WOLFGANG PETRY
smago! Serie "Schlager-Rückblick "Vor 40 Jahren" von Stephan Imming – Teil 63: "Sommer in der Stadt" (2/7 – "Aufstieg zum erfolgreichen Schlagerstar")!
Aufgrund des Erfolges der Debutsingle wurde eine erste LP produziert und im Frühjahr 1977 veröffentlicht: „Ein Freund – ein Mann“. Kommerziell war die Debut-LP nicht erfolgreich, allerdings gab es gute Kritiken dafür, u. a. hieß es damals: „Sein Solostart auf LP enthält eine vortreffliche Mischung eigener und internationaler Songs. Seine Stimme ist eine Bereicherung“. Die Titelauswahl war in der Tat bemerkenswert, so fanden sich Lieder wie „Hey Jude“, „Frühling“ (Feelings), „Fremder“ und „Under One Roof“ auf dem Album.
Passend dazu hieß die zweite, vorab veröffentlichte und erneut von Hartmann/Hendrik komponierte und produzierte Titel „Jeder Freund ist auch ein Mann“ (Text: Christian Heilburg (bürgerlich Gregor Rottschalk), der damals u. a. auch für Peter Maffay textete und Petry ähnliche Texte wie Maffay andiente. Beispielsweise sang Maffay 1976 den Heilburg-Text „Coca Cola, Mädchen und Rock’n’Roll“). Am 19. März 1977 stellte Wolfgang Petry seine neue Single in Dieter Thomas Hecks Hitparade vor und konnte sich wieder platzieren, so dass er am 16. April 1977 erneut in der Berliner Kult-Show zu Gast war. (Zuvor war er am 5. März 1977 auch wieder in der „Disco“ zu Gast). Auch die zweite Single kam in die Verkaufs-Hitparade und erreichte dort immerhin die Top-40.
Eher „mittelprächtig“ lief es für die dritte im April 1977 veröffentlichte Single, „Ein ganz normaler Tag“. In dem Lied beschreibt Wolfgang, wie er eine Frau im Bus trifft und mit ihr spontan einen Tag verbringt. Immerhin stellte Petry seinen Schlager erneut in Hecks Hitparade am 9. Juli 1977 vor und erreichte erneut die Top-50 der Single-Charts. Insbesondere für damalige Verhältnisse brisant war die B-Seite („Ein paar Stunden Zärtlichkeit“) – in dem Song wird die Beziehung eines Mannes zu einer verheirateten Frau thematisiert.
Mit der nächsten Single, „Ruby“, gelang das hingegen nicht mehr – die Single floppte. Auch die Spaß-Nummer „Ich trinke nie mehr Tequila“ konnte Anfang 1978 nicht wirklich punkten. Der Text zu der Nummer stammte von Frank Thorsten, der sich kurz zuvor mit den Texten „Frei, das heißt allein“ und „Liebe auf Zeit“ einen Namen gemacht hatte.
Richtig in die Spur kam Petry dann wieder mit seinem Sommerhit 1978. Der Italiener Rino Gaetano hatte seinerzeit in seinem Heimatland mit „Gianna“, dem drittplatzierten Titel des damaligen Sanremo-Festivals, einen Hit – der Titel des 3 Jahre später bei einem tragischen Autounfall verstorbenen Interpreten war in Italien ein großer Erfolg. Gemeinsam mit Karin Hartmann schrieb Hans-Ulrich Prost dazu einen deutschen Text: „Gianna (Liebe im Auto)“, in dem es um Probleme bei der Paarung in engen Autos geht. Trotz (oder wegen?) des schlüpfrigen Textes wurde die Nummer auch für Wolfgang Petry ein großer Erfolg, den er am 21. August, am 18. September und am 16. Oktober in der ZDF-Hitparade präsentierte. Der Top-20-Hit hielt sich 19 Wochen lang in den deutschen Single-Charts, mit dem Hit war Petry am 30. Oktober 1978 auch wieder in der „Disco“ zu Gast.
Wie so oft in „Wolles“ Song, scheint auch der „Gianna“-Song autobiografische Züge zu beinhalten. Jedenfalls gab der Sänger im investigativ nachfragenden „Fachblatt“ „Bravo“ bezüglich einschlägiger Erfahrungen zu Protokoll: „Weil wir endlich einmal allein sein wollten – wir wohnten noch bei den Eltern – beschlossen wir, ein bisschen im Auto zu schmusen. Wir fuhren also ins Grüne , besser gesagt, in ein kleines Wäldchen. Ich war damals schon knapp 1,80 m groß, und Ihr könnt Euch vorstellen, wie eng es in dem Kleinwagen zuging. Das Schlimmste aber kommt noch: Meine Freundin schrie plötzlich auf, weil ein Mann mit großen Augen durch das rückwärtige Fenster starrte. Wir hatten wahnsinnige Angst, dass er uns etwas tun könnte. Meine Freundin gab Gas, und wir rasten davon. Dieses Mädchen ist übrigens heute meine Frau.“
Nach dieser erfolgreichen Cover-Nummer wurde gleich ein zweites Cover nachgeschoben. Textdichterin Renée Marcard (bürgerlich Renate Meisel) schrieb auf Bilbos Song „She’s Gonna Win“ den deutschen Text: „Und w-w-w-wer küsst mich?“. Trotz ähnlichen Strickmusters wie „Gianna“ wurde das Lied KEIN Hit. Ohne zu stottern, hatte Roland Kaiser mit einem Siegel/Meinunger-Schlager „Und wer küsst mich“ 1994 übrigens etwas mehr Glück. Sehr originell war damals übrigens der Werbe-Slogan für die Single – Zitat: „Diese Platte m-m-müssen Sie hören! Diese Platte w-w-wird verlangt!“.
