BERNHARD BRINK, FANTASY, FRANZISKA, SASCHA HEYNA, NICOLE, NIK P., MARY ROOS, SEMINO ROSSI, MICHAEL WENDLER, WOLKENFREI u.a.
Die Doppel-CD "Die deutschen Hits" (DA Music) im Test von Holger Stürenburg!

Das Doppelalbum, das aus repertoirepolitischen Gründen ohne Helene Fischer, Andrea Berg & Co. auskommen muss, repräsentiert in seiner Gesamtheit “eine mehr als nur ansprechende Werkschau über vieles, was 2014 im Deutschen Schlager für Furore sorgte”…: 

Der diesmal streckenweise sehr heiße und sonnige Sommer ist nun unweigerlich vorbei. Wir befinden uns inmitten des zunehmend dunkleren, kühleren Herbstes – am vergangenen Wochenende, so sagen die Meteorologen, soll bei uns im Norden letztmalig in diesem Jahr die 20 Grad-Marke auf dem Thermometer übersprungen worden sein – und das Weihnachtsgeschäft anno Domini 2014 steht immer drängender in den Startlöchern.

So haben sich in den letzten Wochen die einzelnen Plattenfirma an die Arbeit gemacht, um feierlich zu resümieren, was sich so im Laufe des nach und nach zu Ende gehenden Jahres, gerade innerhalb der letzten Monate, musikalisch so alles ereignet und bewegt hat, welche bleibenden Hits geboren wurden, welche Titel sich, vielleicht sogar völlig zurecht, kaum durchzusetzen vermochten, oder welche Geheimtipps einfach am alles bestimmenden Massengeschmack vorbeiproduziert wurden, obschon sie für sich genommen nachgerade hohe Qualität aufweisen. Mir liegt nun brandaktuelle Koppelung „Die Deutschen Hits“ vor, für die das Diepholzer Label DA Music ganze 42 Beiträge im Spannungsfeld zwischen klassischem Schlager und gehobenem deutschen Pop zusammengestellt hat, von denen nicht wenige in jüngster Zeit durchaus in positiver Hinsicht Staub aufwirbelten und sich zu veritablen Rundfunkhits entwickeln konnten. Folglich möchte ich mich an dieser Stelle dieser Doppel-CD gewohnt ausführlich annehmen und mich durch einen Großteil der darauf enthaltenen, deutschsprachigen Schlagerveröffentlichungen durcharbeiten, die besten Titel besonders hervorheben, aber auch manchen Flop nicht unerwähnt lassen – und all dies entsprechend kommentieren!

Eröffnet werden „Die Deutschen Hits“ von dem fetzig-feurigen, bläserbetonten Samba-Fox „R.I.O. – Es geht nach Rio de Janeiro“, den das nordrheinwestfälische Schlager-Duo „Fantasy“ aus Anlass der diesjährigen Fußball-WM ebendort veröffentlicht hat und der fraglos geballtes, höllisch-heißes Sommerflair, freudige Strandstimmung und ausgeruhte Urlaubsgefühle schlüssig verbreitet – auch, wenn die immer wieder ins Popgeschehen einkehrende „Rio“-Thematik schon zuvor in unzähligen Schlagern breitgetreten wurde, von Tony Holiday („Rio“) bis Peter Sebastian („Mit Dir nach Rio“). Trotzdem versprühen die beiden Protagonisten von „Fantasy“ in ihrer Hommage an die zweitgrößte Stadt Brasiliens derart viel Lebensfreude, Sommerfrische und Tanzwütigkeit, dass DA Music mit dem ersten Lied auf CD-01 von „Die Deutschen Hits“ sogleich einen properen, in Sekundenschnelle wachmachenden Starter für ihre Herbst-Koppelung ausgewählt hat.

Im allgegenwärtigen, kaum den Status des Mittelmaßes verlassenden Disco-Fox-Kontext, gemixt mit französisch anmutenden Akkordeon-Fragmenten, strikten, peitschenden Rhythmen und unüberhörbarer stimmungsbezogener Anlehnung an Helene Fischers diesjährigen Überhit „Atemlos durch die Nacht“, verbleibt der rasante Tanzflächen-Knaller „Nur noch einmal schlafen“ von der Gütersloher Sängerin Anna-Maria Zimmermann, die diesen lauten, hämmernden Beitrag im Juni 2014, ausschließlich Dank genügender Downloads, auf Platz 77 der „Media Control“ bugsieren konnte.

