GUNTER GABRIEL
Aus aktuellem Anlass: "Mit dem Hammer in der Hand (Das Lied vom einfachen Mann)" – Die Gunter Gabriel Story!

Aufgezeichnet von Stephan Imming! 

Der am 11. Juni 1942 geborene GUNTER GABRIEL kam als Günter Caspelherr in Bünde/Westfalen zur Welt. Sein Vater Heinz war Schrankenwärter bei der Bahn, seine Mutter Erika starb 1946, als er vier Jahre alt war (und seine Schwester Inge drei) an den Folgen einer Abtreibung. Er stammt aus einer Arbeiterfamilie, sein Großvater war Klempner, seine Großmutter Zigarrenmacherin (Bünde war Zentrum der deutschen Zigarrenindustrie). Gunter Gabriel hat noch zwei Halbgeschwister, Marion und Annette.

Nach einer eher tristen Jugend (abgesehen von seinem aggressiven und unnahbaren Vater machte ihm zu schaffen, dass er mit elf Jahren ein ganzes Jahr Krankenhausaufenthalt aufgrund eines Verkehrsunfalls über sich ergehen lassen musste), absolvierte er den Hauptschulabschluss, an dessen Anschluss sich nach kurzem Besuch der Handelsschule (- seine Stiefmutter Gerda war der Meinung, dass er handwerklich nicht begabt sei und eine Lehre noch nicht in Frage käme -) und dann (doch)  eine Lehre als Maschinenschlosser anschloss. Danach schlug er sich mit Gelegenheitsjobs wie Gärtner (in Turin), Möbelpacker und -Träger (in Marseille), Kanalarbeiter (in München bei Holzmann AG) und Lastwagen- und Bierfahrer (in Hannover) durch. In Hannover, der Stadt, in der er einen Großteil seiner Jugend verbracht hatte, zurückgekehrt, holte er auf dem zweiten Bildungsweg sein Fachabitur nach und begann dann ein Maschinenbau-Ingenieurstudium, das er allerdings nach sechs Semestern abbrach.

Neben seinem Studium konzentrierte sich Gunter Gabriel so sehr auf die Musik, dass er wegen einer Sechs in Chemie gleich das erste Semester wiederholen musste. Der Musik war er verbunden, seit er im Alter von 15 Jahren in der Bünder Stadthalle seinen ersten Auftritt („ausgerechnet“) mit den Songs „Tom Dooley“ und „Diana“ hatte. Seinerzeit nahm er an Talentwettbewerben „Je-Ka-Mi“ („jeder kann mitmachen“) teil. Eines Tages bat ihn der Moderator dabei, sich einen Künstlernamen zuzulegen, weil „Günter Caspelherr“ etwas sperrig sei. Man beschloss, die „ü“-Striche zu streichen und als Nachnamen deshalb „Gabriel“ zu wählen, weil Gunters damalige Freundin (und spätere erste Ehefrau) den Namen „Gabriele“ trug.

1965 kündigte sich im Hause „Gabriel“ Nachwuchs an, und Gunter Gabriel (bzw. besser gesagt, seine Frau Gaby) beschloss, im Januar 1966 zu heiraten. Seine Frau arbeitete seinerzeit bei einem Musikverlag. Auf Umwegen (u. a. über ihre Chefin, die Verlegerin Barbara Kist, die in den 50er Jahren als Schlagersängerin aktiv war und in den 60er Jahren u. a. zwei Eurovisions-Beiträge für Deutschland getextet hatte,) kam der Kontakt zum damals sehr wichtigen Strippenzieher Fred Weyrich zustande, der u. a. Mentor der verstorbenen Schlager-Legende Alexandra war.

Weyrich bot Gunter den Song „Wenn die Rosen blühen in Georgia“ an – das war eine der ersten Kompositionen des jungen Ralph Siegel, der mit dem von Don Gibson gesungenen englischen Original („It’s a Long Way To Georgia“) einen seiner ersten Erfolge überhaupt feiern konnte.  Gunter  sagte nur zögerlich zu, da ihm der Song zu schlagerhaft war – schließlich sang er ihn aber unter dem Pseudonym „Bobby Ford“ für Philips dennoch ein.

Im gleichen Jahr nahm Gunter Gabriel bei der von Rainer Holbe moderierten  ZDF TV-Show „Show Chance“ teil und kam von 3.000 Bewerbern unter die letzten 10. Ein winkender Plattenvertrag kam aber nicht zustande, weil man Gunter Gabriel als neuen Peter Alexander aufbauen wollte, was der Country-Fan aber vehement ablehnte.

Nachdem der Erfolg als Sänger wie auch der als DJ eher übersichtlich war, Gunter aber dennoch der Branche treu bleiben wollte, besann er sich alter Kontakte: Ein Freund Fred Weyrichs, der frühere Philips- und spätere CBS-Produktionschef Hermann Zentgraf, bat ihm 1970 einen Job als Promoter bei  der Frankfurter Plattenfirma CBS an, wo Gunter  u. a. für das Verfassen von Künstlerbiografien für Werbezwecke  zuständig war. Dort ergaben sich weitere Kontakte zu Leuten der Branche wie Mary Roos, Costa Cordalis und anderen. Auch Radio-Leute wie Frank Elstner (damals RTL) lernte der Neu-Promoter kennen.

Die CBS-Episode endete mit Gabriels Einschätzung eines Chris-Juwens-Hits – seine Einschätzung, dass „Ra-Ta-Ta“ ein Hit werden würde, wurde von der Plattenfirma nicht geteilt – es kam zum Streit, Gabriel kündigte und erhielt 25.000 DM Abfindung.