A propos Dr. Bernd Meinunger: Dessen Text „Wenn ich geh‘“ brachte Petry wieder in die Charts zurück – mit einem wieder anderen Konzept, nämlich einer von Tony Hendrik komponierten Ballade. Am 12. November und 10. Dezember 1979 war „Wolle“ damit in der ZDF-Hitparade, Ende 1979 reichte es in der Single-Bestenliste für eine Top-30-Notiz. Spannend: Bereits im Sommer 1979 kündigte die Plattenfirma an: „Demnächst erscheint das neue WOLFGANG PETRY-Album FÜR IMMER“ – eine LP dieses Namens kam aber nie in den Handel – ob da vielleicht noch unveröffentlichte Aufnahmen irgendwo schlummern?
Andrerseits kam kurze Zeit später tatsächlich ein neues Album namens „Zweisaitig“ auf den Markt, das nicht umsonst so benannt wurde – auf der ersten Seite befanden sich Balladen wie die Single „Wenn ich geh‘“, aber auch deutsche Versionen von Welthits wie Elton Johns „Sorry Seems To Be the Hardest Word“ (Wolfgang sang „Verzeih mir zu sagen, ist so schwer“), aus dem Hollies-Song „He Ain’t Heavy, He’s My Brother“ wurde „Diese Träume will ich träumen“. Neben der nächsten Single (s. u.) war auf der „fröhlichen“ Seite von „Zweisaitig“ ein Bläck-Fööss-Song zu finden: „Danz Mädche, danz“ und ein Lied über einen Taxifahrer, der so seine Probleme hat („Dora (Car 67))“.
Pünktlich zu Beginn der Karnevalssession 1979/80 wurde es dann wieder fröhlich. Seinen Schunkel-Schlager „Denn ist einmal die Luft raus (, ist alles zu spät)“ nahm Petry gleich noch in einer Kölschen Version auf: „Dä Kähl kritt kein Luff mie“. Den Karnevalssänger nahmen die Fans ihrem „Wolle“ offensichtlich nicht wirklich ab, die Singles sorgten nicht für Aufmerksamkeit. Ungewöhnlich – die Plattenfirma orakelte schon damals: „Es ist schon anzunehmen, dass einige Rundfunkanstalten diesen Song ignorieren werden!“ – schon damals konnte man die Rundfunk-„Experten“ also richtig einschätzen.
In die 1980er ging es dann wieder mit einer Ballade, in der Petry „Mein Zuhaus“ beschreibt. Vielfach (auch auf Wolfgangs offizieller Seite) wird orakelt, in dem Song gehe es um die damalige „Teilung Deutschlands in BRD und DDR“. Auf Petrys Seite ist zu lesen: Ein Mann erinnert sich wehmütig an seine wunderbare Kindheit, die nun hinter der Grenzmauer unerreichbar ist.“ Da muss man nur gaaaanz fest dran glauben. Für mich geht es in dem Lied einfach um wehmütige Erinnerungen an eine sehr schöne Kindheit – so habe ich das Lied jedenfalls immer empfunden. Wenngleich der Song bei Fans recht große Popularität hat, konnte er sich nicht in den Hitparaden etablieren. Bei dem Lied handelt es sich um die deutsche Version des Oliver-Onions-Hits „Tomorrow Is Today“, den deutschen Text verfasste wieder Dr. Bernd Meinunger. Zur Jahrtausendwende (1999) veröffentlichte Petry einen zweiten Teil des Schlagers – dem ist schon eher der Ost-West-Bezug zu entnehmen. Interessant ist übrigens, dass Juliane Werding die B-Seite („Und Sandra weint“) mit anderem Text („Hotel Royal“) als Single veröffentlichte.
Im Herbst des Jahres 1980 wurde es dann wieder flotter, Petry nahm sich des Secret-Service-Hits „Ten ‘o Clock Postman“ an. Dr. Bernd Meinunger schrieb auf den Titel der schwedischen Band den Text „Ganz oder gar nicht“ – damit reichte es wieder für einen ordentlichen Hit (Top-30), und am 20. Oktober 1980 wurde der Schlager in der ZDF-Hitparade präsentiert. Kurz darauf wurde auch eine gleichnamige Langspielplatte veröffentlicht. Petry sagte damals zum Titel seiner aktuellen LP: „Wenn ich was mache – dann ganz oder gar nicht“. Zu den Liedern seines neuen Albums sagte er in seiner unnachahmlichen Art: „Ich singe Lieder, die Geschichten zum Inhalt haben, die wirklich passieren“.