Mit „Unser Zelt AUF Westerland“ hat „der Wendler“, der in den Tagen seiner erstmals vielleicht wirklich ungekünstelten und (soweit ihm möglich) aufrichtigen Selbstpräsentation bei „Promi Big Brother“ bald vom Streitobjekt Nummer Eins zumindest zum zeitweilig durchaus erträglichen „lieben Michael“ wurde, zwar einen gewohnt drallen, fetten und dennoch alles andere als unsympathischen Haudrauf-Disco-Fox im ihm ureigenen klanglichen Gewande vorgelegt, der aber leider schon in seiner Betitelung einen schwerwiegenden grammatikalisch-geographischen Fehler aufweist. Zwar hält sich der feierfreudige Yuppie dieser Welt gerne AUF der Insel Sylt auf, hottet, fetet, danced und meinetwegen auch zeltet allerdings vielmehr mitten IN Westerland, dem einwohnerstärksten Ort – wie gesagt – AUF Sylt. Von diesem sprachlichen Fauxpas abgesehen, bietet „Unser Zelt XXX Westerland“, im Frühjahr Rang 55 der einheimischen Singlecharts, jedoch rasende Disco-Power pur und überzeugt somit voll und ganz.

Ein besonderer Fan des sachsen-anhaltinischen Nachwuchs-Mädels Franziska war ich nie gewesen; zumeist erschienen mir ihre gespielte Offenheit und Lolita-hafte Freizügigkeit als zu viel klischeehaft, zu unecht. Ihre recht nümperne, weitgehend ideenlose, eigentlich nur auf lautere, härtere Rhythmik ausgerichtete Neufassung des unvergesslichen Purple-Schulz-Klassikers „Kleine Seen“, Anfang 1986 die dritte und letzte Singleauskoppelung aus dem sagenhaften Hitalbum des Kölner Deutschpop-Trios, „Verliebte Jungs“, hätte die 21jährige sich (und uns 80er-Jahre-Kindern, deren Jugenderinnerungen nicht selten an einstigen poppig aufbereiteten Emotionsergüssen, wie eben „Kleine Seen“, hingen), jederzeit ersparen können

Nicht weiter aus der Masse ähnlich gestalteter Titel herausragenden, streckenweise unnötig aufpeitschenden Bum-Bum-Discofox bietet der Essener Sänger, Songschreiber und Produzent Jörg Bausch in seinem lautstark krachenden, pochenden, gesungenen Wunsch „Ich will auch mal nach New York“ an, weshalb ich mich auch einer tiefergehenden Analyse dieses aufgebauschten Simpel-Fox‘ gerne enthalten mag.

Das aus dem Baden-Württembergischen Aspach stammende Terzett „Wolkenfrei“ gilt – nicht ganz zu Unrecht – seit rund einem Jahr als hoffnungsvoller Überflieger am einheimischen Schlagerhimmel. Stefan Kinski, Marc Fischer und Hauptsängerin Vanessa Mai zündeten bereits mit ihrem, im Februar d.J. veröffentlichten Debütalbum „Endlos Verliebt“ ein reales Hitfeuerwerk. Die durchwegs ansprechende CD zog kurz nach Ersterscheinen auf Rang 18 der deutschen „Media Control“-Listen, nachdem die drei Nachwuchsmusiker schon im November 2013 den heißbegehrten „SMAGO Award“ in der Kategorie „Hit Tipp“ verliehen bekommen hatten. Diese nicht alltäglichen Vorschusslorbeeren haben „Wolkenfrei“ jedenfalls verdientermaßen erhalten, hätte der teutonische Schlagersommer 2014 ohne die 17-plus-Eins Lieder ihrer erwähnten Einstiegs-CD doch ganz und gar nicht funktioniert bzw. wäre er um einiges ärmer an fröhlicher, poppiger, deutscher Musik zum Feiern, Träumen und Genießen gewesen. Für „Die Deutschen Hits“ suchte DA Music die zweite Single von „Wolkenfrei“ aus, die da heißt „Du bist meine Insel“, Dank ihrer jugendlichen, frischen Eingängigkeit, ihrer geschwungenen, romantischen Melodieführung und ihres liebenswert schnulzigen Textes aus der Feder von Tobias Reitz, das Zeug dazu hat, als einer DER deutschen Schlagerhits 2014 in die Annalen einzugehen und zudem dafür Sorge tragen könnte, dass die drei „wolkenfreien“ Jungspunde in stilistischer Hinsicht eines Tages vielleicht zu einer Art „Fernando Express 2.0“ avancieren.

