JOACHIM WITT
Die "My Star" Folge über Joachim Witt im Test von Holger Stürenburg!

Dieses ´Best Of´ Album (Zeitspanne: 1980 – 2007) wurde von DA Music zusammengestellt! 

Mit seinem unvergessenen „Goldenen Reiter“ schrieb er NDW-Geschichte – obwohl er musikalisch und lyrisch weit mehr ‚auf dem Kasten‘ hatte, als neue deutsche „Sternenhimmel“- oder „Sommersprossen“-Glückseligkeit. JOACHIM WITT, gelernter Photograph und Ex-Schauspieler am Hamburger „Thalia—Theater“, hatte 1980 soeben für seine – damals englischsprachigen – Aufnahmen mit der dreiköpfigen Westcoast-Rock-Combo „Duesenberg“ den „Deutschen Schallplattenpreis“ entgegengenommen, da verließ er diese Band (die sich dann 1981 endgültig auflöste) und beschloss, fortan solistisch und bis auf Weiteres auf Deutsch, prickelnde, nicht unbedingt am Massengeschmack orientierte Rockmusik auf höchstem Niveau, verbunden mit expressiven, oft sehr persönlichen, aber auch giftig-gallig zeitkritischen, manchmal zudem absichtlich missverständlich und mehrdeutig formulierten Texten zu präsentieren.

Kurz nach der Trennung von „Duesenberg“, nahm Joachim Witt sein erstes Soloalbum „Silberblick“ auf. Dieses produzierte er alleine, auf sich gestellt, jedoch mit Unterstützung einiger Kollegen seiner Ex-Band, woraufhin diese bahnbrechende Acht-Track-Scheibe im Dezember 1980 bei WEA/WARNER auf den Markt kam. Die phänomenale LP (siehe HIER) blieb zunächst allerdings wie Blei in den Regalen liegen. Denn deutschgesungene New-Wave-Experimente mit Widerhaken verharrten bis Ende 1981 als reiner Eingeweihten-Tipp, der bis dahin kaum Eingang in die deutschen Verkaufshitparaden, vulgo: in die breitere Öffentlichkeit, fand. Erst als die zweite Single aus „Silberblick“, eben der legendenbehaftete „Goldene Reiter“, am 07. November 1981 in der deutschen Ausgabe des Bremer „Musikladens“ mit Manfred Sexauer vorgestellt wurde, ritt Joachim Witt umgehend und strikt in Richtung Rang 2 der einheimischen „Media Control“-Charts und konnte ganze 29 Wochen in denselben verbleiben.

Der „Goldene Reiter“, jene makabere Geschichte eines stadtbekannten Yuppie-Aufsteigers, der plötzlich an unheilbarer Schizophrenie erkrankt und auf dem Weg in die geschlossene Anstalt im Krankenwagen sein bisheriges Leben noch einmal Revue passieren lässt, galt hinfort als einer der beständigsten, dauerhaftesten und stilbildenden Klassiker der Neuen Deutschen Welle, obwohl der dröge, resolute Gitarrenrocker mit ultrakommerziellem NDW-Gehabe zwischen dem „Traumboy“ auf den „Hohen Bergen“ und „Rosemarie“ im „Sternenhimmel“ klanglich so gut wie nichts gemein hatte.

Der introvertierte, dito hochbegabte Joachim Witt, der am 21. Februar 2015 seinen 66. Geburtstag mit einem exklusiven Konzert in seiner Geburtsheimatstadt an der Elbe feierte und sich bereits 1997/98 explizit in ein stilistisches Umfeld von Neuer Deutscher Härte, Dark Wave und Gothic Rock begeben hatte, brachte seit seinen so reputierlichen und ertragreichen Anfängen zu Beginn der 80er Jahre bis heute – unterbrochen nur von einer kreativen Pause, die von 1993 bis 1997 währte – immer wieder kontrovers diskutierte, dabei (bzw. gerade deshalb) hochgradig packende und immer wieder neuartige LPs und CDs auf den Markt, in den unterschiedlichsten musikalischen Ausrichtungen, bei den verschiedensten Schalplattenfirmen. Aber bis vor kurzem existierte keine Best-of-Kollektion, die alle Phasen des Künstlers, von 1980 bis in die Jetztzeit hinein, labelübergreifend unter einen Hut brachte, und seinen althergebrachten Fans, die den widerspenstigen Kreativling seit „Goldner Reiter“-Tagen kennen und schätzen, wie gleichsam den nachgeborenen, meist schwarz bekleideten Freunden der Ära 1998ff, einen ganzheitlichen Überblick über dessen vielseitige, schöpferische Tätigkeiten zu vermitteln in der Lage gewesen wäre. Dies hat sich nun aber schlagartig geändert… denn seit knapp 14 Tagen befindet sich „MY STAR – JOACHIM WITT“ im Handel, eine rundherum profunde und geschmackssichere Best-of-Kompilation mit vielen musikgeschichtlich unverzichtbaren, teils auch tatsächlich den bedeutsamsten, apartesten, wegweisendsten Liedbeiträgen des Hamburger Allround-Talents aus den Jahren 1980 bis 2007.

