ROLAND KAISER
Die CD "Auf den Kopf gestellt" im Test von Holger Stürenburg!

Es ist des Kaisers erfolgreichstes Album seit 35 Jahren in den Offiziellen Deutschen Charts! 

Das neue Jahr 2016 ist kaum acht Wochen alt, da wurden bereits einige spektakuläre Tonträger veröffentlicht. Hierbei handelte es sich gerade um solche einiger derjenigen Interpreten aus dem deutschsprachigen Bereich, zu denen bzw. deren künstlerischem Tun sich der Verfasser dieser Zeilen seit oft über drei Dezennien besonders intensiv hingezogen fühlt – und folglich deren Karriere, zunächst zu Kinder- und Jugendtagen als beinharter Fan, später im beruflichen Dasein im journalistischen und analytischen Kontext, so penibel, wie detailverliebt mitbegleitet hat. So erschienen gleich nach Jahresbeginn neue Alben von „BAP“ (heute, wie zu Anfangstagen: „Niedeckens BAP“) und von Heinz Rudolf Kunze (Rezension folgt dieser Tage) im Deutschrock-Spektrum, sowie von Bernhard Brink und eben ROLAND KAISER auf dem Gebiet des gehobenen, teutonischen Schlagers mit Popappeal.

Heute soll an dieser Stelle „AUF DEN KOPF GESTELLT“, das neue Opus von ROLAND KAISER, ausführlich gewürdigt werden. Nach vollständiger Genesung von der schweren Lungenkrankheit „COPD“ (Chronic Obstructive Pulmonary Disease) durch die Transplantation einer Lunge im Februar 2010 und seinem Wechsel vom Produzenten Jack White und dessen (inzwischen verblichener) Firma „Gloriella“ ins Haus ARIOLA 2012/13, startete der große Edelmann auf der Balance zwischen attraktivem Schlager und deutschem Pop mit internationalem Anspruch ein außerordentliches Comeback.

Schon Rolands Abschied von „Gloriella“, „Affären“ – für dieses famose Album hatte der Frischgenesene all die großen Hits seiner inzwischen knapp 43 Jahre währenden Karriere gemeinsam mit dem Filmorchester Babelsberg, oft in opulenten, großorchestralen Arrangements, neu aufgenommen –, verpasste im Sommer 2012 nur um Haaresbreite die Top 10 der LP-Hitparaden, sein Einstand bei ARIOLA, genau zwei Jahre darauf, glich dafür sogleich einem realen Triumphzug: „Seelenbahnen“ wurde von Fans, wie Kritikern, unisono gefeiert, verblieb insgesamt 34 Wochen in den Hitlisten, erreichte als Höchstnotierung Rang 10 und wurde mit einer Goldenen Schallplatte für über 100.000 verkaufte Exemplare ausgezeichnet. Ein explizit hervorzuhebender Erfolg war (und ist) der zweiten Singleauskoppelung aus „Seelenbahnen“ beschieden: Über 11.290.000 Mal (!- Stand: 29.02.2016) sahen sich die Fans auf YouTube den liebenswert frechen Clip zu „Warum hab‘ ich nicht Nein gesagt?“ an, demjenigen, so edelmütigen, wie hocherotischen Softrock-Ohrwurm, den der Grandseigneur des deutschen Schlagers in schier prickelnder vokalistischer Kooperation mit Sängerin, Song- und Buchautorin Maite Kelly 2014 für sein ARIOLA-Debüt eingesungen hatte.

Längst haben sich stehenden Fußes die regelmäßigen „Kaisermania“-Open-Air-Shows am Dresdener Elbufer zu einem wahren Kultereignis entwickelt. Im Rahmen derer, zelebriert Roland Kaiser, begleitet von einer vielköpfigen, zutiefst professionell agierenden Band, seit 2011, jeweils im Hochsommer, knapp drei Stunden lang, genüsslich seine reputierlichsten Songs vor ca. 35.000 ausgelassenen Fans. Zuletzt wurden die jährlichen „Kaisermania“-Aufwartungen ‚live‘ via MDR übertragen, die 2014er-Ausgabe, mit sage und schreibe 27 ‚live‘ dargebotenen Titeln, ist seit einem Jahr auf der proppevollen Do-CD/DVD „Seelenbahnen – Die Kaisermania-Edition“ erhältlich.