Über die m.E. allzu volkstümelnd-süßlich agierenden „Calimeros“, ihres Zeichens eine bis ins Jahr 1976 zurückreichende Schlagercombo aus der Schweiz, mit ihrem penetrant fröhlichen Schenkelklopfer-Werk „Mama Mia Maria“ äußere ich mich nicht näher, während mir das daran anschließende, wundervoll schwülstige, konstruktiv großspurig inszenierte Schmachtduett „Das ist Sehnsucht“, geschrieben von Starproduzent Uwe Busse und liebenswert, so hyperromantisch, wie hypertroph vorgetragen von der Heppenheimer Germanistikstudentin Laura Wilde und dem belgischen Showstar Christoff, in seiner herbe 50er-Jahre-Seligkeit verbreitenden Grundstimmung umgehend nach dem ersten Hören sehr aus dem Herzen sprach.

Die hochgeschätzte Nordhorner „Schlagerkanone“ Bernhard Brink hatte im Rahmen ihrer inzwischen sage und schreibe knapp 42jährigen Karriere auch schon unzählige, weitaus delikatere, mitreißendere, trefflichere Lieder im Repertoire vorzuweisen gehabt, als die sehr sachte, übertrieben gemächliche und darüber hinaus ungewohnt folkig-bluesige, gar chansonähnliche Gitarrenballade „Aus dem Leben gegriffen“, Titelsong von Bernhards gleichnamiger, noch immer aktueller Hit-CD, die im Februar 2014 auf den Markt kam und bis auf Rang 21 der Albumcharts zu steigen vermochte. Dieses überaus erfolgreiche Resultat bei „Media Control“ – immerhin seine zweitbeste Platzierung in den LP-Hitparaden überhaupt – war jedoch mit einiger Wahrscheinlichkeit weitaus mehr auf „Brinkis“ gewitzte Teilnahme an der diesjährigen Staffel der RTL-Tanzshow „Let’s Dance“ zurückzuführen, denn auf die einfach nicht spürbare Überzeugungskraft des hier verkoppelten, irgendwie niemals so recht zünden wollenden Schleichers, der den Rezensenten, als langjähriger Brink-Fan seit Kindertagen bekannt, schon arg enttäuscht zurücklässt… Kollege Andreas Martin dagegen fesselt auch in diesem Jahr mit einem so edlen, coolen, tanzbaren, wie vor heißer Liebe und innigem Gefühl nur so strotzenden und zudem hochmelodiösen, offensiv vorantreibenden Disco-Pop-Reißer, der diesmal heißt „Du, ich mal Dir ein Bild“ und entnommen wurde seiner krossen 2014er-Scheibe „Für Dich“.

Der gemütliche Grazer Schlagersänger Charly Brunner (bis 2010 mit seinem Bruder Johann als Duo „Brunner & Brunner“ unterwegs) nahm sich, zusammen mit seiner neuen Muse, der Wiener Sangeskollegin Simone, einen Plot vor, der bereits 1975 von der amerikanischen Countrypop-Truppe „Dr. Hook & the Medicine Show“ erstmals bearbeitet und vier Jahre später, dann im kühlen New-Wave-Gewand, von „Rolling Stones“-Anhängsel Marianne Faithfull zum Welthit „The Ballad of Lucy Jordan“ ausgestaltet wurde. Charly & Simone aktualisieren nun den surrealen Textinhalt über die betrübte Frau, die von heute auf morgen ihre alte Umgebung hinter sich lässt, einfach ins Auto steigt und hinein ins wilde, pralle Leben fährt. Dies geschieht in Form eines grazilen Duetts, zu einer neuen, von Andreas Bärtels verfassten, im mittleren Tempo gehaltenen und mit eindeutigen Country-Elementen angereicherten, zugleich enorm sehnsüchtigen Melodie, als „Das Lied von Lucy Jordan“, in dem eine ähnliche Geschichte wie im englischen Original erzählt wird, selbst wenn die deutsche Sichtweise bei weitem nicht so drastisch und aussichtslos endet, wie es seinerzeit bei der internationalen Vorlage der Fall war.

