STEPHAN SULKE
Alles Gute zum 75., Stephan Sulke !!!

Ob er mit oder ohne (seine) “Uschi” feiert, ist nicht überliefert …!

 

 

Will man die Biografie Stephan Sulkes in Kürze niederschreiben, scheint es leichter, zuerst einmal all jene Sachen zu erwähnen, die er in seinem Leben noch nicht gemacht hat …:

Manchmal reicht eine einzige Textzeile und man hat sofort einen Sulke-Ohrwurm wieder im Kopf: „Lotte, was machen wir nu…“, „Du machst mir noch mein Herz kaputt“ oder natürlich „Uschi, mach kein’ Quatsch“. Wer die Siebziger und Achtziger Jahre nicht unter einem Felsen verbracht hat, kennt diese Lieder aus Radio und Fernsehen, oder vielleicht sogar aus der kostbaren eigenen Schallplattensammlung.

Stephan Sulkes Alben waren Bestseller, die sich einer eindeutigen Einordnung widersetzten. War er einer der ersten Deutschpop-Künstler? Ein Chansonnier? Ein Liedermacher? Oder gar – oh Schreck –  ein Schlagersänger?

Sulke bringt es fertig, ganz unterschiedlichen Hörern zu gefallen. Seine Songs sind erstklassiger Pop mit hintergründigen Texten und außergewöhnlich starken Melodien. In Sachen Niveau muss er sich hinter großen französischen oder italienischen Kollegen nicht verstecken. Die Aussagekraft seiner Worte macht seine Songs für Viele zu „Liedern“, und spätestens seit seinem Hitparadenerfolg „Uschi“ ist er sogar in der Schlagerwelt angekommen.

Will man die Biografie Stephan Sulkes in Kürze niederschreiben, scheint es leichter, zuerst einmal all jene Sachen zu erwähnen, die er in seinem Leben noch nicht gemacht hat: Er hat noch keinen Löwen gebändigt, ist noch nicht auf dem Himalaya gestanden, hat noch kein Flugzeug mit oder ohne Fallschirm in 10.000 Metern Höhe verlassen oder eine Olympiamedaille im Zehnkampf gewonnen. Aber ansonsten kann man über Sulke nur staunen: Welcher deutschsprachige Künstler außer ihm hat in seinem Pass als Geburtsort „Schanghai, China“ stehen? Welcher Sänger mit deutschem Zungenschlag hat seine ersten Songs in Paris und Nashville, Tennessee, abgeliefert? Ganz abgesehen davon: Es ist kein rechtschaffener deutschsprachiger Musiker bekannt, der so witzige Cartoons zeichnet, erfolgreich bildhauert, eine Firma für Studiotechnik betrieb, Weine der besten Lagen sammelt, Bücher schreibt und, und, und…

Bei Stephan Sulke war halt schon immer alles ein bisschen anders: Als er 1976, dreiunddreißigjährig, den Deutschen Schallplattenpreis als „bester deutsch-sprachiger Nachwuchskünstler“ verliehen bekam, wussten vermutlich weder die Jurymitglieder noch die meisten Käufer seines Debütalbums, dass er schon drei Musikkarrieren hinter sich hatte: als Popsänger in Frankreich und den USA, sowie als Engineer internationaler Musikstars im eigenen Tonstudio in der Schweiz. Eine beachtliche Vorgeschichte. Aber spulen wir den Biografie-Film noch einmal ganz zum Anfang zurück:

Geboren wurde Sulke am 27.12.1943 im fernen Shanghai als Kind von Eltern, die das Nazi-Deutschland verlassen hatten. Sein Vater, ein Textilhändler, verstarb 1947, als die Eltern gerade den Entschluss zur Rückkehr nach Deutschland gefasst hatten. Sulkes Mutter heiratete einen schweizerischen Hotelkaufmann und erwarb mit ihm zusammen ein kleines Hotel am Genfer See. Der kleine Stephan wuchs dreisprachig auf: mit seiner Mutter sprach er Deutsch, mit seinem Stiefvater Französisch und mit seiner oft besuchten Tante Rose in Amerika Englisch.

Die erste Begegnung mit einem Klavier hatte Sulke als Sechsjähriger während eines Bergurlaubs mit seiner Mutter, bei dem beide im Haus einer Klavierlehrerin untergebracht waren. Der Junge war nicht mehr von dem Instrument zu trennen: „Meine Mutter erzählte mir Jahre später, die Lehrerin habe sie mal zur Seite genommen und ihr todernst gesagt: Wenn Sie dieses Kind nicht Musik machen lassen, begehen Sie ein Verbrechen.“ Die Anschaffung eines Pianos und klassische Klavierstunden waren da nur noch eine Frage der Zeit.

