RENE DEUTSCHER
Sein Album "Unikat" im Test von Holger Stürenburg!

“Was wir hier hören, ist ein anspruchsvolles deutsches Popalbum auf bestem Niveau”, resümiert der renommierte Musikkritiker …: 

Am 09. Mai 2016 wäre die Berliner Poplegende Drafi Deutscher 70 Jahre alt geworden, einen Monat darauf, am 09. Juni diesen Jahres, jährte sich sein Todestag zum zehnten Male. Drafi Deutscher war Zeit seines rast- und ruhelosen Lebens ein so hochtalentierter, außergewöhnlicher, wie gleichsam polarisierender Künstler und musikalischer Tausendsassa, der seit Mitte der 60er eine dauerhafte, pausenlose Kreativität an den Tag gelegt hatte, für sich und zig Kolleginnen und Kollegen unzählige große Hits mit Ewigkeitswert ersann und produzierte. Seine eigenen Gassenhauer, von „Marmor, Stein und Eisen bricht“, über „Teeny“, „Cinderella Baby“, bis hin zu „Tief unter meiner Haut“, „You want Love (Maria, Maria)“ (mit „Mixed Emotions“) oder „Herz an Herz Gefühl“, zählen zu dem Imposantesten und Beliebtesten, was die einheimische Popszene bis heute aufzuweisen hat. Mit all diesen Klassikern hat Drafi fraglos Musikgeschichte geschrieben; auch Titel, die er für andere verfasste – z.B. „Belfast“ für Frank Farians bunte Disco-Combo „Boney M.“, „Mama Leone“ für den Deutsch-Italiener Bino, „Ich sterbe nicht noch mal“ bzw. Jenseits von Eden“ für den ebenfalls auf italienische Wurzeln zurückblickenden Nino de Angelo, oder „Fly away, pretty Flamingo“ für Tina Rainford bzw. Peggy March, sind und bleiben unvergessen.

Seine beiden Söhne, die Zwillingsbrüder Drafi jun. und Rene‘ Deutscher, wurden natürlich stark von ihrem Herrn Papa beeinflusst und machten immer wieder mit ihm und anderen Musik, sei es ‚live‘, sei es als Produzenten. Nun hat sich Rene‘ Deutscher, ein 51jähriger Profiphotograph, der aussieht wie 35, dazu entschlossen, zu Ehren seines Vaters – wie gesagt, dieser wäre heute 70, ist aber leider seit zehn Jahren verstorben – unter dem Motto „10/70“ ein eigenes Album aufzunehmen, nachdem eine Vier-Track-E.P. mit Neuinterpretationen von eben vier Liedern seines Vaters im Frühjahr 2016 bereits für äußerst positive Furore gesorgt hatte.

„UNIKAT“ nennt sich diese phantastische Deutschpop-CD, die einwandfrei darüber Zeugnis ablegt, dass nicht nur der große Drafi Deutscher sen. ein solches war, sondern, dass auch und gerade der Herr Sohnemann Rene‘ von vorn bis hinten in der Lage dazu ist, seinem Vater in puncto künstlerischer Begabung in nichts nachzustehen.

Bei „Unikat“, am 14.10.2016 bei JUNI RECORDS veröffentlicht, via DA Music/Diepholz vertrieben, handelt es sich um eine famose Kollektion zumeist (nicht durchgehend) deutschgesungener Kompositionen im magischen Spektrum zwischen Pop, sanftem Rock, einwenig gehobenem Schlager und einer zünftigen Portion strikten Blues-Feelings. Anders als bei Drafi sen.-Werken der zweiten Hälfte der 80er Jahre, steht jedoch weniger der Synthesizer, denn die rockige und bluesige Gitarre, akustisch, wie elektronisch, im Vordergrund. Drei Titel entstammen dem Liedkatalog von Renés Vater und kommen nun zu neuen Ehren; auch ein Duett mit der Dresdnerin Maria Jakob ist auf „Unikat“ vorhanden.

Doch nun zu den einzelnen Liedbeiträgen dieser vielseitigen, ausgewogenen und niemals langweilig werdenden Silberscheibe: Los geht’s mit dem aufregend-aufmüpfigen, gitarrenbetonten Bluesrock/-pop „Ganz egal“, der ob seiner genialischen Riffs und seiner treibend-brodelnden Melodie unverzüglich in Kopf und Glieder geht und ohne Zweifel als nonchalanter Ohrwurm mit Ewigkeitsgarantie klassifiziert werden kann. Es folgt die tiefsinnig-philosophische Edelballade „Asche oder Diamant“, die Drafi sen. auf seiner 1987er-Top-10-LP „Diesmal für immer“ in einem sphärischen Synthirock-Arrangement erstmals aufgenommen hatte, und die Sohn Rene‘ 29 Jahre später im prickelnd-bluesigen Gitarren-Ambiente wieder auferstehen lässt.

