MARY ROOS
Die neue CD "Bilder meines Lebens" im Test von Holger Stürenburg!
Das (in der Tat äußerst mannigfaltige!) Album mit den Radio-Hits “Einzigartig” und “Unbemannt” ist ab Freitag (16.01.2015) im Handel erhältlich!
Kaum sind die letzten Silvesterböller verklungen und verraucht, haben sich die Sternsinger wieder abgeschminkt und entkostümiert, sind die meisten Christbäume abgeräumt und auf der Müllhalde verschwunden, startet das neue Jahr schon mit einigen aufregenden Donnerschlägen. Nein, nicht Katja Sudings Beine, nicht Justin Biebers Unterhose, auch nicht der rasende Orkan, der dieser Tage über Norddeutschland hinwegfegte, sondern vielmehr ein erstklassiges, wahrhaftig durchaus stürmisches, musikkulturelles Ereignis soll der Anlass sein, heute meine im August 2014 erneuerte Tätigkeit für Smago.de auch im soeben angebrochenen Jahr 2015 mit einem schönen Bericht weiterzuführen!
Eine der seit Jahrzehnten beliebtesten einheimischen Sängerinnen, die abwechselnd in Hamburg und Braunfels lebende Powerfrau des Deutschen Schlager, MARY ROOS, schickt dieser Tage ein brandaktuelles Album ins Rennen, das tatsächlich einen mehr als nur attraktiven Beginn des teutonischen Popjahres 2015 bedeutet!
Hierbei handelt es sich um die erste Studioproduktion der soeben 66 Jahre jung gewordenen, gebürtigen Rheinland-Pfälzerin nach ihrem überall hochgelobten Swing-trifft-Chanson-Ausflug „Denk das Du willst“, der im April 2013 außer der Reihe bei UNIVERSAL erschienen war und neben opulenten Balladen, frechen, oft akustisch arrangierten Swing-Couplets und vornehmem, zeitnahen Neo-Pop inkl. diverser Electro-Spielereien auf jazziger Grundlage, auch landauf, landab gefeierte Coverversionen von z.B. Jacques Brels melancholisch-morbidem Überchanson “Ne Me Quitte Pas” oder des wunderschönen, leise flirrenden Sambas “O Leãozinho” des brasilianischen Sängers und Liedermachers Caetano Veloso der erstaunten Musikwelt präsentierte.
Obwohl nicht mehr ganz so überernst, vollmundig und „sophisticated“ – böse Zungen würden sagen: hypertroph -ausgestaltet, wie auf dem vom Mailänder Jazz-Ass Roberto Di Gioia (u.a. Klaus Doldinger, Till Brönner, „Marsmobil“) geschliffenen Vorgängerdiamanten, so setzt die seit 1958 (!) kontinuierlich im Popgeschehen aktive (und gleichermaßen erfolgreiche) Edeldame der deutschen leichten Muse auch bei ihrem neuesten Melodienstrauß, der nun wieder bei ihrer angestammten Company DA Music auf den Markt kommt, musikalisch wiederum häufig – und zumeist überaus vortrefflich, würzig und punktgenau – auf peppig-jazziges, modern-poppiges oder tiefgehend-chansonhaftes Liedmaterial von international jederzeit konkurrenzfähigem Format. Für diese größtenteils exquisite Songauswahl zeichnen, abgesehen von Marys jungem Hamburger Produzenten und Songschreiber Sven Bünger (Ina Müller, „Madsen“, Yvonne Catterfeld), z.B. der ebenfalls aus der Hansestadt stammende Poplyriker Frank Ramond, die Kölner Songpoetin und Kabarettistin Pe Werner oder der Münsteraner Popsänger Johannes Oerding verantwortlich.
