musikalische Geschehen ein. Eine Frauen- und zwei Männerstimmen, die im Vers gesummt der Solostimme im Unisono gefolgt sind, unterstützen den Solisten durch einen homophonen Satz, wobei eine Männerstimme ebenfalls die Schlagermelodie mit übernimmt. Dazu tritt ein zusätzlicher Chor, der im weiteren Verlauf in Bekräftigungen und Einwürfen melodiebildend wirkt.

Nach den drei Hits des Jahres 1970 war es kein Wunder, dass auch Peter Alexanders TV-Shows ausgesprochen erfolgreich waren. Am Nikolaustag 1970 holte er unglaubliche 75 Prozent TV-Zuschauer vor den Bildschirm, am 14. Februar 1971 sahen gar 78 Prozent die fünfte Ausgabe seiner Show „Peter Alexander präsentiert Spezialitäten“. In der fünften Show hatte er die Elite der damaligen Showmaster zu Gast (Hans-Joachim Kulenkampff, Rudi Carrell, Peter Frankenfeld – außerdem Caterina Valente, Mireille Mathieu und Heidi Kabel).

Ähnlich fulminant war der Erfolg seiner zweiten Tournee, die am 2. März 1971 in Hamburg startete und am 25. April in Wien endete – diesmal gab Alexander in 30 Städten insgesamt 40 Konzerte, aufgrund des großen Erfolgs gibt es zwischen dem 16. November und dem 9. Dezember 1971 Wiederholungskonzerte. Alexander brillierte neben seinen Schlagerhits wieder mit Parodien; u. a. zog er Adamo und Udo Jürgens durch den Kakao (aus „Merci, Cherie“ wurde „Merci, für den Tee“). Dabei war das Publikum generationenübergreifend, wie Hilde Alexander in einem ZDF-Bericht vom 27. April 1971 anlässlich des Konzerts in Ravensburg zu Protokoll gab: „Auch von diesen, die jetzt mit den Hot Pants kommen und so, die sind alle auch dabei. Und die schrei’n so, und die kommen und singen dann mit. Und dann kommen wieder die älteren Damen und sagen: Bitte, Frau Alexander, passen Sie ja gut auf unseren Peter auf, damit er noch lange gesund bleibt!“. Die ZEIT berichtete in ihrer Ausgabe 11/70 eher kritisch. Unter der Schlagzeile „Hanebüchen, harmlos, gefährlich – Peter Alexander begann in Hamburg seine zweite Tournee“ wird dessen Publikum analysiert: „Sie gehören zum pubertären Publikum von lauter Vierzehnjährigen zwischen fünf und fünfundsiebzig, die ihr Idol gefunden haben, es nicht loslassen, die das Recht behaupten, es zu besitzen, weil es ihre Jungmädchen oder Knabenträume perpetuiert, verlängert“.

Alexander ging seinen erfolgreichen Weg unbeirrt weiter – auch trotz Anfeindungen seitens der Presse. Der renommierte Journalist Heribert Riehl-Heyse nannte Peters Lieder „Schmachtfetzen“, und im Magazin Spiegel vom 15. Mai 1971 („Da lacht die Oma wieder“), versuchte man ihn, aufs Glatteis zu führen, rechnete aber nicht mit seiner Schlagfertigkeit.

Mit großem Orchester wurde der erste Schlager des Jahres 1971 produziert – das Team Scharfenberger/Feltz schrieb Alexander den Song „Leben heißt Lieben“. Die Single war ein Top-20-Erfolg, die gleichnamige LP kam sogar in die Top 10 der Verkaufs-Hitparade. Für diesen Schlager bekam Kurt Feltz im Deutschen Musik-Poll 1971 der Zeitschrift „Schallplatte“ eine Auszeichnung als „interessantester Textdichter“.

Ein weiterer Scharfenberger/Feltz-Schlager war Ende 1971 „Ich will Dir helfen“, ein Lied aus der kurz darauf erscheinenden LP „Der gemeinsame Weg“.  Der pompös arrangierte Schlager schaffte es „nur“ in die Top 30 der Charts. Weit besser lief es erneut mit seiner „Spezialitäten“-Show, die am 28.11.1971 im ZDF lief. Dort präsentierte er u. a. seine Schlager-Kollegen Peggy March, Rex Gildo und Chris Roberts und sang mit ihnen ein Schlager-Medley.

Obwohl der ganz große Hit 1971 ausblieb, wählten die Leser des Branchenblatts „Musikmarkt“ Peter zum besten Interpreten des Jahres. Auch seine „Spezialitäten“-Show, die am 28.11.1971 ausgestrahlt wurde, setzte Maßstäbe. Der Musikmarkt berichtete: „Mit einer Einschaltquote von 77 Prozent aller TV-Zuschauer und einem Bewertungsindex von „plus 8“ erreichte die zuletzt gesendete Folge der ZDF-Show ‚Peter Alexander präsentiert Spezialitäten’ erneut ein Rekordergebnis für das Fernsehjahr 1971. Die Alexander-Show sorgte für beträchtliche Platten-Promotion, die sich für das Weihnachtsgeschäft beim Handel sehr stark auswirkte.“

Der erste Schlager des Jahres 1972 von Peter Alexander, „Der gemeinsame Weg“, ein Scharfenberger/Feltz-Titel aus dem gleichnamigen Album, war für seine Verhältnisse wenig erfolgreich – nur eine Woche war das Lied auf Platz 42 der Verkaufs-Hitparade.

Am 14. September 1972 hatte Peter Alexanders letzter Kinofilm Premiere. Unter der Regie von Peter Weck drehte er an der Seite u. a. von Christiane Hörbiger und Theo Lingen den Streifen „Hauptsache Ferien“. Ein Lied des Films wurde zuvor auf Single veröffentlicht als deutsche Version des New Seekers-Hits „I’d Like To Teach the World To Sing“ – Kurt Feltz dichtete „Wir singen mit der ganzen Welt“. Auch mit diesem Lied reichte es „nur“ für einen 44. Platz der Charts. Warum Peter noch einmal (letztmals) für das Kino aktiv war, glaubte die BILD-zeitung vom 29. Mai 1972 zu wissen, in dem sie titelte, dass Peter 250.000 DM Gage für den Film erhalten haben soll.

 

VORSCHAU: In Teil 7 geht es um Peter Alexanders Schlagererfolge mit Ralph Siegel

 

Vielen Dank an den Künstleragenten Thorsten Groneberg, der sein umfangreiches Detailwissen über Peter Alexander in den Artikel hat einfließen lassen und uns ein paar Fotos aus seinem Archiv zur Verfügung gestellt hat.

Stephan Imming, 02.06.2016
http://www.ariola.de
http://www.peter-alexander.de

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