DIETER HALLERVORDEN
“Ich blamiere mich nicht gerne – und schon gar nicht gegen Geld!”

smago! war bei der Matinee zum Stück “Der Drache” am Sonntagvormittag (20.10.2024) im Schlosspark Theater Berlin vor Ort!

 

Im Rahmen einer Einführungsmatinee zum Stück “Der Drache”, einer Märchenkomödie von Jewgeni Schwarz (1896 – 1958), sprach Holger Thomsen, 1. Vorsitzender “Freundeskreis Schlosspark Theater”, u. a. auch mit dem Hauptdarsteller DIETER HALLERVORDEN. Die Tradition sieht zudem vor, dass es, jeweils im Anschluss an die Matinee, ein Stück Kuchen (“mit Liebe und Arbeit hergestellt”) gibt. Aber das nur am Rande.

Lesen Sie HIER eine Zusammenfassung besagter Matinee …:

 

 

DIETER HALLERVORDEN: In Ihrer letzten Aufführung haben Sie einen dreifachen Gangster gespielt. Jetzt einen Bürgermeister. Sind Sie sozial aufgestiegen?

Sie wissen ja – nach Goethe: Wenn Politik eine Kugel ist, was ist dann das Parlament? Ich spiele da einen völlig durchgeknallten regierenden Bürgermeister, der den drei Gangstern, die ich zuletzt gespielt habe, in nichts nachsteht: Er ist rücksichtslos und nur auf seine eigenen Belange bedacht. Da gibt es viele Beispiele. Auch unter uns.

Überhaupt – das Stück ist ja nicht heute geschrieben worden, das ist Jahrzehnte her – es entstand um 1943 herum. Damals wurde es verboten, weil die Parteien kulturell interessierten Menschen, die im Büro der Staatssicherheit beheimatet waren, überdachten: Der Drache, das könnte STALIN sein.

Mir macht es Spaß, weil es einerseits ein Stück ist, das sich zwar mit Politik beschäftigt, aber nicht mit dem erhobenen Zeigefinger daherkommt, wie es viele Kabarettisten tun. Das ist mit viel Gespür gemacht worden. Wenn Tiere sprechen können, wenn wir auf Fabelwesen treffen, die eine ganz andere Sicht auf die Dinge in der Politik haben – das ist unterhaltsam und gleichzeitig auch entlarvend, weil es auf sehr viele Dinge auch heute noch zutrifft, die wir heutzutage speziell in unserem Land erleben.

Es wird gesagt, dass es zum Wesen der Schauspielerei gehöre, dass man sich auf keine Erfahrung oder Wissen verlangen könne, weil jedes Mal ein erstes Mal ist. Würden Sie das unterschreiben?

Ja natürlich! Das ist ja gerade das Interessante am Theater – dass keine Vorstellung gleich der nächsten ist. Es kommt drauf an, ob die Zuschauer introvertiert oder extrovertiert sind. Ein Einzelner, der zwei Gläser zu viel getrunken hat, kann die ganze Vorstellung zum Kippen bringen. Es gibt auch manchmal Menschen im Publikum, die denken: Ach, eigentlich bin ich komischer als der – und geben dann den Clown – da muss man drauf achten: Wer gewinnt die Partie? Wird auf der Bühne gespielt oder ist neuerdings üblich, im Schatten zu spielen und aus dem Publikum heraus die Vorstellung zu torpedieren?

Das habe ich noch in Erinnerung aus meiner Zeit der politischen Satire, wo es durchaus üblich war, dass sich das Publikum zu Wort meldete und meinte, man müsste die Darsteller auf der Bühne noch mal links überholen. –

Theater ist eben eine Verabredung, den Leuten zu sagen – okay, sie zahlen an der Kasse einen Geld-Betrag, haben dafür aber auch einen Anspruch, gut unterhalten zu werden. Das haben wir eigentlich immer gemacht. Ich mache kein Theater, in dem Hamlet seine Ophelia in der Sauna kennen lernt. Wir sehen nicht ein, warum man Dinge machen muss, bei denen der Autor sich noch mal im Grabe herumdreht.

Das heißt: Für mich ist die Art, wie Herr TIEDEMANN dieses Theater betreibt und uns vorantreibt, möglichst gute Arbeit abzuliefern – diese Art von Theater, die mag ich unheimlich und deswegen sind wir ein unzertrennliches Paar.

Haben Sie weiterhin Lampenfieber vor jeder Aufführung?

Ja. Ich habe gestern Abend einen kurzen Auftritt zugunsten einer Benefizveranstaltung im Hospiz. Auch da – obwohl es nur ein 8- bis 10-minütiger Auftritt war, hatte ich eine gewisse Nervosität. Ich glaube, wenn die mal wegfällt und ich sage: Egal, das mache ich mit links – dann ist es vorbei. Das wird es bei mir nicht geben. Ich werde immer das Gefühl haben, mir zu sagen: Mensch, du musst das Beste – man erwischt ja auch Tage, an denen es nicht so gelingt. Was ich NICHT möchte: Ich blamiere mich nicht gerne – und schon gar nicht gegen Geld.

“Der gespielte Witz” entfällt an dieser Stelle … Dafür gibt es als “Zugabe” noch eine persönliche Stellungnahme von Dieter Hallervorden zu besagter Märchenkomödie …

Wenn man den Spielplan eines Theaters macht, passiert das nicht von heute auf morgen, sondern man denkt ein Jahr im Voraus. Nachdem wir in der Zusammenarbeit mit PHILIP TIEDEMANN nach „Der König stirbt“ und mit „Biedermanns Brandstifter“ so eine Art politisches Theater-Kabarett begonnen hatten, wollten wir das gerne fortführen.

Nachdem ich die Märchen von FINI SCHWARZ vor langer Zeit gelesen habe, zum Teil auch gespielt habe – damals im Kindertheater – fiel mir auf, dass da ein Punkt liegt für die Zeit, in der im Moment zurzeit Teile in die Gesellschaft gelegt werden von Berufspöblern, von Miesmachern, von Hasspredigern. Es ist ja genau die Zeit, wo Parteien versuchen, eine Partei zu verbieten, weil man sie argumentativ nicht stellen kann. Der Drache ist da – wie geht man mit ihm um? Das ist genau das Stück, das in unsere Zeit passt.

Das ist uns nicht drei Tage vor Probenbeginn eingefallen, sondern das ist mit großem Zeitabstand passiert. Wir haben es überprüft, ob es unserer Würdigung standhält. Je mehr wir uns damit beschäftigt haben, desto klarer war, dass es genau das Stück ist, das in unsere Zeit passt. Ich bin froh und dankbar, dass PHILIP TIEDEMANN ein tolles Ensemble zusammengestellt hat. Gut, er musste mit mir leben – aber die ANDEREN sind alle super, und ich freue mich unheimlich auf die Premiere.

 

 

Das Foto (© DERDEHMEL/ Urbschat) zeigt v.l.n.r.: Helen Barke, Dieter Hallervorden
sowie Fabian Stromberger
Textquelle: smago!

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