HEINZ RUDOLF KUNZE
Das Album "Deutschland" – Titel für Titel "besprochen" von: Heinz Rudolf Kunze höchstselbst!

Und für alle, die nicht so viel lesen möchte, bieten wir auch den entsprechenden Video-Beitrag (Länge: 28:19 Minuten) an …: 

1. Es ist in ihm drin

Ich habe seitdem ich Musik höre auch Blues gehört. Leute, wie John Lee Hooker und Muddy Waters begleiten mich genauso lange wie Led Zeppelin oder Hendrix. Es gibt ein Thema inhaltlicher Art, das John Lee Hooker mehrfach in musikalischer Form aufgenommen hat und zwar „When I was a kid, i heard mama and papa talking and papa said: let this boy boogie woogie“. Das ist in meinem Leben auch passiert, ich erinnere mich an solche Gespräche zwischen meinen Eltern. Mein Vater war ein großer Unterstützer meiner Musik und hat das gut gefunden, meine Mutter war etwas besorgt, ob das der richtige Lebensweg ist. Sie hat sich jetzt dem nicht entgegengestellt, aber war doch sehr skeptisch. Als ich Hooker wieder hörte, viel mir dieses Thema wieder ein. Musikalisch habe ich mich dann doch eher bei Muddy Waters bedient, weil ich nicht mit einem Akkord auskommen wollte, wie es bei Hooker der Fall ist. Im Grunde ist das ein sehr persönlicher, autobiographischer Einstieg in die Platte. Mehr oder weniger alles darin auch wirklich wahr. Für richtige Kenner ist es auch eine Hommage an die „Sensational Alex Harvey Band“ aus den 70 Jahren und ihr wunderbar, langsames Bluesrock-Stück „Framed“. Das war damals auch ein Stück, welches AC/DC beeinflusst hat. Ich fand, das war das richtige musikalische Kostüm für so eine Selbstbeschreibung als Kind.  

Generell sind 14 Songs auf dem Album drauf, davon habe ich elf selbst komponiert und alle davon selbst geschrieben. Einen Titel hat mein Schlagzeuger und Co-Produzent Jens Carstens alleine komponiert und einen zusammen mit unserem Ersatzbassisten Alex Grube und noch einer ist von unserem neuen Gitarristen Peter Koobs komponiert. Es hat mich 36 Jahre gekostet um endlich mal eine Situation herzustellen, die ich gerne schon früher gehabt hätte, nämlich, dass endlich mal alle Musiker gleichzeitig im Studio waren. Normalerweise arbeitet man heutzutage im Schichtverfahren und nimmt nach einander auf. Diesmal waren wir wirklich in Bremen im „Studio Nord“ unfassbar kurze 10 Tage auf einem Haufen. Wir haben das Studio auch nicht verlassen, dort gewohnt, gearbeitet und uns Essen liefern lassen. Wir konnten auch keine Abstecher machen, weil alles so eng getaktet war. Insgesamt haben wir 16 Titel aufgenommen mit zwei Bonustracks und 14 für das Album. Das war nur möglich, weil alle immer da waren und wenn man bei einem Lied nicht weiter kam, konnte man sagen, okay lassen wir liegen und das nächste anfangen. Das hat sich bewährt, das klingt alles doch sehr dicht und kompakt, man hört die Entschlussfreude, die wir in der Zeit an den Tag legen mussten, um überhaupt zu einem Ergebnis zu kommen.                           

2. Zu früh für den Regen

Das ist, glaube ich, der älteste Text, der es auf das Album geschafft hat. Er ist ca. zwei Jahre alt. Normalerweise nimmt man die neuesten, die einem eingefallen sind. Viele alte, schöne, Texte vergisst man einfach, da die neuen im Kopf doch mehr Priorität haben. Dieser Text hat sich immer wieder zu Wort gemeldet, kam aber nicht zum Zuge, jedoch hatte ich jetzt die passende Musik dafür. Im Grunde ist es eine Variation über die Stimmung von Albert Camus „Die Pest“, ein Buch, das ich intensiv studiert habe, ähnlich wie Robert Smith oder Mark E. Smith. Es handelt von einem merkwürdigen Arzt in einer merkwürdigen Wüstenstadt, der dort merkwürdige Leute trifft.  Es ist eine etwas schiefe Metapher für das Künstlerdasein, so wie er mit seinen Kranken umgeht, gehe ich auch mit meinem Publikum um.                    

