UDO JÜRGENS
smago! exklusiv vorab: Die Udo-Jürgens-Serie "Sein Leben – seine Erfolge"! Teil 4: ""Moskauer Nächte"!

Ein weiterer Gast-Beitrag von René Jochade! Erneut mit top-exklusiver Fotostrecke…: 

Ein kurzer Sprung zurück ins Jahr 1956:

Bei seinen ersten Plattenaufnahmen in Berlin lernte UDO JÜRGENS den damals recht bekannten Sänger Frank Forster kennen.

Frank hatte bereits ein Jahr zuvor mit "Cindy, oh Cindy" einen echten Hit landen können und stand nun bei der Polydor unter Vertrag, während Udo noch beim Sub-Label Heliodor seine "Trallala-Titel" aufnehmen durfte.

Große Unterschiede bei den Aufnahmepraktiken gab es allerdings nicht: Alle Arrangements wurden ohne Mitsprache des Interpreten gemacht. Oft durfte nur auf die tonbandgespeicherte Orchestermusik "draufgesungen" werden. Welche Titel der Künstler vorgelegt bekam, war eher Glückssache. Kein Wunder, dass sich weder Udo noch Frank Forster bei diesen Arbeitsbedingungen wohl fühlen konnten…

Udo war bislang jedes mal, wenn die Plattenfirma rief, aus dem weit entfernten Südkärntener Elternhaus angereist. Zusammen mit Frank Forster jazzte er dann abends sehr oft noch in der Berliner Kennerkneipe "Badewanne". Beide fanden schnell Gefallen aneinander, und so kam es, dass sich die beiden Junggesellen schließlich im Jahre 1957 eine gemeinsame Wohnung in München teilten.

Fast alles wurde von nun an gemeinsam gemacht, auch diverse Tourneen mit einem gewissen Max Greger und seinem Orchester. Die eigenen Plattentitel wurden dort allerdings fast nie gesungen – vielmehr kam immer wieder die alte Liebe zu amerikanischen Nummern, wie "True Love" oder "Now You has Jazz" durch. Selbst Max Greger schwärmte auch später noch von dieser Zeit. Das Schöne war vor allem, dass es nicht nur den Künstlern Spaß machte, sondern auch beim Publikum hervorragend ankam.

Allerdings gab es einen Wermutstropfen: Die Tourneen mussten sehr oft im "Schweinsgalopp" absolviert werden, meist mit zwei Vorstellungen täglich. Als Beispiel diene der Tourneeplan "Die Schlagerillustrierte":

 

Samstag, 26. April 1958

19.30 Uhr: Bad Oeynhausen "Die Leiter"
22.30 Uhr: Bielefeld "Capitol-Lichtspieltheater"

Trotz allem blieb genügend Zeit für Mußestunden. Die musisch-geistigen Interessen von Udo und Frank waren allemal die gleichen, also hörte man sich unter kollegialer Kritik gegenseitig seine Lieder ab und debattierte allgemein politische sowie selbstverständlich auch "partnerschaftliche" Probleme – vor allem die, welche mit weiblichen Verehrerinnen zu tun hatten.

Die Legende vom "hungernden Künstlerpaar" dürfte allerdings der Fabel angehören, denn die gemeinsame Haushaltskasse warf nun immer öfter auch beider Lieblingsgetränk Whisky-Soda sowie "Steak a la Forster" ab. Das waren für den deutschen Durchschnittsbürger damals fast "feudale Genussmittel". Was heutzutage selbstverständlich ist, hatte damals Ende der Fünfziger nicht nur einen Hauch von Statussymbol…

Wenig später – beide Freunde hatten von satten Plattenverkäufen die Taschen voller Geld – kam ihnen das Thema "Autokauf" in den Sinn. Also begab man sich flugs zum nächsten Ford-Autohaus und orderte dort zwei Exemplare der damals schnittigsten Mittelklasse-Limousine, dem Ford Modell 17M mit durchgezogenem Chrom-Kühlergrill und US-importierten Heckflossen. Beide Autos waren in den Farben Weiß-Schwarz-Weiß.

Binnen fünf Minuten waren die Verträge unter Dach und Fach, und wenig später konnten die beiden stolzen Besitzer ihre "Schlitten", einen hinter dem anderen, vor ihrem Haus parken.

Leider stellte sich wenig später heraus, dass meist nur eines der beiden Fahrzeuge benutzt werden konnte, da wegen kleinerer finanzieller Durststrecken bei Jürgens/Forster das Benzingeld knapp wurde…

Ansonsten ging es mit der Erfolgs- und Beschäftigungskurve beider Künstler weiter nach oben. Dies spiegelte sich vor allem bei einer fünfmonatigen Mammuttournee mit Max Greger wieder.