Verantwortlich zeichnet dafür die plietische Diepholzer Company DA Music, die seit ca. einem Jahr alle paar Monate mit fesselnden Liedzusammenstellungen (fast ausnahmslos) deutschsprachiger Künstler von Schlager bis Deutschrock aufwartet, bei denen die Zuständigen – insbesondere die Sammler und Chronisten unter uns erfreut genau dieses Faktum immens – ein ums andere Mal sehr rare, häufig seit langem vergriffene Schmankerl des jeweils ‚beackerten‘ Künstlers mit besonderer Vorliebe berücksichtigen. Dies war z.B. bei Klaus Lage der Fall, bei Peter Schilling, bei Gitte Haenning oder Juliane Werding – und nun besticht DA Music mit ebendieser Vorgehensweise beim Repertoire von JOACHIM WITT, der sich, wenn wir den Informationen im CD-Booklet Glauben schenken dürfen, gemeinsam mit seinem Ex-Produzenten und –Mitstreiter Harry Gutowski, selbst an der (chronologisch gelisteten) Auswahl der für „MY STAR“ genutzten Lieder beteiligt hat.

Natürlich ist der legendäre „Goldene Reiter“ (in der 4.40 Min langen Albumversion aus „Silberblick“) dazu auserkoren, den Startschuss für die von vorn bis hinten schlichtweg begeisternde, klangliche Reise durch 37 Jahre Joachim Witt zu geben. Es folgt das zynische Zeitgeistdrama „Kosmetik (Ich in das Glück dieser Erde)“, die ursprünglich erste Auskoppelung aus Joachims 1980er-WEA-Debüt, die im Windschatten des Güldenen Reitersmannes im April 1982 bis auf Rang 24 der hiesigen Singlehitparaden gelangen konnte und für „MY STAR“ im auf 4.00 Minuten verkürzten Singlemix seitens DA bei WARNER anlizenziert wurde. Das zunächst so überzeichnet leger-erholt, in sachtem Reggae-Flair vor sich hin fließende Meisterwerk, das erst im Refrain einen gestresst-nervös-brausenden Tenor verabreicht bekommt, erzählt, gesungen aus der Sicht dessen, die Wünsche und (angeblichen) Vorzüge eines (weiblichen) durch und durch hedonistischen Möchtegern-Photomodells, das skrupel- und scheinbar grenzenlos dazu bereit ist, alles nur Erdenkliche einzusetzen, nur um eines schönen Tages zum global gefeierten „Glück dieser Erde“ avancieren zu können.

Der so unerwartet aufgetauchte, wie komplett verdiente Erfolg von „Silberblick“ war noch nicht verrauscht, als die WEA im Mai 1982 das schon ein halbes Jahr zuvor fertiggestellte, zweite Solowerk des Joachim Witt ins Rennen sandte. „Edelweiß“ war rhythmischer und (noch) vertrackter ausgefallen, als der gefeierte Erstling, zeigte sich inhaltlich weniger zeitkritisch, dafür allenthalben persönlicher, avantgardistischer, aber gleichfalls unverhohlen spürbar depressiver und hoffnungsloser. Die erste und einzige, daraus entnommene Single „Tri Tra Trullala (Herbergsvater)“ (hier in der 4.45-LP-Version bedacht) stellte ein „Spottlied auf Autoritäten“ (J. Witt) dar, wirkte penetrant, maschinell, erwies sich dadurch als extrem tanzbar bzw. clubtauglich und zog im Spätsommer 1982 bis auf Rang 39 der offiziösen deutschen Singlehitlisten. Weiters aus „Edelweiß“, fand der grelle, überkandidelt marschmusik-ähnlich rhythmisierte, mit schmierigem Großstadtsaxophon kongenial angereicherte New-Wave-Edelrocker „Inflation im Paradies“ einen adäquaten Weg auf „MY STAR“.

