PASO DOBLE, RHEINGOLD, PETER SCHILLING u.a.
Die CD "Rewind to the 80s – Germany" im Test von Holger Stürenburg!
Das polnische Label “Analog Language” hat ganze Arbeit geleistet!
Das in Polen ansässige Label „Analog Language“ hat sich zum Ziel gesetzt, spannende, obskure, seltene Perlen der Popmusik der 80er Jahre (teilweise übrigens erstmals) auf CD neu aufzulegen. Zwar spezialisierte sich diese Firma zuletzt in erster Linie auf tanzbare Klänge aus dem Bereich Italo-Disco (u.a. „Radiorama“), trotzdem hat sie zusätzlich kürzlich eine sehr ansprechende Kollektion mit vielgesuchtem Euro-Disco-Material aus Deutschland zusammengestellt, sowohl auf Englisch gesungene Lieder, als auch darüber hinaus einige faszinierende Expertisen aus dem Spektrum der Neuen Deutschen Welle (NDW). Und das Beste daran ist: Auf der CD „REWIND TO THE 80s – GERMANY“ (Analog Language/Vertrieb: ALIVE!) finden sich alle berücksichtigten Beiträge in den Original-Maxi-Versionen!
Den Freunden deutschsprachiger Lieder aus den 80ern seien selbstverständlich in erster Linie die auf dieser Kompilation verkoppelten NDW-Hits ans Herz gelegt. Da wäre zum Beispiel die 7.23minütige „Special Disco Version“ von „Computerliebe“ zu nennen, jenes kultigen Tanzflächenfüllers des einst in Hamburg ins Leben gerufenen Duos „Paso Doble“. Rale Oberpichler und ihr Gatte Frank führten diesen köstlich-futuristischen Synthipop im Februar 1985 bis auf Rang 15 der deutschen „Media Control“-Auswertungen und gewannen zudem am Mittwoch, dem 24. April desselben Jahres, die damals von Viktor Worms moderierte „ZDF“-Hitparade.
Von NDW-Urgestein Peter Schilling fand dessen ewiges musikalisches Erkennungszeichen „Major Tom (Völlig losgelöst)“ in der 5.01minütigen „Original 12‘ Version“ den Weg auf „Rewind to the 80s – Germany“; genau jener zackige Synthipop-Klassiker, der Anfang 1983 wochenlang den ersten Rang der hiesigen Hitparaden für sich in Anspruch nehmen konnte, bis heute jede Discoparty aufmischt und letzten Endes zu DEN klingenden Zeitgeistzeugnissen der beginnenden 80er Jahre gezählt werden muss.
Als dritter muttersprachlich gesungener Leckerbissen wurde die knapp sechsminütige Maxifassung von „Dreiklangs-Dimensionen“ anlizenziert. Dabei handelt es sich um den Einstiegshit der Frankfurter Elektropop-Combo „Rheingold“ um den heutigen Toningenieur und Produzenten Bodo Staiger, der im Übrigen den ersten reinen NDW-Titel bedeutete, der sich in den Top-20 der deutschen Singlecharts – genau gesagt, im Herbst 1981 auf Rang 17 – platzieren konnte.
Mit englischem Gesang kommt z.B. der Berliner Sänger und Produzent Mike Mareen, der personifizierte „Love Spy“, mit seiner knackigen, ausschweifenden Synthi-Disco-Nummer „Germany“ (1987) zum Zuge, die sich inhaltlich mit dem Wunsch nach der (drei Jahre darauf ja erfolgten) Wiedervereinigung beschäftigt, oder das legendäre New-Wave-Projekt „Alphaville“ um den charismatischen Frontmann Marian Gold, dessen dritte (Maxi-)Single-Auskoppelung aus der noch heute vollst überzeugenden 1986er-LP „Afternoons in Utopia“, „Jerusalem“, sich auf der Titelliste vorliegender Silberscheibe befindet
An den ultracoolen Synthi-Sound der Berliner „Twins“ (erinnere: „Not the loving Kind“, „Ballet Dancer“) gemahnt über acht Minuten lang „Feeling like a Stranger“ des Bremer DJs, Keyboarders und Gitarristen Norbert Krüler alias „Shamall“; knallige Elektroklänge im Sinne im Tempo angezogener „Depeche Mode“ verbreitet „The Art of Fashion“ des Technopop-Duos „Moskwa TV“. Aus dessen Umfeld erwuchs gleichermaßen die Formation „Axodry“, deren hochmelodische und dennoch strikt rhythmische, New-Romantic-beeinflusste 1984er-Ode „Surrender“ als weitere Rarität auf „Rewind to the 80s – Germany“ glänzt. Der mystische Tanzflächenfüller „Dreams of Rio“ (1988) stammt von dem Duo „Les Montes“, hinter dem sich niemand geringeres verbarg, als die Topproduzenten Walter Gerke und Mick Hannes; aus der Hannoveraner Dancefloor-Truppe „Celebrate the Nun“ – hier mit dem schnellen, radikalen Electropop-Hymnus „Will you be there“ vertreten – entstand 1993 die Party-Techno-Band „Scooter“ um H.P. Baxxter.
Unnötiges Trash-Feeling verbreitet hingegen der uninspirierte Bum-Bum-Pop „Robot Love“ (1988) der Schauspielerin Anouschka Renzi, während das von den Gebrüdern Clemens, Hermann und Alfons Weindorf konzipierte Sextett „Zara-Thustra“ mit dem so schwebenden, wie eingängigen und munteren New-Romantic-Schmankerl „Magic Nights“ über acht Minuten lang klangvoll brilliert.
„REWIND TO THE 80s – GERMANY“ stellt ohne jegliche Zweifel eine Riesenfreude für uns Kinder der 80er Jahre dar. Natürlich ist die Auswahl der Lieder sehr speziell, aber Sammler, Sucher und Chronisten dürften von dieser CD äußerst angetan sein, gerade, weil eben auch ausnahmslos die originalen Maxi-Mixe hervorgekramt wurden, die man häufig nur noch auf Flohmärkten oder im Zweite-Hand-Bereich auf Vinyl findet. Ich hoffe, dass die emsigen und fleißigen Katalog-Kollegen aus Polen dieser wohlmundenden 80er-Zeitreise noch den einen oder anderen tönenden Spezialitäten-Strauß aus dieser unvergesslichen Dekade folgen lassen.
Holger Stürenburg, 15. Dezember 2016
http://www.analoglanguage.com/
http://paso-doble.com/