DIE CAPPUCCINOS
smago! top-exklusiv: Das Album "Zusammen stark" – besprochen von Frank Ehrlacher ("Die ultimative Chart Show")!

Lesen Sie HIER seine CD-Kritik…: 

Boybands hatten es im deutschen Schlager immer schwer. Wann immer es hierzulande eine Formation im anglo-amerikanischen Boyband-Style gab, sangen sie englisch, ob es nun die "Teens", "Touché" oder "Us5" waren. Die vielleicht renommierteste "Boyband" im Schlager  sind wohl die "Flippers" – aber auch die haben ja inzwischen das Rentenalter erreicht und überschritten. Spätere Versuche wie zum Beispiel Ende der 1990er Jahre mit den "Verliebten Jungs", die es immerhin in die "ZDF-Hitparade" und den Grand Prix-Vorentscheid schafften, wurden recht schnell wieder eingestellt oder entwickelten sich wie "Echt" dann doch eher in die Rock-Schiene.

2007 versuchten sich dann die "Cappuccinos" erstmals in diesem Segment – genauer genommen versuchte es Kristina Bach mit ihnen, als sie sie bei einer Aktion der Zeitschrift "Super Illu" zusammenstellte – worauf den Jungs sofort das Stigma einer kurzlebigen Casting-Band anhaftete. Immerhin schafften es die Alben 2 bis 4 bereits kurzfristig in die deutschen Charts – alle enthielten fast ausschließlich Material, das von ihrer Mentorin geschrieben und (co-)produziert wurde. Ein klassisches Boyband-Leben eben. Bis die vier Ende 2013 am Scheideweg standen: Der Vertrag mit Kristina Bach war ausgelaufen, es lief eigentlich ganz gut und mit "Wie geil ist das denn?", dem Titelsong aus dem dritten Album, hatten sie es sogar für eine Woche in die deutschen Single-Charts geschafft – aber war das wirklich der Weg, den sie weitergehen wollten?

Sie beschlossen: Nein! Drei der "Ur-Cappus", die aus den Niederlanden stammenden Brüder René und Michél Ursinus sowie Peter Brückner – das vierte Mitglied stieg im Zuge der Neuausrichtung aus – begannen zusammen mit ihrem Freund Gilbert van Zolingen eigene Songs zu schreiben und arbeiteten darauf hin, sich von Kristina Bach und ihrem Label zu trennen und neue, eigene Wege zu gehen. Der Weg war schwierig, zumal sich die großen Plattenfirmen nach den Erfahrungen der Vergangenheit mit deutschsprachigen Boybands auch nur zögerlich für das Projekt begeistern konnten, aber mit der Start-Hilfe über eine Crowdfunding-Finanzierungvon 20.000 Euro konnten sie ins Studio gehen und Album Nummer 5 aufnehmen; der Name ist Programm: "Zusammen stark". Fast alle Songs haben die Jungs diesmal selbst komponiert und auch an den Texten mitgewirkt.

Herausgekommen ist ein Album fürs zweite Hören. Beim ersten Mal ist es "nett", mit ein paar Highlights, aber auf jeden Fall erst mal gut zum Durchhören. Beim zweiten Mal merkt man dann aber, wie sich die meisten Melodien schon in die Gehörgänge geschmuggelt und dort festgesetzt haben. Die ersten beiden Songs sind dafür hervorragende Beispiele: Der Opener "Lass uns lieben", co-getextet von Tobias Reitz, derzeit einer der aktivsten deutschen Textautoren, der auch maßgeblich zum Erfolg des Helene Fischer-Rekord-Albums "Farbenspiel" beitrug, erzählt zu einer nach vorne gehenden Pop-Schlager-Melodie die Geschichte einer Beziehung, bei der die Partnerin nach ein paar Wochen unverhofft wieder vor der Türe steht und der Verlassene nur eine Idee hat: Ab ins Bett und lass uns lieben.  Titel Nummer 2, "Lila Feuerwerk", ist dann mehr die Gute-Laune-Pop-Nummer, an die man textlich keine allzu hohen Ansprüche stellen sollte, die aber im Ohr bleibt.