Genannte vier Titel kennt vermutlich jeder  in- und auswendig, der sich – sei es als Dabeigewesener, sei es als späterer Entdecker dieser Musikart – eingehender mit der Neuen Deutschen Welle beschäftigt hat. Sie wurden bis heute auf unzähligen genrespezifischen Samplern verkoppelt und ausgiebig unters Volk gebracht – klar, in Anbetracht ihrer musikhistorischen Relevanz sollte diese Tatsache auch nicht als auffallend ungewöhnlich klassifiziert werden. Für den Sammler und Beinhart-Fan von Joachim Witt wird die diesem gewidmete „MY STAR“-Ausgabe jedoch erst im Anschluss an dieses (wenn auch hervorragende) Allgemeingut der NDW-Ära so richtig interesseerweckend. Denn, als die kommerzielle Tragweite von NDW und Co. in der zweiten Jahreshälfte 1983 merklich nachließ, begannen die ganz besonders ergreifenden, weil aufsässigen, unkalkulierbaren, im positivsten Sinne des Wortes eigensinnigen Jahre des Künstlers, der sich per se zu Unrecht in die buntgemischte Schublade der NDW gepresst sah und viel eher geplant hatte, ausdrücklich individualistische, gerne extravagante Rock- und Popmusik jenseits marktnotwendiger Schemata und Klangformate ans Tageslicht zu bringen.

Dies gelang ihm bereits – wenn auch von den breiten Massen, die inzwischen wieder überwiegend englischgesungene Disco- und New Romantic-Klänge präferierten – inhaltlich und qualitativ in bestem Umfang im Herbst 1983 mit der grandiosen LP „Märchenblau“ (die inzwischen im Rahmen der von mir im Januar d.J. ausgiebig analysierten „Triple Album Collection“ (s.o.) erstmals seit 25 Jahren wieder in Gänze auf Silberscheibe aufgelegt wurde!). Der romantisch-verträumte, ungewohnt weich-versöhnlich, wie feudal-schwelgend, mit einer guten Prise angejazzt und leicht surreal arrangierte Titelsong, der über das offenkundig historisch singulär bleibende Zusammentreffen eines schüchternen, jungen Mannes mit einer von „märchenblauen“ Augen verzierten Traumfrau im Fahrstuhl eines Kaufhauses erzählt, ist ebenso auf „My Star“ zu finden, wie die betörend schöne – ja wörtlich: schöne – Synthi-Elegie „Hörner in der Nacht“, jene zweite Singleauskoppelung aus „Märchenblau“, die ich in einer früheren Analyse vor knapp 20 Jahren mal als „das sanfteste Lied über eine tödliche Umweltkatastrophe, das in Deutschland jemals geschrieben wurde“ bezeichnet hatte, was vermutlich den Kern der Sache trifft. Dem in Sachen Atmosphäre, Weitschweifigkeit und Intensität unverkennbar an den 1981er-Synthipop-Meilenstein „Vienna“ von „Ultravox“ gemahnenden, minimalistisch und eloquent inszenierten Elektrochanson „Wieder bin ich nicht geflogen“ wurde ebenfalls ein guter Platz auf „My Star“ eingeräumt.

„Märchenblau“ als gesamte LP, wie zugleich die drei genannten Auskopplungen daraus, konnten trotz guter Medienpräsenz nicht in den offiziellen Verkaufshitparaden punkten, was aber nichts über ihre unbändige musikalische Stärke und ihren bleibenden kulturellen Wert aussagen soll. Im Frühjahr 1985 legte Joachim Witt den Mega-Geheimtipp „Mit Rucksack und Harpune“ vor. Die letzte bei WEA erschienene LP ist, so sagen es Gerüchte, einst kaum 10.000 mal verkauft worden und genießt daher den Status einer ausgewiesenen Rarität, sowohl im Vinyl-, als auch im CD-Format, zumal dieses äußerst empfehlenswerte Glanzstück deutschsprachiger Popmusik mit Ecken und Kanten bis heute noch nie in Gänze, womöglich ‚remastered‘, als CD wiederbelebt wurde.

Die kess-freche zweite Singleauskoppelung „Blonde Kuh“, ein so querköpfiges, wie durchwegs liebenswürdiges, locker-flockiges Synthi-Epos über das skurrile Drehbuch zu einem imaginären Spionagefilm namens „Heiße Fracht aus Hongkong“, in dem ‚James Bond‘ seine neueste Braut in Hochparterrewohnung der Hausmeistersfrau verstaut und darüber hinaus eben die ominöse „Blonde Kuh“ stets, ständig und ununterbrochen „blond und verliebt“ durchs Bild wackelt, ist auf „My Star“ in ganzer Pracht zu hören – wobei durchaus auch noch weitere Sahnestücke aus dieser genialen 1985er-Produktion, wie z.B. der barsche „Zick-Zack-Zuckerrock“ oder die Ende 1984 dargebotene Vorab-Single „Das Supergesicht“, vorliegender „My Star“-Kollektion sehr gut zu Gesicht gestanden hätten.