Mit 14 kaufte Sulke seine erste Gitarre, die er sich mit dem selbstverdienten Geld aus einem Ferienjob in einem Nobelhotel in St. Moritz zusammensparte. Die Rastlosigkeit, das heimatlose Aufwachsen des Jungen gingen mit seiner neugierigen Offenheit für unterschiedliche Musikrichtungen einher; ein breiter Hörhorizont, der Sulke in seinem späteren vielfältigen Songwriting stark beeinflussen sollte, war die Folge: Klassische Musik, der Rock ‘n‘ Roll mit seinem elektrischen Gitarrensound, Soul von Ray Charles und Country von Roger Miller begeisterten ihn genauso wie französische Chansons, die deutschen Lieder von Kurt Weill und Schlager von Altmeistern wie Holländer oder Kreuder. Später kamen Jazzklänge und brasilianische Musik dazu.

Noch als Teenager begann Sulke erste eigene Lieder zu schreiben und zu singen. Auf einen Talentwettbewerb des französischen Pathé-Labels hin verschlug es ihn 1963 als Hauptgewinner nach Paris, wo er unter dem Pseudonym „Steff“ sein Singledebut „Mon tournedisque“ aufnahm, einen flotten Pop-Schlager im Stil der damaligen Zeit. Es folgten eine Handvoll weiterer Singles, alle aus eigener Feder, sowie TV-Auftritte und Konzerte im Vorprogramm bekannter französischer Stars. Als erste Auszeichnung in seinem Leben durfte Sulke den „Grand Prix du Premier Disque“ aus der Hand des großen Maurice Chevalier entgegennehmen. Alles deutete auf eine erfolgversprechende Karriere hin, Sulke aber litt unter der Fremdbestimmung durch das dominante Label und fühlte sich nicht wohl in seiner Haut. Er stieg aus dem Vertrag aus und begann in Bern und Zürich Jura zu studieren. Aber bald rief ihn ein zweites Mal die Musik: über seine familiären Bindungen in die USA orientierte er sich in Nashville und versuchte einen zweiten Start im Business, diesmal englischsprachig und mit rockigeren Klängen. Er arbeitete mit namhaften Musikern und schaffte es sogar bis an die Spitze der Radiocharts. Aber der Konkurrenzkampf war hart. Seine Platten waren „mittelmäßig erfolgreich und weniger als mittelmäßig in der Qualität“, resümierte er später überkritisch. Erneut kehrte er in die Schweiz zurück.

Doch die Musik ließ ihn nicht los. 1969 gründete er ein Tonstudio in Biel und lernte ein Jahr später Claude Nobs kennen, den Gründer des Montreux Jazzfestivals. Sulke schlug ihm vor, im Keller des Festival-Austragungsortes, dem Casino von Montreux, ein technisch hochmodernes Studio einzurichten und die Konzerte der Superstars mitzuschneiden, die sich auf dem Festival die Klinke in die Hand gaben. Daraus entstand eine fruchtbare Zusammenarbeit, die allerdings ein abruptes Ende fand, als das Casino 1971 einem spektakulären Brand zum Opfer fiel. Sulke verlegte seine Studiotätigkeit nach London und betrieb dort eine Elektronikfirma mit Schwerpunkt Tontechnik, die mit technischen Neuerungen Furore machte. Nach Verlegung des Firmensitzes in die Schweiz eröffnete er 1974 ein Tonstudio in Genf.

Die Arbeit mit internationalen Stars und Sternchen, das Jonglieren mit Technik und Finanzen, ließ in Sulke nach eigenem Bekunden jedoch „eine Art Heimweh“ nach seiner Muttersprache und eigenem musikalischen Ausdruck reifen. Er begann, deutsche Lieder zu schreiben und sie im eigenen Studio aufzunehmen. Je mehr davon zusammenkamen, desto klarer wurde ihm: hier lag die Perspektive einer weiteren Karriere. Er spielte seine Aufnahmen deutschen Plattenlabels vor und unterschrieb 1976 bei der Intercord in Stuttgart. „Stephan Sulke“ betitelte man das Debüt ganz schlicht. Alle Texte, Melodien und Arrangements stammten aus eigener Hand, Sulke spielte fast alle Gitarren, Klaviere und Keyboards selbst ein und übernahm, wann immer möglich, auch den Job des Toningenieurs. Erstmals kam er seinem Traum von vollkommener künstlerischer Freiheit und seinem eigenen Anspruch auf Perfektion nahe.

Schon auf seinem ersten Album definierte Sulke die Parameter eines eigenen Musikgenres, das er in den darauffolgenden Jahren perfektionieren sollte. Von Anfang an fanden seine Songs einen ganz speziellen Ton, mal leise, wehmütig und schlicht, mit einfacher Gitarren- oder Keyboard-Begleitung, mal mit großem Melodiegestus dem französischen Chanson oder den Liedern der italienischen Cantautori nachspürend, mal mit Jazz oder Blues gewürzt, mal mit ironischem Gestus Schlagerelemente wie eingängige Refrains und sentimentale Akzente einsetzend. Seinem Selbstverständnis nach machte Sulke aber ganz einfach „Popmusik“ und grenzte sich immer wieder von der sogenannten Liedermacher-Szene ab, von deren„Politsongs ohne Melodie und mit viel Vorwurf“ (Sulke).

