"WDR4"
20.000 Hörer mehr für WDR4!

Stephan Imming gratuliert – allerdings nicht ganz ohne Vorbehalte und mit einem kleinen PS …: 

Herzlichen Glückwunsch, WDR4! Der Sender hat es tatsächlich geschafft, Hörerzuwächse zu verzeichnen – von mehreren Millionen verlorenen Hörern konnten 20.000 wieder „ins Boot geholt“ (oder neu gewonnen?) werden. Wie der Sender im „Gesamt-Ranking“ dasteht, ist hingegen nur mittels eigener Rechnerei ermittelbar, weil WDR4 seit Anfang 2017 werbefrei ist und in der Liste der meist gehörten Radioprogramme nur Sender mit Werbung vorkommen. Nur ganz böse Menschen sehen einen kausalen Zusammenhang zwischen Wegfall der Werbung und Steigerung der Hörerzahlen.

Vielleicht wagen wir mal einen Blick über den Tellerrand – also auf die allgemeine Radioszene. Einer der erfolgreichsten Sender Deutschlands war seit vielen Jahren Antenne Bayern. Dessen Hörfunkdirektorin Valerie Weber ist bekanntlich zu WDR4 gewandert, also von einem privaten zu einem öffentlich-rechtlichen Sender. Das ist wie in der Politik – da werden ja auch Juristinnen Wirtschaftsministerin, weil der Posten gerade frei ist – oder vermeintliche Kanzlerkandidaten Außenminister, weil sie nicht gewählt werden würden. Entsprechend ist offensichtlich beliebig, ob man die Verantwortung für einen privaten oder einen öffentlich-rechtlichen Sender innehat.

Und siehe da – kaum ist Frau Weber bei Antenne Bayern weg, verliert der Sender massiv an Hörern und kriegt das Schalke-Syndrom (sofortiger Austausch des Verantwortlichen bei vermeintlicher Erfolglosigkeit). Nutznießer des Ganzen ist doppelt und dreifach – naaaa.? Richtig: Valerie Weber. Und jetzt kommt’s – die Aufzählung der Erfolge ist gigantisch: Beispielsweise hat WDR2 es geschafft, 30.000 neue Hörer hinzuzugewinnen und ist das meistgehörte öffentlich-rechtliche Radioprogramm Deutschlands. Auch 1Live konnte sich im Ranking verbessern und ist nun zweitmeist gehörtes öffentlich-rechtliches Radioprogramm Deutschlands.

Nun kommen wieder die bösen Ergänzungen: WDR2 hat zwar gut 30.000 Hörer hinzugewonnen, aber 1Live hat 30.000 Hörer verloren und profitiert nur davon, dass andere Sender NOCH schlechter dastehen. Der Verlust von 30.000 Hörern kann offensichtlich unterschiedlich interpretiert werden. Die Webseite quotenmeter.de formuliert es wie folgt: „Valerie Weber hat es geschafft, 1LIVE zum zweiterfolgreichsten Programm des Landes zu machen.“ – Und: Nach wie vor ist das private Hörfunkprogramm Radio NRW mit weitem Abstand meistgehörter Sender Deutschlands (also das, was noch vor einigen Jahren WDR4 war) – und zwar ohne Zwangsabgabe, rein werbefinanziert. Das gebührenfinanzierte WDR2 hat noch immer rund 600.000 Hörer weniger als das absolut vergleichbare Radio NRW.

Will sagen: Der einzige Anspruch, den der WDR offensichtlich hat, ist es, Quote zu machen. Mit WDR2, 1Live und WDR4 scheint man das zu erreichen. Ob man damit der deutschen Musikszene massiv schadet, ist dem WDR komplett egal – Hauptsache, die Quote stimmt. Mit Schlager könnte man vielleicht noch mehr Einschaltquote erreichen – das sieht man aber nicht beim WDR, weil man anscheinend noch nie die Kölnarena oder diverse Stadien besucht hat, in denen der Schlager abgefeiert wird. Auch die diversen Fernsehreportagen und Shows zum Thema Schlager nimmt man nicht wahr. Wenn irgendein Meinungsforschungsinstitut einen Alt-68-er fragt, ob er lieber Stones oder Roy Black hört und „Stones“ die Antwort ist, dann reicht das allem Anschein nach als Aussage, dass Schlager keine Quote bringe. Die Zahlen mögen dem Sender irgendwo auch Recht geben.