Die Saarländer Dauerbrennerin Nicole versuchte sich im aufmunternden Gute-Laune-Hymnus „Ein neuer Tag“, der letzten Singleauskoppelung aus ihrer gefragten 2013er-CD „Alles nur für Dich“, an einem deutlich rockigen, typisch britischen 60er-Jahre-Sound, gepaart mit einwenig Northern-Soul-Ambiente, freudig klimperndem Piano und treibenden E-Gitarren. An der kompositorischen Entstehung dieses absolut positiven und aufbauenden Ohrwurms war übrigens – man höre und staune – niemand geringeres beteiligt, als der große Rockshouter Chris Thompson, seines Zeichens Immer-wieder-mal-Frontmann der weltberühmten „Manfred Mann’s Earth Band“.

Der heißbegehrte Austro-Argentinier Semino Rossi intoniert daran anschließend für seine überwiegend weiblichen Fans das so gemächliche, wie aufstrebende Edelpop-Drama „Dich zu lieben ist schön“, entnommen seiner im Frühjahr 2014 vorgelegten Top-10-Doppel-CD „Best of“, Ex“-Flipper Olaf (Malolepski) dagegen schenkt wiederum seiner Anhängerschaft kurz darauf den gleichzeitig als Titellied seiner letzten, inzwischen dritten Soloproduktion fungierenden, klanglich eher im konventionellen Spektrum verharrenden Up-Tempo-Fröhlichkeitsschlager „Ich mach’s wie die Sonnenuhr“, ohne – zumindest beim Verfasser dieser Zeilen – einen tieferen Eindruck zu hinterlassen.

Wie man wahrhaft grandiosen Romantikschlager mit bleibendem Wert auf der tatsächlich nicht einfach zu bewerkstelligenden Balance zwischen kommerzieller Verwertbarkeit und hohem künstlerischen Anspruch fabriziert, belegt uns seit über drei Jahrzehnten der bienenfleißige Eschweger Hitlieferant G.G. Anderson. Der knapp 65jährige Sänger, Komponist und Produzent ist auf „Die Deutschen Hits“ mit seinem so strikt eingängigen, wie radikal gefühlsbetonten Radiohit „Nie wieder Goodbye“ vertreten, einer umgehend unter die Haut gehenden Auskoppelung aus „Die Sterne von Rom“, der im August 2014 erschienen Top-25-Scheibe des verschmitzten Erschaffers so unvergesslicher Schlagerperlen der Sorte „Sommernacht in Rom“, „Am weißen Strand von San Angelo“ oder „Mama Lorraine“! Auch der Schweizer Charmeur Leonard gilt als Meister seines Fachs, das im gleichen stilistischen Terrain beherbergt ist, wie das des eben erwähnten „doppelten G-Punktes“ des Deutschen Schlagers. „Du hast meine Seele geheilt“ nennt sich eine erfolgreiche, feudale, rasant poppige Single aus der aus zwei Silberscheiben bestehenden Geburtstagsrückschau „Noch lange nicht alles“, die der immerjunge Lausbub aus Seedorf im Kanton Uri seinen Freunden und sich zu seinem (ihm weder anzusehenden, geschweige denn anzuhörenden) 50. Ehrentag im Januar diesen Jahres schenkte.

Schlagerlegende Michael Holm – mit einem, noch zu analysierenden eigenen Titel übrigens gleichsam auf „Die Deutschen Hits“ berücksichtigt – ließ es sich nicht nehmen, für seinen Münchener Kollegen Patrick Lindner zu dessen 25jährigem Bühnenjubiläum ein Lied beizutragen. „Sommer im Haar“ nennt sich die famose Komposition des „Mendocino“-Machers, die im Juli d.J. aus Patricks 2014er-Doppelalbum „Nur mit Deiner Liebe“ als Radiosingle ausgesucht wurde und nun auf „Die Deutschen Hits“ zu hören ist. Heraus kam dabei ein frech-fetziger Popschlager bester Güteklasse, der mit einer prägnanten Mixtur aus emotionalem Tiefgang, augenzwinkerndem Charme und einer massiven Anhäufung von Lebensfreude aufwartet.