„Can I Reach You“ war im Frühjahr 1979 ein angesagter Discorenner, den Drafi sen. unter dem Pseudonym „Jack Goldbird“ veröffentlicht hatte und der bis heute auf keiner Oldie-Party bzw. auf keinem ordentlich verkoppelten 70er-Sampler fehlen darf. Rene‘ nahm sich auch dieses schwebenden ‚Perfect Popsongs‘ an, verfeinerte ihn mit zirpenden Gitarren und herrlichen Retro-Discoelementen (und – tatsächlich – einwenig Bluesigem) – fertig war die Erkenntnis, dass „Can I Reach you“ auch 37 Jahre nach seiner Entstehung nichts an Charme und  Eingängigkeit eingebüßt hat.

Daran anschließend geht’s tief hinein ins nächtlich-urbane Großstadt-Millieu mittels des gleißenden, harsch (aber zu keinem Zeitpunkt nervtötend) rhythmisierten Tanzpop-Edelsteins „Bleib doch“, gefolgt von einer liebevoll symphonisch und gleichermaßen gitarrenlastig umgesetzten Neuversion von Drafis unterschätzter (wiederum auf Englisch gesungener) 1976er-Mid-Tempo-Single „Amigo Mine“, deren seinerzeit bei CBS erschienene Urversion Drafis Fanseiten-Betreuer Jan Stephan und der Verfasser dieser Zeilen 2008 bei der von uns beiden im Auftrag von Ariola/SONY betriebenen CD-Erstauflage der 1982er-LP „Drafi“ erstmals im CD-Format der Öffentlichkeit zugänglich machten.

Den romantischen Schleicher „Zeit zu geh’n“ hat Rene gemeinsam mit der 20jährigen Dresdner Sängerin Mara Jakob alias „MJay“ eingesungen, die ansonsten mit „SEDONY“, der Band ihres Freundes, hobbymäßig unterwegs ist; „Kopf verdreht“ ist ein aufstrebender, heiß verliebter Pop/Rock-Schlager, bei dem man deutlich die klanglichen Einflüsse von Vater Drafi auf Sohn Rene‘ vernimmt, ja, und „Für alle die“ bedeutet eine großspurig, sehr düster und explizit gedämpft gehaltene Ballade im Stile von Drafis Monumentalepen der ausgehenden 80er Jahre.

Knallig-dancefloor-orientiert und lyrisch sehr sarkastisch, als eine Art gerappter Talking-Blues im ultracoolen 80er-Sound, stellt sich der beißende Titelsong „Unikat“ vor, eine ironische Ode auf einen Möchtegern-Großartigen, der sich tatsächlich für ein reales „Unikat“ hält und sich, womöglich aufgrund seiner radikalen Selbstüberschätzung, sogar als wahren Aspiranten für die Amtsnachfolge von Bundeskanzlerin Merkel einstuft. Piano und Synthi-Spielereien beherrschen hingegen die eindringliche, gesungene Vaterliebe für Renés heute fünfjährigen Sohn Noah Drafi, die sich nennt „Kleiner Held“.

US-amerikanisch beeinflusst dringt die elegante Softrock-Ballade „Sorry“ durch die Lautsprecher, die als aktuelle Singleauskoppelung aus „Unikat“ fungiert und besten Feudalpop internationaler Machart darstellt.

Den Abschluss von „UNIKAT“ bilden ellenlange „Extended Versions“ von „Kopf verdreht“ und „Unikat“ – im zeitnahen Elektropop-Modus remixed.

Was wir hier hören, ist ein anspruchsvolles deutsches Popalbum auf bestem Niveau. Es besticht durch seine stilistische Vielfältigkeit, die hohe Qualität der Kompositionen und klanglicher Inszenierung derselben; Rene‘ Deutscher ist ein grandioser Sänger, der nicht nur die songschreiberische Begabung, sondern auch die gesanglichen Fähigkeiten von seinem unvergesslichen Vater geerbt hat. Manchmal meint man sogar, den jungen Drafi sen. zu hören, den Rene‘ keinesfalls imitiert, ihm aber eine Klasse tönende Ehrerbietung zuerkennt.

„UNIKAT“ zählt auf jeden Fall zu den Höhepunkten des Deutschpop-Jahres 2016; die 13 Beiträge sind modern und zeitgemäß ausgekleidet, sprechen jedoch in einem Atemzug auch und gerade diejenigen Musikfreunde an, die in den 70er/80er Jahren mit den Liedern von Drafi sen. aufgewachsen sind. Sein Sohn RENE DEUTSCHER legt zusätzlich – und dies ist m.E. besonders wichtig und nötig hervorzuheben – eine massive Eigenständigkeit an den Tag, so dass er einwandfrei als selbstständiger Künstler wahrgenommen werden sollte und nicht „nur“ als Sohn seines unzweifelhaft genialen Vaters!

Holger Stürenburg, 20./21. September 2016
http://www.junirecords.de
http://www.renedeutscher.de

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