Der Kontakt zu Chris Juwens blieb aber zunächst bestehen – dieser lotste Gunter mitsamt Familie nach Berlin, wo 1971 ein Vertrag mit dem Musikverlag Hansa geschlossen wurde. Einer deren Chefs, Thomas Meisel, war selber Songschreiber und Produzent (u. a. Ricky Shayne und Rex Gildo) und erkannte wohl Gabriels Potenzial als Song-Schreiber.

Zunächst wurde das bereits bekannte Pseudonym aufgewärmt, und Gunter bekam auch eine Chance als Sänger und interpretierte auf seiner ersten Hansa-Scheibe „Mit leeren Händen“ . Der von ihm selbst getextete Song kommt lt. Plattencover als „hoffnungsvolle Story aus seinem eigenen Leben“ daher, während die B-Seite wohl weniger mit ihm selber zu tun hatte, die war nämlich lt. Plattenfirma „ein romantische Zusammengehörigkeitsbekenntnis für zwei Liebende“ – der Song hieß „Wir haben so vieles gemeinsam“.

Gunter Gabriel schrieb 1972 einen weiteren Song für sich selber („Morgen“), der zwei Besonderheiten aufwies: Erstmals wurde unter dem Namen „Gunter Gabriel“ eine Single veröffentlicht. Erstaunlich: Obwohl von Thomas Meisel produziert, wurde die Single nicht auf dessen Label, sondern bei BASF veröffentlicht – allerdings erneut ohne größeren Erfolg.

Ein Jahr später spielte Gunter Gabriel seinem Produzenten Thomas Meisel seine deutsche Version des Kris-Kristofferson-Hits „Me and Bobby McGee“ vor: „Freiheit ist ein Abenteuer“. Der war von diesem Song so beeindruckt, dass er ihn auf seinem eigenen Label, der Hansa, veröffentlichte. Auch die im Original von der Lebensgefährtin Hannes Waders, Susanne Tremper, interpretierte Talking-Ballade „Fünf Uhr morgens“ war insofern bemerkenswert, als es zu Gunters damaliger Lebenssituation (Trennung von der Frau) gut passte. Obwohl für die Platte quasi keine Werbung gemacht wurde, verkauften sich ca. 50.000 Singles – erstmals konnte ein kleiner Erfolg im Hause Gabriel verbucht werden.

Nun hatte er endlich den Fuß in der Tür und schaffte es durch Kontakte in die legendäre ZDF-Hitparaden-„Todeszelle“, womit die „Wappenbar“ gemeint war, sprich die Hotelbar des „Schweizer Hofs“ in Berlin, wo sich nach der ZDF-Hitparade dessen Protagonisten oftmals nach der Show noch zum Umtrunk trafen. Dort lernte er Ricky Shayne kennen, der ihm auf der Gitarre einen von Bob Dylan geschriebenen Johnny-Cash-Song vorspielte namens „Wanted Man in California“. Gabriel war sofort begeistert von dem Song und schrieb einen deutschen Text und komponierte zu dem Song einen weiteren Teil.

Als er bei Bob Dylans Agent vorsprach, um eine Freigabe für die deutsche Version zu bekommen, überließ ihm dieser den ganzen Song und erteilte Absolution, das ganze deutsche Lied als „Gunter Gabriel“-Lied stehen zu lassen. Vermutlich hat man nicht mit einem größeren Erfolg gerechnet. Der Song um einen vermeintlichen Heiratsschwindler war aber eine weitere wichtige Stufe in seiner Karriere. Erstmals durfte er am 04.08.1973 in der ZDF-Hitparade als Interpret teilnehmen (vorher war er dort als Künstlerbetreuer präsent) mit seinem originellen „Ich werd‘ gesucht“-Lied. Begleitmusiker auf der Single war übrigens ein gewisser Frank Zander, mit dem Gabriel fortan intensiv zusammenarbeitete.

Frank Zander war Mitbegründer der damals recht bekannten Shuffle-Gruppe „Gloomys“, die mit ihrem professionellen Niveau bei größeren Veranstaltungen z. B. in der Berliner „Badewanne“ auftraten, in der auch Bobby Ford alias Gunter Gabriel sich tummelte, so dass man einander kennenlernte.

Eine angenehme Begleiterscheinung des Hitparaden-Auftritts war, dass Gabriel kurze Zeit später eine kleine Tour durch vierzig Clubs unternehmen konnte – gleich die Premiere im Essener „Mississippi“-Club war ein voller Erfolg.

Neben Zander waren es Chris Juwens (Piano), Reinhard Kosel (Orgel), Michael Auerbuch (Drums) und Jessica John (Vocals/Chor), mit denen Gunter Gabriel seine erste LP „Gesucht“ eingespielt hatte, die im Herbst 1973 veröffentlicht wurde. Darauf enthalten: die nächste Single „Er ist ein Kerl (Der 30-Tonner-Diesel“ – ein Song, den Gabriel bereits 1972 im Senegal geschrieben hatte. Ursprünglich als B-Seite konzipiert, setzte sich die Fernfahrerballade  auf Dauer durch – es gab sogar erneut eine Einladung in die ZDF-Hitparade, und erstmals für Gabriel tauchte der Song auch in der deutschen Verkaufshitparade auf. Damit hatte er endgültig den Durchbruch geschafft – er bekam Auszeichnungen wie die „Goldene Europa“ der Europa-Welle Saar (als bester Nachwuchs-Sänger), den „Goldenen Bären“ aus der Schweiz und eine Auszeichnung für das meistgespielte Jukebox-Lied.

Mit dem nächsten Lied konnte Gabriel noch mal „einen draufsetzen“ – sein bis heute wohl bekanntester  Song, das sozialkritische „Hey Boss – ich brauch‘ mehr Geld“ wurde zum Top-10-Hit und so bekannt, dass davon sogar Jux-Versionen in Umlauf waren (z. B. Hermann Hoffmann – „Marie, ich brauch mehr Schlaf“). In Österreich erreichte die von Gabriel komponierte und getextete Nummer gar die Nummer 1 der Verkaufs-Hitparade. Erneut war Frank Zander als Studiomusiker mit „an Bord“. Im Zeitalter des Mindest-Lohns ist der Song erstaunlich aktuell, was auch für die Folge-Single gilt.