Doch nun zu „AUF DEN KOPF GESTELLT“, aktuell auf Rang 2 der deutschen LP-Hitparaden; die beste Notierung eines Roland-Kaisers-Albums seit der legendären LP „Dich zu lieben“ im Herbst 1981. Diese phantastische Platzierung hat sich der aktuelle 15-Song-Reigen auch absolut und unwiderruflich verdient. Zwei Grundsätze hatte sich der 63jährige Interpret hinsichtlich der Konzeption und Produktion seines neuesten musikalischen Babys selbst gesetzt. Zum einen wollte er thematisch in den auszuformulierenden Liedern immer wieder darüber erzählen, aufgrund welcher verschiedener Modi und Ausprägungen sich das Leben eines Menschen so „auf den Kopf stellen“ kann, ob durch die Findung eines neuen Partners, den Verlust des  Jobs oder die Gesundung von einer schweren Krankheit. Diese und ähnliche, teils gewollte, teils durch das Leben erzwungene Neuanfänge bzw. gravierende Änderungen des Bisherigen, stellen das stoffliche Themengerüst für „Auf den Kopf gestellt“ dar. Bezüglich der musikalischen Umsetzung, gedachte Roland Kaiser, wie gewohnt, auf „moderne Popschlager und gefühlvolle Balladen“ (Zitat) zu setzen, um „modern, aber nicht unkommerziell“ (dto.) zu klingen.

Dies ist Roland Kaiser auf „Auf den Kopf gestellt“ ausnahmslos in bester Fasson gelungen. Nehmen wir gleich den Eröffner und Titelsong. Dieser berichtet, garniert mit leidlich schlageruntypischen, sehr fetten Gitarren- und Synthesizer-Riffs und druckvoll-rockigen Rhythmen, über die von einer Sekunde auf die andere in das Leben des Lied-Ichs springende, neue, große Liebe, welche das zuvor betriebene, eher materielle und erfolgsorientierte Denken und Fühlen desselben ganz schön „auf den Kopf stellt“. Es folgt eine nächtlich-melancholische, feudal streicherverzierte Pianoballade, verbunden mit einer interessanten textlichen Wendung bzw. einer nicht auf den ersten Blick ersichtlichen, lyrischen Intention. Es handelt sich bei „Brief an mich selbst“ keineswegs, wie in Anbetracht der Betitelung vielleicht zunächst zu vermuten ist, um eine autobiographische, womöglich rückblickende, positive oder negative Abrechnung mit sich selbst, sondern vielmehr um eine Zusammenfassung all derjenigen schönen Dinge, die der Protagonist mit seiner geliebten Partnerin so erlebt. Er notiert all diese in Form eines Briefes an ihn selbst, adressiert diesen an sich persönlich – und plant, ebenjenes Dokument zu einem Zeitpunkt an seine eigene Adresse abzusenden, an dem es in der Beziehung allenfalls schwerwiegendere Differenzen gibt. Erst dann wolle er genau diesen Zeilen entnehmen, was er doch stets für seine Freundin empfunden hatte, weshalb er so an ihr hängt und sie auf keinen Fall verlieren möchte. Dies alles natürlich in der Hoffnung, dieser „Brief an mich selbst“ möge verstauben und niemals genutzt werden, weil seine Partnerschaft auf immer und ewig funktionieren und man immer wieder zueinander finden möge.

Als erste Single aus „Auf den Kopf gestellt“ dient der recht amerikanisch inszenierte, erneut entschieden gitarrengetriebene Powerpop „Das Beste am Leben“; rigoros optimistisch, aufstrebend, mitsingbar-hymnisch, eingängig, ausgestaltet, übrigens geschrieben vom Dresdener Schlagerchansonnier Andre‘ Stade (erinnere: „Jeanny, wach auf“, 1996) und dessen Team. Auf diese immens gelungene, gesungene Proklamation von Lebensfreude und Glückseligkeit, folgt eine zeitgemäße, dabei betont 90er-Jahre-orientierte, eher dunkel-introvertierte Pop/Soft-Rap-Klangkollage namens „Hör auf Dein Herz“, die Roland in väterlich-liebevoller Manier mit einer wesentlich jüngeren Duettpartnerin ehrlich und wirklichkeitsnah interpretiert (auch, wenn die von ihm dargebotenen Rap-Passagen stimmlich einwenig so tönen, als sei Bruce Low Hip-Hopper gewesen!).

Der proper und abgeklärt, in gleicher Weise drastisch und einwenig trotzig, klanglich kernig und robust vor sich hin rockende Abschiedsgesang „Halt mich noch einmal fest“ entstammt der Feder des Kollegen Nino de Angelo, woraufhin mal wieder ein – nicht nur entfernt an obligatorische Peter-Maffay–Feuerzeugballaden gemahnender –, enorm ernsthafter und tiefgehender Edelschleicher an der Reihe ist: „Ein Leben lang“ zeigt sich wiederholt prallgefüllt mit authentischen Gefühlen, Empfindungen und unverblümter Zuneigung und besitzt somit einwandfrei das Zeug dazu, einst den Status des meist eher stillen und doch parallel Hoffnung verstrahlenden, allerletzten Liedbeitrags bei künftigen Roland-Kaiser-Konzerten zu erreichen.

