"EUROVISION SONG CONTEST"
Alle Jahre wieder: Riesen-Chaos um deutschen Eurovisions-Beitrag!

Auch in diesem Jahr stehen die Vorzeichen für den deutschen Teilnehmer alles andere als gut, befindet Stephan Imming …: 

Erinnern Sie sich noch an die Lieder „Dschinghis Khan“, „Theater“, „Johnny Blue“ und „Ein bisschen Frieden“? Das waren die (allesamt von Ralph Siegel und Dr. Bernd Meinunger geschriebenen) Eurovisions-Beiträge Deutschlands der Jahre 1979 bis 1982. Die vier Lieder sind bis heute bekannt und auch nach weit über 30 Jahren immer wieder gerne gehört, sie platzierten sich glänzend im internationalen Wettbewerb.

Wird nach den Songs „Glorious“, „Is It Right“, „Black Smoke“ und „Ghost“ gefragt, dürfte man schon eher ein Fragezeichen in den Augen der Befragten sehen. Das waren die vier letzten deutschen Beiträge für die Eurovision. An kaum einen der Titel erinnert man sich, was nicht weiter verwundert – das Hauptproblem dürfte gewesen sein, dass man sich nur am Rande für den Song interessiert hat und vielmehr für die Kandidatenkür.

Immer wieder griff man dabei auf „gecastete“ Sängerinnen und Sänger zurück, was in den letzten Jahren gründlich schief ging. Allein in den letzten beiden Jahren endete das ja im Fiasko mit zwei verdienten letzten Plätzen. Im vergangenen Jahr trat Jamie Lee an, die zuvor bei der RTL-Show „The Voice Of Germany“ entdeckt wurde – Punkteausbeute: ausreichend für den letzten Platz. Im Jahr zuvor wurde Andreas Kümmert, ebenfalls bei „The Voice Of Germany“ entdeckt, als Teilnehmer gewählt. Der zog direkt die Notbremse und trat gar nicht erst an. (Auch der einige Monate später nominierte Xavier Naidoo fuhr letztlich nicht zum Eurovisions-Auftritt). Die Zweitplatzierte nachträglich zur Siegerin erklärte Ann Sophie wurde bei einem eigenen NDR-„Club“-Casting entdeckt (übrigens wie die Teilnehmer des Vorjahres, Elaiza) – auch sie blamierte sich bei der Eurovision.

Mit selbst-gecastetem Nachwuchs und Teilnehmern anderer Castingshows hat man in den letzten Jahren also schlechte Erfahrungen gemacht. Überspitzt gesagt, zieht der für den NDR zuständige Thomas Schreiber daraus die Konsequenz, eine Castingshow für junge Einzelkünstler auf die Beine zu stellen unter Mitwirkung von „Supertalent“-Teilnehmern. Nachdem das mit Jamie-Lee und Ann Sophie ja so „hervorragend“ geklappt hat, will man keinesfalls eine Band beim ESC antreten lassen.

Kurz nach der erneuten Totalpleite mit Jamie Lee bekundete Schreiber, die Suche nach einem Lied stünde im Vordergrund („erst der Song, dann der Künstler“ – Quelle: DWDL.de). Im Wortlaut liest sich das wie folgt (Quelle: eurovision.de): „Wir sprechen jedenfalls mit sehr interessanten Komponisten und Produzenten aus den USA, dem United Kingdom und Deutschland. Es haben sich aber auch Kollegen aus anderen europäischen Ländern gemeldet.“ Zu einem Casting wurden aber Sänger und nicht Komponisten aufgerufen.

Aus ca. 2.000 Bewerberinnen und Bewerbern hat man fünf Leute gefunden. Einer davon  hat gleich wieder die Bewerbung zurückgezogen, weil es da wohl vorliegende Anklagen der Staatsanwaltschaft gibt. Nachrücker ist eine Teilnehmerin der TV-Show „Supertalent“. Die konnte man natürlich nur bei einem monatelangen Casting finden – RTL einschalten reichte wohl nicht. Auch Frau Kürbiß war nur via NDR-Casting zu finden – einfach das Format „Rising Star“ angucken reichte wohl nicht – wobei, dessen Quoten waren ja so schlecht, dass das Format eingestellt wurde. Perfekte Voraussetzung also für die Teilnahme am ESC-Vorentscheid…

Laut Information der Eurovisionsseite „aufrechtgehn.de“ wurde an Produzenten und Komponisten des potenziellen Eurovisionssongs eine Mail folgenden Inhalts geschrieben bezüglich des Anforderungsprofils: „Organischer und authentischer Pop mit englischen Texten“ sei erwünscht, so heißt es in einer Mail an ausgewählte Songschreiber und Verleger, die letzte Woche ihren Weg ins Netz fand. Auch möglich: „Alternative Mainstream, Singer-Songwriter-Pop oder ein zeitgemäßer Dance-Pop-Track“. Ebenso klar weiß der NDR, was er nicht haben will: „Kein R&B oder Soul“! (Quelle: http://www.aufrechtgehn.de/2016/12/der-ndr-will-keinen-soul-und-keinen-quatsch/ ).

