WOLKENFREI
Die CD "Wachgeküsst" im Test von Holger Stürenburg!
Der legendäre Musikkritiker schreibt…:
Als Mitte März diesen Jahres die heute 23jährige Sängerin VANESSA MAI das Gesicht der Werbekampagne „Mein Herz schlägt Schlager“ ihrer Plattencompany ARIOLA/SONY darstellte und zugleich das äußerst eingängige, hymnische, wenn auch etwas zu schrill intonierte Mottolied dazu präsentierte, kursierten schnell Gerüchte, die einstige Frontfrau des baden-württembergischen Popschlager-Trios „WOLKENFREI“ – immerhin vermutlich DIE genrerelevante Entdeckung des Jahres 2013 – könne sich in Futuro auf solistische Pfade begeben.
Das im Januar 2014 erschienene Debütopus der drei Aspacher, „Endlos verliebt“, war nicht nur bereits mit wohlverdienten Vorschusslorbeeren in Form des begehrten SMAGO!-Award als „Hit-Tipp 2014“ bedacht worden, sondern erfüllte tatsächlich alle Erwartungen der Fans und Fachleute in bestmöglicher Ausprägung. „Endlos verliebt“ stürmte in Deutschland anstandslos die Top 20, schnupperte gleichsam in Österreich und der Schweiz ordentliche Charts-Lüfte, beinhaltete insgesamt ganze sechs immer wieder gern gespielte Radio-Singles und galt daher summa summarum als eines der beliebtesten, fröhlichsten und stimmungsvollsten Musikproduktionen des Schlagerjahres 2014. Die dritte Auskoppelung aus dieser noch heute frisch und aktuell tönenden Hitscheibe, „Ich versprech Dir nichts und geb dir alles“, konnte zudem vor einem Jahr mit Fug und Recht als der ultimative Sommerschlager schlechthin bezeichnet werden, ohne den kaum eine Musikshow im TV, eine Genre-Party in der Disco oder eine relevante Radiosendung auskommen wollte.
Nachdem Vanessa solistisch die hier https://smago.de/d/artikel/70148/ detaillierter beschriebene ARIOLA-Aktion unterstützt hatte und sich die Schlagerwelt daraufhin fragte, wie es mit den Newcomern von „Wolkenfrei“ denn nun weiterginge, geriet bald ans Tageslicht, dass die beiden – um die zehn Jahre älteren – Begründer des Terzetts, Marc Fischer (key) und Stefan Kinski (git), vor der Produktion der nächsten CD auszusteigen gedächten, um sich überwiegend ihren Familien und ihren ‚bürgerlichen‘ Berufen zu widmen. Die Rechte am Namen „Wolkenfrei“ wurden Vanessa zuerkannt; Keyboarder Marc Fischer wollte seiner brünetten Ex-Kollegin auch in Zukunft als Berater und Arrangeur immer wieder mal zur Seite stehen.
Nun ist kürzlich „WACHGEKÜSST“, das langersehnte zweite „WOLKENFREI“-Album, natürlich wiederum bei ARIOLA/SONY, erschienen, das zwar vom selben Produzenten, der auch den so gefragten Erstling soundtechnisch betreut hatte, namentlich von dem international bekannten Stuttgarter Studiobesitzer Felix J. Gauder, der schon mit z.B. Jimi Somerville, Nino de Angelo, den „Pet Shop Boys“ und sogar mit John Watts und „Fischer-Z“ reputierlich kooperiert hatte, arrangiert und weitgehend auch geschrieben wurde (unter tatkräftiger Mitarbeit von u.a. Olaf Roberto Bossi, Oliver Lukas, Alexandra Kuhn, sowie von Tobias Reitz und Thomas Rosenfeld), aber letztlich als Soloalbum von VANESSA MAI einzustufen ist, selbst, wenn sich der inzwischen etablierte Projektname „WOLKENFREI“ sicherlich als verkaufsfördernd erweisen dürfte.
