UDO JÜRGENS
Das 3er CD-Set "Merci, Udo!" im Test von Holger Stürenburg!
Eine nahezu perfekte Werkschau eines viel zu früh von uns gegangenen, großen Künstlers!
Vor zwei Jahren, kurz vor Weihnachten, stand die Musikwelt still. UDO JÜRGENS, einer der größten und vielseitigsten Musiker des deutschsprachigen Raumes, ist am 21. Dezember 2014 beim Spazierengehen an akutem Herzversagen verstorben. Wir alle dachten, Udo würde 100 Jahre und älter. Er war, ist und bleibt ein wichtiger Part unseres Lebens, letztlich für alle Generationen.
Erst im Frühjahr 2014 hatte der gebürtige Kärntner mit zwei Staatsbürgerschaften – der Österreichischen und der Schweizerischen – ein regelrechtes Rockalbum namens „Mitten im Leben“ auf den Markt gebracht, nur wenige Wochen vor seinem Tod stand er noch auf der Bühne; gesundheitlich angeschlagen, aber weiterhin voller Kraft. Und dann am 21.12.2014 erhielten wir die Schreckensnachricht, die mir telephonisch ein befreundeter Sänger aus Hamburg überbrachte. Ich konnte nicht umhin, ohne jegliche Honorarforderung, ohne finanzielle Absichten, einfach so aus langjähriger Zuneigung zu Udo und seinen Liedern, einen Nachruf für SMAGO! zu verfassen (siehe HIER …: ).
Nun hat Udos langjährige Plattenfirma – er war, neben Ex-„Beatle“ Paul McCartney, der einzige Musiker der Welt, der einen lebenslangen Plattenvertrag mit seiner jeweiligen Company besaß – eine sehr bereichernde, kreative, inspirierte Werkschau ihrer legendären, unkopierbaren Ewigkeits-Zentralfigur auf den Markt gebracht!
„MERCI, UDO!“ gibt es als Doppel-CD (mit 42 Titeln), als umfangreich ausgestattete Dreier-CD, sogar als limitierte Vinyl-Edition, zu kaufen. Hinzu kommt eine gleichfalls ausführliche und sehr gekonnt zusammengestellte Drei-DVD-Sammlung.
Ich werde dies alles nun, im Rahmen zweier, aus organisatorischen Gründen voneinander getrennter Artikel, bearbeiten und (selbstverständlich) wohlwollend besprechen. Die Dreier-CD – trotz mancher Fehler in den „Liner Notes“ und bei den Angaben zu den einzelnen Liedern – ist, rein aus musikalischer und historischer Sicht betrachtet, schlicht und einfach nur als phänomenal zu bezeichnen.
Sie präsentiert insgesamt 63 Lieder, darunter eine Menge an Raritäten und selteneren Titeln, die teilweise (besonders in den Originalfassungen) noch nie zuvor offiziell auf CD erhältlich waren. Dazu gibt es mit viel Herz verfasste Notizen zu den einzelnen Stationen der Karriere des Kosmopoliten aus Klagenfurt in den 60er, 70er, 80er, 90er, 00er und 2010er Jahren aus der Feder von Udo-Intimus Thomas Weber und unzählige Photos, die den Vollblutmusiker in all diesen sechs Dekaden bunt und farbig darstellen, darunter Bilder von Live-Konzerten – auch im legendenbehafteten, weißen Bademantel -, Autogrammkarten, Schallplatten-Covern und aus dem Privatarchiv.
In punkto Liedauswahl muss den Katalog-Kollegen von SONY, mitsamt Udos Schweizerischem Management, ein Riesenlob ausgesprochen werden. Was diese für die Dreier-CD von „MERCI, UDO!“ auserkoren haben, ist ein ums andere Mal faszinierend anzuhören, wird niemals langweilig und stellt wahrhaftig und unverbrüchlich sämtliche Dimensionen des herausragenden künstlerischen Könnens des Udo Jürgens dar.