Natürlich gab es hin und wieder auch kleine Eifersüchteleien, wenn es bei den Proben um die Reihenfolge der Auftritte im Programm, also um die prominente Platzierung im Rampenlicht ging. Frank und Udo lösten dies jedoch ganz einfach durch ein simples Abwechselspiel unter sich.

Auch kleine Blödeleien zwischen den Auftritten kamen immer wieder vor. Einmal imitierten die Westernfilm-Fans Greger, Jürgens und Forster kurz vor dem Auftritt ihre filmischen Vorbilder. Halb angezogen und die Hände an den eingebildeten Colttaschen steigerten sie sich hinter dem Vorhang in Marlon-Brando-Haltung ("Der Besessene") hinein. Auf einmal schreckte sie schallendes Saalgelächter auf – Band-Komiker Freddie Brock hatte heimlich den Vorhang gelüftet…

Im Jahre 1959 stand dem Duo Udo/Frank dann ein facettenreiches Schlüsselerlebnis ins Haus: ein sechswöchiges Gastspiel mit Max Greger & Co in der UdSSR war angesagt! Es war gleichzeitig das erste Gastspiel überhaupt, welches eine westliche Big-Band nach dem Krieg dort geben durfte. Also kam zu den normalen Reisevorbereitungen auch noch ein gehöriger Schuss Vorreisefieber und Abenteuerlust dazu.

In Zeiten des sich anbahnenden kalten Krieges mit Nikita Chruschtschow auf russischer Seite und einer möglichen Konfrontation beider Machtblöcke kam dieser Tournee also eine ganz besondere Bedeutung zu.

Am 01.06.1959 war es dann endlich soweit. Die Truppe, zu der außer Udo Jürgens u. a. auch Frank Forster, Maria Hellwig, Pianist Carlos Diernhammer (später als Peter Covent weltberühmt), Startrompeter Roy Etzel und Blechbläser Freddy Brock gehörten, umfasste mit "Gefolge" rund 30 Mann.

Mit Bussen fuhr man zuerst nach Ostberlin, und von dort aus mit dem Zug nach Moskau. Während der dreitägigen Zugfahrt lernte Udo auch jenes russische Ehepaar kennen, von dem sich später herausstellte, dass der Mann (ein berühmter russischer Arzt) einst einem Hund einen zweiten Kopf "aufgepflanzt" und das Tier sogar noch ein paar Tage am Leben erhalten hatte. Jener Professor war es dann auch, der Udo während der Fahrt den russischen Text des damals sehr populären Schlagers "Moskauer Nächte" einbläute – natürlich unter reichlichem Genuss von Wodka.

In Moskau angekommen, wurde im Hotel "Ukraine" Quartier bezogen. Udo, Frank Forster, Carlos Diernhammer und Roy Etzel waren dabei Zimmernachbarn und besuchten auch zusammen Udos Großvater-Haus, was ihnen allerdings einigen Ärger einbrachte (Fotografieren war nicht erlaubt, da in dem bewussten Repräsentativ-Bau zu jener Zeit eine hohe Behörde residierte).

Anschließend folgte die "hochoffizielle" Vorstellung des Bigband-Tournee-Repertoires vor den zuständigen Funktionären, welche jeden westlichen Einfluss ablehnten. Udo sang deshalb statt der geplanten amerikanischen Jazz-Nummern den Titel "Ciao, ciao, Bambina", Frank Forster statt "Cassetta in Canada" das unverfängliche "Granada", und Max Greger spielte "Bel ami" statt Rock'n'Roll. So passierte das Programm die Vorauswahl.

Abends folgte dann auch schon die Premiere vor 3000 Zuschauern im Freilichttheater der Roten Armee. Als man während der Vorstellung bemerkte, dass die Zuschauer eigentlich etwas ganz anderes als diese seichte Musik erwarteten, platzte Max Greger irgendwann der Kragen und er rief: "Egal was passiert – jetzt wird richtig losgelegt!".  Und man legte los: Udo sang in knallrotem Hemd und Blue Jeans sein "When The Saints Go Marching In" und Max Greger spielte irre Rhythm-and-Blues-Arrangements und Rock mit "Up Above My Head".

Es war ein Riesenerfolg, hatte aber ein Nachspiel: Man musste zu einer zweiten Unterredung mit dem Beauftragten des Kultusministeriums antreten, erhielt jedoch die Erlaubnis, zumindest im zweiten Drittel des jeweiligen Konzertes die verpönten Jazz-Nummern spielen zu dürfen. Die einzige "Verliererin" war eigentlich nur Maria Hellwig, denn trotz sorgfältiger Vorbereitung (Maria hatte extra Russisch gelernt, um den "Erzherzog-Johann-Jodler" in ebendieser Sprache vortragen zu können) konnten die Russen mit jener "Bayern-Schau" rein gar nichts anfangen. Das kam ihnen irgendwie "spanisch" vor.