In „Hey Yvonne (warum weint denn die Mammi)?“ geht es um ein Scheidungskind. Das Lied ist ein Duett von Gunter Gabriel mit seiner oben bereits erwähnten Tochter, die tatsächlich Yvonne heißt. „Man muss dazu wissen, dass ich geschieden bin. Doch seit zwei Jahren versuche ich, meine Frau wieder auf mich aufmerksam zu machen. Unser Kind ist nun der Kristallisationspunkt meiner Gefühle. Ich habe meiner Tochter Fragen gestellt und sie gebeten, Antworten zu schreiben. Diese Antworten singt sie auch auf der Platte. Ich muss sagen: Für eine Achtjährige hat Yvonne das ganz gigantisch gemacht.“, gibt Gabriel mit Vaterstolz damals zu Protokoll. Konsequenterweise wird „Yvonne Gabriel“ auch als Co-Autorin des Liedes angegeben, damit dürfte sie wohl eine der jüngsten Gema-Mitglieder mit einem Top-10 Hit gewesen sein (der Song erreichte sogar Platz 5 der hiesigen Verkaufs-Charts). Das eigentliche Ansinnen des Songs, seine Frau Gaby zurückzugewinnen, scheiterte allerdings ebenso wie ein Auftritt in der ZDF-Show „Disco“. Gabriel hatte nämlich in Ilja Richters Sendung sich versungen und eigenmächtig die TV-Aufzeichnung unterbrochen, was ihm in der Redaktion der Sendung nicht wirklich Freunde brachte.

Im Jahr dieser Hits, 1974, war geplant, bei zwölf CDU-Wahlkampfveranstaltungen im Saarland aufzutreten, der Vertrag war bereits unterschrieben. Neben der hohen Garantiesumme überredete Manager Dieter Behlinda Gabriel mit dem Argument, dass er dort Menschen erreiche, bei denen er noch etwas bewirken könne. – Seine Fans sahen das anders, nach Bekanntwerden des Vorhabens wurde er angefeindet und hat den Vertrag annullieren lassen. (Interessanterweise erzählt Gabriel in seinen Erinnerungen etwas von zwölf geplanten Konzerten für die CDU, während in Dieter Behlindas Erinnerungen die Rede von zwanzig SPD-Konzerten ist – sei es, wie es sei, der Streit führte damals wohl zur Trennung von Manager Behlinda).

Vor genau 40 Jahren kam ein Lied in die Charts, das erneut quasi Gunters Lieblingsthema aufgriff – die Unterzeile „Das Lied vom einfachen Mann“ belegt das. Die Eigenkomposition „Mit dem Hammer in der Hand“ lag Gabriel am Herzen – auf dem Cover der Single-Rückseite beschreibt er, dass er den „Hammer“ in vielerlei Hinsicht als Metapher für das Gute, aber auch das Böse sehe: „Mit dem Hammer „Atom“ hat man entweder eine Bombe, um die Erde in Stücke zu fetzen, oder eine Energiequelle für Millionen“ beschreibt er damit den Liedtext. Tatsächlich hatte er als erster Interpret und Texter die Industrie- und Arbeitswelt in den Schlager eingeführt.

Im Schlagerbuch „Schlager lügen nicht“ wird die Kehrseite dieses Images beschrieben: „Inzwischen hatte, dank der Frauenbewegung, der ‚Kerl, ein ganzer Mann‘ abgedankt, das gefragte Männerbild vertrat nun der ‚Softie‘. Gabriel selbst verhedderte sich bald in seinem eigenen Image. In Alfred Bioleks Boulevard Bio konfrontierte er 1993 Gunter Gabriel und Alice Schwarzer persönlich miteinander. Unser Held nutzte die Gelegenheit, um dem aufgebrachten Publikum und einer konsternierten EMMA-Herausgeberin die Vorteile gelegentlicher körperlicher Züchtigungen im Beziehungsalltag zu schildern.“

In der Tat schien die Masche des „Proletarier-Schlagersängers“ erste Dämpfer zu bekommen – der „Hammer-Song“ platzierte sich gerade mal vier Wochen in den Hit-Listen. Allerdings war der Song auch eine Auskoppelung aus der erfolgreichen LP „Das ist meine Art“.

Größeren Erfolg hatte Gunter damals mit seinen Texten für andere Interpreten. Nachdem er 1971 bereits für Rex Gildo einen Song schrieb („Nimm meine Hand“) und auch mit Phil & John („Schatten der Nacht, 1973), Bernhard Brink („Ich gehe mit Dir“,  1974) und vor allem Frank Zander (dessen „erster deutscher Rap“, der Ur-Ur-Enkel von Frankenstein war ebenso ein Text Gabriels wie das legendäre „Ich trink‘ auf Dein Wohl, Marie“) Achtungs-Erfolge vorweisen konnte, gelang ihm als Song-Schreiber für andere 1975 der große Wurf.

Verlagschef Peter Meisel fragte Gunter Gabriel, ob er nicht eine Song-Idee für Juliane Werding habe. Im Jahr der Frau kam Gunter (ausgerechnet) die Idee, einen Song über eine emanzipierte Frau in einer Kneipenatmosphäre zu machen – am Ende sollte Juliane als Siegerin in der Männer-Domäne „Skat“ da stehen. Es hat schon etwas von Real-Satire, dass ausgerechnet Gunter Gabriel einen der erfolgreichsten Emanzipations-Songs der 70er Jahre geschrieben hat. Dabei hatte er selbst gar nicht mit einem Hit gerechnet. O-Ton eines Interviews aus Januar 1976 mit dem Branchenblatt Musikmarkt: „Gerade bei einer Interpretin wie Juliane, die ja anerkanntermaßen in der letzten Zeit herzlich wenig Erfolg gehabt hat, war das unwahrscheinlich“.