Gleich am Anfang von CD-01 von „Merci, Udo!“ wird uns die Ehre zuteil, uns der über achtminütigen Maxiversion von „Ich weiß, was ich will“ – einem luxuriösen, elitären, von Joachim Heider produzierten Disco-Epos aus dem Jahr 1979 – intensiv hinzugeben. Zwar gab es diese schon mal auf CD zu hören – auf der DA-Koppelung „Rhythmus der Nacht Vol. III“, 2006 –, aber gerade dieses Lied birgt in aller Form für die Zeitlosigkeit der kreativen Schöpfungen des Udo Jürgens. Bis heute hat „Ich weiß, was ich will“ keinerlei Staub angesetzt; es erklingt so frisch, wie vor 37 Jahren, als diese wundervolle, aufstrebende, wehende Liebeserklärung auf der LP „Udo ´80“ in der kürzeren Singleversion erstmals vorgestellt wurde.
Ein Jahr darauf, im Spätsommer 1980, erschien die Non-Album-Doppel-A-Seiten Single „Paris – einfach so nur zum Spaß“/“Alles im Griff (auf dem sinkenden Schiff)“. Beide Titel wurden für „Merci, Udo!“ berücksichtigt, „Paris…“, ein bassbetonter, Beinahe-Funk-Rock bester Machart, gab es bislang nur als Neueinspielung auf der 1998 vorgelegten Best-of-Verknüpfung „Aber bitte mit Sahne II“ zu hören.
Die – rein kommerziell betrachtet – erfolgreichste LP von Udo Jürgens in summa war 1978 „Buenos Dias, Argentina“, gemeinsam aufgenommen mit der damaligen Deutschen Fußball-Nationalmannschaft – zu der heutzutage längst Legendenstatus innehabende Spieler, wie Manfred Kaltz, Karl-Heinz Rummenigge oder Berti Vogts zählten. Das Album wurde am 01. März 1978 zur Fußball-WM dem Markte zugeführt, die im Juni desselben Jahres in Argentinien stattfand und für unsere Mannschaft (wie mir österreichische Freunde immer wieder schelmisch vorhalten) mit der sog. „Schmach von Cordoba“ endete, im Zuge derer das einheimische Fußball-Team mit 2:3 der österreichischen Mannschaft unterlag und frühzeitig ausscheiden musste.
Leider hat SONY bislang – trotz vielfacher Nachfrage – diese teils satirisch überzeichnete, teils wehmütige LP noch nicht vollständig auf CD neu aufgelegt. Dafür aber findet sich auf „Merci, Udo!“ eine nie zuvor dargereichte deutsch-spanische (es gab bislang nur eine rein deutsche bzw. eine pur spanische Aufnahme) Version des seinerzeitigen Fußball-Weiheliedes „Buenos Dias, Argentina“, deren rein muttersprachlich gehaltene Urfassung im Frühjahr 1978 in Deutschland, Österreich und der Schweiz jeweils den dritten Rang der Singlehitparaden zu erzielen vermochte.
Es ertönt daran anschließend mein persönlicher Udo-Jürgens-Einstieg, „Gaby wartet im Park“. Wie schon in meinem Nachruf 2014 geschrieben, war es genau dieser melancholische Edelpop im Synthipop-Sound, der mich im Mai 1981 in seinen Bann gezogen hatte, als er damals bei der „Deutschen Schlagerparade“ auf NDR II, moderiert von Ilse Rehbein, vorgestellt wurde und wochenlang den ersten Rang besetzte. Dieses Lied, das über einen verheirateten Mann erzählt, der innerlich hart mit sich kämpft, ob er seine jugendliche Geliebte ‚Gaby‘ nochmals aufsuchen und mit ihr einen verbotenen, aber schönen letzten Affärentag verbringen, oder sich doch lieber wiederum seiner Ehefrau zuwenden solle (und sich nachher tatsächlich für letzteres entscheidet), hat sich frühzeitig einen festen Platz in meinem Herzen geschaffen, den es auch nie wieder verlassen wird. Ich gönnte mir bald darauf, Sommer 1981, die dazugehörige LP „Willkommen in meinem Leben“, die mich gleichfalls bis heute inständig begleitet, so dass ich – alleine schon ob der hohen Qualität von Komposition, Text und Gesang – mich sehr freue, dass die berüchtigte ‚Gaby‘ auch auf „Merci, Udo!“ brav ‚im Park wartet‘.
