GARAGE3
Konzertkritik: Friedel Geratsch's GARAGE3 – 15.10.2016 – Kamen – "Freizeitzentrum Lüner Höhe"!

Lesen Sie HIER einen Erlebnisbericht von Holger Stürenburg …: 

Im Sommer 2016 hat sich ein brandaktuelles Bluesrock-Projekt dem geneigten Anhänger erdiger und authentischer Rockmusik in deutscher Sprache vorgestellt: „GARAGE3“, ein Trio bestehend aus Friedel Geratsch (Gesang, Gitarre), Stephan Schott (Schlagzeug) und Tom Baer (Bass), präsentierte ihr phänomenales Debütalbum „…Aber geil ist es auch“ bei PUCKY Music, welches von mir HIER ausführlich rezensiert wurde.

Friedel Geratsch… da war doch was, werden sich so manche Kinder der 80er Jahre fragen… Ja, da war auch tatsächlich etwas, da gab (und gibt es immer noch) eine einstmals sehr erfolgreiche Band aus dem Pott, die aber mit der erst vor einem Jahr begründeten Truppe nichts gemein hat, weshalb wir es tunlichst unterlassen möchten, dieses Kapitel Friedel Geratschs an dieser Stelle näher zu erörtern.

„…Aber geil ist es auch“ versprüht echte, handgemachte, unverschnörkelte und rohe Blues-Klänge in Bestform, mal an Gary Moore, an „Dr. Feelgood“ oder an die Altmeister Howlin‘ Wolf, Robert Johnson oder Elmore James gemahnend, verbunden mit von Friedel persönlich verfassten Texten, die direkt aus dem Leben eines Ruhrpottlers gegriffen sind und sich mehrheitlich mit dem Themenkreis Alkohol/Alkoholismus und anderem Verflossenen auseinandersetzen. Kurzum: Diese CD ist schon jetzt als einer der spezifischen Höhepunkte des Deutschrock-Jahres 2016 zu klassifizieren.

Am vergangenen Samstag, dem 15. Oktober 2016, absolvierten „GARAGE3“ ihren zweiten Live-Auftritt überhaupt, diesmal im Freizeitzentrum Lüner Höhe, gelegen in Kamen, nahe Dortmund, im Kreis Unna.

Da ich seit 1983 ein großer Fan von Friedels einzelnen Bands bin, zudem die Genese von „…Aber geil ist es auch…“ von Anfang miterleben durfte und hierbei immer wieder mit Rat und Tat zur Seite stand, ließ ich es mir natürlich nicht entgehen, an jenem eher warmen, gemütlichen Herbstsamstag eine kleine ‚Weltreise‘ nach Kamen zu unternehmen und mir die ganze Chose einmal im Live-Format zu gönnen.

Zunächst, so gegen 20.00 Uhr, startete der Konzertabend mit einem knapp einstündigen (ersten) Set der örtlichen Coverband „Acoustic Rising“. Dabei handelt es sich um ein Quintett, welches Rock- und Popklassiker, überwiegend aus den 70er und 80er Jahren, im akustischen Gewande neu arrangiert und beherzt vorträgt. Friedel gab derweil fleißig Presseinterviews, wir unterhielten uns lange in der Garderobe und ich lernte den Berufsschullehrer und Buchautor Klaus Marshall kennen, der u.a. mit Peter Behrens (+ „Trio“) und Franz Trojan („Spider Murphy Gang“) deren Biographien erarbeitet hat.

„Acoustic Rising“ boten ihre ureigenen Auslegungen von z.B. „Moonlight Shadow“ (Mike Oldfield, 1983), „Far, far away“ („Slade“, 1974), „Every Breath you take“ („The Police“, 1983) oder gar „You shook me all Night long“ („AC/DC“, 1980) bzw. „Livin‘ on a Prayer“ („Bon Jovi“, 1986) dar, das Freizeitzentrum füllte sich zunehmend… und um fast Punkt 21.00 Uhr betraten „GARAGE3“ die Bühne.

Das besondere an deren Musik ist, dass dieselbe in erster Linie von sogenannten Cigar-Box-Gitarren lebt, die im Slide-Sound gespielt werden. Diese Tradition stammt aus dem US-Amerika des ausgehenden 19. Jahrhunderts, als sich die ärmeren Menschen dort keine echten, fertigen Gitarren leisten konnten – daher bastelten sie sich ihre Klampfen aus Zigarrenkisten, Zaunlatten, bespannten sie mit Saiten, die sie irgendwelchen Metallgittern entnahmen – und fertig war das Instrument, mit dem sie zur Jahrhundertwende 19./20. den großen Blues spielen konnten. Diese Vorgangsweise revivalisierte sich 2008 zu Zeiten der Weltwirtschaftskrise, als wiederum viele Menschen kein Geld für Hochglanz-Gitarren besaßen. So entstand erneut diese „Cigar-Box“-Bewegung, die inzwischen auch einen rund 400-500 Personen umfassenden Ableger in der BR Deutschland hervorgebracht hat.

„Zum Rocken geboren“ – mit diesem (musikalisch „ZZ Top“-nahen) Erkennungszeichen, begannen „GARAGE3“ ihren rund 75minütigen Auftritt in Kamen, gefolgt von der bitterbösen Beschreibung eines Alptraums, in dem Friedel träumte, er sähe aus wie Paris Hilton und habe das Hirn von Calvin Klein. Dieses Lied unter dem Titel „Jung und schön“ war zuvor auf dem Album „Brutto für Netto“ von seiner anderen Band veröffentlicht worden.