Aber: Wenn man den öffentlichen Auftrag im Hauptprogramm missachtet und den auf gleich zwei „Elitesendern“ (WDR3 und WDR5) aufteilt, die quasi „unter Ausschluss der Öffentlichkeit“ senden, bin ich der Meinung, dass eine Rundfunkabgabe keinen Sinn mehr macht. Programm für die breite Masse – das kann offensichtlich Radio NRW sogar besser als der WDR – zumindest ist es das meistgehörte Programm. Und wenn eine Elite ihr Programm haben will, ist fraglich, ob das per Zwangsabgabe finanziert werden muss.

Was den Schlagerfreunden trotz der positiven Hörerentwicklung im Fall WDR4 Mut machen kann, ist der Wegfall der Werbung bei dem Sender. Man musste sich nämlich entscheiden, bei einem Sender die Werbung entfallen zu lassen, weil es entsprechende gesetzliche Sachzwänge gab. Man entschied sich für WDR4, weil – O-Ton: „Hier müssen wir durch den Wegfall nur minimal in den Programmablauf eingreifen, was letztendlich auch den Hörerinnen und Hörer zugutekommt.“. Nach meiner Einschätzung stellte Valerie Weber beim Ausspruch dieser These fest, dass ihre Nase eine unschöne Verlängerung erfuhr und legte rasch nach: „Außerdem entsteht dem uns durch diesen Werbeverzicht auch der vergleichsweise geringste finanzielle Schaden.“, womit das hübsche Näschen zum Glück wieder seine attraktive Form bekam. Diese Werbefreiheit kann den Schlagerfans zugute kommen – die Arbeitshypothese beim WDR ist ja offensichtlich die, dass man mit Schlagern keine lukrativen Werbebuchungen bekommt (nach meiner Vermutung ist das totaler Blödsinn, sonst würde sich RTL in dem Bereich nicht so engagieren – aber egal). Den Druck, Werbeeinnahmen generieren zu müssen, hat man somit auf WDR4 nicht mehr. Wenn man behutsam kleine Inseln für Schlager schafft, könnte man damit zum Einen die nervigen Diskussionen zum Thema eindämmen, und zum Anderen vielleicht sogar noch weitere Hörer generieren – es bleibt spannend… Zumindest die „Schallplattenbar“, das einzige strahlende Top-Highlight des WDR4-Porgramms, dürfte erhalten bleiben – die vielen lobenden Postings allein bei den sozialen Netzwerken sprechen da eine eindeutige Sprache – es bleibt spannend…

 

PS: Nebenbei bemerkt, der Berliner Schlagersender B2 hat in der Mediaanalyse 56,5 Prozent Hörer hinzugewinnen können und ist damit deutschlandweit(!) der größte Gewinner der Mediaanalyse. Radioszene.de formuliert es wie folgt: „Radio B2 und Schlager sind derzeit voll im Trend“. Dem ist nichts hinzuzufügen…

 

 

Quellen u. a.:

http://www.radioszene.de/101798/media-analyse-ma-2017-radio-i.html

https://presse.wdr.de/plounge/wdr/unternehmen/2016/06/20160630_werbereduzierung.html

 

http://www.radioszene.de/102176/media-analyse-radiob2-deutschlandweit-groesste-gewinner.html

Stephan Imming, 10.03.2017
http://www1.wdr.de/radio/wdr4/
http://www1.wdr.de/radio/wdr4/

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