„Was uns nicht passt / wird ignoriert“, gibt der 72jährige Sauerländer Tom Astor in seinem für „Die Deutschen Hits“ ausgewählten Beitrag „Mit voller Kraft voraus“ zum Besten. Und genau an diese uneingeschränkt zutreffende lyrische Aussage mag ich mich bezüglich dieses so enorm vorhersehbar tönenden Country-Versuchs nur allzu gerne halten. Wiederum schier perfekten, so lieblichen, wie flott-peppigen Romantikschlager zum Tanzen und Träumen in einem Atemzug, vernehmen wir im Anschluss daran in „Wie durch ein Wunder“, aus der aktuellen CD „Folge dem Fieber“ des ewigen „Fischers von San Juan“ Tommy Steiner.

Der Wuppertaler Songschreiber und Produzent Uwe Busse, seit mehr als drei Dekaden überaus gefragt als regelmäßiger Liedautor für z.B. „Die Flippers“, Michael Morgan, Andy Borg oder Rex Gildo, griff 2014 mal wieder selbst zum Mikrophon und überzeugt sofort mit dem stürmischen, liebenswert zickig-widerspenstigen, einwenig überkandidelten Edelpop-Schlagerchanson „Applaus für Dich“, aus der gleichnamigen CD, die im Juni 2014 das Licht der Welt erblickte. Der in Köln lebende Journalist und Moderator Sascha Heyna beendet CD-01 hier vorgestellten Doppelalbums mit seinem eher im volkstümlichen Bereich angesiedelten Schmankerl „Du machst mich verrückt“.

Die zweite Silberscheibe von „Die Deutschen Hits“ beginnt mit einem brodelnden, geradezu aufwiegelnden Inferno aus schnieken Fiedeln und wild geschlagenen Akustikgitarren, die das lautstarke, dralle – und darüber hinaus immens mitreißende – Beinahe-Folkrock-Chanson „Die Leichtigkeit des Seins“ einleiten, den momentanen Superhit von Deutschpop-Stehaufmännchen Matthias Reim, Titelsong der ebenso benannten Top-2(!)-CD aus dem Mai diesen Jahres, der von Machart, Melodieführung und instrumentaler Umsetzung her  in seinen besten Momenten an die jüngeren, stilistisch ähnlich ausgerichteten Folk-Rock-Versuche von Ex-„Rattle“ Achim Reichel erinnert, in seinen schwächsten an Kommerz-Sauf-Folk a la „Santiano“.

Von den zwei Freundinnen Anne Lindt und Kim Bennet, seit 2013 als Duo „Lindt Bennet“ unterwegs, hatte ich bis dato nichts gehört. Nach den ersten paar Takten ihres für „Die Deutschen Hits“ seitens ihrer Firma DA Music verkoppelten, nahezu himmlischen Westcoast-Pop/Gitarren-Ohrwurms „Guten Tag, ich bin das Leben“ aus ihrer von Henning Gehrke, der 2008 maßgeblich an der Entstehung von Udo Lindenbergs gefeiertem Comeback „Stark wie Zwei“ beteiligt war, produzierten Debüt-CD „Seelenschwestern“, jedoch war ich sogleich übermannt von der unaufdringlichen, locker-luftigen und zugleich äußerst ernsthaften und bodenständigen Ausstrahlung, die dieser aufweckende, voranstrebende, durchaus sehr US-amerikanisch geprägte Deutschpop/Rock-Verschnitt kompakt und phänomenal komprimiert in sich trägt. Die beiden ‚Schwestern im Geiste‘ Anne und Kim, darüber bin ich mir nach dem Genießen auch nur dieses einen einzigen Liedes vollkommen im Klaren, werden sicherlich auch jetzt und in Zukunft für noch eine ganze Menge an perlenden Pop-Kleinoden zwischen verlockendem Deutschrock, wehendem Country und erdigem Folk zu haben sein!

Nik P., der Kärntner Junge mit dem ewig seinen Namen tagenden „Stern“, sandte im Frühsommer 2014 als erste Single aus seiner diesjährigen CD-Stellungnahme „Löwenherz“, die schnelle, latent Disco-Fox-untermauerte Pop/Rock-Hymne „Geboren, um Dich zu lieben“ ins Rennen, die musikalisch irgendwo zwischen späterem Wolfgang Petry und poppigeren „Unheilig“ angesiedelt ist – und somit die Herzen, sowohl der moderneren Schlagerfreunde, als auch der alteingesessenen Deutschpop-Freaks wiederum in bester Form für sich gewinnen konnte.