„Ich war noch niemals in New York“, der vielzitierte Kulthit aus der sehr zeitkritischen und klanglich äußerst vielseitigen 1982er-LP „Silberstreifen“, fungierte zwar nie als Singleauskoppelung, brachte aber – alleine schon wegen gleichnamigen Musicals 2008 – seinen Interpreten und dessen Musik den nachgeborenen, jugendlichen Musikfreunden und Partygängern nahe, weshalb heutzutage keine frohsinnige Discofete mit Schlager-Affinität ohne eben jenen freiheitstrunkenen Evergreen auskommt. Ein Jahr später geriet der aus der LP „Traumtänzer“ entnommene, relaxte und akkordeongeprägte Pop-Reggae-Verschnitt „Die Sonne und Du“ – eine Art Variation des 1983er-Sommerhits „Sunshine Reggae“ des dänischen Popduos „Laid Back“ – zu einem gern gehörten Rundfunkhit, kam im „WWF-Club“ und Dieter Thomas Hecks „ZDF-Hitparade“ gefeiert zum Einsatz.
Wir gehen nun auf CD-01 von „Merci, Udo!“ zurück in die ausgehenden 60er Jahre. Aus jener politisch und soziologisch oft als „Aufbruchsphase“ verklärten Ära, hören wir nun z.B. die großorchestrale Originalaufnahme des Megahits „Immer wieder geht die Sonne auf“ (1967 – Rang 15), die als dessen Single-B-Seite genutzte, überaus getragene, fast klassische Ballade „Was ich Dir sagen will“ (1967) oder den auf Englisch dargebotenen US-Folkblues „Cottonfields“, der ursächlich von dem sagenbehafteten Bluesmusiker „Leadbelly“ stammt und in erster Linie von den traditionsbewussten US-Countyrockern „Creedence Clearwater Revival“ bekannt gemacht wurde, aber in der Udo-Auslegung im April 1968 immerhin den fünften Rang der hiesigen Singlehitparaden erklimmen konnte – bei all diesen tollen Liedern wurde Udo übrigens von dem berühmten Wiener „Orchester Robert Opratko“ unterstützt, das zudem u.a. mit Michael Heltau, Marianne Mendt oder Andre‘ Heller arbeitete.
Das eher politisch-progressive Protestlied „Ich glaube“ (1968 – 2016 remastered von Produzent Peter Wagner) erfreute sich in den 70er Jahren – ähnlich wie das 1971, zur Hochphase Willy Brandts, entstandene Epos „Lieb Vaterland“ – bei meinem sehr konservativen CDU-Vater keiner übermäßigen Beliebtheit, so dass beide bei uns zu Hause, vor meiner eigenen ‚Udo-Entdeckung‘, 1981/82, nicht auf dem Plattenteller landeten – zwei fraglos zeitgeschichtlich höchst brisante Standpunkte, weshalb es der SONY sehr zu danken ist, dass diese gesungenen Stellungnahmen zum Post-68er-Denken nun für „Merci, Udo!“ erstmals in der Urfassung auf CD bedacht wurden.