In den nächsten Jahren schrieb Gabriel für einige Interpreten Lieder, die teilweise zu Hits wurden, beispielsweise für Wencke Myhre („Ein Sonntag im Bett“ und „Das wär‘ John nie passiert“, jeweils 1976), Elke Best (ebenfalls ein Emanzipations-Song: „Die Babies krieg‘ immer noch ich“ sowie „Fang mich“, jeweils 1976; Elke Best ist übrigens seit fast 30 Jahren die Ehefrau des Schauspielers Christian Kohlund), Peter Petrel („Das ist doch gar nicht unser Bier“, 1976) Jürgen Drews („Schulschluss“, 1979), Siw Inger („Hey, nur nicht drängeln, junger Mann“, 1978) und – man höre und staune – Peter Alexander („Ich lass Dir den Kochtopf, lass Du mir mein Bier“ – da war man wohl schon wieder etwas weg vom Emanzipations-Thema).

Bevor es weiter geht mit dem Interpreten Gunter Gabriel, ist eine Anekdote noch erzählenswert, wie es zum Song Stefan Hallbergs kam: „Wer wird deutscher Meister? H-H-H-HSV!“, der drei mal in der ZDF-Hitparade erklang – sehr zur Freude des HSV-Fans Dieter Thomas Heck. Der Legende nach bat Jazz-Produzent Siggi M. Loch Gunter Gabriel, einen Fußball-Song zu schreiben. Der Witz an der Sache war, dass Gunter von Fußball ähnlich wenig verstand wie von Emanzipation – ganz offensichtlich eine gute Voraussetzung, zumal der Interpret, Stefan Hallberg, alles andere als HSV-Fan war. Heute nicht vorstellbar – damals Realität: Der HSV wurde tatsächlich deutscher Meister, und die Single überaus erfolgreich. HSV-Fan und Stadionsprecher Lotto King Karl hält den Song mit seiner Version am Leben.

Nachdem der letzte eher sozialkritisch gehaltene Song Gabriels nicht so wie gewünscht einschlug, machte er einen für damalige Verhältnisse leicht schlüpfrigen Schlager, mit dem er prompt erstmals überhaupt in der ZDF-Hitparade sich platzieren konnte und zudem die Top-10 der Verkaufs-Hitparade erreichte – sein Song „Komm unter meine Decke“ schlug ein. Das Rezept, eine „sinnliche Schlafzimmerstimme“ zu simulieren, indem der Vortrag durch Geflüster und Geknurre angereichert wird, hat funktioniert. Allerdings floss vorher viel Schweiß: Gabriel musste seinen Text sechs mal abändern, bis Verleger Thomas Meisel es „abgesegnet“ hat. Ironie des Schicksals: Für diesen Song bekam Gunter seine erste „Goldene Schallplatte“ – allerdings nicht für seine Interpretation, sondern für die von James Last, der den Song auf eine seiner LPs genommen hatte – Gunter Gabriel bekam die Ehrung als Texter und Komponist des Stücks.

Mit der nächsten Single nahm Gabriel wieder die Position des hart  arbeitenden einfachen Manns ein, indem er die knochenharte Arbeit der Streckenbauer der Bundesbahn beschrieb – „Intercity Linie Nr. 4“ war ein Achtungserfolg, der sich eine Woche in der Verkaufs-Hitparade halten konnte.

Auf der darauf folgenden Scheibe vermischte Gunter seine musikalischen Vorlieben: der „kleine Mann“ ist diesmal auch vom Namen her „Klein“: ein Fernseh-Techniker namens Willy Klein ist Held des Stücks, der sich (frivole Komponente) nicht nur um die TV-Geräte, sondern gleich auch um das Wohlbefinden derer Besitzerinnen gekümmert hatte.

Der Besungene („Willy Klein“) trat eine Zeit lang sogar mit Gunter Gabriel auf, es war ein Berliner Original, das auch abseits des Schlagers als Artist, Parodist u. a. von Hans Moser und Theo Lingen auf sich aufmerksam machte. Gunter Gabriel setzte dem Varieté-Künstler mit „Willy Klein, der Fernsehmann“ ein musikalisches Denkmal.

Neben dem „Helden“ Willy Klein beschrieb Gunter Gabriel auf seiner LP „Meine Helden und andere Pechvögel“. Bestandteil dieser LP war auch ein Hit, der die Geschichte eines kleinen Jungen erzählte, der sich vom Präsidenten einen Job für seinen arbeitslosen Vater wünscht, weil dieser mit seiner ewigen Sauferei der Familie zur Last fällt. „Papa trinkt Bier“.

Mit diesen Hits im Gepäck, beschloss man, für Ende 1977 eine große Deutschland-Tournee zu starten. Es wurde recht viel in Bewegung gesetzt damals, so wurden als Musiker u. a. renommierte Größen wie Gottfried Böttger (Klavier), Dickie Tarrach (Schlagzeug) und Antonia Maaß (Gesang) gewonnen.

Geplant war eine Tour mit Gabriels großen Erfolgen, aber auch Einlagen wie die von Fernsehmann „Willy Klein“ und Lokal-Matadoren, die bei den 20 geplanten Konzerten lokales Kolorit in die Veranstaltungen bringen sollten. Die Promotion-Maschinerie für die Tour war ungewöhnlich groß, so wurde sie von der Hörzu, RTL und Bertelsmann (bzw. dessen Club-Filialen) gesponsort. Die Konzertreise sollte am 27.10.77 in Augsburg beginnen, vorher kam es zu einem vorgeschobenen Test-Konzet am 28. August 1977 in der Berliner Kongresshalle (aus Anlass der Eröffnungswoche der Berliner Funkausstellung).