Warum sich mit dem träge dahinplätschernden Popnümmerchen „Polarstern“ noch ein zweites Lied von Teenie-Sängerin Franziska auf „Die Deutschen Hits“ befindet, wissen nur der liebe Gott (und die Kollegen bei DA Music) alleine; ich werde mir aber eine freundliche Übergehung dieses eher unbedeutenden Beitrags erlauben – um mich gleich darauf dem Ahlener Multitalent Alexander Klaws zu widmen, dem Gewinner der allerersten Staffel von „Deutschland sucht den Superstar“ 2003, der einen tanzbaren, sacht rockigen, klassischen deutschen Popschlager namens „Morgen explodiert die Welt“ im Gepäck hat, der zwar ob seines im allzu gewohnten Disco-Fox-Klangbild verharrenden Arrangements nicht für die überschwängliche Begeisterung gut ist, aber Dank seiner Geschmeidigkeit und seiner unbestritten vorhandenen Hymnentauglichkeit auch nicht mit einem bösen „Daumen nach unten“ bedacht werden soll.

Die in Weimar geborene „DDR“-Popschlagerlegende Ute Freudenberg brilliert nun mit einer von Klangzauberer David Brandes mit ganzer Wucht ausgetüftelten, regelrecht aufpeitschenden Bombast-Rock-Pop-Kreation voller Power, Drastik und Hochgefühl, irgendwo in der Nähe von Tina Turner oder Bonnie Tyler. Einfach nur umwerfend, stimmig, ehrlich und kraftvoll intoniert eine der besten, stimmstärksten und authentischsten Künstlerinnen aus Ostdeutschland das faszinierende Schlagerepos „Begegnen“, das wahrhaftig das Zeug zu einem teutonischen Popevergreen hat. Ihr zeitweiliger Duettpartner, der Lörracher Popschlager-Experte Christian Lais, interpretiert gleich danach die hochkarätige Gitarren-plus-Synthesizer-Orgie „Wer kämpft neben mir“, eine typische David-Brandes-Komposition, die dessen oft gehuldigter Vorliebe für Monumental-Popper der Sorte „Alan Parsons Project“ oder „Electric Light Orchestra“ mal wieder geballt und mehr als nur gekonnt gerecht wird.

„Einzigartig“, erste neue Single von Powerfrau Mary Roos nach ihrem so exzentrischen, wie hochgradig spektakulären Swing-meets-Chanson-Opus „Denk was Du willst, setzt ohne Abstriche den auf diesem von Kritikern und Musikgourmets gleichermaßen höchst goutierten Meisterwerk eingeschlagenen Weg in Sachen anspruchsvoller, swingender Feudalmelodien fort. Der so liebevoll spätsommerlich, wie augenzwinkernd jugendlich-naiv tönende Pop-Swing, den Alleskönnerin Mary so spritzig, kräftig und betörend ehrlich und offenherzig zugleich, nun wiederum für ihre Stamm-Company DA Music, eingesungen hat, wurde übrigens von dem jungen Münsteraner Singer/Songwriter Johannes Oerding mitgeschrieben, was ein weiterer Beweis dafür ist, dass eine kreative Kooperation „Jung trifft Erfahren“ häufig von sehr gutem Erfolg gekrönt sein kann.

Kurz darauf präsentiert Gilbert, der zuletzt immer begehrtere Innsbrucker Gratwandler zwischen eindrucksvollem Schlager und gehobenem Pop, die wie gehabt auf bestem klanglichen Niveau agierende David-Brandes-Melodie „Ruf mich an“, gefolgt von der Berliner Musicaldarstellerin und Sängerin Ella Endlich mit ihrer, übrigens von ihr selbst verfassten, zickig swingenden, dialektischen Negation von Siw Malmquists 1964er-Oldie „Liebeskummer lohnt sich nicht“, die bläserbetont, großbürgerlich-urban, jazzig und tanzbar zugleich, als „Liebeskummer lohnt sich doch aus den Boxen fließt und ein ums andere Mal würdevoll und mit viel Elan mit liebgewonnenen Schlagerkonventionen frech, gewitzt und hitzköpfig bricht.

Ex-„Münchener Freiheit“-Frontmann Stefan Zauner hat, gemeinsam mit seiner zweiten Ehefrau Petra Manuela, eine ihm typische, hochintelligente Pop/Rock-Melange aufgenommen. „Fang an“ war die erste Singleauskoppelung aus Stefans Solo-Zweitling „FABELhaft“ und zog im Frühjahr 2014 stehenden Fußes in die Top 5 der Formatradiocharts „konservativ“ ein. Und im besten Sinne des Wortes „konservativ“ klingt auch die Klasse Melodie, natürlich von Stefan selbst ersonnen, die unterschiedslos auf jedem besseren Album seiner Ex-Band (und derer gibt es viele!) einen herausgehobenen Platz hätte finden können.