Gleich der fundamentale Einstieg des programmatisch „Bilder meines Lebens“ (DA Music) betitelten 12-Titel-Opus kann durchaus als übergeordnetes Motto der gesamten Liedsammlung bezeichnet werden: „Entspann Dich“ nennt sich die zwar locker-flockige, dabei aber durchaus rockig-offensive und mit liebenswerter Strenge vorgetragene Aufforderung, alles nicht so eng zu sehen, mal Fünfe gerade sein zu lassen und das Leben eben so zu nehmen, wie es ist. Und genauso entspannt, relaxed, von durchgehend positivem, lebensbejahendem Fluidum erfüllt, schleichen die einzelnen, sehr kompakten, integer und ansprechend aufbereiteten tönenden Schätze durch die Boxen, sämtlich einzuordnen zwischen Pop, Swing, Chanson, kaum Schlager, dafür – ungewohnt – ein paar wohlmundenden Einflüssen aus Folk, lateinamerikanischem Mambo-Feeling und allen möglichen Varianten des gemeinhin als „Easy Listening“ zusammengefassten, beruhigend-ablenkenden Klangvergnügens auf jazzorientierter Basis.
Als aktuelle Radiosingle dient die frech vor sich hin swingende „Lizenz zum Verlieben“ (Textzitat) „Unbemannt“. Dieser so elegante, wie aufmüpfige Muntermacher wurde ersonnen von PE Werner, dem in der Domstadt ansässigen „Weibsbild mit Kribbeln im Bauch“, und passt mit seiner augenzwinkernden, burschikosen Attitüde ausgezeichnet zu der selbstbewussten und trotzdem stets eine echte Frau, jenseits von Emanzengehabe und Wichtigtuerei, gebliebenen Vollblutkünstlerin, die in den 70ern und 80ern zig Topmelodien großer Songautoren, von „Arizona Man“ und „Hamburg im Regen“ bis „Ich werde geh’n heute Nacht“ (1979) oder „Aufrecht geh’n“, alleine durch ihre liebenswerte, ehrliche Intonationsweise zu veritablen Evergreens hatte ausgestalten können. Schon im Sommer 2014 hatte „Einzigartig“, die trefflich zur Jahreszeit des Erscheinungsdatums passende Vorabauskoppelung aus „Bilder meines Lebens“, eben jenes titelgebende Wort in puncto Mary Roos eindrucksvoll und unstreitig bestätigt und zudem einen oft gewünschten, zeitweise täglich gespielten Radio-Reißer geschaffen. Ebenso in einem wolkig-lieblichen, swingend-kessen, schier frühlingshaft, taufrisch anmutenden musikalischen Kontext erblüht der philosophische Fingerschnipper „Wartezeit“, der in seinen besten Momenten an die eher chansonorientierte Phase von Caterina Valente oder sogar an manch nachdenklich-anregendes Kleinod von Hildegard Knef erinnert.
Musikalisch spürbar folkorientiert, beinahe im Sinne eines traditionellen Bänkelgesangs, dabei gemütlich, sanft und einfühlsam umgesetzt, wirbt die zärtliche Kaminfeuer-Untermalung „Sie tun’s immer noch“ für aktiv ausgelebte (auch körperliche) Liebe im Alter. Fröhlich, poppig und zugleich tiefgründig und in sich gehend wird’s im konsequent kultivierten, regelrecht aristokratischen, so gefühlsintensiven, im besten Sinne des Wortes geradewegs fließenden, gleitenden, weil hochmodischen Popchanson „Die kleinen Dinge“.
„Du“, ein quasi-akustisches, filigran vor sich hin schlürfendes Duett mit dem Aachener Singer/Songwriter Stephan Piez a/ka „Der Polar“, gesungen aus der Sicht einer reiferen Dame und ihres viel jüngeren (nur platonischen?) Freundes, verbreitet in echtester, authentischster Ausprägung wohlige, zwischenmenschlich innige Wärme bei beiden vortragenden Protagonisten, wie immer sie auch genau zueinander stehen mögen. Der fast nur von leisestem Piano und kaum merkbaren Streicherpassagen getragene Titelsong beschreibt ebenfalls intime, aus dem tiefsten Herzen kommende, herbstliche Gefühle einer erwachsenen und erfahrenen Frau, die keine 35 mehr ist (obwohl sie stimmlich jederzeit so klingt!) und daher, immer zukunftsorientiert und dennoch mit vollster Berechtigung einwenig sentimental resümierend, die „Bilder ihres Lebens“ nochmals in Gedanken an sich vorbeiziehen lässt.
