"ECHO 2017"
Neue smago!-Serie: "Pippi Langstrumpf – ich mach mir die Welt widde widde wie sie mir gefällt"!

Die Verleihung des Echos gerät immer mehr zur Farce …: 

Ab sofort veröffentlichen wir in unregelmäßigen Abständen Beiträge über Ungereimtheiten und Merkwürdigkeiten der Musik- bzw. Schlagerszene. Wir konnten dazu „Pippi Langstrumpf“ gewinnen, die uns in dieser Serie ihr Lebensmotto erklärt: „Ich mach mir die Welt widde widde wie sie mir gefällt“.

Teil 3: Die Verleihung des Echos gerät immer mehr zur Farce: z. B. ANDREA BERG Nominierte und Jury in Personalunion

Eigentlich(!) gilt Wikipedia ja als relativ(!) zuverlässige Informationsquelle. Im Online-Lexikon ist zum Thema „ECHO (Musikpreis)“ zu lesen: „Der Preis wird nicht von einer Jury vergeben, sondern orientiert sich an den Verkaufszahlen und Chartplatzierungen.“ Diese Aussage, die auf einer Quelle von 2013 fußt, war auch einmal richtig. Das hat über viele Jahre den ECHO zu dem gemacht, was er war: Ein anerkannte Preis für kommerziellen Erfolg – eben NICHT für Qualität, sondern dafür, dass man eine breite Masse mit seinem Schaffen erreicht hatte.

Anläufe, einen kommerziellen Preis in Deutschland zu etablieren, gab es zuvor viele – bereits 1963 stiftete die Zeitschrift Fono Forum den „deutschen Schallplattenpreis“, der vornehmlich von Kritikern bzw. Jurys vergeben wurde. Diesbezüglicher Pionier war damals der Bielefelder Verleger Richard Kaselowsky jr. Durch die Abkopplung vom Chartsgeschäft hatte der Preis zwar über Jahre hinweg ein elitäres Image, aber keine Anerkennung bei einer breiten Masse und nur wenig mediales – Achtung Wortwitz! – „ECHO“.

Nachdem es mit dem Grammy in den USA bereits seit 1959 einen in den Staaten mehr als etablierten Musikpreis gab, gab es Bestrebungen, auch in Deutschland einen vergleichbaren anerkannten Schallplattenpreis zu etablieren. Um so ein Vorhaben auch wirtschaftlich stemmen zu können, ging die Deutsche Phono Akademie mit dem Land Berlin und dem ZDF eine Allianz ein und installierte einen neuen Musikpreis, die „Berolina“, die am 27. August 1987 im Rahmen der Eröffnung der Berliner Funkausstellung erstmals vergeben wurde. Moderator der Veranstaltung war Thomas Gottschalk. Nach einem zweiten Anlauf im Jahr 1988 verlief die Sache im Lande – die Nominierung der Preisträger und die TV-Umsetzung fielen beim Publikum gnadenlos durch.

Einen neuen Anlauf nahm dann Gerd Gebhardt im Jahr 1992, als er Vorsitzender der Deutschen Phono Akademie war. In einem Interview mit dem Rolling Stone erklärte er im Jahr 2011, warum er sich damals dafür eingesetzt hat, den kommerziellen Erfolg bzw. die Charts als Maßstab für die Preisverleihung zu nehmen: „Wir wollen nicht eine elitäre Clique abstimmen lassen, sondern die Leute, denen die Musik so am Herzen liegt, dass sie einmal an der Kasse Geld dafür bezahlt haben. Und aufgrund dieser Tatsache ist der “ECHO” der größte Publikumspreis der Welt.

Nun hat zum Leidwesen vieler Branchenvertreter in den letzten Jahren der deutsche Schlager eine Popularität erreicht, mit der viele nie mehr gerechnet hätten. Insbesondere Helene Fischer brach Rekorde, die wohl kaum jemand für möglich gehalten hätte. Spätestens, nachdem sie 2015 mit „Farbenspiel“ für das gleiche Album zum zweiten Mal in Folge den ECHO erhielt, weil das eben nun Mal zum zweiten Mal in Folge das erfolgreichste Album war, sah man sich genötigt, die Regeln zu ändern.