Nur wenige Monate später, unternahm Joachim Witt einen – kommerziell genauso erbarmungslos gefloppten – Ausflug in englischsprachige Gefilde zwischen New Jazz, Tanzsaal-Tauglichem und typischem Synthi-Disco-Pop der mittleren 80er. Die entsprechende LP nannte sich „Moonlight Nights“, erschien am 01.12.1985 bei Polydor, war in erster Linie seiner Familie bzw. seiner Mutter gewidmet, und ist mit der so dunkel-urbanen, wie elitär-gleißenden, leicht gehetzt-getrieben anmutenden New Romantic-Single „How will I know“ auf „My Star“ vertreten.

Da das ängstliche Verstecken hinter der englischen Diktion für den sensiblen Künstler, trotz hoher Wertigkeit und kompakter, per se hittauglicher Beschaffenheit des entsprechenden LP-Produkts, in den sich (schon damals) immer schneller drehenden Popwelten als wenig rentabel erwiesen hatte, besann sich Joachim Witt auf der gnadenlos unterschätzten RCA-Scheibe „10 Millionen Partys“ wiederum auf seine Muttersprache. Dieses musikalisch überwiegend vom britisch-cool-verregneten Synthipop jener Tage a la „New Order“, „Depeche Mode“ oder „Pet Shop Boys“ (nicht umsonst hieß der heimliche Clubhit aus dieser LP schlicht „Pet Shop Boy“) beeinflusste, weitere tönende Glanzlicht ging in kommerzieller Hinsicht vollkommen unverdientermaßen erneut den sprichwörtlichen Bach runter und wurde daher gleichfalls bis heute niemals vollständig auf CD neuaufgelegt, weshalb das rare Stück heutzutage z.B. bei Amazon für 50 Euro und mehr gehandelt wird. Als stolzer Besitzer der vielgesuchten CD-Ausgabe von „10 Millionen Partys“, hatte ich wohlweislich vor zehn Jahren für die damaligen „Zeitgeist“-Vier-CD-Boxen von SONY Music die erste Singleauskoppelung daraus, „Der Tankwart heißt Lou“, zwecks Verkoppelung ausgesucht; 2016 beschaffte sich DA Music für „My Star“ offenkundig bei Joachim Witt selbst die Rechte an der Reanimation der Folgesingle „Engel sind zart“, einem so grazil rhythmisierten, wie lakonisch-lausbübischen Synthipop-Kleinod der besten Güteklasse.

Im Wiedervereinigungstaumel ging’s Anfang 1991 nochmals für eine einzige Single zurück zu WEA. Doch die „Hallo Deutschland“ betitelte, muttersprachliche Version, vulgo „Deutsche Originalaufnahme“, des schon im Original unsäglichen Dancefloor-Flachsinns „Hello Africa“ des trällernden Zahnarztes „Dr. Alban“ zeigte sich lyrisch als unorganisiert, unausgegoren, letztlich im Sinnes eines nach jedweder Erfolgsoption haschenden Trittbrettfahrers in puncto des misslichen Zusammenwachsens der beiden deutschen Staaten. Obschon dieses schwache Liedchen – nicht ganz zu Unrecht – längst vergessen und (seitens des Künstlers sicherlich mit Wollust) verdrängt worden ist, soll DA Music trotzdem in aller Form dafür gedankt sein, diesen kreativen Tiefpunkt Joachim Witts ob der angestrebten Vollständigkeit für „My Star“ nochmals hervorgekramt zu haben. Der Sammler nimmt dies wohlwollend zur Kenntnis, der Fan lächelt darüber und/oder drückt schlimmstenfalls die Skip-Taste des CD-Spielers.

Dies dürfte sich zweifellos als sehr lohnenswert erweisen, denn wir genießen nun drei schlagkräftige und scharfsinnige Titel aus einem zu seinem Erscheinungsdatum kaum wahrgenommenen und dennoch so bedingungslos brillanten Album, welches Joachim Witt 1992 gemeinsam mit Ex-„Ideal“-Chanteuse Anete Humpe und seinem langjährigen Freund und Begleiter Harry Gutowski, diesmal für die Firma Metronome, produziert hatte. Da „Kapitän der Träume“ – neben „Märchenblau“ der unschlagbare Witt-Albumfavorit des Rezensenten – ungünstigst zwischen Weihnachten und Neujahr 1992/93 auf den Markt kam, ging diese wundervoll entspannte, lyrisch äußerst tiefsinnige und zugleich konsequent zeitkritische Liedsammlung leider vollkommen unter. Drei Beiträge aus dieser, im Zweite-Hand-Spektrum ebenfalls im Bereich 50-Euro-plus gehandelten Großleistung stellte Joachim Witt ad Personam für „My Star“ zur Verfügung.