Mit folgenden Musikfarben ist angesichts der ausgewählten Interpreten zu rechnen:

 

  • Axel Maximilian Feige spielt in der Band „Diazpora“. Die machen Funk-Jazz, also eine Mischung aus Funk, Soul, Jazz und Hip-Hop (Quelle: laut.de).
  • Felicia Lu Kürbiß‘ Musikstil ist Elektropop.
  • Helene Niessen hat sich der Soul-Musik verschrieben. – Schade eine Helene gäbe es, die sicher gute Chancen beim ESC hätte, sich aber mit einem derart „professionellen“ Umfeld vermutlich nicht unbedingt umgeben möchte…
  • Levina Lueen – auch sie scheint dem Soul viel abgewinnen zu können.
  • Yosefin Buohler – fiel bei der schwedischen Ausgabe von DSDS durch, war dafür aber beim Supertalent erfolgreich. Viel ist über ihre Musikfarbe nicht herauszufinden. Der General-Anzeiger Bonn schreibt: „Ihre Vorliebe gilt dem Soul“ – aaah jaa

 

Bei der Vorgabe, bitte keinen Soul einzureichen, wählt man demnach fast ausnahmslos Interpreten mit Soul-Hintergrund aus – verstehe das, wer will. Zumindest ist jetzt klar, warum Florian Silbereisen in der Jury sitzt – wenn einer sich mit englischsprachiger Soul- und Elektropop-Musik auskennt, dann ja wohl er…

Aber mal Ironie beiseite: Nachdem man mit all diesem – sorry – Bullshit mehrfach ganz heftig auf die – nochmals sorry – Fresse gefallen ist – warum kann man nicht einen deutschsprachigen Titel, gerne auch Schlager ins Rennen schicken? Schlimmer als das, was da in den letzten Jahren abging, kann es vom Ergebnis her ja nicht mehr werden.

Der Aufruf an die Komponisten scheint nur mäßig erfolgreich gewesen zu sein. Laut diverser Medienberichte gibt es nämlich genau zwei Lieder, die zur Debatte stehen – will sagen: Es wird eine dreistündige TV-Show ausgestrahlt, in der der beste Titel gefunden wird bei einer Auswahl von zwei Songs…. – Da kann man nur hoffen, dass wenigstens einer davon ein „Kracher“ ist. Alle Interpreten werden aber nicht ihre Versionen der ausgewählten Songs singen können, weil die erste Runde laut „blog.prinz.de“ noch aus Cover-Interpretationen besteht (Quelle: http://blog.prinz.de/grand-prix/klarstellung-vom-ndr-zwei-lieder-stehen-bei-unser-song-2017-zur-wahl/). So viel zum Thema „erst der Song, dann der Künstler“.

Einziger Lichtblick unter diesen Unfassbarkeiten ist die musikalische Begleitung: Die Heavytones, also die musikalische Begleitband von Stefan Raab, dessen Produktionsfirma Raab-TV bei der Produktion der ESC-Vorauswahl beteiligt ist, werden die fünf Sängerinnen bzw. Sänger live begleiten, an der musikalischen Umsetzung ist Bandleader Wolfgang Dalheimer maßgeblich beteiligt. Da lacht zwar das Musikerherz – trotzdem fragt man sich nach der Sinnhaftigkeit angesichts dessen, dass im internationalen Wettbewerb leider das Halbplayback-Verfahren zum Einsatz kommt.

Die Wahrscheinlichkeit, dass es auch in diesem Jahr nach der Vorentscheidung erneut heißen wird: „And the winner is… Barbara Schöneberger“, ist leider groß. Es bleibt zu hoffen, dass die ganz große Blamage in diesem Jahr ausbleibt – eine gute Platzierung scheint mir angesichts dieser erneuten „Merkwürdigkeiten“, die da schon im Vorfeld passieren, unrealistisch zu sein.

Foto-Credit: NDR / Ingo Pertramer

Stephan Imming, 18.01.2017
http://www.eurovision.tv
http://www.eurovision.de

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