HOWARD CARPENDALE
smago! Konzertbericht: "…und immer wieder sagen die Lieder: Es ist alles noch da"!

Auch smago! Chefredakteur Andy Tichler kann nach dem Konzert von Howard Carpendale & Band in der Liederhalle Stuttgart (Beethovensaal) nur konstertieren: “Das hätte ich nicht erwartet”! 

"Das Schöne an Adrenalin ist, dass es in jedem Alter wirkt. Und ich habe davon anscheinend noch einiges im Körper."
 

"Ich will mit meinem Team möglichst in der Champions League spielen. Aber nicht verkrampft, sondern mit Spaß und Neugierde. Das ist uns in den letzten Jahren gelungen – und das wollen wir fortführen."

Zwei Zitate von HOWARD CARPENDALE – entnommen dem Magazin "Howard Carpendale XL – Ein Quadratmeter Howard Carpendale zum Aufklappen" (für nur EUR 5,00 am Merchandisingstand zu erwerben).

Gewiss, man kann sich an ihm reiben. Howard Carpendale ist einer, der sagt, was er denkt ("Statt zu schweigen, sage ich, was mich stört“, sagte er gerade in einem Interview mit der Zeitung "Thüringer Allgemeine") – Unterhaltung hat eben immer auch etwas mit Haltung zu tun. Das ist von Howard Carpendale sicherlich auch so gewollt. Aber man kommt jedoch nicht umhin,Howard Carpendale – speziell nach der Abberufung von Udo Jürgens – als einen der größten verbliebenen Entertainer unserer Zeit zu bezeichnen. Die "Leipziger Volkszeitung" macht ihn als."einen der letzten Vertreter des guten alten Schlagers" aus, die Hamburger Morgenpost schreibt "Carpendale in Hamburg – Ein Abend mit Wohlfühlfaktor: Howie, Du bist gut fürs Herz!".

Das aktuelle Tournee-Programm "Das ist unsere Zeit" entwickelt sich zu einem wahren Triumphzug für den 69-Jährigen, der locker noch als Endvierziger durchgehen könnte. Sein gestecktes Ziel, dass seine Gäste nach dem Konzert sagen "Das hätte ich nicht erwartet", erreicht Carpendale ohne Weiteres – und das in jeglicher Hinsicht.

Howard Carpendale ist überragend gut bei Stimme (bei seinen Auftritten als 'Special Guest' der "Großen Schlager-Starparaden" vermittelte sich einem bisweilen der Eindruck, der Künstler sei ein bisschen kurzatmig geworden und träfe speziell die hohen Töne nicht unbedingt immer, aber wahrscheinlich ist ein Howard Carpendale ganz einfach nicht für Halbplayback-Auftritte gemacht).

Ferner überrascht Howard Carpendale durch eine Nahbarkeit, die fast schon irritierend ist (von Howard Carpendale ist der Satz überliefert "Jetzt muss ich mich mal wieder ein bisschen unnahbar machen" …). So geht er mehrmals mit dem Publikum auf Tuchfühlung (bei "Nah am Herzen" läuft er sogar durch die Reihen)

Was ihm ebenfalls zusätzliche Sympathiepunkte einbringt: dass er nicht der "ich-und-meine-Band-", sondern der "meine-Band-und-ich-Typ" ist. Überhaupt die Band: Sie begleitet – unter den Leitung von André Franke – in schier vollendeter Perfektion. Die Arrangements machen aus den Carpendale-Songs regelrechte Erlebniswelten.

Dass Howard Carpendale seit jeher die personifizierte Coolness mit leicht arroganter Attitüde (- was jetzt gar nicht einmal negativ gemeint ist; eine gewisse Grundarroganz gehört ganz einfach zum Geschäft; erst recht dann, wenn man – wie er – seit Jahrzehnte in der Champions League spielt) ist, ist bekannt. Neuerdings scheint sich bei ihm jedoch auch noch eine Gelassenheit hinzuzugesellen, auch was seine (Schlager-)Vergangenheit betrifft (nie schien er damit so versöhnt!), die das aktuelle Tourneeprogramm erst recht zum Genuss macht. Die großen Hit-Klassiker werden nicht "verhunzt", sondern behutsam in die heutige Zeit übertragen – und zwar so, dass die Fans seiner "alten Hits" mehr als auf ihren Spaß kommen.

Bezüglich der Repertoirezusammenstellung hat Howard Carpendale ebenfalls genau das richtige Augenmaß gefunden. Die Songauswahl stellt zwar ganz unmissverständlich klar, dass man es hier mit einem zukunftsgerichteten und tatsächlich auch zukunftsweisenden Künstler aus dem Hier und Jetzt zu tun hat, aber dem Publikum werden auch ausreichend "Nostalgieflüge" angeboten. 