Von der aus drei Geschwistern bestehenden Schlagertruppe „Schwesterherz“ hatte mir schon deren 2007 veröffentlichte Debütsingle „Papa wollte Jungs“ nicht unbedingt besonders zugesagt; auch „Lass mich noch 100.000 mal“, den diesjährigen Versuch der drei Grazien Carina, Anja und Maria, könnte man mir 100.000 mal und noch öfter vorspielen, er würde mich auch dann sicherlich nicht vom Hocker gerissen haben.

Dies dagegen gelingt dem – (nicht nur) entfernt an „U2’s“ 1987er-Überhit „With or without you“ erinnernden – hartnäckigen Deutschrock-Kracher „Wolken“ der derzeit vieldiskutierten, einheimischen Rock-Pop-Hoffnung „Großstadt Freunde“, um den gebürtigen Londoner Jay Khan, in ausgeprägtester Pracht: Zeitnah, modern, knackig und doch die Liebhaber der traditionellen deutschen Popmusik der 80er Jahre keinesfalls verschreckend, vermag das 2012 gegründete Berliner Quintett mit tiefsinnigen, handgemachten und zudem konsequent melodischen Rocksounds die Gewinnerstraße zu bevölkern. Ich glaube, die mir zuvor nicht geläufige Nachwuchsband aus der Hauptstadt hat sich soeben, als ich „Wolken“ zum ersten Mal vernahm, einen neuen Fan erspielt!

Beim einstigen Mehrfach-Teilnehmer am „Grand Prix Eurovision de la Chanson“ „WIND“ – 1985 mit „Für alle“, zwei Jahre später mit „Lass die Sonne in Dein Herz“ und 1992 mit „Träume sind für alle da“ – scheint doch fast 30 Jahre nach Gründung die Luft raus zu sein. Das eher uninteressante Country-plus-70er-Disco-Schmankerl „Up & Down (nach der Ebbe kommt die Flut)“ aus der 2014er-CD „Für Deutschland“ stellt kaum mehr dar, als ein laues, flink verwehendes Windchen und zeugt weit mehr von „Ebbe“, als von „Flut“; vulgo: eher von „down“, denn von „up“.

Als ungleich augen- bzw. ohrenfälliger und weitaus hitträchtiger, zeigt sich nun die – schier geniale – neueste Radiosingle von Altstar Michael Holm. Bei seiner phantastischen Song-Stellungnahme „Meine Augen sind noch blau“ handelt es sich um einen deftig rockenden, wehend-treibenden, von ausgiebiger Leidenschaft durchzogenen Gitarrenschlager, der dem interessierten Hörer sofort in dessen Gehörgänge dringt und es sich dort erst mal bis auf Weiteres gemütlich macht. Auch die attraktive, junge Georgierin Maria Lewin, die 2004 nach Deutschland gekommen ist und seitdem zunehmend mit ehrgeiziger, tiefgehender, meist selbstgeschriebener deutscher Popmusik auf sich aufmerksam macht, beeindruckt auf „Die Deutschen Hits“ mit ihrer voraneilenden, so feinfühligen, wie kämpferischen Gitarrensingle „Ein neuer Himmel“, die zweifellos belegt, dass die brünette Gewinnerin des 2012er-„SMAGO Award“ in der Rubrik „Durchstarterin des Jahres“ auch 2015 weiterhin beträchtlich durchstarten und die deutsche Popszene gehörig aufwirbeln wird.

Genau dies tut schon über ein Vierteljahrhundert lang der saarländische Frauenschwarm Michael Morgan. Im Herbst 2014 ist er mit dem machtvollen Discofox-Reißer „Für immer Du“ mit von der Partie, die seiner soeben erschienenen Silberscheibe „Mit Ecken und Kanten“ entstammt und bereits in den hiesigen Radiocharts hoffnungsfrohen Einstand gefeiert hat. Dort trieb sich im Laufe der letzten Monate gleichsam die Kölner Schlagersängerin und ausgebildete Ökotrophologin ANDREA mit ihrem fraglos lieblichen, alles andere als unsympathischen, aber dennoch keinen besonderen Eindruck hinterlassenden Durchschnitts-Schlager „Warum nicht fliegen lernen?“ herum, wie auch „GZSZ“-Teenageridol Jörn Schlönvoigt mit der schwärmerisch-verliebten Gitarrenpop-Nummer „Alle Deine Küsse“. Der temporeiche Tanzschlager „Ich lieb‘ Dich so“, fordernd und furios dargeboten von „DDR“-Schlagerikone Ines Adler, beendet den offiziellen Teil von vorliegender Doppel-CD „Die Deutschen Hits“.