Sulkes vermeintlich leicht dahingenuschelte Stimme wurde zum Markenzeichen, wer genau hinhört, muss ihm jedoch einen erstaunlichen Tonumfang und nahezu perfekte Textverständlichkeit attestieren. Seine Spezialität sind melancholische Miniaturen von maximal drei Minuten, oft zeichnet er prägnante Charakter- und Situationsskizzen, stellt Außenseiter und Verlierertypen in den Mittelpunkt: „Wenn ich nicht mit aufs knappste eingegrenzten Mitteln meine Idee rüberbringen kann, habe ich gar nichts erreicht“. Mal betrachtet Sulke die Bewohner seiner Lieder empathisch als Erzähler von außen, mal schlüpft er selbst in ihre Rollen und lässt sie in knappen Äußerungen zu Worte kommen.

Sulkes Debüt schlug ein. Ein Auftritt mit „Lotte“ in der vielgesehenen Rudi-Carrell-Show „Am laufenden Band“ wurde zur Initialzündung für weitere TV-Präsenz, das Radio begann seine Lieder zu spielen, das Album wurde ein Verkaufsschlager. Der Deutsche Schallplattenpreis zementierte Sulkes Status als ungewöhnlicher Künstler mit Niveau. Es folgte eine rauschhafte, produktive Phase, in der er bis ins Jahr 1982 jährlich ein neues Album vorlegte, stets selbstbewusst nur „Stephan Sulke“ betitelt und durchnummeriert. Trotz ausgefeilter Produktion und Mitwirkung erstklassiger Studiomusiker ist Sulkes Musik bis heute stets transparent und zielgerichtet, jeder Melodiebogen, jede Arrangement-Idee steht im Dienst der erzählten Geschichte. Vielbeschäftigte Jazzmusiker, unter anderem aus Klaus Doldingers Band Passport, tragen ihren Teil zum Sulke-Sound bei.

Auch andere Künstler erkannten die Qualität von Sulke-Songs, die österreichische Schauspielerin und Sängerin Erika Pluhar und der holländische Sänger Benny Neyman nahmen sogar ganze Alben mit seinen Liedern auf. Das melancholische „Ich hab dich bloß geliebt“ erfuhr 1983 eine Coverversion durch Herbert Grönemeyer in dessen typisch bellendem Gesangsduktus. „Diese Dobermann-Version fand ich zunächst nicht so dolle“, erinnert sich Sulke heute, „aber dann flatterte der erste GEMA-Scheck rein…“.

Und dann kam Uschi. Manchmal kann sich ein einzelner Song für einen Künstler zugleich als Segen und als Fluch erweisen. Stephan Sulke erlebte 1981 dieses Phänomen mit seinem Lied an eine kapriziös-emanzipierte “Uschi” vom Album “Stephan Sulke 6”. Laut Plattenvertrag musste Sulke mindestens 30 Minuten Laufzeit Musik pro Album abliefern, diesmal fehlten noch knapp 2 Minuten. Sulke schüttelte ein ironisches Liedchen aus dem Ärmel, würzte es mit ein paar für seine Verhältnisse einfachen Akkorden, mit Cowbells, quakenden Synthiepatterns und Cha-Cha Feeling, schlüpfte in die Rolle eines unterwürfigen, zukünftigen Herrn Tulpenstengel und ahnte nicht im Geringsten, dass er einen Gassenhauer, ein “Volkslied” (Sulke) für eine ganze Generation fernab der zur selben Zeit grassierenden “Neuen Deutschen Welle” geschrieben hatte. “Uschi” wurde vom lokalen Radiohit zum bundesweiten Hitparadenstürmer und machte Sulke bekannter denn je.

Obwohl er mit seinen Alben auch in der zweiten Hälfte der 80er künstlerisch noch immer auf Augenhöhe mit der Konkurrenz war, zog sich Sulke zum Ende des Jahrzehnts jedoch aus dem Musikgeschäft zurück. „Zuviel Leere, zuviel Ego“, kommentierte er seinen Weggang aus dem Business. Eine kreative Seele wie Sulke ließ sich aber nicht einfach auf Stand-by schalten, 1999 kehrte er auf eigenem Label mit neuen Songs in bewährter Qualität zurück. So eine beinahe zehnjährige Kreativpause verstößt zwar gegen alle Regeln des kommerziellen Popgeschäftes, seine Fans verziehen ihm jedoch den temporären Abgang. Seitdem ist Sulke ihnen treu geblieben und hat großartige Alben wie “Enten hätt’ ich züchten sollen” und “Mensch, ging das aber schnell…” veröffentlicht. 2017 erschien sein bisher letztes Album auf dem Berliner Label Staatsakt, das ansonsten jüngeren Musikern der alternativen und elektronischen Pop-Szene Heimat ist. Sulkes Lieder halten in Sachen Frische und Relevanz mit denen seiner neuen Labelkollegen locker mit. Es bleibt scheinbar dabei: Bei Sulke ist alles immer ein bisschen anders.

Textquelle: Kahé PR & Dialog, Stefan Kahn (Textvorlage)

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