Wäre man ein Ketzer, könnte man die Frage aufwerfen: Wenn Udo Lindenberg, Metallica oder die Rolling Stones dieses Kunststück vollbracht hätten, hätte man dann auch die kompletten Regeln des ECHOs geändert, um zu vermeiden, dass sie weiterhin fleißig nominiert würden?

Wie dem auch sei – im Jahr 2015 wurde mit „Lex Helene“ festgelegt, dass ein Album maximal zwei Jahre alt sein darf, um für den Echo nominiert zu werden. In diesem Jahr hat man festgestellt, dass selbst DAS nicht ausreicht, um Helenes ungebrochenen Erfolg totzuschweigen (ihr 2015 veröffentlichtes Album „Weihnachten“ landete auf Platz 4 der Jahrescharts) und hat offensichtlich festgelegt, dass ein Album maximal ein Jahr alt sein darf.

Das führt zu der schizophrenen Situation, dass das im November 2015 sensationell erfolgreiche Album von ADELE, das im ersten Halbjahr komplett IMMER in den Top-30 war, NICHT nominiert werden darf, weil es zu „alt“ ist – wohl gemerkt: Das Album ist selbst heute nicht mal 1 ½ Jahre auf dem Markt…. Anderes Beispiel gefällig? COLDPLAY sind mit dem Album „A Head Full Of Dreams“ am 11. Dezember 2015 in die Charts eingestiegen und hielten sich im kompletten ersten Halbjahr in den Top-50 der Charts. Nominierung für den Echo? Fehlanzeige. Auch das Beispiel Hip-Hop wird nicht verschont.. KOLLEGAH  hielt sich mit seinem „Zuhälter-Tape Vol. 4“ immerhin 20 Wochen lang in den Charts – sehr lang für ein Album des Genres. Auch seine CD wurde „schon“ im Dezember 2015 nominiert. Mit seinem Album „Imperator“ war Kollegah hingegen drei Wochen im Jahr 2016 platziert – Grund genug, ihn mit DEM Album zu nominieren.

 

  • Der kommerzielle Erfolg spielt nach neuen Regeln nur dann eine Rolle, wenn das Album „zufällig“ zum richtigen Zeitpunkt erschienen ist.

 

Damit nicht genug: Um ganz sicher zu gehen, dass Helene Fischer keinen Echo mehr bekommt und auch sonst der teilweise unliebsame Publikumsgeschmack vom Tisch gewischt werden kann, hat man sich dazu entschlossen, eine Jury zu installieren. Auf den ersten Blick lässt sich sagen – okay, es kann nicht schaden, wenn echte unabhängige Fachleute mitentscheiden, wer so einen Preis bekommt.

Eigentlich sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, dass diese Jurymitglieder dann bei der Preisverleihung zugegen sein dürfen – EIGENTLICH! Denn: Die Jurymitglieder dürfen zwar teilnehmen, sie müssen dazu aber einen „winzig kleinen“ Preis dafür zahlen. Die Kollegen des Musikexpress haben dazu einen sehr süffisanten, aber äußerst lesenswerten Artikel veröffentlicht siehe hier: https://www.musikexpress.de/warum-wir-teil-der-jury-beim-echo-2017-wurden-und-uns-jetzt-verarscht-fuehlen-768037/ . Das Procedere der ECHO-Verantwortlichen ist so haarsträubend, dass sich inzwischen sogar branchenfremde Medien wie FOCUS Online dafür interessieren – siehe hier: http://www.focus.de/kultur/musik/echo-2017-weil-sie-tickets-fuer-250-euro-kaufen-sollen-jurymitglieder-boykottieren-musikpreis_id_6809319.html .