Als Nächstes ging es mit dem Zug nach Leningrad, wo die Ovationen keine Grenzen kannten. Aus diesem Grund entschied man sich spontan, außerplanmäßig gleich noch ein paar Zusatzkonzerte in Moskau zu geben.

Anschließend flog man mit dem Tupolew-Düsenjet nach Tiflis, der Hauptstadt Georgiens. Nach einem jubelnden Empfang und Festessen im besten Hotel der Stadt konnten auch hier große Erfolge gefeiert werden. Während der Pause eines Konzertes lernte Udo den bekannten Klaviervirtuosen Shura Cherkassky kennen. Eine Freundschaft entstand, die noch Jahre anhalten sollte.

Nächste Station der Tournee war Jerewan, an der Grenze zur Türkei gelegen. Besonders in Erinnerung geblieben sein dürfte den Freunden dort der abenteuerliche Flug mit einem "Seelenverkäufer" von Propellermaschine. Bereits vor dem Start schwante Orchesterchef Max Greger nichts Gutes, als zwei glatzköpfige Mongolen im Unterhemd das Cockpit erklommen: "Freunde, das wird unser letzter Flug!"

Wider allen Erwartens steuerten die beiden Piloten ihre Maschine jedoch mit solcher Grandezza durch die engen Schluchten des Kaukasus, dass die Truppe ihnen nach der Landung spontan die Hände schüttelte. Ob vor Bewunderung oder vor Erleichterung sei dahingestellt! Das abendliche Konzert kam ihnen danach jedenfalls wie eine Erholung vor…

Nach diesem Abenteuer war vermutlich Baku an der Reihe, die Angaben hierzu sind allerdings widersprüchlich.

Letzte mehrtägige Tournee-Station vor der Rückkehr nach Moskau war dann Sotschi, und das auch noch bei brütender Hitze!

Ein paar Tage Erholung am Schwarzen Meer, und schon rief wieder die Pflicht. Doch ausgerechnet jetzt schlug das Wetter um: Udo sang gerade eine heiße Rocknummer, als ein Platzregen auf die Freilichtbühne niederging und er sich unter das schützende Dach zum Orchester flüchten musste. Als das Publikum jedoch frenetisch "Weitermachen" forderte, rief Max Greger prompt dem wasserscheuen Udo zu: "Geh nach vorn in den Regen!" Die Fans tobten und Udo war klatschnass… Sotschi wurde für Udo also im wahrsten Sinne des Wortes zum "feuchtfröhlichen Vergnügen".

Am Dienstag, dem 8. Juli 1959, war es dann geschafft: Die (ohne Anreise und Erholungstage) 30-tägige Russlandtournee war zu Ende. Eine kleine Panne gab es zum Schluss noch: Man hatte in Moskau vergessen, den Rückflug nach München-Riem zu buchen, so dass eine halbe Nacht lang gewartet werden musste. Danach ging es endlich Richtung Bayern – in die Heimat.

Als Empfangswunsch telefonierte Max Greger bereits vorab: "Bitte a frische Maß herrichten!" Und prompt wurde – sowie die Musikercrew auf dem Rollfeld von München-Riem aus dem Charterflugzeug geklettert war – ein großes Fass aufgemacht. Angehörige, Journalisten und Fans bereiteten den abgekämpften Musikern einen jubelnden Empfang mit Blumen und einem großen Hallo.

Schon tags darauf feierten die Kritiker dieses ungewöhnliche Gastspiel in ihren Zeitungsspalten…

Insgesamt wurden 36 Konzerte gespielt und über 15.000 Kilometer zurückgelegt. Knapp fünf Wochen lang hatte Verständigung nach Noten trotz funktionärsbedingter Startschwierigkeiten den Ton angegeben. Selbst aus der Sowjetunion kam kurz danach ein positives Feedback, welches die Musiker besonders erfreute.

Eine russische Zeitung schrieb: "Diese Kapelle aus Westdeutschland braucht auf dem Podium keine Dolmetscher. Ihr Spiel hat gezeigt, dass Musik immer noch das beste und unmissverständlichste Mittel der Verständigung zwischen den Völkern ist."

HIER geht's zur top-exklusiven Fotostrecke!

Lesen Sie in der nächsten Folge: "Jenny, oh Jenny"!

Foto-Credit:Dominik Beckmann für Ariola / Sony Music; Gabo

René Jochade
http.//www.ariola.de
http://www.udojuergens.de

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