Das offenherzig-kess-feurige Chanson „Es wird Nacht, Senorita“, eine von Walter Brandin betextete, deutsche Deutung von „Le Rossignol Anglais“ des französischen Folksängers Hugues Aufray, und das sanft vor sich hin zirpende Opus „Was wirklich zählt auf dieser Welt“, im Frühjahr 1969 als Doppel-A-Seiten-Single Platz 6 in den nationalen „Media-Control“-Charts, sind mit im Titelverzeichnis von CD-01 vorhanden, „Spiel, Zigan, spiel“ und „Zeig mir den Platz an der Sonne“ – ich gehe später noch darauf ein – stürmten, desgleichen als Doppel-A-Seiten-Single konzipiert, im August 1971 anstandslos den Rang 14 derselben Auswertungen. Das englischgesungene, basslastige Hippie-Epos „Peace Now“, von Udo komponiert UND getextet, passte 1970 sehr gut in die aufkommende Phase des sog. „Jesus-Pop“, erinnerte dramaturgisch an das Musical „Hair“, an die Gospelversuche der „Les Humpheries Singers“, und ist auf „Merci, Udo!“ – von Peter Wagner neu abgemischt – erstmals im CD-Format erhältlich.
Mit den erhabenen Schleichern „Warum nur, warum“ (1964 – Rang 6), „Sag ihr, ich lass sie grüßen“ (1965 – Rang 4) und – wie kann es anders sein? – „Merci, Cherie“ (1966 – Rang1!), wartete Udo beim „Grand Prix Eurovision de la Chanson“ auf – alle drei Original(!)Versionen stehen uns auf „Merci, Udo!“, sämtlich neu ‚remastered‘, zur Verfügung.
Das schwülstige, ebenfalls gänzlich selbstgetextete Liebesgeständnis „Jenny“ entstammt noch aus Udos Zeiten bei Polydor (heute UNIVERSAL), gelangte 1960 auf Rang 36 der deutschen Hitparaden und erinnert in Sachen Umsetzung an damalige Edelschnulzen von Ted Herold, Peter Kraus oder Freddy Quinn; das von Udo für die später mit christlichen Liedern sehr erfolgreiche Sängerin Inge Brück erfundene Chanson „In dieser Welt“ befand sich im Konzertrepertoire zur 1979er-LP „Udo ´80“, wurde am 09. April 1980 im Münchener „Circus-Krone-Bau“ mitgeschnitten, und fand nun – gesungen vom Komponisten ad Personam – erstmalig überhaupt den Weg auf CD-01 von „Merci, Udo!“.
Mit vielen weiteren Udo-Jürgens-Gassenhauern und Spezialistentipps geht’s weiter auf der zweiten Silberscheibe vorliegender Drei-CD-Box. Wir können uns erlaben, etwa an der 1965 eingespielten, wiegend-verliebten Grundversion von „Siebzehn Jahr, Blondes Haar“, die ebenso erstmals auf einer CD untergebracht wurde, wie das bereits 1961 für die walisische Sangesdiva Shirley Bassey seitens Udo ersonnene Bombastwerk „Reach for the Stars“, die einstige Single-B-Seite von „Sag ihr, ich lass sie grüßen“, das kultivierte, üppige Chanson „Du sollst die Welt für mich sein“ (1965), das großspurige Klangfeuerwerk „Sag mir wie“ (1965 – Originalaufnahme, NICHT die discolastige 1978er-Neufassung aus der LP „Lieder, die auf Reisen gehen“!) oder die rare, donnernd opulente 1967er-Single „Geh vorbei“.