Das Testkonzert missglückte aufgrund „musikalischer Differenzen“. Trotz vieler Verhandlungen ließ sich Gunter Gabriel nicht umstimmen und sagte die komplette Tournee ab. Die Kosten musste Gunter Gabriel dafür selber tragen, was wohl der erste Schritt für einen späteren finanziellen Absturz werden sollte. Auch die Beteiligung am Steuersparmodell „Bauherrenmodell“ scheiterte gründlich und endete im Fiasko – Gunter Gabriel bekam finanzielle Probleme.

Um wieder besser auf die Beine zu kommen, beschloss er (gemeinsam mit seinem damaligen Manager Jürgen Otterstein, dessen Firma „Tabaris“ er seit März 1977 angehörte), die Plattenfirma zu wechseln – weg von der „bewährten“ Hansa – hin zur Polydor.

Dazu zwei Zitate – am 01.01.1976 äußerte Gabriel im Branchenblatt Musikmarkt auf die Frage nach Angeboten von anderen Plattenfirmen: „Ich bin der Meinung, dass es auch ein diesem Gebiet so was wie Fairness geben muss. Wenn ein Produzent jahrelang in einen Künstler investiert, und es passiert nichts, ist es eine Schweinerei, beim ersten wirklichen Erfolg das Pferd zu wechseln.“ Am 01.09.1977 ist im gleichen Blatt zu lesen: „Als Interpret wird Gunter Gabriel nach Auslaufen seines derzeitigen Vertrages mit der Berliner Hansa im Jahre 1978 auf dem roten Polydor-Label zu finden sein.“ Hintergrund des Wechsels waren wohl – wie Gabriel in seiner Autobiografie einräumt – in erster Linie finanzielle Beweggründe.

Zunächst musste aber noch der Vertrag mit Hansa erfüllt werden – zu allem Überfluss ließ in dieser Phase auch der Verkaufs-Erfolg nach – nach längerer Zeit mit Single-Hits gelang es mit der Hansa-Single „Ich schlaf‘ nicht gern allein“ nicht, in die Verkaufs-Bestenliste zu kommen. Vielleicht dadurch alarmiert, probierte man es mit der damals üblichen Allzweckwaffe, einer Coverversion eines internationalen Hits. Gunter Gabriel schrieb einen Text zum Song „Come Johnny Let’s Go Johnny“, einem Song von „J. C. Dee“, der niemand anderer war als Adam Schairer, männlicher Part des Gesangsduos Adam und Eve: „Komm Charly, fang mich Charly“ – der Erfolg dafür blieb übersichtlich.

Die letzte „reguläre“ Scheibe bei der Hansa wurde dann noch mal ein veritabler Hit, mit dem Gabriel sich noch 3 mal in Hecks Hitparade platzieren konnte und der auch in die Verkaufshitparaden kam. Damals erzählte Komponist  Norman Ascot, der kurz zuvor mit „Sieben Fässer Wein“ eine brillante musikalische Idee für Roland Kaiser hatte, ihm von seinem Hobby CB-Funken. Die beiden beschlossen, darüber ein Lied zu schreiben (auf der Rückseite des Covers gab es sogar ein kleines „CB-Funk-Lexikon“): „Ich bin ein CB-Funker“ wurde Gunter Gabriels letzter Hit in den Verkaufs-Bestenlisten.

Nach Abschluss der Hansa-Zeit ließen die Berliner es sich nicht nehmen, die 1975er Aufnahme „Oh nur mit Dir“, deutsche Version des Don Gibson-Klassikers „Oh Lonesome Me“, im Jahr 1979 als Single neu zu veröffentlichen – der erhoffte Erfolg blieb jedoch aus – ebenso wurde die 1979 veröffentlichte Single  des 1975 aufgenommenen Songs „Adios Amigo“, die Neuauflage des gleichnamigen Jim Reeves-Songs, nicht weiter beachtet.

Der 1978 fast „allgegenwärtige“ Joachim Heider produzierte Gabriels erste Single bei der Polydor, die im Prinzip die Schlagzeile lieferte, weswegen es zum Wechsel zu dieser Company kam: „Ohne Moos nichts los“, das die erste Auskopplung aus der LP „Damen wollen Kerle“ war. Dessen Titelsong machte dem Buchautoren des Schlagerbuchs „Schlager lügen nicht“ Freude – Zitat: „Er tut so, als gäbe es für die meisten Frauen nichts Schöneres, als bei peinlichen, Cowboyhüte tragenden Kerlen, die eine ‚richtige‘ Männermahlzeit zu sich zu nehmen, wieder ‚zur Frau‘ zu werden, die begeistert ‚das Pferd spielt‘“. Gabriel selbst sah das lt. Interview naturgemäß anders – bezogen auf die Polydor-Debut-LP gab er zu Protokoll: „Die Themen stammen immer noch aus dem Underdog-Bewusstsein, aus dem Milieu des Mannes von der Straße. Es sind Leute-Songs, die übertragbar sind“.

Vor diesem Hintergrund wurde als weitere Single aus der LP der Song „Du da, ich will nicht wie der da ein ganz hohes Tier sein“ ausgekoppelt, ein Lied, das Gabriel als Fortsetzung des „Hey-Boss“-Themas sah, weil in ihm das Leben zwischen Ledersesseln und Psychiater-Couch beschrieben wurde.