Der kraftvoll rhythmische, freiheitstrunken-ferienverliebte Tanz-Ohrwurm „Wolke 7“, der bereits im Mai 2015 als erste Radiosingle aus „Wachgeküsst“ ausgekoppelt und vor wenigen Tagen bei Florian Silbereisens „Besten des Sommers“ vorgestellt wurde, eröffnet eine durchwegs niveauvolle, spritzig-sommerlich-freudige Liedsammlung voller Charme, Ausdrucksstärke und innerer Geschlossenheit, stets tanzbar, munter, antreibend, modern, aber so gut wie nie unnötig übermodisch und mit allzu viel Gimmicks und Tricks überzogen umgesetzt – liebevoll, jungmädchenhaft und überaus sympathisch von Vanessa, der brünetten Musikertochter aus dem württembergischen Rems-Murr-Kreis, so überzeugt, wie überzeugend eingesungen.
Wir hören insgesamt 13 brandneue Songs, dazu einen über vierminütigen, leuchtend grell aufgedonnerten „D.J. Mix“ der ARIOLA-Hymne „Mein Herz schlägt Schlager“ und die oft harscher rhythmisierten Remixe dreier neuer Albumtitel. Es ist schnell festzustellen, dass nahezu sämtliche Titel auf dieser CD in ihrer Eloquenz bezüglich ihrer musikalischen Vielseitigkeit, von locker-flockigen Pop-Reggae-Melangen („Sommerliebe“), über klassische Popschlager in edelster Klangverkleidung („Du berührst mein Herz“, mal wieder ein Lied für alle Kardiologen dieser Welt…) und fetzige Up-Tempo-Nummern mit viel Beat und Bum („Schenk mir den Morgen danach“), bis hin zu grazilen, ernsthaften, geradezu soulig anmutenden Balladen („Felsenfest“, „In all Deinen Farben“), alles das aufbieten, wovon ein aufgeschlossener Freund zukunftsträchtiger deutscher Pop-Schlager-Klänge schnellstens ‚wachgeküsst‘ werden möchte, um sich flink den hier beschriebenen Tonträger zu kaufen, seinem CD-Spieler hinzuzufügen und einfach nur genussvoll und ‚wolkenfrei‘ auf sich wirken zu lassen.
Sehnsuchtsvoll-melancholisch (und trotzdem strikt vorantreibend), wird es in der gesungenen Hoffnung, die soeben von dannen gezogene große Liebe eines Tages, ‚irgendwo hinter dem „Zauberland“‘ (Liedtitel) wiederzutreffen, um noch einmal ganz von vorne anzufangen; lebensecht, atmosphärisch und ansprechend kokett-burschikos zeigt sich das heißverknallte Lied über ‚Sonne im Herzen / Verbotene Spiele im Cabriolet‘ und eine ‚Zweiraum-WG in der Sternenallee‘ (Textzitate), die die Protagonistin mit ihrem neuen Schwarm, möglichst von anderen unbemerkt, in einem „Ein(em) Zelt am See“ (Liedtitel) aufwühlend und offenherzig erleben und erfühlen möchte.
Knackigen, offensiven, teils sehr mondän, exklusiv und kosmopolitisch ausgekleideten Tanzpop-Schlager bieten z.B. die knallig-funkelnden, jederzeit clubtauglichen (wenn auch ab und zu vielleicht etwas zu Helene’esque geratenen) Nachtleben-Epen „Der Kopf sagt Nein, das Herz schreit Ja“ bzw. „Es wird schon hell über Berlin“, der surreal-fernwehtrunkene – klanglich ganz, ganz latent volkstümlich angestupste – Reisetraum „Von Tokio bis Amerika“ oder der feurig-ultrahitzige, mediterran angehauchte und zugleich vom coolen Synthi-Sound der 80er Jahre inspirierte Tanzflächenfüller „Südseewind auf der Haut“.