Nachdem es mit der Eindeutschung eines Secret-Service-Hits so gut funktioniert hatte, schrieb Dr. Bernd Meinunger gleich einen zweiten Text auf eine Nummer der Schweden: Aus „Ye-Si-Ca“ wurde „Jessica“. Das Erfolgsrezept ging erneut auf – wieder reichte es für eine Top-40-Notiz, abermals ging es in die ZDF-Hitparade (am 11. Mai 1981). Wieder drängt sich ein kleiner Maffay-Vergleich auf: Dr. Meinunger schrieb damals auch Maffay-Texte. Wenngleich der Text von „Und es war Sommer“ nicht von ihm stammte, könnte man meinen, Jessica sei womöglich 31 und „Wolle“ 16 gewesen – angesichts der Zeile: „Ich war fast schon ein Mann – und ich hab vor Erwartung gebrannt – sie war jung und verrückt…“.
Die nächste Single komponierte diesmal wieder das Produzentenehepaar Karin Hartmann und Tony Hendrik für Wolfgang Petry, den Text steuerte erneut Dr. Bernd Meinunger bei. „Tu’s doch“ wurde erneut ein Top-40-Erfolg. Am 11. September 1981 stellte Petry seine Nummer in der ZDF-Hitparade vor.
Kurz darauf erschien Petrys vierte LP: „Einfach leben“, die einen weiteren Wendepunkt in seinem Leben darstellte, weil er gemeinsam mit seinem ebenfalls als Sänger tätigen Freund Andreas Martin einige Songs der LP komponierte. Was die Liedinhalte angeht, blieb er sich allerdings treu: „Die Themenkreise und Textideen stammen hauptsächlich von mir. Die Stücke behandeln zum Teil mein eigenes Leben.“. In einer Anzeige war anlässlich der Veröffentlichung der LP zu lesen: „Die LP mit dem Hit Tu’s doch und 9 neuen, ehrlichen Liedern“.
Als weitere Single aus dem Album daraus der Hartmann/Hendrik-Song „Ich geh‘ mit Dir“ ausgekoppelt, den Text schrieb diesmal Werner Schüler. Auch diesen Titel stellte Petry am 4. Januar 1982 in Ilja Richters Disco und am 8. März 1982 in der ZDF-Hitparade vor, ein veritabler Erfolg stellte sich ein – immerhin war der Titel 10 Wochen in den Single-Charts gelistet und kam in die Top-50.
Mit viel Pathos stellte „Wolle“ am 4. Oktober 1982 seinen Titel „Der Himmel brennt“ in der ZDF-Hitparade vor. Auch im ARD-Musikladen präsentierte er die Single. Erneut etwas an Peter Maffay erinnernd, reichte es für einen Top-15-Hit – die zweitbeste Chartsnotiz eines Einzelsongs, die Petry (nach seinem Debuterfolg) je hatte. Der Song wurde erneut von Tony Hendrik komponiert und dem damals frisch gebackenen Eurovisionssieger Dr. Bernd Meinunger getextet. Zum Jahresende erschien eine gleichnamige LP mit einem Querschnitt von Petrys bis dato erschienenen Liedern und Erfolgen (oder wie die Plattenfirma es ausdrückte: „Das neue Album – ein Überblick über den eindrucksvollen musikalischen Weg des sympathischen Künstlers“).
Die nächste Single wurde wieder ein echter Hit, der langfristig sogar zum Super-Hit bzw. Evergreen mutierte: „Wahnsinn“. Am 2. Mai 1983 war „Wolle“ mit seinem rockigen Titel in der Frank-Zander-Show „Vorsicht Musik“ zu Gast. Als Co-Autor neben den Produzenten Tony Hendrik und Karin Hartmann fungierte der ehemalige „Wallenstein“-Sänger Kim Merz, der kurz darauf selber mit „Der Typ neben ihr“ selber einen großen Hit landete. In der Hoch-Zeit der Neuen deutschen Welle war „Wahnsinn“ ein leidlicher Erfolg, immerhin reichte es für eine Top-40-Notiz und einen 15-wöchigen Charts-Aufenthalt. Am 25. Juli 1983 ging es damit auch in die ZDF-Hitparade. Den richtigen Kult-Charakter erhielt der Song aber erst 1996, als eine Band namens „Lollies“ den Song neu aufnahm und damit quasi nach Mallorca exportierte – einschließlich des Einwurfs „Hölle, Hölle, Hölle“. Unter gleichem Namen erschien ein Album.
Stephan Imming, 01.09.2016
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