Zu den atmosphärischsten und leidenschaftlichsten Beiträgen auf „Bilder meines Lebens“ zählt zweifelsohne „Ich wünschte, gestern wäre morgen“. Dieses graziöse, nahezu anmutige Schlagerchanson bietet ein so würdevolles, wie gleichsam fragendes Statement einer von immenser Enttäuschung – auch über sich selbst – geplagten Frau, die sich in einer zu Routine und Langeweile erstarrten Beziehung befindet und sich, am besten natürlich zusammen mit ihrem Partner, wieder in die wild pochende, heißverliebte Anfangsphase ihrer gemeinsamen Zeit zurückwünscht, um ihm noch einmal, genauso intensiv und verschossen wie am ersten Tag, vorschwärmen zu können, was sie alles so sehr an ihm mag.
Im flink-feudalen Gitarrenpop „Merkste selber“ versucht Mary, keineswegs gouvernantenhaft oder gar zeigefingerschwenkend, aber durchaus engagiert und pädagogisch wertvoll, ihren mutmaßlich besten Freund von kleinen, aber unter Umständen folgenreichen Dummheiten abzuhalten. Verhalten rockig, nach und nach vorantreibend bis aufwühlend, ertönt der fesche, so anschmiegsame, wie lebenslustige und moderate Geradeaus-Popschlager „Mit der Zeit“, während das gediegen prickelnde, geschmackvoll zurückhaltend ausgekleidete, sektkelchklare Jazzpop-Kleinod „Kein Plan“ eine vorzügliche, ausgesprochen delikate Samba-Easy-Listening-Melange voller funkelnden und schillernden Ambientes aufbietet
In eingangs erwähntem, flauschig-luftigen 2014er-Sommerhit „Einzigartig“ heißt es so schön: „Sei ungewöhnlich / sei schräg und speziell / sei extravagant / und originell… sei ganz Du selbst / denn alle anderen gibt es schon“.
Ja, und genau diese kraftvolle Intention der hier zitierten Textzeilen, verfasst von Johannes Oerding, macht sich die mittelblonde Künstlerin seit unzähligen Jahren zu Eigen. In jenen Worten findet sich das ureigene Lebensbild, die exzessiv verwirklichte Denkweise, ja geradezu das Karma, das schiere Lebenselixier der Mary Roos auch und besonders anno Domini 2015 detailgetreu wieder! Davon legt „Bilder meines Lebens“ in jedem einzelnen, gesungenen Bildnis so perfekt, wie ungekünstelt, Zeugnis ab. Doch hüte man sich, in Anbetracht der darin in fast jedem Takt versprühten jugendlichen Frische, des Schwungs, der unbändigen Dynamik des vorliegenden Liedrepertoires bitte eindeutig und gründlich davor, „Bilder meines Lebens“ womöglich als „Alterswerk“ oder gar kreativen Kehraus einer scheinbar in die Jahre gekommenen Künstlerin abzuqualifizieren. Aus jeder Fuge der hier vorgestellten Silberscheibe quillt pure quirlige Lebensfreude, Lust, Frohsinn, Begehren, gleichsam Weitblick, Sachkenntnis und Vertrautheit – so dass es wahrlich noch lange, lange nicht an der Zeit dafür ist, allenfalls abschließende „Bilder meines Lebens“ von Mary Roos zu zeichnen!
Holger Stürenburg, 07. Januar 2015 bis 09. Januar 2015
http://www.da-music.de
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