Doch immer schön der Reihe nach …

Bevor er überhaupt nur den ersten Ton gesungen hat, wird Howard Carpendale bereits mit "standing ovations" empfangen. Und gleich während des ersten Songs – "Das ist unsere Zeit" – bekommt er – übrigens von einem männlichen Fan – das erste Geschenk überreicht: eine Flasche Moet. Nur am Rande sei angemerkt, dass der Männeranteil bei Howard-Carpendale-Konzerten um ein Vielfaches höher ist, als die Presse es uns glauben machen mag (und wir reden jetzt nicht von den "Mitgeschleppten" …).

Mit "Worauf warten wir" und "Hi" präsentiert er zwei weitere Songs neueren Datums.

Howard Carpendale fühlt sich in der (nahezu ausverkauften!) Stuttgarter Liederhalle (er gastiert im Beethovensaal, während parallel Heather Nova im Mozartssal aufspielt; Klavierkabarettist Bodo Wartke ist ebenfalls am Abend des 06.11.2015 in dem großen Gebäudekomplex zu Gast) ausgesprochen wohl. "Ich liebe diese Halle", bekennt er und geht sogar noch ein Stück weiter: "Ich singe lieber hier als in der Schleyerhalle". Allerdings sei er am Vortag gleich mehrfach geblitzt worden. Ja, er fahre auch Auto – "Schlagersänger sind ja nicht alle dumm".

Der Entertainer erweist sich im Laufe des Abend auch als ein wahrer Meister des Small Talks. Er geht auf seinen demnächst bevorstehenden runden Geburtstag (mit einer "7" davor) ein ("Diesmal wird's eng"), räumt offen und ehrlich ein, dass er jetzt nun nicht unbedingt DER Computerexperte sei, gibt sich selbstbewusst, dass das Publikum am Ende des Tages sagen wird "Mann, das war ein geiles Konzert" und  bekennt: "Ich hoffe, dass es noch viele Jahre weitergeht".

Mit "Samstag Nacht" präentiert er einen Hit-Klassiker aus dem Jahre 1984. Doch gleich geht es wieder zurück in die Zukunft – "Heut beginnt der Rest meines Lebens" ist "mein Lieblingstitel uf dem neuen Album". "Ich mag dieses Motto sehr": Fang endlich zu leben an. Das Live-Intro erinnert ein wenig an den Albumtitel "Spiegelbilder" von Marianne Rosenberg. (Der Vollständigkeit halber sei natürlich auch noch angemerkt, dass es vor gut zwanzig Jahren bereits einen Song namens "Heute beginnt der Rest deines Lebens" gab.)

Nach Beendigung seines 'Saalrundgangs' bei "Nah am Herzen" lassen es Carpendale & Band mit "Es ist alles noch da", das ein kleines bisschen an "Dancing In The Dark" von Bruce Springsteen erinnert, wieder so richtig krachen. Bei dem dezent an "Learning To Fly" von Tom Petty & The Heartbreakers angelehnten "Das alles bin ich" steht das Publikum geschlossen (und absolut unaufgefordert) auf. Mit "Es geht um mehr" gibt es dann den zweiten echten Carpendale-Evergreen zu hören.

Die "kleine romantische Ecke" wartet mit einer grandiosen (und wirklich stilechten!) Interpretation des Elvis-Presley-Hits "Always On My Mind" sowie mit (dem gesprochenen!) "Du schläfst" und "Ti amo" – mit freundlicher Unterstützung der "Vocal Diamonds" aus Stuttgart – auf, bevor Howard Carpendale seine Zuschauer in die Pause entlässt. (Der "Das hätte ich nicht erwartet" Effekt hat sich jetzt schon bei all denjenigen eingestellt, die ursprünglich vielleicht doch nicht so ganz freiwillig mitbekommen waren …)

Die zweite Konzerthälfte beginnt mit einer packenden Version des Titels "Astronaut" aus dem Jahre 1996: "Ich habe vor ca. zwanzig Jahren ein Lied geschrieben mit Joachim Horn. Wir haben es damals geschrieben, weil wir das Gefühl hatten, aktuell ist. Ich hätte nie gedacht, dass es zwanzig Jahre später noch aktueller ist denn je."

Mit "Calm After The Storm" hat Howard Carpendale einen "Fremdtitel" der Common Linnets in sein Programm aufgenommen. (Man könnte annehmen, der Song sei eigens für ihn geschrieben worden.)