Klassischen Mitklatsch-Schlager gibt es danach auf "Wer das Leben liebt", wieder eine Textierung von Tobias Reitz, der hier Lebensweisheiten aneinanderreiht. Die Musik stammt übrigens vom niederländischen Erfolgs-Duo "Tol + Tol". Ebenfalls aus den Niederlanden stammt die musikalische Vorlage zu "Rosanne", der ersten Single-Auskopplung des Albums, die den "Cappus" die bislang höchste Notierung ihrer Karriere in den deutschen Single-Charts bescherte. Nick Schilder, eine Hälfte des bei unseren Nachbarn sehr erfolgreichen Duos "Nick + Simon", die es hierzulande leider trotz eines schönen deutschsprachigen Album noch nicht geschafft haben, schrieb die Melodie zu dieser beschwingten Komposition im Sommer-Rhythmus, die im Original en großer Hit in seiner Heimat war. Etwas griffig-rockiger wird es bei der Melodieführung auf "Tief in mir", das man für meinen Geschmack noch etwas mutiger und mit Gitarren hätte arrangieren dürfen.  Dafür lässt das Arrangement auf "Wir sehen uns wieder" keine Wünsche offen: Hier dürfen zum ersten Mal die Prager Philharmoniker ran – ein schönes "Add On", das durch die Zusatzmittel aus dem Crowdfunding erst möglich wurde und fünf Songs des Albums einen besonderen Klang verleiht. Geschrieben wurde "Wir sehen uns wieder" übrigens von Mitch Keller, den einige vielleicht noch als Sänger unter den Namen "Luka", "Mitch Kelly" oder – aktuell – "Mitch Keller" kennen und der seit einigen Monaten als Autor intensiv mit Matthias Reim zusammenarbeitet. Im September wird dann auch sein erstes Album unter eigenem Namen erscheinen.

Mit diesen Titeln ist die Marschrichtung für die zweite Hälfte des Albums vorgegeben: Zeitgemäßer Schlager, mal mehr, mal weniger rockig angehaucht – vor allem aber in diesem Rahmen abwechslungsreich und nie langweilig, mit einigen weiteren Highlights und durchweg gutem Songwriting. Beispiele gefällig?

Meine Lieblingsnummer des Albums ist zum Beispiel der Titel "Du warst nicht zu verhindern" – nicht nur die Titelzeile ist originell, sondern der gesamte Text, den übrigens Roland Kaiser zusammen mit "smago! Chefredakteur Andy Tichler schrieb. Gerne mehr davon und wenn man sagt, der Song hätte auch Kaiser selbst gut zu Gesicht gestanden, ist das sicher auch ein Kompliment für die "Cappuccinos", dass gerade sie ihn singen durften.

Ähnlich geht es mir mit "Nicht überlebensfähig" – eine der rockigeren, progressiveren Kompositionen, die ich mir auch beispielsweise von "The Voice" Nino de Angelo gesungen hätte vorstellen können. Der Text hierzu stammt übrigens von Udo Brinkmann, der dafür bekannt ist, dass er nicht sehr viel, aber dafür sehr außergewöhnliche und akzentuierte Texte schreibt und deshalb auch für den Deutschen Musikautorenpreis 2015 nominiert wurde.

Überhaupt tauchen bei den Autoren einige sehr renommierte Autoren Namen auf, so zum Beispiel für den Old School-Schlager "Oh Magdalena" Hans Bouwens alias George Baker, der mit der "Paloma Blanca" in den 1970er Jahren einen Evergreen schrieb und das Original dieser Nummer bereits 1979 aufnahm – oder noch einmal Tol + Tol, diesmal zusammen mit Simon Keizer, der anderen Hälfte von "Nick + Simon", und dem ehemaligen Kinder-Star Jan Smit, dessen Alben in seiner niederländischen Heimat weiterhin durchweg Goldstatus erreichen – bei den Cappuccinos heißt deren Komposition "Affären tun weh" … und natürlich Tobias Reitz. Von ihm stammt auch der Text zu einer Gänsehaut-Nummer, die das Album abrundet: "Goodbye", ein Abschiedslied, mutmaßlich für einen sterbenden Freund, das den Hörer nicht trauernd, sondern mit einem positiven Gedanken zurücklässt – so wie das gesamte Album.

Den "Cappuccinos" ist es auf "Zusammen stark" gelungen zu zeigen, dass sie mehr sind als eine fremdbestimmte Boyband, dass sie gute Songwriter sind und darüber hinaus das Talent haben, sich die richtigen (Co-)Autoren für ein Album zu suchen, das in seiner Gesamtheit aus dem Gros der Alben im Bereich Deutscher Schlager herausragt.  Es wird spannend sein, zu sehen, wie das Publikum dies annimmt (die ersten Chart-Notierungen sind sehr respektabel) und ob die "Cappuccinos" sich auf diesem Weg weiterentwickeln können und werden.

smago! top-exklusiv; Autor: Frank Ehrlacher
http://www.20fifteenmusic.com/
http://www.die-cappuccinos.com

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