Den Ende der 30er Jahre entstandenen und 1953 von Harry Belafonte zum Welthit geführten, fröhlich-wilden Calypso „Mathilda“ nahm Udo Jürgens 1968 für eine einfach nur „Udo“ betitelte LP auf und haute den Ohrwurm parallel als Single raus. In der 45er-Version findet sich auf CD-02 gleichermaßen das kecke Schnaderhüpfel „Anuschka“ (1969). Zwei Jahre später, 1971, komponierte Udo – wie erwähnt – das Mottolied für die „Deutsche Fernsehlotterie“, „Zeig mir den Platz an die Sonne“, bevor er auf CD-02 von „Merci, Udo!“ ironisch den Vor- und Nachteilen des Alkoholkonsums frönt: „Der Teufel hat den Schnaps gemacht“ (1973) und „Du trinkst zuviel“ (1974) – eine Art deutschgesungene Auffassung des humorigen, irischen Folkstandards „Seven Drunken Nights“ von den „Dubliners“ – leiten über in die sozialkritische Abteilung. „Geschieden“ (1974) ist ein so eindringliches, wie nachdenkliches Chanson, eine deutsche Lesart von Michel Delpech’s 1973er-Jazz-Couplet „Les Divorces“, produziert von Ralph Siegel. Es besingt aus der Sicht des Ex-Ehemannes wortreich, empfindsam und schlussendlich durchaus versöhnlich die endgültige Trennung von dessen Frau. „Griechischer Wein“, das Lied über die erste Gastarbeitergeneration, die im Ruhrgebiet ihr Glück versuchen wollte und trotzdem immer wieder beklommen davon träumte, eines Tages in die Geburtsheimat zurückkehren zu können, war 1974 in Deutschland und Österreich Spitzenreiter, und wird heutzutage als unschlagbarer Schlagerpartyreißer gehandelt.
Es folgt nun Hit auf Hit – die gesellschaftskritischen Hintergründe der sehr umsichtig formulierten Texte gerieten in den letzten Jahren jedoch aufgrund der vielfachen Partynutzung zunehmend in den Hintergrund. Wir freuen uns trotzdem sehr über das spießig-doppelmoralische „Ehrenwerte Haus“ (1975, Rang 15 im April), die rockige Abrechnung mit Fresssucht und Übermaß, „Aber bitte mit Sahne“ (1976, Rang 5), den Ragtime-beeinflussten Abgesang auf kleine Kramläden in Zeiten des Erwachsens von Supermärkten und Discountern, „Tante Emma“ (1976, Rang 22), oder das latent aggressiv-enttäuschte, bläserverstärkte Arbeitslosendrama „Gefeuert“ (1977, Rang 26).
„Mit 66 Jahren“, ein im Februar 1978 erstveröffentlichter Boogie-Rocker, der in jenen Tagen bis auf Rang 23 der deutsche Singlehitparaden gelangte, gilt von jeher als eine Art ‚Erkennungsmelodie‘ von Udo Jürgens, woraufhin abermals eine langgesuchte Rarität aufscheint: „Der Mann mit der Mütze“ war dem damaligen Bundestrainer der deutschen Nationalmannschaft, Helmut Schön, gewidmet, findet sich nun erstmals auf Silberscheibe und kam bis heute nur auf bereits genannter 1978er-Nummer-Eins-LP „Buenos Dias, Argentina“ vor. Wir nähern uns den 80er Jahren mittels der erfrischend aufbauenden Ballade „Nur ein Lächeln“ – Titellied von Udos (erster) 1979er-LP-Produktion -, bevor nach „Alles im Griff (auf dem sinkenden Schiff)“ (siehe oben) dasjenige Lied erklingt, welches uns Kindern der 70er und 80er Jahre ohnehin von jeher ein Begriff ist: 1981, stets Dienstags, sahen wir uns häufig im ZDF-Vorabendprogramm die US-Zeichentrickserie „Tom & Jerry“ an und liebten deren musikalisches Intro, das ursprünglich auf Udos 1981-LP „Willkommen in meinem Leben“ zu hören war, aber niemals als Single ausgekoppelt wurde. Auf dieser LP dauert „Vielen Dank für die Blumen“ 3.02 Minuten – für CD-02 von „Merci, Udo!“ allerdings wurde die nur 1.57minütige Fernsehfassung dieses witzigen Ragtime-Couplets ausgewählt.