Was folgt, ist ein weiterer Ausflug in Howards Schlagervergangenheit – und das alles "unplugged": "Schade" (die B-Seite von "Hello Again"; der Song wurde 2012 von Frank Neuenfels als Neuproduktion von Peter Sebastian gecovert), "Deine Spuren im Sand", "Ich will den Morgen mit dir erleben" und "Tür an Tür mit Alice" und "Du bist doch noch hier" ("ein Lied, das ich sehr, sehr liebe. Ich habe mal versprochen, dass ich dieses Lied immer singe, bis es ein Hit ist, da geb' ich nicht auf").

"Tür an Tür mit Alice" ist für die (bis dato äußerst disziplinierten) Carpendale-Fans (die wenigen Ausnahmen werden von den Saalordnern schon in gebührender Weise diszipliniert …) DAS Zeichen für den "Bühnensturm". "Was wollen Sie alle hier vorne?", amüsiert sich Howard Carpendale.

Carpendales Superhit "Hello Again" wird zunächst in einer brillanten a cappella-Version, die selbst die Flying Pickets grün vor Neid werden ließe, dargeboten.

Es folgt ein ganz besonderer Moment. Howard Carpendale erinnert an Udo Jürgens und setzt ihm mit einer umgetexteten Version von "Ich war noch niemals in New York" ein Denkmal. Das ist umso bemerkenswerter, als dass er und Udo "nicht die engsten Freunde" waren. Er habe auch "gerne mal kleine Witze erzählt über Udo, aber es war eigentlich nie was Böses. Und jetzt habe ich die Möglichkeit zu sagen, dass ich diesen Mann unglaublich respektierte. Er war ein großer Künstler. Er hat uns allen die Konzertbühnen eigentlich freigemacht. Er war der erste, der große, große Konzerte in Deutschland gegeben hat und viele Künstler haben von seinem Erfolg und von seiner Personlity sehr profitiert." – Das ist wahre Größe!!!

Bei "Wie frei willst du sein" schüttelt Howard Carpendale fleißig Hände, bevor der offizielle Programmteil mit "Ruf' mich an", der deutschen Version von "Life Is A Rollercoaster" von Ronan Keating beendet ist.

Glücklicherweise jedoch gibt es noch gleich zwei Zugaben-Blöcke, bestehend aus "… dann geh doch" und "Nachts, wenn alles schläft" (und wieder scüttelt er Hände …) zum einen und "Das ist unsere Zeit", "Wir sind eins" und "Das alles bin ich" zum anderen.

Mit den drei letztgenannten Songs switcht sich Howard Carpendale zum Konzertende in die Neu-Zeit, eben ins Hier und Jetzt, zurück.

Den 'Sinn des Lebens' erklärt er wie folgt: "Wir sollen das suchen, was uns wirklich glücklich macht. Auf dem Weg das zu findenm müssen wir nur auf eines aufpassen: dass wir niemand anderem schaden. Das ist für mich der Sinn des Lebens."

… und immer wieder sagten die Lieder: Es ist alles noch da! (Auch alle Texte – und das ganz ohne Teleprompter!)
 

PS: Nur die Flasche Moet hat Howard Carpendale an der Bühne vergessen …

Für sein Bühnen-Comeback 2008 musste Howard Carpendale, nachdem er eigentlich am 13. Dezember 2003 sein Abschiedskonzert in der Kölnarena gegeben hatte, viel mediale Prügel und Häme einstecken, was sich zwischenzeitlich gottlob gelegt hat. Zumal Howard Carpendale nun wirklich oft genug offen, ehrlich und plausibel über seine Beweggründe gesprochen hat.

"Der Mann braucht den Kontakt zu seinen Fans", bringt es die "Hamburger Morgenpost" auf den Punkt.

'Die Gier' (nach Geld) kann es bei Howard Carpendale GANZ SICHER NICHT gewesen sein. Und all denjenigen, die über die doch recht hohen Ticketpreise (in Stuttgart lagen die Preise in den noch verfügbaren Kategorien an der Abendkasse zwischen EUR 84,00 und EUR 98,00 stöhnen, sei mit auf dem Weg gegeben, dass es im deutschsprachigen Musikgeschäft kaum etwas Vergleichbares gibt. 

Nach dem Dafürhalten von smago! kam das Bühnen-Comeback 2008 vor allem aus einem Verpflichtungs-Bewusstsein á la "Ich werde noch gebraucht (im deutschen Showgeschäft)" heraus zustande. Auch das ehrt ihn.

Und dass er mittlerweile auch die Kritiker in seinen Bann gezogen hat, die fast schon "überschwänglich" über seine Konzerte schreiben, dürfte der größte Triumph des Howard Carpendale sein.

"Das hätte ich nicht erwartet."

Andy Tichler, Chefredakteur www.smago.de
http://www.universal-music.de/company/umg/electrola
http://www.howard-carpendale.de/

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