3. In der Alten Piccardie

Ich habe im letzten Jahr ganz viel Van Morrison gehört und bekam plötzlich Lust darauf ein ganz klares Heimatlied zu machen. Der Mann hat oft irische Schauplätze seiner Kindheit und Jugend in seinen Liedern verewigt. Mir fiel dazu der kleine Abschnitt meiner Kindheit von drei bis sechs Jahren ein, in dem ich an der holländischen Grenze in einem kleinen Dorf namens „alte Piccardie“ gelebt habe. Die Gegend heißt Grafschaft Bentheim – bei Nordhorn und alles was in dem Lied vorkommt war tatsächlich so. Es war wie im wilden Westen, ein winziges Dorf mit einer Straße, an der sich hauptsächlich Bauernhöfe reihten. Ich war da als Kind sehr glücklich, es war die erste Lehrerstelle, die mein Vater angenommen hatte und ich hatte das zweifelhafte Schicksal von meinem eigenen Vater dort eingeschult zu werden. An sich war es eine sehr idyllische Zeit, die ich in diesem Lied versuche zu feiern.          

4. Nur eine Fotographie

Trauriges, wehmütiges Liebeslied. Eher ein Abschiedslied und eine Erinnerung an jemanden. Hier gab es die größte musikalische Veränderung im Vergleich zu Demo und Studioversion. Ich habe mich bei diesem Album darauf beschränkt, die Demos sehr nackt zu lassen und spiele das der Band nur mit Klavier oder Gitarre vor. Dann überlegen wir gemeinsam, wie man das arrangiert. In diesem Fall hatten wir den Einfall, das übliche Piano wegzunehmen und es mit einem Fender Rhodes E-Piano zu probieren. So wie eine ruhige, amerikanische Ballade mit Paris Texas – Anmutung. Ich finde, dass Liebeslieder, die eine Portion Wehmut haben, ergiebiger sind als Lieder, die alles verschönen und sagen „ich liebe dich und alles ist super“. Insofern ist das Lied ziemlich schwermütig, aber musikalisch schön gelungen und vor allen Dingen endlich mal ein dreiviertel Takt, davon habe ich viel zu wenige in meinem Werk. Man nimmt bei allen Liedern Bausteine, die man aus sich selber herausholt. Die Frage ist dann, wie man das kombiniert und in wie weit verfälscht. Ein wirklich, wahres Lied zu schreiben ist ziemlich schwierig, denn Lieder dauern zwischen drei und acht Minuten und um die ganze Wahrheit zu sagen, bräuchte man wahrscheinlich länger.    

5. Das Paradies ist hier

Das ist ein sehr offen gehaltener Text, unter dem man sich eine Menge vorstellen kann. Der rote Faden wäre hier, der ziemlich nahliegende Gedanke, wenn man älter wird, aus dem Leben etwas zu machen. Man hat eigentlich kein Recht mehr auf Langeweile. Man merkt ja die Zeit vergeht immer schneller und man sollte aus jedem Tag etwas machen. In der Jugend erlebte man diese bleierne Langeweile, die jetzt aber vorbei ist. Die Grundaussage ist, wenn es dir gelingt, dass du am Ende des Tages das Gefühl hast, der Tag war nicht umsonst, dann ist es die beste Art und Weise mit der Zeit, die einem noch bleibt, umzugehen. Musikalisch hat dieses Lied eine andere Farbe, man merkt, dass es eine Komposition von Jens Carstens und Alex Grube ist. Sie sind über zehn Jahre jünger als ich und benutzen ein anderes rhythmisches und harmonisches Vokabular. Es ist ein Lied, in dem mehr Töne von synthetischer Natur sind, wenn ich komponiere ist das eher nicht der Fall. Das ist eben der Einfluss, der dieser Jahrgang auf die Musik hat. In all meinen Alben kann man verschiedene musikalische Welten erkennen und demnach passt das ganz gut hinein, denn meine Texte sind so unterschiedlich, dass man sie auch mit verschiedenen musikalischen Räumen bebildern kann. Es ist mir noch nie gelungen, eine Platte zu machen, die von vorne bis hinten gleich klingt. Meine Alben klingen im positiven Sinne verschieden.           

