UTE LEMPER
Ihre Biografie “Die Zeitreisende” ist “Mehr als eine Zeitreise”!

Lesen Sie HIER die Buch-Kritik von Hans-Peter Schmidt-Treptow!

Es fällt auf, dass in den letzten Jahren immer mehr Künstler ihre Lebenserinnerungen veröffentlichen. Oft handelt es sich um eine Aneinanderreihung glamouröser Meilensteine aus einem Leben. Tiefpunkte oder Einschnitte scheinen nicht populär zu sein, gerade diese machen einen Menschen aber aus. Wenn sich dann noch eines Ghostwriters oder anderen Autors bedient wird, kann es passieren, dass alles ins Banale abdriftet. Ganz anders sieht es bei dem jetzt erschienen Buch Die Zeitreisende von UTE LEMPER aus.

Zum sechzigsten Geburtstag der Künstlerin sind diese Memoiren besonders. Bekanntlich wird Ute Lemper in Deutschland nicht immer mit Samthandschuhen angefasst. Nach ihrem grandiosen Erfolg in Paris in Cabaret wurde sie zunächst in ihrem Heimatland hochgejubelt und mit Preisen und Auszeichnungen überhäuft. Heute stellt sie fest, dass sie als Vierundzwanzigjährige noch gar nicht reif war eine aufwendige eigene Show auf einer Tournee zu präsentieren. Trotzdem tat sie es und füllte mit wenig eigenem Repertoire aber vielen Coversongs die größten Hallen. Das Eigentliche, also das, was sie später ausmachen sollte und zu Der Lemper werden ließ lag noch in den Kinderschuhen. Es ist angenehm, wie sie diese Situation 2022 in ihrem Buch beschreibt und selbst verarbeitet. Ohne eine Ahnung ließ sie sich in Deutschland auf einen Manager privat und geschäftlich ein, der ihr zwar den kurzfristigen Erfolg bescherte, sie als Mensch und Künstler aber scheitern ließ. Diese Frau hat ein Anliegen. Immer wieder schreibt sie, dass es auch eine Bürde ist Deutsche zu sein, Deutschland aber trotzdem liebt und sich als Deutsche fühlt. Zeit ihres Lebens setzt sie sich gegen Antisemitismus ein, wird laut. Fotos, die von ihr immer wieder erscheinen, lassen sie wie eine Ikone aus den 1930 er Jahren aussehen. Das ist keine Masche, das ist Ute Lemper! In Deutschland ist oft zu hören, dass gerade ihre Brecht-Weill-Konzerte nicht mehr den Zeitgeschmack treffen. Im Ausland sieht das ganz anders aus. Auf der ganzen Welt erhält sie Ovationen gerade für diese Gastspiele. Sie sieht sich als Botschafterin und das ist sie auch im besten Sinne. Natürlich entstehen Parallelen zu Marlene Dietrich oder Hildegard Knef, die hierzulande auch Probleme hatten mit ihrem künstlerischen und menschlichen Wirken. Ute Lemper hat in der sonst so glatten Glitzerbranche immer wieder Ecken und Kanten gezeigt, das macht sie aus!

Das Buch besteht aus zwei Teilen. Die erste Biografie Unzensiert schreibt sie mit dreißig. Einige Kapitel daraus sind in Die Zeitreisende wiederzufinden und zeigen sowohl eine Entwicklung als auch ein Verbleiben bei sich selbst. Die Gefahr zu einer Kunstfigur geformt zu werden hat sie erkannt, sie ist authentisch.

Schon nach ein paar Seiten des Lesens fällt auf, welch wunderbare Sprache die Autorin benutzt. Manche Passagen erscheinen lyrisch (Zitat über ihre Fotografin und Freundin Gitti Dummer: „Sie ist ein leuchtender Stern auf der Milchstraße, der uns Licht und Hoffnung gibt“) andere sind fast brutal und entsprechen der Wirklichkeit. Die Emotionen, die sie zu den Vorfällen des 11. Septembers 2001 in New York herauslässt machen Angst und man merkt, dass das alles tatsächlich erlebt wurde. Den Epilog verfasst die Tochter der Künstlerin Stella Lemper-Tabatzky. Was wie ein gewitzter und verkaufsträchtiger Effekt aussieht, ist eine – nicht unkritische – Liebeserklärung zwischen Tochter und Mutter. Stella sollte unbedingt beim Schreiben bleiben.

Fünfzig Jahre nach Der geschenkte Gaul von Hildegard Knef ist in Deutschland wieder eine Biografie erschienen, die ihres Gleichen sucht, ohne beide Bücher zu vergleichen. Liebe Frau Lemper, lassen Sie uns nicht zu lange auf eine Fortsetzung warten!

Hans-Peter Schmidt-Treptow

 

 

 

 

 

 

Foto-Credit: Hans-Peter Schmidt-Treptow
Textquelle: Hans-Peter Schmidt-Treptow (Textvorlage)

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