Dabei handelt es sich zuvorderst um das zackig-treibende, selbstreflexive, einwenig konstruktiv selbstmitleidige und gleichwohl poppig-ohrwurmträchtig-melodiöse (und darüber hinaus sehr nachvollziehbare) Eingeständnis, „In die falsche Welt geboren“ (Liedtitel) zu sein, sowie den wehend-schwärmerischen, melancholisch-perlenden und dessen ungeachtet ruppig-rebellischen Titelsong. Als überragender Höhepunkt dieser leider so schnell vergessenen, wie in einem Atemzug schier unvergesslichen 1992er-Stellungnahme muss die erste Single „Restlos“ bezeichnet werden. Darin wünscht sich der merklich wohlgelaunte, von einem anarchisch-optimistischen Kulturpessimismus beseelte Interpret zu eingängig-hymnischen Pop-Rock-Harmonien einfach mal „restlos weg vom Tagesgeschehen“ zu sein, nur noch „restlos in meiner Traumlandschaft (zu) steh’n“ (Textzitate), voller Abscheu auf die dekadenten, oberflächlichen, „destruktiven und über beide Ohren in sich selbst verliebten“ (dto.) Möchtegerns und Yuppie Typen dieser Welt herabblickend – kritisch, sarkastisch, aber doch rundherum mit sich selbst völlig im Reinen.

Wie beschrieben, setzte Joachim Witt nach dem wiederholten Misserfolg von „Kapitän der Träume“ zu einer längeren Pause „restlos weg vom Tagesgeschehen“ an, die erst Mitte 1997 mit der unkonventionellen, dabei fraglos sehr originellen und durchdachten, brachial-dröhnenden Gothic-Rock-Single „Das geht tief“ endete. Von nun an gab sich der wandlungsfähige Vollblutmusiker aus Hamburg zunehmend lauten, nicht selten breitflächig-symphonischen, zumeist gellend gitarrendurchdrungenen Hardrock-Kaskaden im Dark-Wave und Gothic-Gewande hin, die er zwischen 1998 und heute auf knapp zehn, fast regelmäßig von Kritikern, wie Fans, außerordentlich goutierten CDs pathetisch und offensiv gleichermaßen zelebrierte. Für das 2007 veröffentlichte Best-of-Opus „Auf Ewig – Meisterwerke“ spielte Joachim Witt drei dieser gewaltigen Mini-Rock-Opern neu ein, die nun den krönenden Abschluss von „My Star“ bilden. Produzent Harry Gutowski gab die machtvolle Soloversion des monumentalen 1998er-Comebackhits „Die Flut“ – seinerzeit mit „Wolfsheim“-Protagonist Peter Heppner eingesungen –, sowie Neuaufnahmen der brodelnden Düster-Epen „Wo versteckt sich Gott“ und „Wem gehört das Sternenlicht?“ (beide im Original: 2006) für hier vorgestellte Kompilation der Extraklasse frei.

Ja, Extraklasse – Mit einer anderen, womöglich geringfügigeren Vokabel kann man die wahrlich bravouröse, detailverliebte, radikal vielseitige und facettenreiche aktuelle Ausgabe von „My Star“, mit den besten, prägnantesten und typischsten klanglichen Expertisen des unverwüstlichen Joachim Witt, keinesfalls umschreiben. „My Star – Joachim Witt“ ist teutonische Musikgeschichte in Reinkultur, für intime Fans, Kenner und Beobachter ebenso faszinierend, mustergültig und begehrenswert, wie für allgemein an hochintelligenter, niemals stromlinienförmiger, womöglich banaler einheimischer Rockmusik der imposantesten Machart interessierte Menschen.

Den rührigen Kollegen von DA Music ist mit dieser fürwahr vorzüglichen Liedsammlung ein neuerlicher Spitzenbeitrag im Rahmen ihrer ein ums andere Mal mit viel Liebe, Sach- und Fachkenntnis zusammengetragenen CD-Serie unter dem Motto „MY STAR“ gelungen, die sicherlich auch jetzt und in Zukunft noch für manch aufregende Songkompilation attraktiver Künstler Made in Germany sorgen wird!

Holger Stürenburg, 24. bis 28. März 2016
http://www.da-music.de
http://www.joachimwitt.de/

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