UDO JÜRGENS
"Mitten im Leben": Ein ganz persönlicher Glückwunsch von Hellmuth Karasek!

Der Literaturkritiker über das neue Album von Udo Jürgens…: 

50 Jahre ist es her, dass Udo Jürgens beim Eurovision Song Contest siegte. 50 Jahre begleitet er mich nun schon mit seinen Liedern als eine Art romantischer Troubadour, in jener wunderbaren Mischung eines Chanson-Sängers am Klavier und eines Gesellschaftskritikers mit großem, swingendem Orchester. Immer habe ich ihn beneidet, dass die Frauen die Refrains seiner Lieder vollen Herzens mitsingen konnten, schließlich bin ich ein Jahrgang mit Udo Jürgens und hatte mich wahnsinnig über seinen Song „Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an“ gefreut. Mindestens einen Augenblick lang glaubte ich ihm.

Er hat mich auch jetzt wieder mit seinem 53. Album und zwölf hochaktuellen Liedern beim häuslichen Hören mitgerissen, sodass ich mich auf das Konzert auf der 25. Konzerttournee durch das deutschsprachige Europa freue. „Mitten im Leben“ heißt das Album, und das gilt für das Zeitgefühl, das Udo Jürgens wie ein musikalischer Seismograph immer noch anzeigt. Es gibt ein Lied, da schmeißt er sich – er, der sanfteste Macho aller Zeiten – an die Zeitstimmung ran, und das überzeugend:

Wer pocht auf seine Ehre und wer linkt zugleich den Staat
Wer geht in Freudenhäuser und erfand das Zölibat
Wer spielt mit Handgranaten
Und wer steckt den Urwald an,
Wer hält sein Auto sauber
Und verdreckt den Ozean.
Es ist der Mann – Ja, ja, der Mann …

Dem Refrain: „Das ist nun mal die Wahrheit / Er ist der Fehler im System / Der Mann ist das Problem!“ möchte man als Mann allein unter Frauen stolz und geknickt, eitel und gedemütigt, verzweifelt und begeistert zustimmen. Es müsste mit dem Teufel zugehen, wenn das nicht ein Hit wie „Aber bitte mit Sahne“ würde. Auch des Abhörskandals hat er sich schon angenommen, wenn er vom „gläsernen Menschen“ singt, dem man keine Geheimnisse mehr lässt. Jürgens hat die Geheimnisse des in die Liebe verliebten Mannes stets laut und leise intoniert, ohne sie wirklich zu verraten. Dazu hat er sich viel zu sehr zu ihnen bekannt. Das neue Album hat wundervolle lyrische Zwischenspiele, Zwischentöne, die wie Überleitungen am Flügel im Konzert wirken und sich auch gut in das Album einfügen. Die Unbedingtheit, die Udo Jürgens stets in seinem fast geschmetterten Bekenntnis zur Liebe beschwört, harmoniert mit seiner Selbstironie, seiner Skepsis und seiner Trauer und Toleranz, die er auch immer findet und damit, er kann das mit Recht behaupten, auch mit 80 mitten im Leben steht. Unverwüstlich wäre das falsche und auch das richtige Wort dafür.

Es gibt bei ihm sowohl gesellschaftskritische wie gefühlige Lieder, und er weiß, dass alles irgendwann zur Neige geht, wenn er bekennt: „Heute beginnt der Rest deines Lebens.“ Noch immer will er alles, „mit aufrechtem Gang“, „Mein Ziel ist, immer ein Ziel zu haben.“ Und sein unerfüllbarer Wunschtraum: „Glück ohne Leid, und Liebe für alle Zeit.“ Natürlich weiß er, dass so etwas nur im Gesang zu erträumen ist. „Mein Ziel ist immer neu zu beginnen, mein Ziel, ich fühl es tief in mir drinnen, mein Ziel kann nur Freiheit und Liebe sein.“

Schön wär’s, aber solange er davon singt, glauben wir es alle gerne.

Hellmuth Karasek
http://www.ariola.de
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