Sehr gesucht, weil bisher weder auf LP, geschweige denn auf CD, eingesetzt, war von jeher die im Sommer 1982 vorgelegte Single „Lust am Leben“, nach der zugleich eine Live-Doppel-LP benannt worden war, in deren Liederliste der Mottogeber aber merkwürdigerweise nicht auftauchte. „Lust am Leben“ war kein kommerzieller Erfolg, wird aber als heißersehnter Geheimtipp bezeichnet, gerade, weil der feudale, immens tanzbar ausgerichtete Popsong im Zusammenwirken mit dem Österreichischen Produzenten Robert Ponger geboren wurde, der seinerzeit mit seiner Entdeckung, dem Wiener NDW-Helden Falco, die europäische Musikszene aufwirbelte. Im Herbst 1982 gab’s dann eine weitere spannende Non-Album-Single zu hören. Diese heißt „Das wünsch ich Dir“, ist eine dunkle, treibende Abschiedsode, wurde produziert von Harold Faltermeyer, im zeitgemäßen Synthipop-Sound der beginnenden 80er, und ist nun dito erstmals im CD-Format zu kaufen.
Aus der TV-Aufzeichnung „Mit 66 Jahren“ im September 2000 in München – als Udo eben dieses vielbesungene Lebensalter erreichte – stammt die seither unveröffentlichte Duettaufnahme „Ich glaube“, die das damalige Geburtstagskind in Kooperation mit ‚Katzenmusiker‘ Xavier Naidoo eingesungen hatte und mit der CD-Numero Zwo von „Merci, Udo!“ (leider viel zu schwülstig uns pathetisch ausgekleidet) endet.
In ihrer Mehrheit aktuellere Lieder, von den mittleren 80ern bis 2014 reichend, finden sich auf CD-03 von hier analysierter Drei-CD-Kollektion. So das schwebende Meisterwerk „Verloren in mir“, welches bei Udos vieldiskutierter ZDF-Geburtstagsgala am 18. Oktober 2014 seitens des Berliner Liedermachers und Sängers Tim Bendzko geradezu verschandelt wurde und erstmals auf der sehr rockigen 1991er-LP „Geradeaus“ erschienen war, die sich maßgeblich am prunkvollen Synthi-Klangbild der „Pet Shop Boys“ orientierende 1995er-Single „Heute beginnt der Rest meines Lebens“ (das Original entstammt der CD „Zärtlicher Chaot“), oder die hochphilosophische 1999er-Ballade „Was wichtig ist“, die Udo ‚live‘ in der bayerischen Landeshauptstadt zur „Mit 66 Jahren“-TV-Show, zusammen mit den Münchener Symphonikern und dem „Orchester Pepe Lienhard“, das zu den besten Musikensembles der Welt zählt und Udo 30 Jahre lang auf seinen Mammut-Tourneen begleitete, zur Aufführung brachte.
Udo und seine heute 49jährige Tochter Jenny Jürgens duettierten sich auf der grandiosen 1984er-LP „Hautnah“ mit dem liebevollen Wunsch an ein flügge werdendes Mädchen, doch bitte künftig ausschließlich „Liebe ohne Leiden“ zu erleben. Der 1985er-LP „Treibjagd“ wird auf CD-03 von „Merci, Udo!“ mit der leger swingenden Nachtlebenarie „Abends“ gehuldigt; aus der ein Jahr später vorgewiesenen Spitzen-LP „Deinetwegen“ zauberten die Katalogverantwortlichen von SONY den so sonnigen, wie lyrisch mehrdeutigen Pop-Reggae „Jeder so, wie er mag“ und das souveräne Synthi-Glanzstück „Sperr mich nicht ein“ hervor. Auf diesem Udo-Meilenstein fand sich auch das großartige Duett „Ich will – ich kann – I can – I will“ mit der südafrikanischen Soul-Chanteuse Sonja Kimmons, welches wir nun in der bis heute unveröffentlichten, durchgehend mit auf Englisch gehaltenem Textwortlaut ausstaffierten Sichtweise als „I can – I will“ zu Gehör bekommen.