Man hatte sich von diesen Produktionen sicher einen größeren kommerziellen Erfolg versprochen, der aber ausblieb. Vor dem Hintergrund, dass Gabriel seit vielen Jahren Kontakte in die US-Country-Szene (insbesondere zu Johnny Cash) hatte und ab 1980 für zwei Jahre sogar eine eigene TV-Show dieses Genres moderieren durfte, ersann man für die zweite Polydor-LP „Rastlose Cowboys und ehrbare Mädchen“ ein neues Konzept. Sie beinhaltete ausschließlich deutsche Versionen von Country-Standards wie „Orange Blossom Special“, „Rocky Top“, „St. Quentin“ oder das mit dem texanischen Hobo Boxcar Willie im deutsch-amerikanischen Duett auf Single ausgekoppelte „Ehrbares Mädchen / Good Hearted Woman“. Die Scheibe wurde teilweise in Nashville mit dortigen Studiogrößen aufgenommen.

Ganz im Sinne des LP-Titels (Rastloser Cowboy trifft ehrbares Mädchen) versuchte Gunter Gabriel, auch mit seiner Tochter Yvonne noch mal einen Duett-Erfolg zu erreichen und textete das Lied „Tina weine nicht“ passend zum Conway-Twitty-Countrysong „Don’t Cry Joni“.

Nachdem all diese Veröffentlichungen mit der Polydor nicht wirklich einschlugen, ging Gabriel zurück zur Hansa. Die A-Seite der ersten neuen Single beim alten Label, „Da kannst Du wackeln mit dem Po“, war dem  ZDF vielleicht etwas zu frivol, jedenfalls hatte Gunter nach längerer Zeit wieder einen ZDF-Hitparadenauftritt, was während seiner Polydor-Zugehörigkeit nicht der Fall war. In Berlin sang er allerdings die B-Seite der Scheibe, „Sechs Dinge braucht der Mann“.

Nachdem das nicht so funktioniert hatte, griff Gunter Gabriel 1981 erst mal wieder auf ein Cover zurück: Aus  Kirsty MacColls „There's a guy works down the chip shop swears he's Elvis“  machte er den meines Erachtens eher zu Tony Marshall passenden Text „Heute trinken wir auf alles, was wir lieben“. Ein Jahr später sah Gabriel wohl ein, dass die Textzeile nicht so gelungen ist und ersann für seine LP „Waschecht“ zur gleichen Melodie den Text „‘n Typ wie Elvis“. In jener Zeit hat sich übrigens auch Maggie Mae des Songs angenommen – Werner Schüler schrieb ihr den Text „Und der Weihnachtsmann behauptet, er ist Elvis“. – Die beiden Coverversionen von Gunter Gabriel und die von Maggie Mae haben eine Gemeinsamkeit: Ihr Erfolg konnte nicht an den des englischsprachigen Originals heranreichen.

Im Anschluss  war die Stadt Berlin Thema bei Gunter Gabriel – zum zweiten mal in Folge kam es zum Phänomen, dass die A-Seite, „Es steht ein Haus in West-Berlin“,  nicht in der TV-Hitparade zu hören war, sondern erneut die B-Seite, die zur aus Berlin ausgestrahlten Sendung allerdings auch gut passte: „Ich bin ein Berliner“. Bei der A-Seite handelt es sich um die deutsche Version des Klassikers „There Is A House in New Orleans“, den Gabriel im Jahr 2000 erneut coverte („Es steht ein Haus im Kosovo“).  Übrigens hat sich die Österreichische Band Erste Allgemeine Verunsicherung Anfang der 90er Jahre ein an Gabriels erste Version vielleicht angelehntes Cover gemacht mit ihrem „Es steht ein Haus in Ost(!)-Berlin“.

Nach diesen drei Singles wurde nach längerer Zeit wieder eine LP, das bereits erwähnte Album „Waschecht“, produziert. Darauf enthalten ist ein Song, der erstaunlicherweise zunächst nicht als Single-A-Seite ausgekoppelt wurde, aber eine heimliche Hymne Gabriels wurde, auch wenn ihm von gewissen Kreisen (meines Erachtens völlig unberechtigterweise) faschistoide Züge attestiert wurden: er schrieb sein „Heimatlied“ auf Deutschland, „Deutschland ist“. Mit „Schwarz wie die Kohlen im Revier, rot wie die Lippen der Mädchen hier – Gold wie der Weizen und das Bier – das sind die Farben, die Farben von Dir“ – viele empfanden dieses von Nationalstolz geprägte Lied als authentischer als beispielsweise René Carols „Kein Land kann schöner sein“. Erst 1990, nach dem Mauerfall, hat man das Lied für eine Single-Auskoppelung entdeckt.

Hitverdächtiger schien den Entscheidern 1982, in der Hochzeit der Neuen Deutschen Welle, damals wohl eher das frivole  „Ich tanze nie mehr eng“ und das an seine Tochter adressierte, von Joachim Heider produzierte „Komm nach Haus‘ und wein Dich aus bei Daddy“.

1983 endete die „zweite Hansa-Periode“ mit Gabriels Lieblingsthema: „Mein Laster ist mein Laster“ konnte sich aber gegen die Helden der NdW nicht durchsetzen. In jenem Jahr war Gabriel dafür sportlich sehr aktiv, so bewältigte er im Oktober 1983 sogar den 42-km-New-York-Marathonlauf. In dieser Zeit fuhr er mit dem Rad von Berlin nach Paris in vier Tagen und schwamm quer durch den Vierwaldstädter See in 145 Minuten.

In den Folgejahren wechselte Gunter Gabriel regelmäßig die Plattenfirmen, an alte Hits konnte er aber nicht mehr anknüpfen. Bereits 1984 wurde bei der CBS die Single „Emma Emma“ veröffentlicht, eine Produktion Jochen Petersens.

Zwei Jahre später wechselte er zur Bellaphon und hatte da durchaus einen Achtungserfolg: Die Single „Mädchen ab 30“, eine Eigenkomposition, setzte sich in vielen Rundfunkhitparaden durch.