6. Jeder bete für sich allein

Das ist ein frommer Wunsch. Der Gedanke ist schon lange in der Welt, ob es nicht besser zuginge, wenn man Religion privatisiert. Wenn man das alles mit sich selbst ausmacht und diskret an das glaubt was man will, sofern man keinen damit belästigt. Der große Religionsphilosoph Pascal hat gesagt, dass keiner im Stande ist in Ruhe in seinem Zimmer zu bleiben.  Dieser Satz hat mich schon immer fasziniert. Natürlich wären nicht alle Ursachen von Krieg und Gewalt auf der Welt damit beseitigt, aber viele glaube ich schon. Ich weiß, dass Religion oft ein Deckmantel ist für Konflikte um Geld und Einfluss, aber wenn man den Fanatismus jeglicher Religion austrocknen könnte, durch die Privatisierung, dann wäre es etwas friedlicher auf der Welt. Das wird sich natürlich nicht machen lassen, aber Lieder sind eben dazu da, dass man Maximal-Utopien aufstellt. Wenn es den ein oder anderen zu denken gibt, dann wäre das schön. Als Komponist konnte ich mir nicht verkneifen, am Ende noch ein triumphales Finale anzubringen, weil ich musikalisch doch noch zeichnen wollte, dass am Ende der Himmel aufgeht, doch noch die Sonne scheint und so ein dicker Daumen von oben kommt.       

7. Setz dich her

Zu den vielen Stilrichtungen, die ich mag, gehört auch Country Rock. Leute wie „Poco“ und „The Eagles“ stehen bei mir zu Hause und werden auch gehört. Deswegen hat dieses Lied auch solche Anmutungen und geht im Chorus in „Eagles“ über. Es ist ein beschädigtes Liebeslied in dem der Sänger im Lied einer geliebten Person helfen möchte, der es nicht gut geht. Mit vier Schultern kann man tatsächlich mehr Gewicht der Welt stemmen, als mit zwei.             

8. Mund-zu-Mund-Beatmung

Die Nummer hat Jens Carstens komponiert, in der man seine Showbusiness-Erfahrung raus hört. Der Text ist entstanden, nachdem ich beim ZDF Fernsehgarten alleine und live am Klavier spielen durfte. Als ich da erlebt habe, wie dieses große Publikum zu einer Base drum-Nummer abgegangen ist, wollte ich danach auch eine machen. Ich wollte, dass die bei einer Nummer von mir auch so mitgehen können. Der Text ist ein Spaß, ein augenzwinkerndes, positives Liebeslied, ohne Beulen und Beschädigungen. Aber ganz ohne Widerhaken komme ich nicht aus, in den aller letzten Strophen merkt man, dass der Sänger noch große Zweifel an seiner Attraktivität hat und hofft, dass die Frau nicht erschreckt, wenn sie aus der Ohnmacht aufwacht und ihn sieht.           

9. Immer noch besser als arbeiten  
 
Das geht zurück auf einen Spruch meines  früheren Trompeters Dick Hanson, der mich von 1989 bis 1992 begleitet hat. Er sagte immer so schön „you know Heinz, sometimes it’s hard, but it beats working, doesn’t it?“. Das Lied ist eine typische Rundumschau, wie es so zu geht auf der Welt, sei es in der Musik-, Politik- oder Finanzbranche. Es ist sarkastisch, musikalisch schön heftig und zeigt, dass ich sehr gerne „Ray Davies + The Kinks“ höre.         