Das positive, aufmunternde, gediegen schwelgende Popchanson „Hast Du heute schon gelebt“ entspross der 1988er-Konzept-LP „Das blaue Album“ – auf dem Markt sehr gefragt, Rang 14, inhaltlich nicht gering polarisierend -; die sommerlich-betuliche, dennoch erheblich nachdenkliche Ballade „Näher zu Dir“ vernahmen wir zunächst auf der 1993er-CD „Café‘ Größenwahn“, das lebensfrohe, aufmuckende Couplet „Alles, was gut tut“ dagegen erst 1999 auf Udos monumentaler Millenniumsbegrüßung „Ich werde da sein“.
Bitterböse, aber niemals real bösartig, veräppelte Udo auf seiner 2002er-CD „Es lebe das Laster“ die ‚Warmduscher‘ und ‚Geschenkpapier-exakt-Zusammenleger“ dieser Welt mittels der kabarettistischen Parodie „Weichei“; 2005, auf dem exzellenten Album „Jetzt oder nie“, forderte er eine unbekannte Schönheit edelmännisch und nobel auf: „Flieg mit mir“. Gesellschaftskritisch zeigten sich der rockig-swingende Big-Band-Jazz „Tanz auf dem Vulkan (Freut Euch des Lebens)“, die erste Auskoppelung aus der 2007er-Arbeit „Einfach ich“, sowie die verhältnismäßig brachial-rabiate 2011er-Rocknummer „Der ganz normale Wahnsinn“ (aus gleichnamiger Top-3-CD). Luftig und drastisch in einem, Frank-Sinatra-gemäß feist und bläserlastig, inszenierte man die ebenfalls 2011 entworfene Jazz-Expertise „Schenk mir einen Traum“ in der sog. „New York Version“. Der lautstarke Beinahe-Hardrocker „Der Mann ist das Problem“ und das gehobene, ehrwürdig fließende Poprock-Chanson „Das Leben bist Du“ gelangten von Udos letzter Studio-CD „Mitten im Leben“ auf CD-03 von „Merci, Udo!“, die mit einem bis dato unveröffentlichten, knapp neunminütigen Medley unter dem Titel „Der Neue Sahne Mix“ beschlossen wird, in dem einige Udo-Renner, wie „Siebzehn Jahr, blondes Haar“, „Ich weiß, was ich will“ oder „Ich war noch niemals in New York“, (in geschmacklich eher fragwürdiger, weil unnötig mit grellem Disco-Bums unterlegter Weise) verhackstückt werden.
„MERCI, UDO!“ ist für eingefleischte Fans ein absolutes Muss. Neueinsteigern und/oder Nachgeborenen bieten die die drei proppevollen CDs den feinsten Anlass, sich näher mit dem erlesenen Oeuvre des erstklassigen Multitalents UDO JÜRGENS zu beschäftigen. Die Liedauswahl ist hervorragend, selbst, wenn Mancheiner das eine oder andere persönliche Lieblingslied von ihm vermisst. In Anbetracht von rund 1000 Udo-Liedern ist eine Vollständigkeit per se nicht möglich. Es werden auf „MERCI, UDO!“ alle Abschnitte seiner einzigartigen künstlerischen Laufbahn ausgiebig beachtet und betrachtet. Sehr viele seltene Aufnahmen wurden ‚remastered‘ und zum ersten Mal seit Entstehen auf Silberscheibe neu aufbereitet. Der hier zusammengefügte Liederstrauß ist ohne Ausnahme auf hochwertigstem Niveau angesiedelt. „MERCI, UDO!“ ist nicht irgendeine „Greatest-Hits“-Ansammlung, sondern in der Gesamtheit eine bedingungslose und ehrliche Verbeugung vor einem der bedeutungsvollsten, deutschsprachigen Komponisten und Sänger der Nachkriegszeit!
P.S.: Eine ausführliche Rezension des über achtstündigen Drei-DVD(!)-Sets „Merci, Udo!!“ folgt an dieser Stelle in einigen Tagen!
Holger Stürenburg, 23./24. November 2016
http://www.udojuergens.de