Nach diesem typischen Schlager wurde es bei der Bellaphon noch einmal politisch – der im Duett mit Manfred Krug, der damals einen Lkw-Fahrer in der Vorabendserie „Auf Achse spielte“, produzierte  Song „Hallo Dortmund (stark für Made in Germany)“ wurde bei der TV-Show zum Thema 100 Jahre Autombil („Die 100.000 PS-Show“) einem großen Publikum vorgestellt.

Eine weitere Stadt wurde von Gabriel auf ungewöhnliche Weise besungen – „Was macht Berlin zu Berlin“ – der Song wurde auf dem kleinen Label „NA Records“ veröffentlicht, wobei „NA“ für Gunters alten Kumpel „Norman Ascot“ stand.

1987 mischte sich Gabriel in den Kampf der Rheinhausener Stahlarbeiter ein und kämpfte mit ihnen für den Erhalt ihres Stahlwerkes. Der Text des zum Zeitgeist passenden „Rheinhausen“ war auf der Single-Hülle damals abgedruckt. Inzwischen war der Sänger beim kleinen Plattenlabel WPL angekommen.

Nach vielen Jahren wurde 1989 dann mal wieder eine LP von Gunter Gabriel produziert: Das junge Label Dino nahm ihn unter Vertrag und veröffentlichte seinen viel beachteten Longplay „Dieselknechte“ mit der darauf enthaltenen Single „Deutsches Laster gutes Laster“. Man hört den Songs förmlich an, dass sie in der Zeit von Gunters Lebenskrise entstanden, als er sich in einem Wohnwagen lebend durchs Leben schlug.

Über die bei ZYX-Records erschienene Techno-Version seines Hits, „Hey Boss `90“, sollte man wohl lieber den Mantel des Schweigens hängen. Ganz offensichtlich führten finanzielle Überlegungen dazu, diese vermeintlich aufpolierte Version seines Klassikers herauszubringen. Wie zu erwarten war, gab es damit einen grandiosen Flop. Weit mehr Beachtung fand wie erwähnt die Hansa-Single-Auskopplung aus dem „Waschecht-Album“, nämlich „Deutschland ist“ – passend zur deutschen Wiedervereinigung.

1991 nahm Gunter am Song-Festival „Schlager `91“ teil und landete mit dem Lied „Es war nicht alles schlecht, was früher einmal gut war“ auf einem Platz im Mittelfeld. Der Song wurde nicht als Single veröffentlicht, war erst später Bestandteil einer CD.

Zwei Jahre später hatte Roy wieder eine ungewöhnliche Idee – er veröffentlichte einen Gedenk-Song an Roy Black mit „Roy – Du bist nicht allein“, das als Abschiedslied für den kurz zuvor verstorbenen Sänger gelten sollte. Gunter Gabriel argumentierte damals: „Ich habe schon immer bewundert, wie die Amerikaner ihre toten Sänger ehren. Warum soll das in Deutschland nicht möglich sein?“. Vielleicht auch in Selbstreflexion – angesichts der vielen Krisen, die Gabriel bereits durchlebt hatte – sang er: „Du hattest Millionen Freunde, aber keinen einzigen, wenn es nötig war“.

Anschließend wurde es wieder etwas fröhlicher – auf dem Active-Label bekannte Gabriel: „Den Rocker kriegst Du nicht mehr aus mir raus“.  – Das gilt aber sicher auch für den Country- und Schlager-Star, denn 1995 sah er sich in folgender Liga: Mit „Truck Stop, Tom Astor und ich“ landete er bei Koch-Records, was quasi Nachfolger seiner früheren Plattenfirma Polydor war. Diesmal klappte es sogar (letztmals) mit einem Einsatz des Songs in der ZDF-Hitparade. „Wir stehen nicht auf Disco-Dance, auf Techno und den Stuss“ –das nimmt man Gunter Gabriel zwar ab, fragt sich dann aber, was diese „Hey Boss `90“-Version dann sollte? Ach ja: „Ohne Moos nix los“.

Der Song war eine Auskopplung aus einem neu produzierten Album namens „Straßenhund“, auf dem recht bekannte Gabriel-Songs wie „Liebst Du `nen arbeitslosen Star?“ und „Der letzte Wagen ist immer ein Kombi“ enthalten waren. Gabriel produzierte die Scheibe damals in Eigen-Regie im Hamburger Chamäleon-Studio. Neben der Problematik, dass die CD nicht erfolgreich lief, machte der US-Musiker Garth Brooks ein Problem. Dessen Song hatte Gabriel ins Deutsche übersetzt. Die Genehmigung zur Veröffentlichung der Gabriel-Version zog Garth Brooks zurück – somit blieb Gabriel auf 20.000 Silberlingen sitzen, weil sie nicht veröffentlicht werden durften.

Danach wurde es mehrere Jahre still um Gunter Gabriel. Anfang des neuen Jahrtausends machte er dann mit einigen politischen bzw. zum Zeitgeist passenden Liedern auf sich aufmerksam, so setzte er sich wie bereits erwähnt 2000 (auf dem TCS-Label) zum Aufbau ehemaliger Krisengebiete ein: „Es steht ein Haus im Kosovo“. Hintergrund war eine Einladung der Bundesregierung an Gunter Gabriel, für Bundeswehr-Soldaten zu singen, die damals im Krisengebiet tätig waren.

Ein Jahr später, kurz vor EURO-Einführung, sprach Gunter Gabriel auf einer Single, dessen Cover Scheine  der alten Währung zierte, das aus, was damals (bisweilen auch heute) viele dachten: „Bye Bye, Deutsche Mark“ (erschienen auf dem Rough-Trade-Label „E-Park“).