Hiernach stellte uns Friedel seine einzelnen Gitarren vor, die allesamt eigene Namen tragen: So z.B. „Siebille“, weil als Schallöffnung ein Abflusssieb darin eingebaut ist, oder „Monica“ (benannt nach Monica Lewinsky, Bill Clintons ominöser Ex-Praktikantin, weshalb auf diesem Instrument stets nur Kompositionen in Moll gespielt würden – zudem kursiert das Gerücht, Friedel habe diese Gitarre über E-Bay direkt aus dem Privatbesitz von Hillarys Gatten ersteigert…)… und es erklang daraufhin der klassische Bluesrocker „Jamma“, der harmonisch an den Bobby-Womack-Standard „It’s all over now“ erinnert.

Gitarre „Moll-Monica“ kam nun zum Einsatz, bei dem – im positivsten Sinne der Worte – drögen, trockenen, düsteren Swamp-Blues „Manchmal, wenn der Regen fällt“; daran anschließend ertönte derjenige Titel aus „…Aber geil ist es auch“, mit dem ich mich (ja, ist und bleibt meine einzige Sünde ;.-) zweifellos am meisten identifiziere: Der radikale und konsequente „Rotwein“-Blues, zeitgleich die erste Singleauskoppelung aus dem Debütwerk.

Ein weiterer Favorit von mir aus jener grandiosen Silberscheibe ist „Oma sagte immer“, alleine schon deshalb, weil dieser waschechte Blues harmonisch ähnlich aufgebaut ist, wie mein regelrechter ‚Kindheits-Blues‘ „Dust my Broom“ von Robert Johnson, den ich schon im Kindergarten auf dem Schaukelhahn krähte und zu dem ich in der neunten Klasse 1985, sarkastische Zeilen über unseren damaligen, nicht sehr hygienischen Physiklehrer, Herrn Arnold, genau gesagt: den „Nächsten Freitag ham wir Arnold-Blues“, pubertär-verliebt (also, nicht in Herrn Arnold, vielmehr in ein – naja, soweit – nettes Mädel) ersonnen hatte.

Zu den neuen, bislang unveröffentlichten Liedern dieses Kamener Konzertabends zählten der temporeiche Blues „Heul in mein Bier“, und – ebenfalls noch nicht auf CD erhältlich –, gespielt auf einer tatsächlich nur einsaitigen (!) Zigarren-Gitarre, der minimalistische Liebesblues „Das Herz macht bum, bum, bum“.

Nun kam eine weitere selbstgebastelte Gitarre an die Reihe, die aus einer Filmrolle (!) mit Kurbel (!!), zwecks Verschiebung der Tonhöhe, geboren wurde. Mittels dieser zelebrierte Friedel ein 2012er-Lied seiner anderen Band, namens „Leichtes Leben“, auf das ein reines Instrumental namens „Ohne Worte“ stehenden Fußes folgte.

„Schon wieder August“, entnommen der 2015er-CD „Könige der Welt“ von Friedels anderer Band, ist eine traumhaft schöne, melancholische, wie resümierende Reminiszenz an vergangene Tage, „Wer kann denn hier noch fahren“ hingegen ein abgeklärt-trotziges Anti-Liebeslied.

Kurz nach zehn erreichte die umjubelte Show ihren Höhepunkt, Dank der gnadenlosen Aufführung des wahrhaftig garagenmäßig ausgefallenen Titelsongs des „GARAGE3“-Erstlings „…Aber geil ist es auch“, fünf Minuten lang Gitarreninferno – und dann noch eine kurze Reprise… Die Zuhörer, nicht mehr die Allerjüngsten, 35 aufwärts, waren spürbar hingerissen – und als Zugabe, bevor nochmals „Acoustic Rising“ an der Reihe waren, spielte das Trio erneut einen Titel von Friedels anderer Band: „Fahr heim“ (2015) war entsprechend auch die Aufforderung an mich, mir ein Taxi zu rufen, welches mich heil und gesund zum Bahnhof Kamen bringen sollte.

Ich verabschiedete mich von Friedel und seinen beiden Mitmusikern Stephan und Tom und bestieg hochzufrieden das gelbe Auto, welches um 22.35 Uhr vor dem Freizeitzentrum Lüner Höhe auf mich wartete.

Es war ohne Zweifel ein sehr schöner Abend; seit 18 Jahren arbeiten Friedel und ich zusammen – aber erst am 15.10.2016 haben wir uns zum ersten Mal real getroffen. „GARAGE3“ beherrschen ihr Handwerk in phänomenalster Manier. Dieses agile Blues-Trio hat – und darüber waren sich die meisten Konzertbesucher an jenem Abend unisono einig – eine große Zukunft vor sich. Der Blues, den man laut des Hamburger Genre-Kollegen Abi Wallenstein nicht nur singen, lieben oder haben, sondern eben letzten Endes von oben bis unten leben muss, gilt als eine oft totgesagte Stilrichtung, die jedoch, allen Unkenrufen zum Trotz, bis heute lebendiger ist, denn je. „GARAGE3“ tun mit ihrem ‚Ruhrpott-Blues‘ genau das richtige, damit dies auch so bleibt.

Es sind bereits weitere Auftritte geplant, so z.B. am 22.10.2016, in Düsseldorf, im „Route 66“

… und das Album „…aber geil ist es auch“ ist natürlich weiterhin hier erhältlich: info-garage3@t-online.de

Holger Stürenburg, 16. Oktober 2016

https://www.facebook.com/FriedelGeratschGeierSturzflugGarage3/

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