Im Sinne eines Bonustitels, fügten die Verantwortlichen dieser Hitkollektion die 2005 erstmals auf Deutsch veröffentlichte, so dunkel-verschlossene, wie sphärisch-schöngeistige Synthi-Pop/Gothic-Mixtur „Willkommen im Leben“ von NDW-Legende Hubert „Hubsi“ Kah hinzu, der Ende August 2014 als liebenswerter Wirrkopf die diesjährige Staffel des SAT-1-Formats „Promi Big Brother“ erheiternd beglückte. Im englischen Original diente jenes Lied als „C’est la Vie“ vor 19 Jahren als Singleaufhänger von Huberts neo-romantischem, nach ihm selbst benannten Crossover-Versuch, der in genanntem Jahr die Garde der Kritiker zwar in hellste Verzückung versetzte, bei den Käufern aber – m.E. völlig zu Unrecht – durchfiel. Für seine im Mai 2005 bei DA Music vorgestellte, bislang letzte Studioproduktion „Seelentaucher“, sang Hubert das bewegende Klangdrama zwischen Traum und Wirklichkeit neu, diesmal deutsch betextet, ein – weshalb sich DA Music nun entschloss, aus Anlass von „Hubsis“ Aufwartung bei „Promo Big Brother“, dieses prickelnde Synthi-Melodram nochmals aus den Archiven zu kramen und vorliegender Herbst-Ausgabe von „Die Deutsche Hits“ hinzuzukoppeln. Außerdem – dies sei schon mal verraten – erscheint in wenigen Tagen eine Doppel-CD unter eben diesem Titel, auf dem Huberts beste Aufnahmen für DA Music, sowie verschiedene Remix mancher derer, auf zwei silbernen Scheiben zusammengestellt und neu veröffentlicht werden. Sobald mir „Willkommen im Leben“ vorliegt, werde ich ebenjene Kompilation an dieser Stelle entsprechend ausführlich würdigen.

„Die Deutschen Hits“ repräsentieren in ihrer Gesamtheit eine mehr als nur ansprechende Werkschau über vieles, was 2014 im Deutschen Schlager für Furore sorgte. Jeder hat bekanntlich einen anderen Geschmack; im Grunde genommen ist aber auf vorliegender Doppel-CD für jeden Musikfreund, der deutschsprachigen Klängen, ob moderner oder traditioneller, ob pop-rockiger oder schlagerhafter, aufgeschlossen gegenüber steht, alles dabei, was sein Herz hörerschlagen zu lassen vermag: Seit Unzeiten von Ruhm und Reputation beseelte Altvordere a la Michael Holm, Andreas Martin, Ute Freudenberg G.G. Anderson oder Tommy Steiner legten oft in grandioser Manier darüber Zeugnis ab, dass sie in all den Jahren ihres Tuns nichts von ihrer ursprünglichen Energie und Begabung, tolle Songs zu kreieren, eingebüßt haben – und bereits nach den ersten Takten anregende und Appetit machende Newcomer, von „Lindt Bennett“ über „Wolkenfrei“, bis hin zu Marie Lewin oder den „Großstadt Freunden“, garantieren, dass es um freche, offene, zugleich zeitnahe und spannende Musik in deutscher Sprache in diesem unserem Lande besser steht denn je. Trotz mancher – oft rein subjektiv begründeter – Durchhänger, lohnt sich die Anschaffung der mit 42 Titeln prallgefüllten Doppel-CD „Die Deutsche Hits“ von DA Music für den Schlager und Deutschpop-Begeisterten ebenso, wie für den peniblen Musikchronisten und Sammler!

Holger Stürenburg, 20./21. Oktober 2014; Überarbeitung: 24. Oktober 2014)
http://www.da-music.de
http://www.da-music.de/Schlager/Kuenstler

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