Der langjährige Erfolg Gunter Gabriels machte auch nachfolgende Generationen auf Gunter aufmerksam. Die extrem erfolgreiche Berliner Band die Ärzte bat ihn, für das Album „Geräusch“ ein Duett zu singen – Gunter sagte zu, und so entstand der „Besserwisser Boy“. Im Gegenzug sollten die Ärzte einen Song einer geplanten (und später auch umgesetzten) Tribute-CD einsingen. Die Box mit dem treffenden Namen „Liebe, Autos, Abenteuer“ erschien zwar, und unglaublich unterschiedliche Interpreten wie Truck Stop und die Kassierer huldigten Gunter Gabriel – nicht so aber die Ärzte, die ein Image-Problem damit hatten, dass Gabriel in jenen Jahren im TV-Trash-Format „Die Alm“ mitwirkte. So musste die CD-Box ohne die Ärzte klar kommen, was der Qualität und Vielfalt der darauf enthaltenen Aufnahmen nicht wirklich geschadet hat.

Im Jahr 2003 feierte der Moderator und Entertainer Chris Howland seinen 75. Geburtstag. Zu diesem Anlass erschien bei „Bear-Family“ der Song  „Wahre Liebe gibt’s nur unter Männern“, in dem Gabriel beschreibt,  wie er Howland kennen und schätzen lernte und aus dem einstigen Idol später ein Freund und Kollege wurde.

Ein Jahr später erschien bei dem genannten renommierten Label für Wiederveröffentlichungen Bear Family Records eine CD-Box, die sämtliche Aufnahmen Gunter Gabriels, die zwischen 1972 und 1983 aufgenommen wurden, enthielt. Bestandteil der Box ist auch ein knapp  100-seitiges Buch über Gunter Gabriel, der sich über die hohe Wertigkeit und aufwendige Gestaltung dieser Box sehr gefreut hat.

Anlässlich der Fußball-WM in Deutschland brachte Gabriel dann eine Single heraus, in der er dazu mahnte, auch nach dem „Sommermärchen“ seinen Nationalstolz zu bewahren: „Lasst die Fahnen auf dem Dach!“, veröffentlicht auf dem Polydor-Nachfolgelabel „Koch Records“. Anlässlich der Europameisterschaft 2008 hat er das Lied in leicht abgewandelter Form („Holt die Fahnen aus dem Schrank!“) noch mal wiederveröffentlicht.

Weihnachten 2006 ging Gunter Gabriel dann auch unter die Weihnachts-Lied-Sänger, allerdings mit (lt. CD-Cover) dem „anderen Weihnachtslied“, das er seiner Tochter Lisamarie, die am Heiligen Abend geboren ist, widmete und das vor allem Fernfahrern gewidmet ist, die gestresst an Weihnachten zu Hause sein wollen – erst recht, wenn sie ein „Trennungsproblem“ haben.

Kurz darauf war Gunter Gabriel Gast in einer Talkshow des NDR. Auf seine noch immer immensen Steuerschulden angesprochen, machte er den Vorschlag, für jeden, der mag, ein Konzert zu geben gegen eine Gage von 1.000 EUR. Hintergedanke war, dass er nach 500 Konzerten schuldenfrei sein müsste und nicht (wie viele seiner Kollegen) in die Privatinsolvenz gehen musste. – Der Aufruf wurde ein voller Erfolg, das Konzept wurde Kult, bis heute sind die sog. „Wohnzimmerkonzerte“ Bestandteil von Gunter Gabriels Karriere.

Nachdem er wieder „auf die Füße“ kam, wurde ihm 2009 wieder von einer großen Plattenfirma (Warner) das Angebot gemacht, mit neuer CD zu seinen Wurzeln zurückzukehren. Die Scheibe „Sohn aus dem Volk – German Recordings“ wurde ein großer Erfolg, nach vielen Jahren kehrte Gabriel damit sogar wieder in die CD-Charts zurück. Auf der von Wolfgang Stach produzierten CD befinden sich neben neuen eigenen Titeln auch Songs unterschiedlichen Genres, die Gabriel auf seine Art und Weise interpretierte.

Auf Single wurden die Songs „Ich geb‘ den Rest für Dich“, eine Eigenkomposition, und „Nie wieder wart‘ ich so lang“, komponiert vom ehemaligen BAP-Gitarristen Wolfgang Krumminga, ausgekoppelt.

Parallel erschien in jenem Jahr die mit dem Co-Autor Oliver Flesch verfasste Autobiografie unter dem Titel „Wer einmal tief im Keller saß“.

Beflügelt von diesem Erfolg, veröffentlichte das Label Warner die 2003er Produktion „Gabriel singt Cash“ in erweiterter Auflage – dort interpretiert Gunter Gabriel Johnny Cash-Songs auf seine Art in deutscher Sprache. An den Erfolg der Vorgänger-CD konnte das Album allerdings nicht anknüpfen.

Wie einige seiner ZDF-Hitparaden-Kollegen, nahm auch Gunter Gabriel an der Vox-TV-Show „Cover My Song“ teil. Obwohl er kein Rap-Freund ist, hat er sich des Songs des Rappers „Fard“ angenommen und den Song „Peter Pan“ auf seine persönliche Art und Weise interpretiert.

Zur Freude vieler Fans und Nostalgiker wurde kürzlich eine 5-CD-Box („Original Album Classics“) zu einem günstigen Preis veröffentlicht, bei denen als Re-Release alte Gabriel-Alben  wieder verfügbar gemacht wurden.

Auf einer Single aus dem Jahre 1983 steht auf der Rückseite beschrieben, was den Erfolg Gunter Gabriels wohl bis heute ausmacht: „Die Trucker halten ihm die Treue – jene, für die er sein erstes Lied damals schrieb und das noch heute eine Hymne ist, das Lied vom 30-Tonner-Diesel. Festivals Jahr für Jahr für all die, die nicht so recht an ihn glaubten – er hat sie alle wieder, wenn er seine Gitarre umhängt und loslegt. Energie-Schock-Gabriel.“

 

Stephan Imming, 17.05.2015

https://www.guntergabriel.de/

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