Der Titelsong „Wachgeküsst“ jedoch – ebenfalls drastisch rhythmisch und äußerst disco-dance-lastig inszeniert – klingt arg konventionell und vorhersehbar; der Funke mag irgendwie, auch nach mehrfachem Hören, nicht überspringen, weshalb dieser Beitrag, der wahrlich so wirkt, als wäre er am Reißbrett entworfen worden, somit einen der – ganz wenigen – Tiefpunkte auf der neuen Silberscheibe von „WOLKENFREI“ darstellt.
Davon abgesehen allerdings, tragen eigentlich alle neuen Kompositionen, die von Vanessa so ehrlich, echt, glaubwürdig und schlüssig, mit viel Seele und Emotion in der Stimme angestimmt werden, enormes Hitpotential in sich; es fällt mir schwer, einen persönlichen, speziellen Favoriten aus dieser „Wachgeküsst“ betitelten, schieren tönenden Sommerfrische mit all ihrer Energie, ihrem Elan, Pep und ihrer Augen- bzw. Ohrenfälligkeit auszuwählen. Subjektiv gefallen mir vielleicht „Zauberland“, „Ein Zelt am See“, „Du berührst mein Herz“, alle drei ja eher in einem zeitnahen, aber gediegenen Popschlager-Kontext gehalten, oder die etwas wilderen Dance-Stomper „Es wird schon hell über Berlin“ bzw. „Von Tokio bis Amerika“ am allerbesten – andere Schlagerfreunde werden wiederum andere Perlen von „Wachgeküsst“ präferieren. Die Tatsache, dass sich von „Du berührst mein Herz“ und „Von Tokio bis Amerika“ verlängerte Neuabmischungen (nebst eines fünfeinhalbminütigen „Mega-Mixes“, der die betörendsten Fragmente der Mehrzahl der „Wachgeküsst“-Songs komprimiert zusammenfasst) am Ende des Albums befinden, lässt darauf schließen, dass diese beiden – tatsächlich phänomenalen – Liedbeiträge im Zuge der Zeit womöglich als weitere Singleauskoppelungen dienen könnten… Damit haben die Macher sicherlich schon im Vorfeld den richtigen Riecher bewiesen (ja, und, wie beschrieben, sogar auch meinen persönlichen Geschmack ganz gut getroffen).
Natürlich setzt das Produzententeam bei der Ausgestaltung von „Wachgeküsst“ unüberhörbar auf den – derzeit offenbar unvermeidlichen – ‚atemlosen‘ „Helene-Fischer-Effekt“: Da vernimmt man mal kurz Harmonien von „Von Null auf Sehnsucht“, dann fühlt man sich ein paar Momente lang an „Mit keinem anderen“ erinnert. Dies ist auch vollkommen zu akzeptieren, da Frl. Fischer fürwahr neue Maßstäbe im einheimischen Schlagergeschehen gesetzt hat. Vanessa Mai alias „Wolkenfrei“ ist vielmehr zu Gute zu halten, dass die junge Sängerin – immerhin im selben Alter, als Kollegin Helene ihre ersten Schritte im deutschen Musikbusiness tat – ihre gesamte Eigenständig und künstlerische Persönlichkeit dafür in die Waagschale wirft, höchstens „Helene-influenced“ zu klingen, niemals aber – und hiervon gibt es in den letzten Jahren mehr als genug negative Beispiele zu nennen – als pure Kopie, Imitatorin oder gar Plagiatorin aufzuscheinen. Alleine hierfür gebührt der jungen Chanteuse ein ganz besonderes Lob. Alles in allem ist „Wachgeküsst“ von „WOLKENFREI“ auf jeden Fall nicht mehr und nicht weniger, als der spezifische, perfekt austarierte, so liebliche, wie kräftige Schlager-Soundtrack des Hochsommers a.D. 2015!
Holger Stürenburg, 13./14. Juli 2015
http://www.ariola.de
http://www.wolken-frei.de