Schnell wird nun wieder beträchtlich voranstrebend, schnurstracks geradeaus, zukunftsorientiert und zuversichtlich drauflos gerockt. „Fünfundzwanzig Stunden“, so nennt sich Titel Numero Sieben auf vorliegender CD, könne von nun an der Tag des Lied-Ichs gerne dauern, da dieses fortan nie wieder plant, missmutig an sich vorbeizuleben, sich unnötig zu verbiegen, folglich der Protagonist nicht mehr zögern und zaudern mag, sondern nur noch genau das zu tun gedenkt, was er selbst auch wirklich und aus ganzem Herzen möchte.

In mittlerem Tempo ausgeführt, näher bei spätem Springsteen und anderen altehrwürdigen US-Rockern dessen Generation, denn bei traditionellem, einheimischen Schlagerliedgut angesiedelt, hierbei wiederum rockig-poppig groovend, gitarrenlastig, schwebend, hören wir nun das enttäuschte, aber niemals resignierte, vielmehr das Beziehungsende ironisch verarbeitende, gesungene Goodbye „Applaus für Deine Lügen“, woran der temporeiche, aufbrausende, geradlinige Gitarrenrocker „Kein Problem“ trefflich anschließt. Ebenso rasant, rhythmisch, geradezu straight-peitschend, stellt Roland nun sein ambivalentes Verhältnis zu einer verträumten, realitätsfernen „Seiltänzerin“ (Liedtitel) dar, die zwar gerne auf Wolken in Richtung irgendwelcher Luftschlösser spaziert, dagegen im alltäglichen Leben nur allzu oft scheitert.

Swingend, jazzig, kess und offensiv, von so üppigen, wie erlesenen Bläsern verstärkt, vernehmen wir nun den klingenden Seitensprung „Ich wär‘ so gern der andere Mann“, während der legere, schwelgerische Pop/Rocker „Weil Du in mir gespeichert bist“ über die Schwierigkeiten eines Ex-Partners sinniert, nach der Trennung von seiner bisherigen Liebsten einfach so und sofort, emotionslos und alles vorherige vergessend, zur Tagesordnung über zu gehen. Balladesk, sinnlich und sensibel in einem, wird es daraufhin in der intimen, liebe- und erwartungsvollen Betrachtung von Tag Eins nach einer Hochzeit, „Am Morgen nach dem großen Tag“. Ebenfalls in einem ruhigen, nachdenklichen Ambiente verbleibt „Und wenn Dein Name Leila wär“. Darin wirft Roland Kaiser die Frage auf, ob eine gute, freundschaftliche, auch verliebte Beziehung zu einer Frau denn möglich sei, wenn diese in einem ganz anderen Kulturkreis verwurzelt wäre.

Das grazile, deutlich zurückhaltend und leise umgesetzte Piano-plus-Streicher-Chanson „Herzbeben“ beendet eine grandiose Liedsammlung eines wahrhaft phänomenalen, weil niemals langweiligen, sich immer wieder neu entdeckenden und erfindenden Künstlers. Roland Kaisers 15 neue Songs klingen feinfühlig und gentlemanlike, häufig schneidig und schnittig – es überwiegen auf hier analysierter Silberscheibe eindeutig die poppig-rockigen Nummern -, zudem aber gleichzeitig sehr zerbrechlich und galant und nicht selten zweideutig-lasziv, erotisch, schwärmerisch und immer weltmännisch, routiniert und mondän. Roland Kaiser ist und bleibt ein Könner seines Metiers, öffnet sich zunehmend rockigeren, lauteren, unüberhörbar US-amerikanisch beeinflussten Melodieführungen und entsprechenden musikalischen Auskleidungen derselben.

„AUF DEN KOPF GESTELLT“, das neue Album von ROLAND KAISER, ist eine spürbar zielstrebige und perfekt austarierte, mit viel Herz, Seele und zugleich Raffinesse und Intelligenz ausgestattete Produktion geworden, voller Leidenschaft, Enthusiasmus und einer gehörigen Portion an konstruktiver Nonchalance und knisternder Noblesse!

Holger Stürenburg, 28./29. Februar 2016
http://www.ariola.de
http://www.roland-kaiser.de

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