Immerhin kann man nun einen Blick auf die 2011 von Gerd Gebhardt zitierte „elitäre Clique“ erhalten, die als Jury nominiert wurde. Wobei: Ganz so „elitär“ ist die gar nicht mal. – Dass Branchenvertreter, Journalisten und von mir aus auch nicht nominierte Musiker in diese Jurys geladen werden, ist ja durchaus nachvollziehbar. Aber jetzt kommt’s. Raten Sie mal, wer in die Jury im Bereich SCHLAGER bestellt wurde? (…zur Erinnerung: Nominiert ist NICHT Helene Fischer, dafür aber ANDREA BERG, FANTASY, MAITE KELLY, KLUBBB3 und VANESSA MAI). In der Liste der Jury, die HIER http://www.echopop.de/fileadmin/echopop/upload/pdf/ECHO_Pop_GO_Jurys_ANLAGE_2_FINAL_170315.pdf  eingesehen werden kann, befinden sich Namen wie ANDREA BERG, VANESSA MAI und MICHAEL JÜRGENS, Manager von KLUBBB3. Sehr „spannend“ finde ich, dass z. B. Maite Kelly NICHT in der Jury ist – Sachen gibt’s…

Die immense Anzahl der vermeintlichen Jurymitglieder (man muss sich fast schämen, NICHT auf dieser Liste zu stehen – selbst „Hübner“ steht drauf, also Holger Hübner von ICS Festival Service) legt einen Verdacht nahe, der im lesenswerten Musik Express Artikel bestens ausformuliert ist: „Die Kalkulation, so unsere Unterstellung: Je mehr Fachjuroren der BVMI benennt, desto unwahrscheinlicher berichten all diese Pressevertreter negativ über den ECHO.“ Genau dieser Verdacht erhärtet sich bei mir auch.

Der Chefredaktuer dieser Seite, Andy Tichler, insbesondere hier im Gästebuch immer wieder geschätzt und geliebt, folgt dieser offensichtlichen Intention so gar nicht, indem er diese fürchterlichen ECHO-kritischen Beiträge dieses Möchtegerns Imming veröffentlicht. Zu allem Überfluss bleibt er trotzdem der Echo-Jury erhalten und boykottiert diese nicht wie die Kollegen des Musik Express‘.

Die haben übrigens orakelt, dass die Rubrik „Schlager“ und „volkstümliche Musik“ beim „Neuen Blatt“ und Co. hängen bleiben. Als ich das las, habe ich seufzend überlegt, dass es schade ist, dass der Musik Express noch immer meint, moderner Schlager habe keine Qualität und müsse deshalb von Yellow Press Vertretern beurteilt werden. Wirft man einen Blick auf die Juroren, stellt man fest, dass der Musik Express das genau richtig gesehen hat – in der Jury sitzen u. a. Vertreter der „BUNTEn“, der „Gala“ (gleich 2 Vertreter), von „wunderweib.de“, vom zitierten „Neuen Blatt“ und der „Super Illu“. Erstens mal frage ich mich – berichtet die „Gala“ wirklich regelmäßig von Schlagervertretern im  Heft? Und zweitens – wenn ja, geht es da um die Musik? Ohne Worte…

Fazit: Die Chartsnominierungen sind eine Farce (übrigens, nicht nur hinsichtlich des Erscheinungsdatums, sondern auch hinsichtlich dessen, dass nur die Top-5 berücksichtigt werden – offensichtlich war man zu faul, die kompletten Charts auszuwerten – hier reicht ein freundlicher Hinweis an smago; die detaillierten Auswertungen liegen uns komplett vor). Und die Jurynominierung ist unter den gegebenen Umständen nun auch nicht gerade der Inbegriff der Seriosität.

Und nun wünsche ich Herrn Tichler für seine Zuständigkeit, u. a. „Album des Jahres“ viel Spaß bei der Qual der Wahl zum „Album des Jahres“. Zur Erinnerung – nominiert sind die BÖHSEN ONKELZ, UDO LINDENBERG, METALLICA, die ROLLING STONES und… ANDREA BERG.

ECHO – ein Preis für die erfolgreiche und gute Arbeit in der Musik? Da sag ich nur: „Ich mach mir die Welt widde widde wie sie mir gefällt“.

 

“Pippi Langstrumpf”, 21.03.2017
http://www.musikindustrie.de
http://www.echopop.de/pop-startseite/

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