10. Deutschland

Dass das Titelstück zuletzt fertiggestellt wurde, kam schon öfters vor. Dieses Album hatte ganz lange einen anderen Arbeitstitel, doch dann kam mir dieser Text in den Sinn, der direkt von unserer Gegenwart handelt. Ich habe mich zu dem Text zuerst ans Klavier gesetzt und habe dann gemerkt, nein das geht nicht. Das darf nichts zu pathetisches bekommen, deshalb habe ich mich für Funk entschieden. Mit dieser Art von Musik versuchte ich gegen den Text zu halten, wie ich es von meinem guten Freund Randy Newman gelernt habe. Das Thema „Deutschland“ beschäftigt mich immer wieder und taucht in Musikstücke auf, aber noch nie so konsequent, wie hier. Es versucht eine Zusammenschau, zwischen deutscher Vergangenheit und Gegenwartsproblemen und der Schwierigkeit, die viele Künstler mit ihrem Herkunftsland hatten. Viele Künstler haben sich über ihr Land geärgert, sind ins Exil getrieben worden und haben dann Deutschland von außen betrachtet. Ich bin hier und bin noch  nicht vertrieben worden und hoffe, dass das auch nie passiert.                

11. Die Letzten unserer Art        

Das ist ein Lied, das bei den Proben zur letzten Tour entstanden ist. Wenn die anderen eine Kaffeepause gemacht haben, bin ich am Klavier geblieben und habe dieses Lied gemacht, weil ich ein sehr ungeduldiger Mensch bin und wenn etwas fertige Gestalt angenommen hat, dann beginnt mich das sehr schnell zu langweilen. Was natürlich sehr schmerzhaft für meine Mitmusiker ist. Das ist dann so eine Art Fazit-Lied meiner Generation, die zwischen Hippies und Punks steht. Meine Generation hatte auch Wünsche ans Leben, die wir aufgeben mussten. Wir konnten die Welt auch nicht so verbessern, wie wir uns das mit Anfang 20 erträumt hatten.      

12. Auf meine Mutter 

Hier wird wahrscheinlich fast jeder Hörer zuerst an den verschmitzten, deutschen Schlager denken. Ich wollte in eine andere Richtung mit Akkordeon Tönen. Ich habe in meinem langen Leben so viel Bösartiges über Mütter geschrieben, dass ich sie diesmal rehabilitieren wollte. Zwar ironisch aber diesmal ist „Mutter“ der klare Held des Textes. Das ist nicht meine Mutter, das ist für alle Mütter dieser Welt ein kleines Dankeschön.            

13. Ich möchte anders sein         

Das knüpft an das erste Lied „Es ist in ihm drin“ an. Dieses Gefühl „I’m not like everybody else“ hatte ich auch oft in meinem kleinen Kinderzimmer in Osnabrück. Ab den 1969 habe ich ziemlich konsequent Musik gehört und davon geträumt habe, dass mein Zimmer platzt und in die Welt aufgeht und ich auch so etwas werden darf. Ich wollte Musiker werden und in die weite Welt hinaus und nicht in den alltäglichen Trott fallen. Als ich dann schon Musiker war, traf ich einen alten Klassenkameraden, der beim Finanzamt gelandet war, und er sagte „du hast es ja wirklich gemacht, das hätte man dir gar nicht zugetraut, du warst doch so ein schüchterner Wicht!“. Naja er hat sich in der Jugend ausgetobt und ich später.    

14. Ein fauler Trick

Das ist mein Lieblingslied und da habe ich auch akzeptiert, dass die Band gesagt hat da machen wir nichts, das ist am Klavier, wenn du das singst so rund. Das Lied ist angehaucht von einem wunderbaren Song von Prefab Sprout „The old magician“. Ich habe das Thema aufgegriffen, aber anders behandelt. Ich finde diese Metapher von einem alten Varietee Zauberer, der merkt, dass ihmdie Tricks ausgehen, sehr bewegend. Ich sage in diesem Lied „ich mag nicht mehr auf die Bühne gehen, ich bin müde und mir zittert der Zauberstab“, so weit ist es aber noch nicht.              

Heinz Rudolf Kunzes neues Album "Deutschland“ inkl. der Single „Das Paradies ist hier“ ist am 12.02.2016 als Standard-CD, Premium-Buch-Edition, Doppel-Gatefold-Vinyl, MSD-Edition und als Download erschienen.   

 

 

 

 

MCS Marketing & Communication Services (Textvorlage)
http://www.rcadeutschland.de/
http://heinzrudolfkunze.de/steinvomherzen_website/

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