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Akte Abmahnung: Schnell noch einen Deckel drauf?
Standpunkt von Dr. Florian Drücke, Geschäftsführer des BVMI, zum „Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken“…:
Man kann nicht gerade behaupten, dass die nun auslaufende Legislatur mit Blick auf den Schutz des geistigen Eigentums von Tatendrang geprägt gewesen wäre. Lasen wir im Koalitionsvertrag noch, dass das Schutzniveau verbessert werden solle und hörten wir in der „Berliner Rede“ noch, dass auch die Provider mehr Verantwortung übernehmen sollten, müssen wir am Ende der Legislatur feststellen, dass wichtige Fragen der zivilrechtlichen Durchsetzung von Urheberrechten oder der Haftung von Hostprovidern von der aktuellen Bundesregierung nicht angegangen bzw. weitgehend den Gerichten überlassen wurden: Um eine Klärung der Rechtslage herbeizuführen, müssen die Rechteinhaber nach wie vor oft jahrelang prozessieren, was nicht zuletzt auch ein fatales Signal an den Verbraucher sendet.
Umso mehr wundert es, dass nun, auf den letzten Metern und verpackt in ein wohlklingendes „Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken“ – nota bene: per Eilverfahren – der Streitwert bei Abmahnungen gedeckelt und damit das aktuell wesentliche Mittel zur Eindämmung der massenhaften illegalen Nutzung von Medieninhalten im Internet torpediert werden soll. Sowohl der Bundestag als auch der Bundesrat befassen sich derzeit mit diesem Gesetz, das noch in dieser Legislatur abgenickt werden könnte, wobei nicht nur Rechtsexperten, sondern auch die Verbraucherschützer mit Blick auf das Paket erhebliche Bedenken anmelden – wenn auch zugegebenermaßen völlig unterschiedlicher Natur. So meldeten bei einer Anhörung verschiedener Interessensgruppen im Rechtsausschuss des Bundestages am 15. Mai 2013 unter anderem der BGH-Richter Bornkamm und der OLG-Richter Frank-Michael Goebel neben grundsätzlichen Bedenken auch erhebliche handwerkliche Mängel an dem aktuellen Gesetzentwurf an.
Dass unseriöse Geschäftspraktiken im Bereich der Abmahnung gezielt angegangen werden müssen, streitet niemand ab. Nicht akzeptabel ist es dagegen, alle und alles über einen Kamm zu scheren, schwarze Schafe und diejenigen, die berechtigterweise Interessen durchsetzen. Absurd daran: Der jetzige Entwurf begünstigt sogar die schwarzen Schafe, indem diese auch bei einer Deckelung des Streitwerts noch lukrativ agieren könnten, während gerade die berechtigte Rechtsverfolgung, die wesentlich aufwendiger und kostspieliger ist, verhindert werden würde. Das kann so nicht gewollt sein.
In den Diskussionen kommt oftmals zu kurz, dass die Abmahnung schlussendlich nur die Konsequenz dahinterliegender Probleme darstellt, die eigentlich angegangen werden sollten – die massenhafte illegale Nutzung von Medieninhalten, der mangelnde Respekt vor dem kreativen Schaffen oder die mangelnde Aufklärung darüber, was verboten ist und was nicht – das zeigt nicht zuletzt auch das BGH-Urteil „Morpheus“, das nicht nur gravierende Haftungslücken im Elternhaus offenbart, sondern auch die Überforderung vieler Eltern mit dem Internetverhalten ihrer Kinder. Nicht ohne Grund platzieren wir daher seit langem das Thema der Rechtsdurchsetzung im Umfeld der Medienkompetenz. Gerade wenn man betrachtet, dass sich die meisten Deutschen dafür aussprechen, dass die allgemein gültigen Umgangsregeln, die in der physischen Welt gelten, auch für das Internet gelten sollten, wird deutlich, dass sich die Politik viel stärker dafür einsetzen müsste, die grundsätzlichen Umgangsregeln im Internet auszugestalten, statt einseitig und ohne Alternativen bei der Abmahnung anzusetzen.
Bislang sind uns die Kritiker der Abmahnung die Antwort schuldig geblieben, wie und vor allem wer sich um die Durchsetzung von Rechten oder aber die Aufklärung der Nutzer einsetzen wird, wenn die Firmen das nicht mehr selbst tun. Wir sind nach wie vor der Überzeugung, dass ein Warnmodell – zum hundertsten Mal in dieser Legislatur: ohne Internetsperren – nicht nur zur Verbraucheraufklärung, sondern auch zur Reduzierung der Rechtsverletzungen (und damit der Abmahnungen) beitragen würde. Derartige Bedenken oder differenzierte Betrachtungsweisen haben im aktuellen Gesetzgebungsverfahren leider keinen Raum. Vor dem Hintergrund des bestehenden Diskussionsbedarfs bzw. auch der ohnehin stark rückläufigen Zahl der Abmahnungen ist es zweifelhaft, ob in dieser Sache gerade ein Eilverfahren zu nachhaltigen Lösungen führen kann.
Die Diskussion um die Abmahnung zeigt exemplarisch, wie sich die Debatten um den Schutz des geistigen Eigentums im Internet immer wieder im Kreis drehen. Spannend wird es, wenn nach den Wahlen vermehrt echte „Digital Natives“ in die Parlamente einziehen werden, die anders als oft dargestellt, meines Erachtens viel unaufgeregter mit den Netzthemen umgehen. Für sie war das Internet stets da, der Hype um das Medium ist für sie oft nicht nachvollziehbar. Und: Sie wollen auch nichts mehr von den alten Zeiten hören, in denen irgendjemand irgendetwas verschlafen hat bzw. ein vermeintlich fehlendes Angebot zur Legitimierung der illegalen Nutzung herangezogen wurde. Es ist dringend erforderlich, dass wir die alten Debatten hinter uns lassen und die Urheberrechtsdebatte auf die nächste Ebene bringen – soviel muss dabei klar sein: Ein Reset für die alte Debatte gibt es nicht.
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